Schwerpunkt Herz 2015 DOI 10.1007/s00059-015-4233-3 © Urban & Vogel 2015

J. Shariati1 · T. Schlosser2 · R. Erbel1 1 Westdeutsches Herz- und Gefäßzentrum, Klinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Duisburg-Essen, Essen 2 Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie,

Universitätsklinikum Duisburg-Essen, Essen

„Non-compaction“Kardiomyopathie Definition Im Jahre 1984 wurde zum ersten Mal von Engberding und Bender eine neue Form von Kardiomyopathien beschrieben. Die „Non-compaction“-Kardiomyopathie (NCCM) ist eine myokardiale Erkrankung, gekennzeichnet durch prominente ventrikuläre Trabekel und tiefe Recessus der subendokardialen Oberfläche des linken und zum Teil auch des rechten Ventrikels, die mit oder ohne linksventrikuläre (LV-)Dysfunktion aus dem ventrikulären Hohlraum bis an die Grenze des Epikards reichen [1, 2]. Die vorangegangenen Publikationen betrachteten die NCCM nur in Assoziation mit anderen angeborenen Anomalien wie Pulmonalklappenatresie mit intaktem Ventrikelseptum oder mit Aortenatresie [3]. Obwohl die American Heart Association die NCCM als primäre genetische Kardiomyopathie klassifizierte [4], bezeichnete die Europäische Gesellschaft für Kardiologie sie als „nicht klassifizierte Kardiomyopahtie“ [5] basierend auf der Tatsache, dass die NCCM eine morphologische Manifestation von mehreren verschiedenen Kardiomyopathien sein kann. Die Prävalenz der NCCM variiert beträchtlich zwischen den verschiedenen Serien und ist noch weitgehend unbekannt. Einige Einschränkungen für diese Einschätzung sind die verschiedenen diagnostischen Kriterien, die heterogenen Populationen und das retrospektive Design der meisten Studien. In den pädiatrischen Patientenkollektiven beträgt die Prävalenz bis zu 9% bezüglich aller primären Kardiomyopathien. Somit ist die NCCM nach der dilatativen (DCM) und

der hypertrophen (HCM) die dritthäufigste Kardiomyopahtie [6], während die Prävalenz der NCCM bei Patienten, die von Echokardiographielaboren gemeldet werden, im Bereich zwischen 0,014 und 1,26% [7] und in einer großen Kohorte von Erwachsenen mit Herzinsuffizienz bei 3% liegt [8]. Aufgrund mangelnder Kenntnisse und Erfahrung wird die Erkrankung zurzeit vermutlich häufig übersehen. So ist in der Zukunft mit sich ausweitender Aufmerksamkeit in der Ärzteschaft eine höhere Prävalenz der Erkrankung zu erwarten.

Ätiologie und Pathogenese Die Entwicklung des Herzens beinhaltet wundersame und genau geregelte molekularembryogenetische Ereignisse, getriggert und modifiziert durch gewebespezifische Signalstoffe und Transkriptionsfaktoren. In der Pathogenese der NCCM wird seit längerer Zeit das Konzept der embryonalen Fehlentwicklung des Myokards diskutiert. So tritt während der 5. bis 8. Woche der Embryogenese im linken Ventrikel die trabekuläre Verdichtung gleichzeitig mit der Invasion des Myokards durch die Entwicklung des koronaren Gefäßsystems aus dem Epikard auf. Dieser Prozess kongruiert mit der Myokardreifung und wird möglicherweise durch Hypoxie in der äußersten subepikardialen Schicht des verdichtenden Myokards angeregt (. Abb. 1). Die LVVerdichtung („compaction“) schreitet von der Herzbasis in Richtung apikal und vom Epikard zum Endokard fort. So wird die Hypothese aufgestellt, dass die NCCM das Resultat eines Stillstands der trabekulären

Verdichtung in dieser Phase der Embryogenese ist [9]. Eine Ischämie scheint eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie des NCCM zu spielen. So demonstrierten die kardialen Magnetresonanztomographien (CMR), Einzelphotonenemissions-Coputertomographien (SPECT) und Kontrastechokardiographien subendokardiale, subepikardiale und transmurale Myokardperfusionsdefekte in Assoziation mit regionaler Myokarddysfunktion bei NCCM. Eine Positronenemissionstomographie (PET)-Studie zeigte darüber hinaus eine reduzierte Perfusionsreserve sowohl in nichtverdichteten als auch in verdichteten Segmenten, was auf eine mikrovaskuläre Dysfunktion hindeutet [10].

