Fort- und Weiterbildung

Neue Therapieoptionen bei der Multiplen Sklerose New Therapeutic Options in Multiple Sclerosis

A. Salmen, A. Chan Neurologische Klinik, St. Josef-Hospital, Ruhr-Universität Bochum

VNR 2760512015147124867

Zusammenfassung

Abstract

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Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1399247 Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83: 174–186 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0720-4299

Die Therapieoptionen der Multiplen Sklerose (MS) haben sich im Vergleich zu noch vor einigen Jahren insbesondere für den Bereich der schubförmig remittierenden Verläufe deutlich erweitert. Darüber hinaus hat die Aktualisierung der Diagnosealgorithmen zu einer Vereinfachung und Beschleunigung der Diagnosestellung geführt und die Definition der unterschiedlichen MS-Verlaufsformen wurde operationalisiert mit dem Fokus der Feststellung von Aktivität und Progression als wesentlichen Determinanten. Das Paradigma der Frühtherapie der MS ist etabliert, so dass in der Zusammenschau dieser Neuerungen Therapieentscheidungen immer komplexer werden. Neben der Nutzen-Risiko-Abwägung der einzelnen Substanzen sind auch individuelle patientenbezogene Faktoren relevant, zum Beispiel besondere Lebenssituationen und Familienplanung. Im vorliegenden Artikel werden neue und etablierte verlaufsmodifizierende Therapiemöglichkeiten im Kontext der verschiedenen Verlaufsformen und der NutzenRisiko-Bewertung diskutiert.

Therapeutic options in the treatment of multiple sclerosis (MS) have broadened notably over the past years, especially for relapsing-remitting forms of MS. The revision of the diagnostic criteria simplified and accelerated MS diagnosis, definitions of disease courses were operationalized focussing on disease activity and progression as major determinants. The paradigm of an early treatment initiation is accepted and evidencebased. All these aspects have led to an increasing complexity of therapeutic decision making. Besides a benefit-risk-evaluation for each substance, individual patient-related factors have to be considered, e.g. life and family planning. This article reviews new and established disease-modifying drugs in the context of disease courses and stages and benefit-risk-considerations.

Korrespondenzadresse Dr. Anke Salmen Neurologische Klinik, St. JosefHospital, Ruhr-Universität Bochum Gudrunstr. 56 44791 Bochum [email protected]

Lernziele !

Dieser Fortbildungsartikel gibt einen Überblick über neue Therapiemöglichkeiten der Multiplen Sklerose (MS). Da wesentliche Therapieneuerungen sich zum aktuellen Zeitpunkt auf die Verlaufsform der schubförmig-remittierenden MS (Relapsing-remitting MS, RRMS) beziehen, beschränken sich die Ausführungen großenteils auf die RRMS, andere Verlaufsformen werden daher nur in Randbereichen berührt. Ebenso werden symptomatische Therapiemaßnahmen nicht besprochen.

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Der Schwerpunkt liegt auf:

▶ der Darstellung des Nutzen-Risiko-Profils neu ▶ ▶ ▶

zugelassener verlaufsmodifizierender Therapeutika, insbesondere der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, der Einordnung dieser medikamentösen Optionen in die bestehenden Therapiealgorithmen, neuen Sicherheitsaspekten bereits etablierter Therapeutika, die im Zuge der Nutzen-RisikoBewertung relevant erscheinen, und der detaillierten Besprechung rezent zugelassener Substanzen.

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Einleitung

Diese Anpassung der Diagnosekriterien führt in der Praxis dazu, dass bei einigen der zuvor als KIS klassifizierten Patienten bereits eine RRMS diagnostiziert werden kann – mit entsprechenden Behandlungsoptionen. Mehrere Post-hocAnalysen rezenter Phase-III-Studien deuten darauf hin, dass diese unterschiedlichen Diagnosekriterien auf die relevanten Auswertungsparameter der Wirksamkeit keinen höhergradigen Effekt haben [5 – 8]. Für die Diagnosestellung einer PPMS gelten gesonderte Kriterien [4]. Die Abgrenzung der Verlaufsformen ist relevant, da die medikamentösen Therapieoptionen nicht in allen Bereichen gleichermaßen einzusetzen " Tab. 1, 2) [2]. Dies gilt aufund zugelassen sind (● grund der oben beschriebenen Verschiebungen zwischen RRMS und KIS immer weniger für die Frühtherapie bei KIS; die Abgrenzung zu den progredienten Verläufen ist aber von Bedeutung, da die Patienten unter Umständen wenig wirksame, aber potenziell nebenwirkungsträchtige Therapien erhalten oder im Umkehrschluss wirksame Therapeutika mit balancierter Nutzen-Risiko-Abwägung den Patienten ggf. vorenthalten werden können.

