Beiträge zur experimentellen Orthopädie

73

J. J. Ne ide!' Klinik und Polik linik für Ort hop ädie de r Unive rsität zu Köln (Direktor: Pro f. Dr. ~t. H. Hackenbroctr'I

Ei nleit ung

Zu sammenfassung Der insulinart ige Wachstumsfa kto r I (50mat om edin Cl, der epiderma le \Vachstumsfakto r und der Fibroblasten Wachstum sfakt or üben einen stimu lierende n Effekt auf den St offwechsel art iculä rer Cho ndr ocyten in vitro au s. Wir studierten die Wirkun g die ser Peptide a uf die H eilung sta nda rdisierte r Knorpeldefekt e a n den Kniegelen ken vo n 32 ausgewachsenen Ka ninchen . H istologische und histor ad iochemische Untersuchunge n erga ben keine stimulierende Wi rkun g der

Wachstumsfakt oren in der von uns verwendeten Dosierung in vivo a uf Zellteilung und P ro teo glycansynth ese der Cho nd rocy ten ode r die Defektheilung. Die Verletzung fü hrte un behandelt zu einem signifika nte n An stieg der mito tischen A ktivitä t de r Kno rpelzellen in der Näh e der Lä sion , eine sta tistisc h bedeut sam e Ste igeru ng der Synt hese sulfatierter Pro teoglycan e war nicht nachweisb a r. No Stimulatio n o f Artlc ula r Cartilage Def'ect Healing a fter Trau ma by In traarticular Ad minislra lio n of l nsu lln-llke Growth Fac to r I, Epid ermal G ro wth Fac to r and Fibroblasl Growth Facto r in Ihe Rabbit Insulin- like growt h factor I (Sornatomedi n Cl, epidermal growth facto r, an d fibroblast grow th facto r exert a stimulato ry effect on articula r chondroeyte metabo lism in vitro. \Ve studied the effect of th ese peptides on the repair of sta ndardize d full-t hickness a rtic ula r eartilage defects in the knee-joints of 32 young ad ult ra bbit s. In o ur in vivo stud y, the growth facto rs failed to stimulat e ca rtilage eell rep lication, cho nd rocyte pro teoglyean synthesis o r defe ct filli ng. Th e tr au ma , however , had a significa nt stimulatory effect o n the mitot ic act ivity of the cho nd rocy tes near the defect , bu t not on the syn thesis o f sulfated proteoglycan s.

Die ung enü gende Heilungstendenz de s menschl ichen Gelenk kno rpels nach Verletzu ngen ist seit langem bek an nt. Paget äußerte 1853: ..T here a re, I believe. no insta nces in which a lost po rti o n of ca rtilage has been restored, o r a wo unded po rtion repa ired, with new and well-fo rm ed perm anent ca rtilage , in the human subject". Spätere Unte rsuchungen zeigte n eine differenzierte Rea ktion des Knorpels nach Art und Um fa ng der Verletzung. So ziehen ob erflä chliche Lä sionen unter a nderem wegen der feh lenden Kapillar verso rgung im a llgemeinen nur minimale repar ati ve Pr ozesse nach sich. wä hrend tiefe Defekte mit Beteiligung des subcho nd ra len Knochens durch mesenchyma les Ge webe aus dem Ma rk ra um gefü llt werd en. Das hierbei ents te hende Ersatzgewebe hat jedoch eine ungeo rdne te Stru ktur. und weist im Vergleich zu gesundem hyalinen Knor pel herab geset zte mecha nische Eige nschaft en auf (Mankin I974a, bund 1982). Die Behan dl ung articul ärer Knor pelverletzungen des Erwachsenen wird heute erfo rde rlichenfa lls operativ du rchgeführt mit Replantatio n, Knor pel-Kn ochen-Tra nsp lantation oder Bohrungen ; eine wirksame medikamentöse Th era pie ist nich t bekannt. Die E rgebnisse zah lreicher Versuche mit anabolen Gewebehormo nen wie dem insulinartigen Wachstu msfakto r I (IGF I), epidermalem Wachstum sfaktor (EG F) und Fibr o blasten-W achstumsfakto r (FGF) belegen an dererseits deren Stoffwechsel-steige rn de Wirku ng auf Cho nd rocyten in vit ro (Daughaday und Mariz 1962, Solm on und Du vall 1970, Prins et al. 1982a, b), bei bislang noch ungeklär ten Verh ält nissen in vivo,