Genetik Die NCCM wird sowohl sporadisch als auch mit familiärer Häufung beobachtet. Das Vererbungsmuster der NCCM beinhaltet eine X-chromosomale Vererbung bei Männern mit isolierter NCCM. Es besteht jedoch auch ein autosomal-dominantes Vererbungsmuster bei einigen isolierten und nichtisolierten Fällen. In der Xchromosomalen Form wurden zunächst Mutationen im Gen G4.5, welches Tafazzin kodiert, identifiziert. Diese Mutation wurde auch in einer schweren X-chromosomalen neonatalen NCCM nachgewiesen und als Barth-Syndrom mit dilatiertem linken Ventrikel bezeichnet [11]. Im Zuge des Erwerbs neuer Kenntnisse über den genetischen Hintergrund wurden andere wichtige Gendefekte wie z. B. Mutationen im β-Myosin-Schwerketten-Gen, HCN4, G4.5, DTNA (α-Dystrobrevin), Cypher/ZASP, „cardiac actin“ (ACTC1), Herz 2015 

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Abb. 1 9 Parietalsicht eines sagittal geschnittenen linken Ventrikels beim menschlichen Embryo mit der Darstellung des normalen Prozesses einer trabekulären Verdichtung: a reichliche feine Trabekularisierung in der 6. Woche. b Die Trabekel fangen an, von der Herzbasis sich zu festigen, was zu einer zusätzlichen Dicke der kompakten Schicht führt; der Beginn dieses Prozesses fällt mit der Entwicklung des epikardialen Koronarsystems zusammen (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. E. Oechslin)

Abb. 2 9 a Echokardiographie eines Patienten mit NCCM: prominente Trabekel und 2-schichtiges Myokard im linken Ventrikel (Pfeile). b Tiefe blutdurchströmte intertrabekuläre Recessus (Pfeile). c Echokardiographie der 15-jährigenTochter des gleichen Patienten i. R. des Familienscreenings: sportliche Leistungsminderung in der Schule mit gemessener Ejektionsfraktion von 45%; aufgelockertes 2-schichtiges Myokard ist auffällig

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Zusammenfassung · Abstract SCN5A und MYBPC3 sowie Troponin I entdeckt [32, 37, 38]. Die Lücken für die NCCM wurden ebenfalls auf den Chromosomen 1, 5 und 11 beschrieben, aber die spezifischen Gene wurden noch nicht identifiziert. Diskutiert wird jedoch, ob die NCCM auch erworben werden kann [12, 13, 14, 15]. Basierend auf den Entwicklungsänderungen wird die Hypothese unterstützt, dass die NCCM eine Abnormität in der frühen myokardialen Morphogenese oder einen Misserfolg der vollen Reifung des kompakten Myokards widerspiegelt. Neue Fortschritte in der Genetik bringen jedoch die Frage auf, ob sich die NCCM auch postnatal entwickeln kann. So sind die morphologischen Eigenschaften der DCM und der HCM bei der Geburt nicht vorhanden, aber sie entwickeln sich während des Lebens. Patienten mit DCM, HCM und NCCM teilen allgemeine Veränderungen in Sarcomerproteingenen. Dieser allgemeine genetische Hintergrund unterstützt das Konzept, dass sich die NCCM durch bisher wenig bekannte Mechanismen auch später im Leben entwickeln kann [16]. Trotz der jüngsten Fortschritte kann nur ein Teil der Patienten mit NCCM erfolgreich genotypisiert werden, was die Diagnosebestätigung erschwert.