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MS ist eine autoimmun-vermittelte chronisch und progressiv verlaufende Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS) mit entzündlichen und degenerativen Charakteristika [1]. Neben der klinischen Erstmanifestation, dem klinisch-isolierten Syndrom (KIS), werden die Verlaufsformen RRMS, sekundär progrediente MS (SPMS) und primär progrediente MS (PPMS) unterschieden [2]. Die Revision der Definition der einzelnen Verlaufsformen im Jahre 2013 operationalisiert das Vorhandensein von entzündlicher Aktivität in Form von Krankheitsschüben bzw. fokaler magnetresonanztomografischer (MRT-)Aktivität im Gegensatz zu reiner klinischer Progression unabhängig von Entzündungsaktivität [3]. Da allerdings die Zulassung der entsprechenden Medikamente den bisher gängigen Definitionen folgt, wird im Folgenden die entsprechende Nomenklatur beibehalten. Die Anpassung der McDonald-Kriterien im Jahr 2010 diente der Vereinfachung der MS-Diagnosekriterien [4]: Neben der klinischen Präsentation und dem Ausschluss anderer Ursachen kann der Nachweis einer örtlichen und zeitlichen Dissemination anhand adaptierter (kranialer) MRT-Algorithmen erfolgen. Örtliche Dissemination. Die örtliche Dissemination kann mit dem Vorliegen von mindestens 1 Läsion in 2 von 4 ZNS-Bereichen nachgewiesen werden, wobei eine symptomatische Hirnstammoder spinale Läsion nicht in die Läsionszahl eingerechnet werden darf. Zeitliche Dissemination. Für den Nachweis einer zeitlichen Dissemination können MRT-Veränderungen zwischen 2 Untersuchungen unabhängig von deren Abstand zueinander und unter bestimmten Bedingungen eine einzige MRT-Unter" Abb. 1). suchung ausreichend sein (●

Verlaufsform

Nachweis der zeitlichen Dissemination

Nachweis der örtlichen Dissemination

Nachweis einer neuen – T2-Läsion und/oder – Gadolinium-aufnehmenden Läsion in einem Folge-MRT in Bezug auf ein

Nachweis von mindestens 1 T2-Läsion

in mindestens 2 von 4 ZNS-Arealen

Abb. 1 MRT-Kriterien der örtlichen und zeitlichen Dissemination gemäß revidierten McDonald-Kriterien (2010) [4].

1. Periventrikulär 2. Juxtakortikal 3. Infratentoriell 4. Spinal (ausgenommen

symptomatische spinale/ Hirnstamm-Läsionen)

Therapiemöglichkeiten

Therapiemöglichkeiten

Reservemedikamente

1. Wahl

2. Wahl

Frühtherapie (KIS)

Glatiramerazetat s. c. Interferon β-1a i. m., s. c. Interferon β-1b s. c.





milder/moderater Krankheitsverlauf (RRMS)

Dimethylfumarat p. o. Glatiramerazetat s. c. Interferon β-1a i. m., s. c. Interferon β-1b s. c. Peginterferon β-1a s. c. Teriflunomid p. o.



Azathioprin p. o. intravenöse Immunglobuline (postpartal im Einzelfall zu erwägen)

(hoch-)aktiver Krankheitsverlauf (RRMS)

Alemtuzumab i. v. Fingolimod p. o. Natalizumab i. v.

Mitoxantron i. v.

Cyclophosphamid i. v. (Einzelfallentscheidung) (experimentelle Verfahren)

SPMS mit Schüben

Interferon β-1a s. c. Interferon β-1b s. c. Mitoxantron i. v.



Cyclophosphamid i. v. (Einzelfallentscheidung)

SPMS ohne Schübe

Mitoxantron i. v.