I

2

Z. Orthop . 130 (1992) 73-78 © 1992 F. Enke Verlag Stuttgart

Der Auto r wurde unterstützt dur ch Stipend ium Ne308/ 1-1 vo n der Deutschen Forschun gsgemeinschart Ein Teil der Untersuchungen wurde durc hgeführt am Orthopaedic Research Labo ratory (Leiter B. V. Tr eadwell, Ph. D.), des Massachusett s Genera l Hospital, Harvard Medical Schoo l, Bosto n t\lA , U. S. A., (Direkto r der Ort ho pädischen Klinik: Henry J. Man kin, M. D.)

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Keine Verbesserung der Gelenkknorpelheilung nach Trauma durch intraarticuläre Gabe von insulinartigem Wachstumsfaktor I , epidermalem Wachstumsfaktor und FibroblastenWachstumsfaktor beim Kaninchen

Z. Orthop. 130 (1992)

D ie vo rliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die reparati ven Vorgänge bei der Heilun g vo n Knorpeldefekten in vivo beim Kaninchen durch Gab e vo n IG F I, EG F und FGF beeinflußt werd en . Material und Met hoden

Teil I - Untersuchungen zum DN A -Stof f wechsel der Chondrocy ten Versuchstiere und Materialien Wir verwendeten männ liche , ausge wachsene wei ße Neuseeland Kaninchen , 6 Mon ate alt und 3,2 bis 3,7 kg schwer . O sm oti sch e Minipumpen (Modell 2 ML 4) bezogen wir vo n Alza , IG F IIS M-C (Iyophilisiert) wa r ein Geschenk vo n Steven D. C hern ausek (Cin cinn atti, OH). EG F und FG F (recept or gra de, Iyo philisiert) war en vo n Co llabo rative Research ; 3H Th ymidin bezogen wir bei Ne w Eng land N ucIear, Na2 3 5S0.~ bei Am ersham . Die NT B-3 Film emulsion sta m mte vo n Kodak, alle üb rigen Chemikalien waren vo n Sigma , fall s nicht besond ers gekenn zeich net . Für die DNA- Stoff wechseluntersu chungen wurd en sec hzehn Versuchstiere vier gleichstarken Gruppen zugeor dnet , mit einer postoperativen Beob achtungsdau er vo n drei Tag en , zwe i \Vo chen, vier und ac ht \Voehen . IGF I, EGF und FGF wur den unt er sterilen Bedin gun gen in eine wäßrige 140 mM Na CI Lösun g mit 10 mg/m i bo vinem Seru m-A lb umin , 100 lU/mi Penicillin G , 50 ug/rnl St repto mycin und 2 ug/rnl Am ph oteriein B gebrac ht. Di e Kon troll-Lösun g hatte eine iden tische Zusammense tzung, enthielt jed o ch keine Wachstum sfaktore n . Beid e Lösun gen wurden bis zu ihrer Benu tzung bei - 20 °C gelage rt (max. 2 Monate), und a m Ende des Expe rimen tes au f Keimbesied lung überprüft (Ergebn is negativ) . Eine Prüfung der biolo gischen Akti vität de r gebrauch sfertigen Fak torenpr äp aration in einem bo vinen Knor pel-Expl anta t-B ioa ssay (P a ram eter: 3H-T hymid inAu fnahme ) ergab keinen signifikanten Ak tivitätsverlu st nach dreimo nat iger Lage rung bei - 20 °C. Wach stum sfak tor en (recht s) und Kont roll Lösun g (links) wu rde n als kont inuierliche intra-articul äre Infu sion in die Kniegelen ke der Tiere verabfo lgt. Dies gescha h mi t osmot ischen Mini-Pum pen (Kap azität 2 rnl), d ie su bcutan an der Innen seite der Oberschenk el implanti ert wurden. Das täg lich vera bfo lgte Vol um en entsprach 62 ~I , d ie tägliche Dosis der Wa chstu msfak tor en bet rug 30 ng IG F I, 500 ng EG F und 250 ng FGF.