Klinische Ausprägung Die Symptome sind unspezifisch, aber typisch. Dyspnoe, Unwohlsein mit Angina pectoris, subjektive Leistungsminderung, symptomatische Arrhythmien, Schwindel und Synkope sind die Symptome, welche häufig dazu führen, den Arzt aufzusuchen [7, 17]. Die meisten Patienten, bei denen die NCCM diagnostiziert wird, sind asymptomatisch, wenn die Symptome jedoch auftreten, ist die Erkrankung meist fortgeschritten und mit manifester Herzinsuffizienz, malignen Arrhythmien sowie Embolien vergesellschaftet. Die typischen klinischen Befunde der NCCM sind vor allem das Ergebnis einer systolischen und diastolischen LV-Dysfunktion (. Tab. 1; [25]). Die EKG-Befunde sind unspezifisch. In einer umfassenden Analyse wurden intraventrikuläre Leitungsverzögerungen (oft Linksschenkelblock), Voltagekriterien für eine linskventrikuläre Hypertrophie und Repolarisationsano-

Herz 2015 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00059-015-4233-3 © Urban & Vogel 2015 J. Shariati · T. Schlosser · R. Erbel

„Non-compaction“-Kardiomyopathie Zusammenfassung Die „Non-compaction“-Kardiomyopathie (NCCM) ist eine genetische Erkrankung des Myokards. Sie wird durch eine 2-schichtige Ventrikelwand mit einer epikardialen dünnen kompakten Schicht und einer inneren dicken nichtkompakten Schicht mit prominenten Trabekeln und intratrabekulärem tiefen Rezessus, die mit der inneren Wand des Ventrikels, nicht aber mit dem Koronarsystem kommunizieren, charakterisiert. Vor der ersten Beschreibung als isolierte linkventrikuläre Kardiomyopathie (ILVNC) im Jahre 1984 von Engberding und Bender wurden die morphologischen Eigenschaften der NCCM nur als Begleitmerkmal anderer angeborener Herzerkrankungen wie Atresie von Semilunarklappen angesehen. Die Krankheit betrifft zwar in der Regel den linken Ventrikel, aber die Zahl der berichteten Fälle über Beteiligung des rechten Ventrikels ist gestie-

gen. Die NCCM kann ohne rechtzeitige Diagnose und Therapie im fortgeschrittenen Stadium zur Herzinsuffizienz führen. Lebensbedrohliche Komplikationen wie maligne Arrhythmien mit plötzlichem Herztod und Embolien sind bei Patienten mit NCCM bekannt. Eine multimodale Diagnostik einschließlich der Echokardiographie und der kardialen Magnetresonanztomographie (CMR) sowie einer fokussierten Analyse der Symptome und des EKG kann zu einer gültigen Diagnosestellung beitragen. Schlüsselwörter „Non-compaction“ · Kardiomyopathie · Herzinsuffizienz · Ventrikuläre Tachykardie · Thromboembolie

Noncompaction cardiomyopathy Abstract Noncompaction cardiomyopathy (NCCM) is a genetic myocardial disorder, which is characterized by a two-layered ventricle wall with a thin compact outer layer and a noncompacted inner layer, with prominent trabeculations and deep intratrabecular recesses communicating with the ventricle cavity without any contact to the coronary system. Before the initial description as isolated left ventricle cardiomyopathy (ILVCN) in 1984 by Engberding and Bender, the morphological characteristics had been described only in association with other congenital cardiac disorders, such as atresia of the semilunar valves. The disease usually involves the myocardium of the left ventricle but involvement of the right ventricular has recently been shown. Due to delayed

malien am häufigsten beobachtet, aber es wurde kein spezifisches EKG-Muster für die NCCM bei der ersten Vorstellung des Patienten definiert [18]. Ein Symptomkomplex aus familiärer Sinusknotendysfunktion und NCCM wurde jedoch im Zusammenhang mit einer HCN4-Mutation beschrieben [24].