Cyclophosphamid i. v. (Einzelfallentscheidung)

vorangegangenes MRT unabhängig von dessen Zeitpunkt

oder Gleichzeitiger Nachweis asymptomatischer Gadolinium-aufnehmender und nicht-Gadolinium-aufnehmender Läsionen zu jedwedem Zeitpunkt

Tab. 1 Empfohlene Einsatzbereiche der zugelassenen Therapieoptionen [2].

i. m. – intramuskulär, i. v. – intravenös, KIS – klinisch isoliertes Syndrom, p. o. – per os, RRMS – schubförmig-remittierende Multiple Sklerose (Relapsing-remitting MS), s. c. – subkutan, SPMS – sekundär-chronisch progrediente Multiple Sklerose

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Therapiemöglichkeiten der verschiedenen Verlaufsformen

In der Frühtherapie des klinisch isolierten Syndroms (erstes demyelinisierendes Ereignis ohne Hinweis auf Dissemination in der Zeit) besitzen die für diese Indikation zugelassenen Interferonpräparate und Glatiramerazetat gleichermaßen gute Evidenz.

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Klinisch isoliertes Syndrom (KIS) Die Einleitung einer immunmodulatorischen Therapie nach dem ersten demyelinisierenden Ereignis bei hohem Konversionsrisiko zur definitiven MS wurde durch mehrere Studien mit höchster Evidenzklasse untermauert: Für die parenteral verfügbaren Erstlinienmedikamente (Glatiramerazetat und Interferon-β-Präparate) wurde gezeigt, dass ihr früher Einsatz den Eintritt eines zweiten Schubereignisses verzögert und dass MRT-Parameter " Tab. 3) [9 – 13]. günstig beeinflusst werden (● Nach mittlerweile jahrzehntelangen Erfahrungen ist das Sicherheitsprofil dieser Präparate als günstig zu bewerten (s. u.). Für das orale Medikament Teriflunomid sind unlängst die positiven Ergebnisse der Frühtherapiestudie bei KIS publiziert worden [14], die formale Zulassung steht aber noch aus.

Tab. 2

Schubförmig-remittierende Multiple Sklerose (RRMS) Die Indikation für die meisten MS-Therapeutika bezieht sich auf den schubförmig-remittierenden Verlauf. Das in kurzer Zeit deutlich größer gewordene Spektrum der verfügbaren Präparate macht die Entwicklung von Entscheidungshilfen notwendig. Die initiale Klassifizierung in entsprechenden Leitlinien in Medikamente der sog. Basis- und Eskalationstherapie wurde zugunsten einer Stratifizierung nach Aktivität der Krankheitsverläufe (mild/moderat vs. (hoch-)aktiv) " Tab. 1) [2]. Dies trägt zum einen verlassen (● neueren Zulassungskriterien Rechnung, berücksichtigt aber zum anderen Sicherheitsaspekte

Übersicht über die zugelassenen Präparate (Stand Dezember 2014).

Wirkstoff

Anwendung

Dosierung

Handelsname

Alemtuzumab

i. v.

1. Behandlungsphase: 12 mg pro Tag an 5 Tagen 2. Behandlungsphase (nach 12 Monaten): 12 mg pro Tag an 3 Tagen

Lemtrada ®

Azathioprin

p. o.

2 – 3 mg/kg KG, cave: Dosisadaptation nach Lymphozytenwert

diverse

Cyclophosphamid

i. v.

650 mg/m² KOF alle 8 – 12 Wochen, cave: Dosisadaptation gemäß Fachinformation

Endoxan ®

Dimethylfumarat

p. o.

240 mg 2-mal täglich

Tecfidera ®

Fingolimod

p. o.

0,5 mg 1-mal täglich

Gilenya ®

Glatiramerazetat

s. c.

20 mg 1-mal täglich

Copaxone ®

Interferon β-1a

i. m.

30 μg 1-mal wöchentlich

Avonex ®

Interferon β-1a

s. c.

44 (22) μg 3-mal wöchentlich

Rebif ®

Interferon β-1b

s. c.

250 μg jeden 2. Tag

Betaferon ® Extavia ®

Intravenöse Immunglobuline

i. v.

im Einzelfall zu erwägen

diverse

Mitoxantron

i. v.

12 mg/m² KOF alle 3 Monate, cave: Dosisadaptation gemäß Fachinformation; kumulative Lebenszeitdosis 100 mg/m² KOF, als Einzelfallentscheidung bis max. 140 mg/m² KOF.

diverse

Natalizumab

i. v.

300 mg alle 4 Wochen

Tysabri ®

Peginterferon β-1a

s. c.

125 μg alle 2 Wochen

Plegridy ®

Teriflunomid

p. o.

