Leitthema Urologe 2014 · 53:1170–1173 DOI 10.1007/s00120-014-3539-8 Online publiziert: 23. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

W. Bühmann Pressesprecher des Berufsverbandes der Deutschen Urologen e.V., Sylt OT Keitum

Neue Transparenz zwischen Ärzten und Pharmaindustrie Ungeachtet unseres bei Patienten guten Rufes werden wir Ärzte seitens auflagensüchtiger Medien, neidischer Politiker und machthungriger Krankenkassen mit unschöner Regelmäßigkeit der Geldgier, Korrumpierbarkeit und Skrupellosigkeit bezichtigt – ganz offensichtlich, ein Preis, den wir für unser hohes Ansehen in der Bevölkerung zahlen müssen. Statt sich zu ihrer Verantwortung für die Finanzierung klinischer Forschung und Fortbildung der Ärzte zu bekennen, stehlen sich die Krankenkassen davon und behaupten, dass Ärzte sich in großem Umfang von der Pharmaindustrie bestechen lassen. Um diesen unwürdigen Angriffen zukünftig noch sachlicher begegnen zu können, haben die Pharmaindustrie auf der einen Seite, die Bundesärztekammer auf der anderen Seite Codices zur Selbstverpflichtung entwickelt. Aus diesem Anlass sehen wir es als sinnvoll an, Sie durch das folgende Interview mit Birgit ­Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der forschenden Arzneimittelindustrie, über den Standpunkt unserer Partner aus der forschenden Arzneimittelindustrie zu informieren.

ler Partnerschaft gestalten zu können. Den Kodex im Wortlaut finden Sie unter http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/ servicedownloads/downloads/.

Es dürfte für viele Urologen von Interesse sein, den neuen Kodex zu kennen, insbesondere hinsichtlich der Regularien für Fortbildung und Sponsoring, um auch zukünftig Fortbildungsveranstaltungen und Kongresse mit angemessener Unterstützung der Industrie in vertrauensvol-

Frau Fischer, den Pharmaunternehmen wird immer wieder vorgeworfen, mit Geschenken, Honoraren oder Fortbildungen die Unterstützung oder gar Verordnungen von Ärzten zu kaufen. Die forschenden Pharmaunternehmen haben sich hingegen zur Einhaltung eines Kodex verpflichtet,

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Es wurde ein Beirat aus Industrie- und BDU-Vertretern gegründet, der sich der praktischen Umsetzung der neuen Regeln widmet Unser Berufsverband hat – wie bereits berichtet – die Initiative ergriffen und vor einem Jahr einen Beirat aus Industrie- und BDU-Vertretern gegründet, der sich der praktischen Umsetzung der neuen Regeln für die Partnerschaft zwischen Urologen und Pharmaindustrie widmet (s. . Infobox 1).  „Die Öffentlichkeit will nachvollziehen können, warum und wie Ärzte und Pharmaunternehmen zusammenarbeiten“.

Interview mit Birgit Fischer, der Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa, . Abb. 1)

der sagt, was im Umgang mit Ärzten erlaubt ist und vor allem, was nicht. Wo setzen die Unternehmen trotzdem weiter auf enge Zusammenarbeit mit den Ärzten und warum? Moderne Arzneimittel brauchen Information, damit Ärzte sie richtig anwenden und die Patienten anleiten können, sie richtig einzunehmen. Oder anders gesagt: damit Medikamente gut wirken! Auf drei Gebieten ist es besonders wichtig, dass Ärzte und Pharmaunternehmen zusammenarbeiten.

Infobox 1  Vier wichtige Grundprinzipien des Kodex F Trennung: 1Eine Kooperation muss von einer

konkreten Verordnungsentscheidung des Arztes getrennt sein; die Therapiefreiheit und -verantwortung des Arztes darf nicht beeinträchtigt werden. F Transparenz: 1Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Arzneimittelherstellern muss transparent sein. Mit dem europäischen Transparenzkodex wird dies nun weiter konkretisiert. F Dokumentation: 1Kooperationen müssen schriftlich fixiert sein. F Äquivalenz: 1Das gezahlte Honorar muss in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Arztes stehen. Ein Maßstab dafür kann die GOÄ sein; Honorare können auch in Stunden- oder Tagessätzen definiert sein.

Leitthema

Zusammenfassung · Abstract Dieser Kernbereich, der über das Gelingen moderner Therapien mitentscheidet, soll von Spekulationen freigehalten werden. Deshalb lassen sie die Öffentlichkeit genauer hinschauen!