diagnosis and therapy, in advanced stages NCCM can result in heart failure. Life-threatening complications, such as malignant arrhythmia with sudden cardiac death and embolic events have been observed in patients with NCCM. A multimodal investigation including echocardiography and cardiac magnet resonance tomography (CMR) as well as a focused analysis of symptoms can allow a valid diagnosis. Keywords Noncompaction · Cardiomyopathy · Heart failure · Ventricular tachycardia · Thromboembolism

Genotyp-PhänotypMerkmale der NCCM F In allen Altersgruppen sind Herzinsuffizienz, arterielle thromboembolische Ereignisse, und ventrikuläre Arrhythmien die allgemeine Merkmale. F Patienten und deren Angehörigen können asymptomatisch sein. F Die identifizierten genetischen Mutationen sind heterogen.

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Schwerpunkt Tab. 1  Klinische Erscheinung und Outcome der „Non-compaction“-Kardiomyopathie (NCCM). (Modifiziert nach [40]) Autor

Chin [17]

Patienten (n) 8 Art der Population Pädiatrie FA (%) 50 Follow-up ≤5 Jahre HI (%) 63 TE (%) 38 VT (%) 38 KV-Tod/HTx(%) 0 Plötzlicher Herztod (%) 13

Ichida [19]

Oechslin [7]

27 Pädiatrie 44 ≤17 Jahre 30 0 0 11 0

34 Erwachsen 18 44 Monate 68 21 41 47 18

Murphy [20] 45 Erwachsen 51a 46 Monate 67 4 20b 2 2

Lofiego [21]

Aras [22]

65 Erwachsen 31 46 Monate 34 5 6 24 5

67 Erwachsen 33 30 Monate 34 9 36 15 9

Stanton [23] 30 Erwachsen – 2,5 Jahre – 0 27b 10 10

Greutmann [18] 132 >14 Jahre 23 2,7 Jahre 13 4 4 23 9

FA Familienanamnese, HI Herzinsuffizienz, TE Thromboembolie, VT ventrikuläre Tachykardie, KV-Tod kardiovaskulärer Tod, HTx Herztransplantation. a„Non-compaction“und dilatative Kardiomyopathie. bNicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie.

Tab. 2  Diagnostische Kriterien für die „Non-compaction“-Kardiomyopathie (NCCM) Echokardiographische Chin et al. [17]: Kriterien - Die NCCM ist definiert als Verhältnis von X/Y ≤0,5. - Diese Kriterien evaluieren Trabekel an der Spitze des LV an der parasternalen Kurzachse und apikalen Ansichten und der freien Wanddicke des LV in Enddiastole. Jenni et al. [2]: - Abwesenheit anderer kardialer Anomalien als unter 2. bis 4. genannt - doppelschichtiges Myokard aus einer dünnen Schicht C und einer viel dickeren NC-Schicht mit tiefen endomyokardialen Recessus (NC/C >2) - Die Veränderungen umfassen meist (>80%) die Herzspitze und die inferioren mittleren und lateralen Anteile der LV-Wand. - Nachweis von tiefen blutdurchströmten intertrabekulären Recessus im Farbdoppler Stöllberger et al. [14]: - ≥4 Recessus herausragend aus der linken Ventrikelwand, die apikal zu den papillären Muskeln in einer Bildebene sichtbar sind - Trabekel mit der gleichen Echogenität wie das Myokard und synchrone Bewegung mit ventrikulären Kontraktionen - Perfusion der intertrabekulären Recessus von der LV-Höhle - Akquisition von Bildern in der apikalen 4-Kammer-Ansicht mit atypischem Blick, um die bestmögliche Bildqualität zur Unterscheidung zwischen „falschen“ Akkorden, aberranten Bändern und den Trabekulationen zu erhalten CMR-Kriterien Peterson et al. [26]: - Verhältnis zwischen C- und NC-Schicht in Enddiastole >2,3 Jacquier et al. [27]: - Die Trabekulationsmasse des LV beträgt >20% der globalen LV-Masse. X Entfernung von der epikardialen Oberfläche bis an den Trog der trabekulären Unterbrechung, Y Entfernung von der epikardialen Oberfläche bis an die Spitze der Trabekulation, LV linker Ventrikel, NC nichtkompakt, C kompakt, MRI Magnetresonanztomographie, CMR kardiale MRT.

