Leitthema Anaesthesist 2014 · 63:816–824 DOI 10.1007/s00101-014-2386-8 Online publiziert: 19. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

B. Zwißler, München

Ärzte haben Wirkung auf Patienten und ihre Heilung nicht nur durch Medikamente, Interventionen und Behandlung, sondern wesentlich auch durch Worte und die eigene Person. Es werden unbedacht negative Erwartungshaltungen induziert, die den weiteren Verlauf der Krankheit, den Erfolg der Behandlung sowie das Auftreten von Nebenwirkungen und Komplikationen mitbestimmen. Dabei stehen Noceboeffekte („Ich werde schaden“) dem medizinethischen, hippokratischen Grundsatz primum nihil nocere („Nur nicht schaden!“) diametral entgegen.

N. Zech · M. Seemann · E. Hansen Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Regensburg

Noceboeffekte und Negativsuggestionen in der Anästhesie logischen Nebenwirkungen). Gleiches, nur noch stärker, gilt für invasive Maßnahmen, da wie bei Placebo auch die Effektivität von Nocebo mit der Invasivität der Maßnahme ansteigt. Ein Großteil der Nebenwirkungen bei Patienten ist nicht durch Medikamentengabe und Interventionen bedingt, sondern durch die Ärzte selbst. Grundlage von Placebo- und Noceboeffekten ist ein Lernen in der Vergangenheit, eine Konditionierung, oder eine Projektion in die Zukunft, eine Erwartungshaltung [6, 14, 22, 30, 36]. Klassischerweise gehört außerdem das Fehlen der spe-

Noceboeffekte

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Gerne nimmt man Placeboeffekte in Kauf, verstärken sie doch ohne Aufwand die Behandlung. Doch man bekommt sie nicht allein, immer ist auch mit dem negativen Bruder Nocebo zu rechnen. In placebokontrollierten Studien werden in der Placebogruppe regelmäßig Nebenwirkungen berichtet und brechen Patienten ihre Studienteilnahme ab [18, 29]. In . Abb. 1 sind 3 starke Analgetika aufgeführt; hierbei besticht das mittlere durch hohe Wirksamkeit bei mäßiger Inzidenz gastrointestinaler und neurologischer Nebenwirkungen (Müdigkeit, Benommenheit). Es handelt sich allerdings um ein Placebo [1]. Aber auch innerhalb der Nebenwirkungsrate eines echten Medikaments, wie dem Oxycodon, ist ein großer Teil durch die Darbietung und nicht durch das Medikament selbst verursacht (. Abb. 1: 1. und 2. Säule bei gastrointestinalen und neuro-

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Der Anaesthesist 11 · 2014

zifischen Therapieaktivität dazu. Ein typisches Beispiel für einen Noceboeffekt durch Konditionierung ist, wenn ein Patient nach regelmäßiger Chemotherapie bereits Übelkeit verspürt, sobald er die Krankenschwester sieht oder einen Raum betritt, der so ähnlich aussieht oder riecht wie der Behandlungsraum. Beispiele für Noceboeffekte durch eine Erwartungshaltung geben Untersuchungen über die Auslösung von Kopfschmerz durch Handybetrieb, bei denen schon die Erklärung, das Einschalten des elektromagnetischen Felds könnte zu Kopfschmerz führen, bei zwei Drittel der Testpersonen

Oxy X Tap

Anteil der Patienten (%)

60 50 40 30 20 10 0

Schmerz

[Nocebo effects and negative suggestion in anesthesia].

Anesthetists have an impact on patients and healing processes not only through drugs, interventions and therapy but also significantly by their words ...
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