14 mg 1-mal täglich

Aubagio ®

i. m. – intramuskulär, i. v. – intravenös, KG – Körpergewicht, KOF – Körperoberfläche, p. o. – per os, s. c. – subkutan

Tab. 3 Übersicht über die Studien zur Frühtherapie nach KIS.

Präparat

Studie

Referenz(en)

Glatiramerazetat s. c.

preCISe

Comi G, Martinelli V, Rodegher M et al. Lancet 2009; 374: 1503 – 1511

Interferon β-1a i. m.

CHAMPS

Jacobs LD, Beck RW, Simon JH et al. N Engl J Med 2000; 343: 898 – 904

Interferon β-1a s. c.

ETOMS

Comi G, Filippi M, Barkhof F et al. Lancet 2001; 357: 1576 – 1582

Interferon β-1b s. c.

BENEFIT

Kappos L, Freedman MS, Polman CH et al. Lancet 2007; 370: 389 – 397 Barkhof F, Polman CH, Radue EW et al. Arch Neurol 2007; 64: 1292 – 1298

Teriflunomid

TOPIC

Miller AE, Wolinsky JS, Kappos L et al. Lancet Neurol 2014; 13: 977 – 986

i. m. – intramuskulär, p. o. – per os, s. c. – subkutan

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Die Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose unterscheidet zwischen milden/moderaten und aktiven/hochaktiven Krankheitsverläufen. Dieses Konzept berücksichtigt rezente Medikamentenzulassungen, umfasst aber auch weiterhin eine Nutzen-Risiko-Abschätzung. Neben den zur Therapie des KIS zugelassenen etablierten Erstlinienmedikamenten (Glatiramerazetat, Interferon-β-Präparate) können mithilfe der dargestellten Differenzierung bei milden bis moderaten Krankheitsverläufen derzeit 3 weitere " Tab. 1, 2). Substanzen eingesetzt werden (● Mit den positiven Ergebnissen der ADVANCE-Studie wurde eine Weiterentwicklung von Interferon β-1a, das Peginterferon β-1a, zugelassen (subkutane Applikation, s. c.) [18]. Als oral verfügbare Präparate sind Dimethylfumarat (DMF) und Teriflunomid zur Erstlinientherapie der RRMS zugelassen. Für Glatiramerazetat wurde eine alternative Dosierung erfolgreich getestet (GALA-Studie, 3-mal 40 mg s. c. pro Woche) [19]. Nach positiver Bewertung durch die US-amerikanischen und britischen Zulassungsbehörden wird die Anschlussentscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im ersten Quartal 2015 erwartet. Für den Einsatz des unselektiven Immunsuppressivums Azathioprin, das bei MS nicht nach modernen Studienkriterien untersucht worden ist, bedarf es vor dem Hintergrund der dargestellten modernen Therapieoptionen einer guten Rechtfertigung. Seine Anwendung im Bereich RRMS wird somit weiter abnehmen. Ebenso ist die Anwendung von intravenösen Immunglobulinen als Off-Label-Therapieversuch klinischen Spezialsituationen wie z. B. der Schwangerschaft bzw. " Tab. 1). Postpartalzeit vorbehalten (● Kombinationstherapien sind in verschiedenen klinischen Studien mit allenfalls moderaten zusätzlichen Effekten untersucht worden [20, 21].

Die aufgeführten Präparate sind zur Monotherapie der RRMS zugelassen. Kombinationstherapien können außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen werden.

Neben dem oral verfügbaren Fingolimod sind zur intravenösen (i. v.) Applikation für aktive und hochaktive Erkrankungsverläufe 2 monoklonale Antikörper, Alemtuzumab und Natalizumab, zugelassen. Infolge der Erweiterung der Therapieoptionen um diese 3 Präparate für aktive RRMS-Verläufe sind Mitoxantron und Cyclophosphamid deutlich in den Hintergrund getreten. Darüber hinaus muss vor Initiierung einer Therapie mit Mitoxantron, Cyclophosphamid, aber auch Azathioprin bedacht werden, dass andere Therapieoptionen dadurch limitiert werden können, wie sich am Beispiel der

