Aus der Praxis — für die Praxis Neue Behandlungsmöglichkeiten progredienter Schulmyopie* H. Tiburtius, K. Tiburtius Berlin

Zusammenfassung

Es wird uber die Erfahrung berichtet, mit einem Betablocker (Metipranolot) durch Senkung des intraokularen Druckes die Progredienz der Schulmyopie aufzuhalten. Unsere Beobachtung erstreckt sich auf 20 Patienteri, von denen 18 unter der Therapie keirie Zunahme der Refraktion zeigten. Diese Kurzmitteilung soll zur Uberprufung unserer Ergebnisse auffordern.

A New Method of Treating Progressive Myopia in Schoolchildren

It is reported about the experience of stopping the progredience of the myopia of pupils by lowering the intraocular pressure by a beta-blocker (Metipranolol). Our observation bases on twenty patients, eighteen of whom didn't show any increase of

the refraction during the treatment. With this brief communication we want to propose further verification of our results.

neigt man heute zu der Ansicht, dalI die dem Augenarzt zur Verfugung stehenden Medikamente kaum, wenn uberhaupt, einen Einflull auf die Myopieentwicklung haben." Auch die Ordination von Kontaktschalen, die durch mechanischen Druck auf das vordere Bulbussegment die Langenzunahme des Auges beeinflussen sollen, ist bei Kindern problematisch. Wenn em Drittel alter Gymnasiasten myop ist, zwei Drittel dagegen nicht, die akkommodative Belastung bei alien aber gleich ist, so mull es noch einen anderen Grund für die Myopisierung geben.

Myope sind Uberdurchschnittlich sogenannte Bindegewebsschwachlinge. Sie haben haufig Plattfüile, einen weicheren Hautturgor als Emmetrope und halten sich schlecht. Im hoheren Alter neigen sie haufiger zu Hamorrhoiden. Es kann angenommen werden, daB in der Wachstumsphase die Sklera, die ja reines Bindegewebe ist,

im Zuge der Bindegewebsschwache weicher ist als die Sklera Emmetroper.

Em erhohter Augendruck beim Erwachsenen, bei dem die BulbushOhlen fest sind, fuhrt niemals zur

Myopie. Em angeborenes Glaukom beim Saugling, bei dem die Bulbushullen aullerordentlich weich sind, bläht Em bisher nicht gelostes Problem in unse- das Auge bekanntiich ballonartig auf und verursacht hierrem Fachgebiet ist die Verhinderung der Progredienz der durch eine exzessive Myopie. Schulmyopie, die sich in erster Linie zwischen dem 12. und dem 17. Lebensjahr entwickelt, d.h. in den Jahren, in Unsere Hypothese geht davon aus, daB das denen die heranwachsenden Kinder noch relativ weiche noch weiche kindliche Auge in der Wachstumsphase unter BulbushUllen haben. dem Einflull vermehrter Akkommodation fur den normalen Augendruck, relativ gesehen, zu weich ist. Die KonseDaB in diesem Alter einsetzende vermehrte quenz bietet sich an: Durch Verringerung der normalen Akkommodation eine besondere Rolle spielt, zweifellos Augentension mull der Druck auf die Kugel des Auges ge-

neben erblicher Disposition, ist anzunehmen, denn Rei- senkt werden und dadurch die Entwicklung der Myopie henuntersuchungen hier in Berlin Anfang der 7Oer Jahre gebremst.

ergaben, dalI 8,2% der schulentlassenen Hilfs- oder

Erste diesbezUgliche Versuche gingen auf Hauptschlller ohne Abschlull, dagegen 35% gleichaltriger Abiturienten eine Myopie aufweisen, also mehr als 1:4. Hager zurtick, der in einzeinen Fl1en progredienter Myo-

pie trabekulektomierte und dadurch den Augendruck Die vermehrte Naharbeit der Gymnasia- senkte. Er fuhrte diese Operation bei den Kindern sehr zosten, die dafUr erforderliche vermehrte Akkommodation gernd und ausgesprochen ungern durch, was auch neben erw.hnter erblicher Disposition durfte hierfür ver- verstandtich ist. Der Eingriff wurde daher nur in einigen antwortlich sein. Es hat naturgemafl in der Vergangenheit Fallen durchgefuhrt. Eine systematische Nachuntersuviele Versuche gegeben, die Myopieprogredienz zu beein- chung unterblieb, zumal Hager damals schon krank war flussen. Trichtel (1986) schreibt dazu. ,, Im aligemeinen und spater dann verstarb.

KIm. Mbl. Augenheilk. 199 (1991) 120—121

1991 F. Enke Verlag Stuttgart

* Nach einem Vortrag gehalten auf die Tagung der Berliner Augenarztlichen Gesellschaft am 2. 12. 1989 im Klinikum Steglitz

der Freien Universitgt Berlin

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K/in. Mb!. A ugenheilk. 199 (1991) 121

