Referiert – kommentiert

Referat

A. Madisch

Nosokomiale Pneumonie durch Stressulkusprophylaxe? Ref riert–kom entiert BMJ 2013; 347: f5416 Hintergrund: Nosokomiale Pneumonien sind eine häufige Komplikation nach kardialen Operationen. Um gastrointestinale Stressgeschwüre zu vermeiden, werden nach einer kardialen Operation zudem häufig säurehemmende Medikamente eingesetzt. Einige Studien haben eine Assoziation zwischen diesen Medikamenten und einem erhöhten Pneumonierisiko gezeigt. Bateman et al. verglichen diesbezüglich nun den Effekt von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) und H2-Rezeptorblockern. Methoden: Die retrospektive Kohortenstudie verwendete Daten der Premier Research Database. Ausgewertet wurden die Daten von 21 214 Patienten über 18 Jahren,

die zwischen 2004 und 2010 in den USA eine koronare Bypassoperation erhielten. Davon erhielten postoperativ 9830 (46,3%) PPI und 11 384 (53,7%) H2-Blocker. Primärer Endpunkt waren postoperative Pneumonien, sekundäre Endpunkte gastrointestinale Blutungen und die Gesamtmortalität im Krankenhaus. Ergebnisse: Bei 492 (5,0%) der mit PPI behandelten und 487 (4,3%) der mit H2-Blocker behandelten Patienten entwickelte sich postoperativ eine Pneumonie. Nach Korrektur hinsichtlich potenzieller Störfaktoren ergab sich daraus ein erhöhtes Risiko bei PPI-Therapie (Relatives Risko 1,19; 95%Konfidenzintervall [KI] 1,03–1,38). 10,3% der Patienten mit postoperativer Pneumo-

nie starben im Vergleich zu 1,1% der Patienten ohne Pneumonie. Die Gesamtmortalität lag in beiden Behandlungsgruppen mit 1,57% gleichauf. Die Rate gastrointestinaler Blutungen betrug in der PPI-Gruppe 0,16%, in der H2-Blocker-Gruppe 0,17%. Folgerung: In dieser Studie war nach einer koronaren Bypassoperation die postoperative Gabe von PPI im Vergleich zu H2-Blockern mit einem erhöhten Risiko für eine postoperative Pneumonie verbunden. Angesichts der beträchtlichen Mortalität dieser Komplikation sollten Ärzte bei der Wahl des Medikaments zur Stressulkusprophylaxe diese Ergebnisse berücksichtigen, so die Autoren. Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

Kommentar

Risiko einer nosokomialen Pneumonie unter Stressulkusprophylaxe erhöht Seit längerem gibt es wissenschaftliche Daten, dass die Stressulkusprophylaxe mit einem Protonenpumpenhemmer (PPI) bei Intensivpatienten zu einer erhöhten Rate an nosokomialen Pneumonien führt. Prof. Dr. A. Madisch, Das Risiko soll höher Hannover sein als unter den H2Rezeptorantagonisten, die ebenfalls zur Stressulkusprophylaxe eingesetzt werden können. Die vorliegende Kohortenanalyse einer sehr großen Datenbasis mit über 20 000 Patienten beziffert die Risikoerhöhung unter Protonenpumpenblockertherapie auf 15 – 19%. Die Häufigkeit einer nosokomialen Pneumonie lag dabei bei 5,0% unter PPI-Therapie und bei 4,3% unter einer H2Rezeptorantagonisten-Therapie. Diese Daten zeigen erst einmal grundsätzlich und bestätigen nochmals, dass eine säuresupprimierende Therapie zu einem erhöhten Risiko einer nosokomialen Pneumonie führt – unabhängig von der verwendeten Substanz. Die pathophysiologischen Überlegungen dahinter zielen zum einen auf eine bakterielle Besiedlung im oberen Gastrointestinaltrakt, die bei zusätzlicher

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138, Nr. 47

Mikroaspiration zu einer Pneumonie führt. Zum anderen werden unter PPI immunmodulatorische Veränderungen diskutiert, die eine Pneumonie begünstigen. In jedem Fall zeigen die Daten auch, dass die Mortalität unter einer nosokomialen Pneumonie bei Patienten nach einer Bypassoperation deutlich ansteigt im Vergleich zu den Patienten, bei denen sich keine Pneumonie entwickelt. Aus diesem Grund hat die korrekte Indikationsstellung einer Stressulkusprophylaxe bei dieser Fragestellung eine enorme klinische Relevanz im Alltag. Die publizierten Daten weisen jedoch in der Aussagekraft einige Limitationen auf. In erster Linie handelt es sich bei der Untersuchung um eine Datenanalyse einer großen Datenbank und nicht um eine kontrollierte Studie. Darüber hinaus muss neben dem Risiko einer nosokomialen Pneumonie auch die Risikoreduzierung einer potenziell lebensbedrohlichen gastrointestinalen Blutung bewertet werden. Dies wird in der Studie nicht explizit betrachtet. Es muss dabei auch berücksichtigt werden, dass die Ulkusprophylaxe einschließlich Komplikationen (Blutung, Perforation u.a.) unter PPI besser gelingt als unter H2-Rezeptorantagonisten. Dies gilt insbesondere bei längerfristiger Therapie, da die säuresupprimierende Wirkung bei H2-Rezeptorantagonisten durch

Tachyphylaxie bei länger andauernder Therapie nachlässt. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung, dass das Risiko einer nosokomialen Pneumonie mit entsprechender Mortalitätserhöhung unter einer säuresupprimierenden Therapie erhöht ist – unabhängig von der verwendeten Medikamentengruppe. Ob dabei der Unterschied zwischen PPI und H2Rezeptorantagonisten klinisch eine Rolle spielt, ist fraglich. Vielmehr ist die Konsequenz aus den Daten zu ziehen, dass die Indikationsstellung einer entsprechenden säuresupprimierenden Therapie im Sinne der Stressulkusprophylaxe sehr streng zu stellen ist. Aus diesem Grund wären Studien wünschenswert, die Faktoren untersuchen, die zu einer Risikostratifizierung bei Verwendung einer Stressulkusprophylaxe von Intensivpatienten herangezogen werden können. Prof. Dr. med. Ahmed Madisch Klinikum Region Hannover GmbH, Klinikum Siloah, Medizinische Klinik I, Hannover Interessenkonflikte: keine DOI 10.1055/s-0032-1329067

Schlüsselwörter Referiert – kommen-

Heruntergeladen von: Universite Laval. Urheberrechtlich geschützt.

2398

[Nosocomial pneumonia during stress ulcer prophylaxis? - risk of nosocomial pneumonia is increased during stress ulcer prophylaxis].

[Nosocomial pneumonia during stress ulcer prophylaxis? - risk of nosocomial pneumonia is increased during stress ulcer prophylaxis]. - PDF Download Free
99KB Sizes 0 Downloads 0 Views