Operatives Vorgehen Di e Operation en erfo lgten unter intravenöser An ästhesie mit Ketamin und X ylazin. U nmittelbar vo r Operatio nsbeg inn wurde n die Mini-Pump en unter sterilen Kau telen mit Wa chsturn sfakt or- bzw. Kon troll-L ösung gefüllt. Die Gegend um beide Kniegelenk e der T iere wurde rasiert , mit Po vidon-J o d desin fiziert und steril abgedeckt. Ü ber eine med iale pa ra pat ellar e Inzision wu rden die Kniegelenke erö ffnet. Im gewichtstrage nde n Ant eil aller vier Femu rcond ylen setzten wir je einen sta nda rdisierten, sagitta l verlau fende n Defekt mit einer A usdehnung vo n

J. J. Ne idel

1,2 X 8 mrn, der sämtliche Knorpelschi chte n er fa ßte, wobei dar auf gea chtet wur de, di e subc hond ra le Knoch enschicht nicht zu verletzen . Du rch ein Bohrl o ch im medi alen Femurco ndy lus wurde ein Pol yäth ylen- Sch lauch vo m Interco ndylarraum nach außen ge führt, und dort mit einer Na ht am Perio st fixiert. Der Schlauch wu rde mit der Mini-Pumpe verbunden, und die Pumpe an der Medi alseite des Oberschenkels subcutan implantiert. Drei Tiere in je der Grup pe wurden auf diese Wei se an beide n Kniegelenken op eriert, das vie rte Tier o perierten wir jeweils nur einseitig und imp lantierten eine Pumpe mit Kon troll -Lö sun g. Da die Kap azität der Mini Pumpen vier Wo chen betrug, war in der 8-\Vochen-Gruppe nach der hal ben Versuchsdau er ein P ump enwec hsel erfo rderlich . Posto perativ wurden die Kanin chen in Einze l-Käfigen gehalten und mit Trocken futt er und Leitungswasser ad libitum verso rgt. U m ein Min destmaß an Bewegun g zu garantieren, wurde n die Tiere an jedem \Vochenta g für jeweils 10 Minuten in einer Lau ftrom mel bewegt.

Gewebeanalyse 24 Stunden bevor d ie Kanin chen mit einer Überdosis Barbiturat getö tet wurden, injizierten wir 25 uCi ' H -T hymid in in 0,5 ml wäß riger 140 mM Na CI-Lösung in jedes der Kniegelenke . Den toten Tieren wurde der distale Ant eil beider Femora entno mmen und jeweils separat dreim al in PB S und zweima l in 95 070 Ät ha no l gewa schen, bis keine Rad ioak tivität im Überstand mehr nach weisbar war. Die lateralen Femurco ndylen wurde n entkalkt, in Form alin fixiert, in Paraffin eingebettet, und in de r Frontalebe ne in einer Stärke vo n 4 um geschnitten . Dan ach wurden die Präparate in der Du nkelkamm er in NT B-3 Filmem ulsio n getaucht , fü r 2 1 Tage belich tet, un d nach Entwicklung mit Härnatoxilin-Eosin gefä rbt. Für d ie histom or phom etrische Au swertung benut zten wir ein Zeiss Osteo plan Ge rät und eine Videobilda na lyse-A nlage, beste hen d aus einem IBM-kompa tib len Perso na lcom puter (Prozessor Intel 80386), einer Stem mer Videok am er a un d einem Leitz Orthop lan Mi kroskop. Hierbei wurde da s JA VA Soft warepaket der Firma Jandel Scie ntific verwendet, welches in unserer Hardware-K onfi guration eine Au flösung vo n 512 x480 P ixeln bei 256 Gra ust ufen bietet. Der Grad der Defektfüllun g wurde an zwei Schnitten pro Präparat bestimmt und in Prozent angeg eben . D ie An zahl der Knorpelzellen pro Flächeneinh eit und den mito tischen Index dieser Zellen maßen wir getrennt für zwei verschiedene Knorpe lzon en . A ls ..tr aumati sierten Kno rpel" bezeic hneten wir dab ei ein 0,8 mm breites Knorp elareal unmitt elbar am Ran d des Def ek tes; a ls "inta kte r Knor pel" wurde ein ebenso breites Gebiet mit einem A bstand vo n 1,6 mm vo m Defekt definiert. Pro Meßgebiet wurden mind esten s 200 Zellen gezä hlt. Eine Mi tose wur de a ngenomm en , wenn sich in der JH Th ymid in-Aut oradiographie acht o der mehr gesc hwärzte Körn er der Filmem ulsio n auf eine Zelle proji zierten . Das Flächen verhä ltnis zwischen Knochentrabekein und Mark raum im subcho ndralen Knochen bestimmt en wir in einem 2 mm starken Gebiet unmi ttelbar unte rhalb des Knorpeldefe ktes sowie unterha lb des int a kten Kno rpels; di e An gab e erfo lgte a ls Prozent Markraum in Bezug zur jeweiligen Gesa rnt fl ä-