Abb. 1 8 Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa

Pharmafirmen brauchen die Erfahrung von Ärzten, um bessere Medikamente zu entwickeln. Nur gemeinsam mit Ärzten und Patienten können neue Mittel erprobt werden. Und Ärzte wiederum brauchen Informationen von den Firmen, damit sie die Mittel nach der Zulassung richtig einsetzen. Heute will die Öffentlichkeit nachvollziehen können, wie Ärzte und Unternehmen zusammenarbeiten. Versteht sie es nicht, wird sie misstrauisch, spekuliert, und zwar manchmal auch über Korruption, wo gar keine ist. Daraus haben forschende Pharmaunternehmen Konsequenzen gezogen: Ein Kodex regelt seit 2004, was geht und was nicht. Und jetzt haben sie ihn erweitert: Ab 2016 kann man dann auch genau nachlesen, welches Geld bei Zusammenarbeiten geflossen ist. Warum vertrauen die Firmen nicht einfach auf die Qualität ihrer Produkte? Wenn ein Medikament gut ist, wird es sich doch automatisch durchsetzen, oder? Neue Medikamente machen sich nicht von allein bekannt. Und schon gar nicht spricht sich von allein herum, wie und bei wem man sie am besten einsetzt und bei wem auch nicht. Das möchten die Firmen den Ärzten mitteilen. Künftig lassen sie dabei aber alle genauer zuschauen – weil sie an die Notwendigkeit eines sachorientierten Informationsaustausches zwischen Patienten, Ärzten und Industrie glauben.

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Wäre es nicht besser fürs Image, die Zusammenarbeit stets ohne Gegenleistungen zu organisieren? Es geht nicht um Gegenleistungen. Es geht darum, dass Firmen Ärzten den Aufwand und Kosten begleichen, die ihnen bei einer Studie oder einer Fortbildung entstehen. Das halten wir für sinnvoll und zeigen das auch, indem wir es ausweisen: Arzneimittel sind hochkomplexe und erklärungsbedürfte Produkte. Dies gilt für deren Entwicklung und für deren Anwendung. Aus diesem Grund arbeiten Pharmaunternehmen und Ärzte eng zusammen, um dem Patienten die medizinisch beste Behandlung zu ermöglichen. So sind etwa Ärzte als Forscher direkt an der Entwicklung der Arzneimittel beteiligt. Und Pharmaunternehmen veranstalten Fortbildungen für Ärzte, um diese umfassend über die Produkte zu informieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Medikamente bei den Patienten eingesetzt werden, für die sie sich eignen, und in einer geeigneten Weise. Diese Formen von Zusammenarbeit und Austausch haben sich sehr bewährt und sind durch eindeutige Vorgaben, Gesetze und Kodizes für beide Seiten auch klar geregelt. Was ist falsch an dem Eindruck, dass Ärzte mit Hilfe von Geschenken und Honoraren gekauft werden? Geschenke haben sich für unsere Firma erledigt. Seit Jahren schon schenken sie Ärzten höchstens noch einen Block oder Kugelschreiber; teurere Dinge sind untersagt. Aber jetzt sind jegliche Geschenke abgeschafft. Honorare werden nur ­gezahlt, wenn einem Arzt in der Zusammenarbeit Aufwand und Kosten entstanden sind. Sie entsprechen dem, was der Arzt auch von Krankenkassen fürs Behandeln bekommt. Welchen Aufwand haben Ärzte denn, wenn sie an einer klinischen Studie mitwirken? Der Aufwand für eine Klinik oder Praxis, die an einer Studie mitwirkt, ist erheb-

Urologe 2014 · 53:1170–1173 DOI 10.1007/s00120-014-3539-8 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 W. Bühmann

Neue Transparenz zwischen Ärzten und Pharmaindustrie Zusammenfassung Die jahrzehntelange vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Ärzten und Pharmaindustrie bezüglich der Erfahrungen aus der Anwendungsforschung der Arzneimittel sowie der Fortbildung wurden durch kampagnenartig verbreitete kollektive Korruptionsvorwürfe auf eine Belastungsprobe gestellt. Statt sich zu ihrer Verantwortung für die Finanzierung klinischer Forschung und Fortbildung der Ärzte zu bekennen, stehlen sich die Krankenkassen davon und behaupten, dass Ärzte sich in großem Umfang von der Pharmaindustrie bestechen lassen. Um die gemeinsamen Ziele, die Behandlungsmöglichkeiten für die Patienten ständig zu verbessern haben beide Gruppen Transparenzregeln entwickelt. Schlüsselwörter Krankenkassen · Forschung, klinische ·   Fortbildung, ärztliche ·   Aufklärungsgespräche · Transparenzkodex

New transparency between physicians and the pharmaceutical industry Abstract The long-lasting trusting partnership between physicians and the pharmaceutical industry with respect to experience from applied research of medications and vocational training, was severely tested by campaignlike dissemination of collective accusations of corruption. Instead of standing by their responsibility to financing clinical research and vocational training of physicians, the health insurance companies in particular claim that physicians are being extensively bribed by the pharmaceutical industry. In order to continuously improve the mutual targets, i.e. the treatment options for patients, both groups have developed transparency regulations. Keywords Health insurance companies · Research,   clinical · Vocational training, medical ·   Consultation · Transparency codex 