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und Nutzen-Risiko-Abwägungen. So ist für das Ende 2013 eingeführte Alemtuzumab in der Indikationsstellung ein „Versagen der Vortherapie“, wie es unter dem Konzept der Eskalationstherapie beschrieben wurde, nicht mehr zwingend gefordert. Möglichst objektive Kriterien eines milden oder moderaten vs. eines aktiven oder hochaktiven RRMS-Verlaufs sind daher zu definieren. Für die Indikationsstellung der bereits länger zugelassenen Substanzen (Fingolimod, Natalizumab) gilt weiterhin das Vorliegen einer hohen Krankheitsaktivität unter angemessen langer vorhergegangener krankheitsmodifizierender Therapie (üblicherweise 1-jährige Therapie) [15, 16]. Hohe Krankheitsaktivität wird als mindestens ein Schubereignis im vorangegangenen Jahr mit Nachweis von mindestens 9 T2-hyperintensen oder einer Kontrastmittel aufnehmenden Läsion im kranialen MRT definiert. Alternativ wird ein fehlendes Therapieansprechen auf die Vortherapie definiert als eine unveränderte oder vermehrte Schubrate oder das Vorliegen anhaltend schwerer Schubereignisse im Vergleich zum Vorjahr. Ohne die Notwendigkeit einer Vortherapie wird eine rasch fortschreitende RRMS definiert durch das Vorliegen von 2 oder mehr Schubereignissen mit Behinderungsprogression in einem Jahr mit Nachweis mindestens einer Kontrastmittel aufnehmenden Läsion oder deutlicher Erhöhung der T2-Läsionslast in einer kürzlich erfolgten MRT-Untersuchung. Insgesamt liegen für diese eingeschränkte Indikationsstellung mittlerweile breite klinische Erfahrungen vor, ohne dass in den entsprechenden zulassungsrelevanten Studien genau diese Szenarien untersucht worden wären. Die von den Zulassungsbehörden gewählte Beschränkung auf bestimmte Patientengruppen folgt dabei einer Nutzen-Risiko-Abwägung bezüglich potenzieller Nebenwirkungen (s. u.). Für Alemtuzumab finden sich weniger strikte Kriterien bezüglich der geforderten Krankheitsaktivität. Hier ist für eine zulassungsgemäße Indikationsstellung lediglich der Nachweis von Erkrankungsaktivität, und zwar klinisch oder kernspintomografisch, gefordert, unabhängig von etwaigen Vortherapien. Diese „offenere“ Zulassung durch die EMA folgt dem derzeit gängigen pathophysiologischem Verständnis, dass die tiefgreifende Gewebeschädigung als Substrat der Behinderung durch Immuntherapeutika nur in relativ frühen Stadien angegangen werden kann. Ebenfalls unter dem Aspekt einer Nutzen-Risiko-Analyse fordern aber entsprechende deutsche Leitliniengruppen zumindest ein klinisches Korrelat von Krankheitsaktivität (s. u.), ebenso wie die Beschränkung auf (hoch-)aktive MS-Verläufe [17].

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Natalizumab-Therapie mit erhöhtem Risiko der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) nach Immunsuppression belegen lässt (s. u.).

Chronische Verlaufsformen Da in den Bereichen PPMS und SPMS derzeit keine neuen verlaufsmodifizierenden Therapiemöglichkeiten bestehen, werden die bestehenden Optionen an dieser Stelle kurz zusammenfassend dargestellt.

Primär chronisch progrediente Multiple Sklerose (PPMS) Die PPMS wird in der Darstellung von therapeutischen Möglichkeiten oftmals weitgehend ausgespart. Eine formelle Zulassung oder ausreichende Datenlage im Bereich PPMS besteht für keines der " Tab. 1 aufgeführten verlaufsmodifizierenden in ● Medikamente. Anhand der vorgeschlagenen Neuordnung der Erkrankungsverläufe mag es im Bereich PPMS für therapeutische Erwägungen sinnvoll sein, sich nach dem Vorhandensein von Erkrankungsaktivität anhand des MRTs zu richten [3]. Für den monoklonalen Antikörper Rituximab wurde bei Fehlen einer globalen Effektivität bei PPMS in einer Subgruppenanalyse ein positiver Effekt in eben dieser Gruppe mit fokaler Entzündungsaktivität im kranialen MRT gezeigt [22]. Für andere Präparate liegen solche Analysen bisher nicht vor, sodass aufgrund der insgesamt fehlenden Evidenz in diesem Bereich insbesondere auf die Anwendung von Medikamenten verzichtet werden sollte, die mit schwerwiegenden Nebenwirkungen vergesellschaftet sein können. Optimierte symptomatische Therapiemaßnahmen inkl. physiotherapeutischer Beübung stehen im Vordergrund der Behandlung. Die verlaufsmodifizierende Therapie erfolgt auf der Basis von Einzelfallentscheidungen. Für die Phase-III-Studie zu Fingolimod im Anwendungsbereich PPMS wurde seitens des Sponsors jüngst ein negatives Ergebnis bezüglich des primären Studienendpunkts berichtet [23].