ehe.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

74

Keine Verbesserung der Gelenkknorpelheilung nach Trauma

pelheilung sichern . Weder wurde die Defekt füllung verbessert, noch war ein signifikanter An stieg von Zelldichte. Mitosen oder DNA-Synth ese im Knor pel nachweisbar. Die P ro teoglycan synth ese wa r im Mitt el de r Beobachtungen gegenüber den Kon trollen vermindert , doch war dieser Unt erschied statistisch nicht bede ut sam (p = 0,077). Eine Verä nderu ng des Verhäl tn isses zwischen Spo ngiosa und Markraum im subchondra len Knochen sa hen wir unter dem Einfluß der mitogenen Peptide nich t (Abb. I).

Wirk ung der Verletzung Statistische Analyse Neb en beschreibenden sta tistischen Ver · fahren wurde der Wilcoxon-Test zur Prü fung von Mittelwerts-Un ter schieden verwend et. Die grap hische Darstellung der Ergebnisse erfo lgte a ls Mittelwert ± Standard fehler.

Teil 2 - Untersuchungen zum Proteoglyka n-St of fwechsel der Cho ndrocyten Die Beob ach tun g des Pr ot eoglykan-Sto f fwechsels erfolgte an weiteren 16 Versuch stieren . G ru ppe neinte ilurig. Versuchsdau er und weiteres Vorgehen en tsp rachen demj enigen bei der Unt ersuchung des DNA -Metab olismu s, mit den folgend en Modifikationen: Die gelöste n Wachstumsfak tor en un d die Fa kto ren-fre ie Kontroll-L ösu ng wurde n in 0,5 ml InsulinSp ritzen a ufgezogen und bei - 20 °C gelagert. Eine Prüfun g auf bio logische Akt ivität und Keimb esiedlung a m End e des Expe riment es erfo lgte wie oben beschrieben mit negativem Ergeb nis. Das ope ra tive Vorgehen ent sp ra ch eben fa lls der obi gen Da rstellu ng, es wur den jedoch keine osmotischen Pumpen impla ntiert. Faktor en und Kon trollLösun g wu rde n a ls intraar ticul äre Injektionen ins Kniegelenk verabfolgt (ein e Injek tion pro Kniegelenk und Tag a n fünf Tagen der \Voch e übe r den gesa mten Versuchszeitraum). Auf der Versuchsseite bet rug die Dosieru ng pr o Injektion 4 1 ng IG F I, 1360 ng EG F und 540 ng FGF in einem Volumen von 0,25 ml (identische \Vochendosis wie in der DNA -Stoffwech sel-Gruppe), au f der Gegenseite wurde n 0,25 Oll Kont roll-Lösung verabfolgt. Vier Stunden vor dem Töten der Tiere wurden 60 uCi Na, "SO, in 0,5 ml eine r wäßrigen 140 mM Na CI Lösung in jedes Kniegelenk injiziert. Weitervera rbeit ung und histomorphometri sche Au swertun g der P roben erfolgte n sinngemä ß wie obe n beschrieben, die Menge des a ufgenommenen 35S Natriumsu lfa t wurde a ngegeben a ls co un ts pro Minut e/mg Knor pel-Trockengewicht .

Ergebn isse

Wirk ung der Wachst umsfak toren Bei keinem der unt ersuchten Par am eter ließ sich in unserem in vivo Experiment eine Wirkung der verwendete n \Va chstum sf akt or enmi schung au f die Knor-

75

Da s Trauma führt e zu einer signifika nten Verm inde rung der Zellzah l (p

[No improvement of joint cartilage healing after trauma by the administration of insulin-like growth factor I, epidermal growth factor and fibroblast growth factor in rabbits].

Insulin-like growth factor I (Somatomedin C), epidermal growth factor, and fibroblast growth factor exert a stimulatory effect on articular chondrocyt...
1MB Sizes 0 Downloads 0 Views