F Die Mutationen in NCCM können mit anderen Kardiomyopathien assoziiert sein. Aus Studien über ältere Kinder und Erwachsene liegen Ergebnisse vor, die eine hohe Inzidenz von schweren Manifestationen, z. B. LV-Dysfunktion, thromboembolische Ereignisse (wahrscheinlich mit Ursprung aus den tiefen Trabekeln), maligne Herzrhythmusstörungen und plötzlicher Herztod („sudden cardiac de-

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ath“, SCD), bestätigen [7]. Andere Studien haben jedoch eine viel niedrigere Inzidenz von Komplikationen gemeldet. Murphy und Kollegen [20] berichteten z. B. keinerlei Todesereignisse oder Herztransplantationen bei etwa 97% von Erwachsenen mit NCCM bei einem Follow-up von 46 Monaten, was aber bei dieser Erkrankung zu kurz erscheint.

Diagnostik Die EKG-Veränderungen in Form von unspezifischen ST-Strecken-Veränderungen und T-Negativierung sowie die Verbreiterung des QRS-Komplexes können die ersten diagnostischen Hinweise geben. Als Methode der Wahl steht zurzeit die Echokardiographie für die Diagnosestellung im Vordergrund. Es gibt mehrere Definitionen, welche versuchen, die Morphologie der NCCM zu beschreiben. Diese Definitionen sind zum Teil variabel und z. T. gegensätzlich. Chin et al. [17] definierte die NCCM unter Verwendung eines Verhältnisses von kompaktem (C) und nichtkompaktem (NC) Myokard (C/ NCC ≤0,5) in der Enddiastole. Laut Stöllberger et al. ([14]; Wien-Kriterien) wird die NCCM diagnostiziert, wenn 4 oder mehr Recessus in der linken Ventrikelwand herausragen und sichtbar werden. Die diagnostischen Kriterien von Jenni et al. ([2]; sog. Zürich-Kriterien) schließen ein Verhältnis von 2-schichtigem Myokard (NC/C) größer 2 in Enddiastole ein (. Abb. 2) Die endgültige Erkennung einer NCCM bereitet nach wie vor Schwierigkeiten (. Abb. 3). Die Gründe dafür sind vielfältig, denn 1. erfordert die genaue Diagnose die Kenntnis der Krankheit und die sorgfältige Auswahl eines bildgebenden Verfahrens, damit Spezialisten, welche die Tipps und Tricks der Bildbearbeitung verstehen, das kompakte vom nichtkompakten Myokard klar und zuverlässig unterscheiden können [28];

Abb. 3 8 Bildgebendes Verfahren bei einer Patientin mit Angina pectoris und Elektrokardiogrammveränderungen bei der Aufnahme: a Einzelphotonenemissionscomputertomographie (SPECT), Verdacht auf Myokardinfarkt; b,c Magnetresonanztomographie, typisches Bild der „Non-compaction“-Kardiomyopathie (NCCM)

Abb. 4 9 Magnetresonanztomographieuntersuchung einer 27-jährigen Patientin mit „Non-compaction“Kardiomyopathie (NCCM) und rezidivierender supraventrikulärer Tachykardie (a Längsschnitt, b Querschnitt): ausgeprägte Trabekularisierung (Pfeile)