Neue BehandlungsmOg/ichkeiten progredienter Schulmyopie

wertbar blieben also 20 Patienten, je 10 rngnnlichen und weiblichen Geschlechts. Das Alter lag zwischen 10 und 16 Uber Betablocker-Anwendung am Glaukomau- Jahren, lediglich einmal bei 23 Jahren. Hierbei handelte es ge sind unzahlige Arbeiten geschrieben. Uns 1st aber keine VerOf- sich urn eine junge Frau, die erst mit 21 Jahren eine Kurzfentlichung bekannt, in der systematisch untersucht wurde, ob sichtigkeit bekommen hat. Derartige Falle sind bekannt, und in weichem Ausrnal3 Betablocker auch den gesunden Augen- aber selten. Die Vorbeobachtungszeit der Patienten betrug druck zu senken imstande sind. Wir haben ausschlie3lich mit I his 9 Jahre. Alle Patienten zeigten vor der Behandlung Metipranolol (Betamann) in 0,lWoiger Losung gearbeitet, Voruneine kontinuierliche Zunahme der Kurzsichtigkeit. 8 Patitersuchungen an 25 Erwachsenen und 5 Kindern, was bekanntlich schwierig ist, ergaben, dalI der normale Augendruck, der enten wurden zwei Jahre, 12 von ihnen drei Jahre behanzwischen 10 und 20 mm schwankt und einen Mitteiwert von 15,3 delt. mm hat, 12 Stunden nach einern Tropfen von 0,1%igem Metipranolol urn 3 bis 4 mm, 24 Stunden nach der Tropfengabe noch urn 1 bis 2 mm gesenkt werden kann. Bisher war kein Prparat in der Ophthalmologie bekannt, weiches den normalen Augendruck zu senken in der Lage ist. Auch Pilocarpin senkt bekanntlich nur den erhohten Augendruck bei engem Kammerwinkel, nicht dagegen den normalen. Wir sprachen vor Beginn der Therapie zunachst mit den Eltern. Wir erklärten ihnen, dalI em Ballon urn so groBer wUrde, je erheblicher er aufgeblasen wird. Um die VergroBerung, d.h. die Myopisierung zu verhindern, mUsse das Aufblasen gebremst werden: je geringer der Druck, desto geringer die VergroIlerungstendenz des Auges. Wir fragten die Eltern, ob das Kind

Diskussion

Der hypothetische Wunsch, nmlich, dalI Verminderung des Augeninnendrucks und Verminderung der Belastung der Bulbushullen eine gewisse Schrumpfungstendenz bewirke und die Kurzsichtigkeit abnahme, bewahrheitete sich leider nicht. Von den 20 Patienten, die

samtlich eine Progredienz der Kurzsichtigkeit zeigten, blieb die Refraktion unter Therapie bei 18 unverändert. Eine Zunahme zeigten 2 Probanden und zwar in einem Fall nach einern Jahr urn bds. —0,5, in einem weiteren Asthma habe oder ob es infolge seines Herzens vom Turnen in Fall nach zwei Jahren auf dem einen Auge urn —0,5 der Schule ausgeschlossen sei. Wurde dies verneint, dann gaben Dioptrien. In beiden Fallen handelt es sich urn erbliche wir den Eltern den gleichen Vordruck mit, wie ihn bei der EinleiMyopie. Irgendwelche subjektiven Storungen wurden tung der Betablocker-Therapie beim Erwachsenen der Hausarzt, in diesem Fall aber der Kinderarzt erhalt. Hier sollte bestatigt nicht beobachtet. Besonders zu erwähnen ist em l6jähriwerden, dalI der internistische Befund eine Behandlung mit Metipranolol zulielle bzw. dalI wegen Asthma bronchiale, obstrukti-

ver Lungenerkrankungen, dekompensierter Herzinsuffizienz oder eines Av-Blocks eine solche Therapie nicht mOglich sei. Sobald das Einverständnis des Kinderarztes vorlag, ordinierten wir 0,1%iges Metipranolol. Wit sagten den Kindern, dalI sie, um das

ges Mädchen, weiches familiar mit Myopie belastet ist und

bei dem bereits im Alter von 5 Jahren eine Myopie von — 1,5 bds. bestand. Mit 14 Jahren hatte die Myopie —8,5 erreicht. Mit Beginn der Therapie vor zwei Jahren wurde diese Progression gestoppt. Oh auch mit anderen Beta-

blockern die gleiche Wirkung zu erzielen scm wird, ist anEintropfen nicht zu vergessen, ihr Tropfflaschchen ins Zahn- zunehmen, da auch diese Praparate den Augendruck

putzglas stellen soilten und morgens und abends beirn Zahneputzen in jedes Auge einen Tropfen geben soliten. Die Technik des

durch Verminderung der Kamrnerwasserproduktion senEintropfens wurde den Eltern und den Kindern erklart. Die ken. Gepruft haben wir aber lediglich das Metipranolol in Compliance mit den Kindern war durchweg gut. Die erste Nach- Form des Praparates Betamann. untersuchung erfolgte em Vierteljahr, die zweite em halbes Jahr nach der ersten Nachuntersuchung und danach in halbjahrlichen

Abstnden.

Literatur Ergebnisse

Trichtel, F.: Zur Entstehung und Therapie der Myopie. Ferdinand Enke, Stuttgart 1986.

Primär wurden 28 Kinder für die Therapie

Manuskript erstmals eingereicht 6. 6. 1990, ur Publikation in der vorliegenden Form angenommen 18. 7. 1990

vorgesehen. Drei von diesen konnten nicht in die Versuchsreihe aufgenommen werden, da sie asthrnoide Zu-

stände bzw. Asthma hatten. Von den verbliebenen 25 hOrten leider 2 infolge Uneinsichtigkeit der Eltern nach kur- Prof. Dr. med. H. Tiburtius zer Zeit mit dern Eintropfen des Metipranolols auf. Von Dr. med. Krishna Tiburtius den verbliebenen 23 sind 3 nicht verwertbar, da sie noch Breitenbachplatz 21 nicht mindestens zwei Jahre in der Therapie sind. Ver- 1000 Berlin 33

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Patientengut

[New treatment possibilities of progressive school myopia].

It is reported about the experience of stopping the progredience of the myopia of pupils by lowering the intraocular pressure by a beta-blocker (Metip...
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