Fachnachrichten lich. Er beginnt schon bei der Schulung des Personals, wie im Rahmen der Studie behandelt werden muss. Dann müssen oft Labor und Medikamentenlager noch in geeigneter Weise erweitert werden. Mit den Patienten sind viele zusätzlichen Aufklärungsgespräche zu führen. Bei allen Teilnahmewilligen muss untersucht werden, ob sie wirklich für eine Teilnahme in Betracht kommen – ob sie beispielsweise nicht Begleitkrankheiten haben, die das ausschließen. Mitunter kommt nur einer von 1000 interessierten Patienten letztlich für die Teilnahme in Betracht. Während der Behandlung fallen im Rahmen einer Studie weitere Zusatzuntersuchungen an; und natürlich erhöhter Aufwand für die Krankenakte. Es ist dieser wirklich erhebliche Aufwand, für den die Ärzte entschädigt werden müssen! Lassen Sie es mich so sagen: Die Motivation der Ärzte, bei Studien am medizinischen Fortschritt mitzuwirken, ist unbezahlbar – aber für alles andere muss eine Firma schon aufkommen, wenn es um die Erprobung ihres Medikamentes geht. Es nicht zu tun, wäre unfair! Der neue Transparenzkodex – was bezwecken Sie damit? Forschende Pharmaunternehmen haben sich mehr als andere Branchen – auch und gerade im Gesundheitswesen – intensiv mit Transparenz und Korruptionsbekämpfung befasst. Sie sehen Transparenz als Grundlage für Glaubwürdigkeit. Deshalb verpflichten sich die Unternehmen mit dem Transparenzkodex, ihre Zuwendungen an Ärzte, Apotheker und andere Fachleute künftig offenzulegen und nachvollziehbar zu machen. Die dafür nötige – ziemlich verzweigte – Buchhaltung wird gerade in den Firmen eingerichtet; 2015 wird gesammelt, und 2016 wird man die ersten Aufstellungen lesen können. Das vollständige Interview finden Sie auch unter http://www.vfa.de.

Fazit für die Praxis F Die jahrzehntelange vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Ärzten und Pharmaindustrie bezüglich der Erfahrungen aus der Anwendungsfor-

schung der Arzneimittel sowie der Fortbildung wurden durch kam-  pagnenartig verbreitete kollektive Korruptionsvorwürfe auf eine Belastungsprobe gestellt. Ungeachtet der ungeklärten Frage, wer alternativ die Kosten dafür tragen sollte, wurde eine geplante gegenseitige Abhängigkeit unterstellt. F Um die gemeinsamen Ziele, die Behandlungmöglichkeiten für die PatientInnen ständig zu verbessern, nicht weiterhin unehrenhaft zu belasten, haben beide Gruppen Transparenzregeln entwickelt. Damit wird ein deutliches Signal gesetzt, dass diese Zusammenarbeit nicht auf niedrigen Beweggründen fußt, sondern auf dem Credo, auch in Zukunft ärztliche Kompetenz mit pharmakologischem Wissen zum Wohle aller Kranken zu verbinden.

Korrespondenzadresse Dr. W. Bühmann Pressesprecher des   Berufsverbandes der   Deutschen Urologen e.V., Keitumer Süderstraße 33 c,   25980 Sylt OT Keitum [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  W. Bühmann gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Ausschreibung des C.E. Alken-Preis 2014 Die C.E. Alken-Stiftung fördert die klinische und experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Urologie, indem sie jährlich auf diesem Gebiet ausgezeichnete deutschsprachige Wissenschaftler und Kliniker zum Vortrag einlädt und einen Preis für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten verleiht. F Der C.E. Alken-Preis umfasst die Urkunde, eine Dotierung von 10.000 SFr. und die Berechtigung zur Teilnahme an den regelmäßigen, jährlichen Preisträgersitzungen. Der Preis kann geteilt werden. F Die Vergabe des Preises erfolgt durch den Beirat der C.E. Alken-Stiftung an Wissenschaftler und Kliniker, die zur Einreichung ihrer Unterlagen aufgefordert wurden oder ihre Unterlage auf Grund der Ausschreibung einreichen. Die Unterlagen, eine hervorragende Arbeit oder Präsentation, das Schriftenverzeichnis mit der Auflistung der Impactfaktoren und ein Curriculum vitae sind bis zum 01. Oktober des 2014 elektronisch an untenstehende Email oder als CD an untenstehende Adresse zu senden: Herrn Prof. H. Danuser Klinik für Urologie Klinik Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16, Schweiz Email: [email protected] Über die Zuerkennung des Preises entscheidet der Beirat der C.E. Alken-Stiftung. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

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[New transparency between physicians and the pharmaceutical industry].

The long-lasting trusting partnership between physicians and the pharmaceutical industry with respect to experience from applied research of medicatio...
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