2. der Übergang zwischen prominenten physiologischen und pathologischen Trabekulationen ist fließend; so erfüllt z. B. ein hoher Anteil der Sportler die konventionellen Kriterien für die NCCM, ohne andere phänotypische Zeichen für die Erkrankung aufzuweisen [29]. Für eine valide Diagnosestellung mittels Echokardiographie scheint die Verwendung einer Kombination der Wien- und der Zürich-Kriterien sinnvoll zu sein. Petersen et al. untersuchten die Genauigkeit der CMR zur Unterscheidung zwischen pathologischer „Nichtverdichtung“ mit geringerem Grad der Trabekulation bei gesunden Menschen, Patienten mit Hypertrophie des linken Ventrikels und solchen mit Kardiomyopathien. Nichtverdichtete Areale wurden in allen Gruppen häufig beobachtet. In den

apikalen und lateralen Segmenten wurden diese viel häufiger als in den basalen und septalen Segmenten beobachtet. Petersen et al. identifizierten ein Verhältnis von nichtkompakten zu kompakten Arealen in der Enddiastolevon über 2,3 als pathologische „non-compaction“ mit einer Sensitivität von 86%, einer Spezifität von 99%, einem positiven prädiktiven Wert von 75% bzw. einem negativen prädiktiven Wert von 99% ([26]; . Abb. 4). Jacquier et al. konnten mittels CMR zeigen, dass der Prozentsatz des trabekularisierten LV-Myokards bei Patienten mit NCCM 3-mal höher ist als bei diejenigen mit DCM oder HCM. Somit wurde das pathologische Kriterium erfüllt, wenn NC/C mehr als 20% der Gesamtmasse des linken Ventrikels betraf [27]. Eine Zusammenfassung der aktuellen diagnostischen Kriterien für die NCCM gibt . Tab. 2.

Für eine präzise Diagnosestellung scheint eine Kombination aus umfassender Anamnese, genauer Beurteilung der morphologischen Komponenten sowie sorgfältiger Betrachtung der Symptomatik hilfreich zu sein.

Differenzialdiagnose Die richtige Diagnosestellung der NCCM ist angesichts ihres Potentials für komplexe, lebensbedrohliche Folgeerscheinungen unbedingt notwendig. Die Herausforderung ist beängstigend, denn es gibt bisher keinen diagnostischen „Goldstandard“ und NCCM teilt einige Eigenschaften mit HCM und DCM. Die Unterscheidung von diesen sich überlappenden Kardiomyopathien kann trotz Verwendung all uns zu verfügungsstehenden diagnostischen Mittel Probleme bereiten. Darüber hinaus muss bei jedem Patienten difHerz 2015 

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"Non-compaction" gesichert

(+) LV-Dysfunktion (+) Symptome

(+) LV-Dysfunktion (–) Symptome

(–) LV-Dysfunktion (–) Symptome

Antikoagulation bei Risikofaktoren, evidenzbasierte medikamentöse HI-Therapie, ICD- und CRT-Implantation, Familienscreening

Antikoagulation bei Risikofaktoren, evidenzbasierte medikamentöse HI-Therapie, ICD- und CRT-Implantation, Familienscreening

Antikoagulation bei Risikofaktoren, Familienscreening

Bei klinischer Stabilität jährliche klinische Untersuchung mit Echo, es sei denn Progress der Symptomatik

Klinische Untersuchung alle 1 bis 2 Jahre

Klinische Untersuchung alle 2 bis 3 Jahre

Verschlechterung oder refraktäre HI Einweisung in eine HI-Klinik zur Evaluation LVAD/HTx

ferenzialdiagnostisch auf Myo- und Perikarditis, aberrierende Sehnenfäden, endokardiale Fibroelastose, restriktive Kardiomypathien, intrakardiale Hämatome oder Abszesse sowie kardiale Metastasen gedacht werden.

Komplikationen Die meisten Patienten, bei denen eine NCCM identifiziert wird, sind asymptomatisch. Symptome beinhalten die befürchtete Triade aus Herzinsuffizienz, Arrhythmien und Thromboembolien, aber meist erst in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien (. Tab. 1). Diese können je nach phänotypischer Ausprägung in jedem Alter auftreten. Allerdings ist das erste Erscheinungsbild der Symptome variabel. So kann der Patient asymptomatisch sein oder spontan durch eines der unspezifischen Symptome von Unwohlsein bis zu SCD auffällig werden. Die beiden häufigsten klinisch signifikanten Arrhythmien bei Patienten mit NCCM sind supraventrikuläre (SVT) und ventrikuläre Tachykardie (VT) sowie Vorhofflimmern (VHF). Eine Studie, welche die niedrigste Inzidenz von anhaltenden und nichtanhaltenden VT zeigte, hatte den größten Anteil der Patienten, die mit erhalte-

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ner Pumpfunktion (EF) asymptomatisch waren [20]. Als Patienten mit NCCM mit Kontrollen mit einem ähnlichen Grad von LV-Funktionsstörung verglichen wurden, gab es keinen Unterschied in den Raten von systemischen Thromboembolien [30]. Eine Thromboembolie kann das zerebrovaskuläre, mesenteriale sowie auch das periphere vaskuläre System mit entsprechenden Komplikationen betreffen. In ihrer schweren neonatalen Form kann sich die NCCM allerdings als schwerste Herzinsuffizienz oder ventrikuläre Arrhythmie manifestieren, die zu SCD führen kann [17]. Patienten mit NCCM und Herzinsuffizienz können eine lange präklinische Phase der Erkrankung vor Entwicklung der LV-Dysfunktion aufweisen. Das Fehlen von Daten über Komorbiditäten bei den Patienten in den meisten Studien stellt ein wesentliches Hindernis für das Verständnis des Verlaufs der NCCM dar.

Management Da zurzeit keine Richtlinien für die Behandlung von Patienten mit NCCM existieren, wird eine Strategie, basierend auf Fallserien, Registerdaten sowie vorherigen lokalen Bewertungen und Erfahrun-

Abb. 5 9 Vorgeschlagener Algorithmus zur Diagnose der „Non-compaction“Kardiomyopathie (NCCM; LV linker Ventrikel, HI Herzinsuffizienz, ICD intrakutaner Defibrillator, CRT kardiale Resynchronisationstherapie, LVAD LV-Unterstützungssystem, HTx Herztransplantation). (Modifiziert nach [40])

gen, vorgeschlagen (. Abb. 5). So können asymptomatische Patienten mit normaler LV-Funktion alle 2 bis 3 Jahre kontrolliert werden, weil diese eine relativ gute Prognose aufweisen [20, 21, 22]. Die klinische Untersuchung sollte eine umfangreiche Anamnese, eine körperliche Untersuchung, eine Echokardiographie sowie ein Langzeit-EKG umfassen, um unter anderem auch „stumme“ Arrhythmien zu erkennen. Die asymptomatischen Patienten mit systolischer oder diastolischer LVDysfunktion sollten eine evidenzbasierte Herzinsuffizienztherapie erhalten und alle 1 bis 2 Jahre untersucht werden. Die symptomatischen Patienten sollten je nach jeweiliger klinischer Erscheinung anhand etablierter Leitlinien behandelt werden [31]. Im richtigen klinischen Kontext kann eine elektive Koronarangiographie in Erwägung gezogen werden, um eine obstruktive koronare Herzkrankheit (KHK) auszuschließen, wenn regionale Wandbewegungsanomalien oder LV-Dysfunktion vorliegen, obwohl es noch keinen Beweis für eine Assoziation von NCCM mit erhöhtem Risiko für eine KHK gibt. Die Vermeidung von embolischen Komplikationen ist ein wichtiges Ziel des Managements und bleibt eine Frage der Diskussion bei diesen Patienten. In der Ver-

gangenheit haben einige Autoren die Auffassung vertreten, dass alle Patienten mit Warfarin antikoaguliert werden sollten [7], während andere eine Antikoagulation nur in folgenden Fällen empfehlen: F LV-Dysfunktion („fractional shorten­ ing“

[Noncompaction cardiomyopathy].

Noncompaction cardiomyopathy (NCCM) is a genetic myocardial disorder, which is characterized by a two-layered ventricle wall with a thin compact outer...
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