Für den Bereich PPMS besteht weder höhergradige Evidenz noch eine Zulassung für die Anwendung einer der im Bereich der schubförmigen Verlaufsform etablierten MS-Therapeutika.

Sekundär chronisch progrediente Multiple Sklerose (SPMS) Sofern nachweislich noch Krankheitsaktivität (Schübe, MRT) besteht, können die s. c. verabreichbaren Interferon-β-Präparate bei SPMS eingesetzt werden [24]. Allerdings deuten die Studienlage sowie die langjährige Erfahrung im Praxisalltag darauf hin, dass die Wirksamkeit bei SPMS limitiert ist [24]. Bei Patienten mit SPMS, die unter Spastik-Symptomen leiden, sollte eine

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mögliche Verschlechterung der Spastik unter Interferon-β-Therapie [25] bedacht werden. Aufgrund des weitgehenden Fehlens anderweitiger Optionen hat Mitoxantron, das im Zuge des breiteren Spektrums verlaufsmodifizierender Therapeutika im Bereich RRMS sicher an Stellenwert verloren hat, bei SPMS weiterhin eine wesentliche Bedeutung. Das auch hämato-onkologisch eingesetzte Immunsuppressivum bedarf einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung, da neben einer Vielzahl leichterer Nebenwirkungen auch potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen eintreten können. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die therapieassoziierte akute Leukämie und Kardiotoxizität zu bedenken. Standardisierte Behandlungs- und Überwachungsprotokolle sind vor, unter und nach MitoxantronTherapie daher essenziell, um bestmögliche Therapiesicherheit zu gewährleisten, und ausführlich beschrieben, [z. B. 2, 26]. Das Reservepräparat Cyclophosphamid kommt in Deutschland kaum mehr zur Anwendung [2], wird aber z. B. in Nordamerika trotz sehr geringer Datenlage weiterhin genutzt. Siponimod, ein spezifischer Modulator der Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Subtypen 1 und 5 als Fortentwicklung des Fingolimods [27], und Natalizumab sind in der klinischen Prüfung für den Bereich SPMS (ClinicalTrials.gov-Identifier NCT01 665 144, NCT01 416 181).

In der Therapie der SPMS können Interferon-βPräparate (v. a. bei überlagerten Schüben) und Mitoxantron erwogen werden.

Relevante Sicherheitsaspekte etablierter verlaufsmodifizierender Therapieoptionen der RRMS !

Interferon-β-Präparate Für eines der Interferonpräparate wurden Daten der mittlerweile mehr als 20-jährigen Beobachtung nach initialer Anwendung mit Nachweis eines Überlebensvorteils publiziert [28]. Rezent wurden Warnhinweise über das mögliche Auftreten thrombotischer Mikroangiopathien (v. a. thrombotisch-thrombozytopenische Purpura bzw. hämolytisch-urämisches Syndrom) sowie nephrotischer Syndrome unter Interferon-β-Therapie veröffentlicht. Die zugrunde liegenden Meldungen über diese Erkrankungen, einschließlich Fällen mit Todesfolge, sind dabei teilweise älter [29]. Bei der Bewertung konnte ein kausaler Zusammenhang zwischen Interferon-β-Präparaten und diesen Fällen durch die Zulassungsbehörden nicht ausgeschlossen werden. Neben der entsprechenden Meldung von Verdachtsfällen wird dabei zu klinischer Vigilanz geraten, d. h. regelmäßige Verlaufskontrollen (z. B. halbjährlich) einschließlich

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Blut- und Urinuntersuchungen bzw. bei klinischen Verdachtsmomenten (unklares Fieber, neu aufgetretener Bluthochdruck, (verstärkte) Ödeme).

Der Warnhinweis verändert die grundsätzlich positive Einschätzung des Sicherheitsprofils der Interferon-β-Präparate nicht und rechtfertigt keine Änderung einer anderweitig komplikationslosen Interferon-β-Therapie. Wie unter jeder Immuntherapie sollten auch unter Interferon-β regelmäßige Sicherheitsuntersuchungen durchgeführt werden.

Fingolimod Bei mehr als 100 000 Patientenjahren Erfahrung ist mittlerweile davon auszugehen, dass auch seltenere potenzielle Nebenwirkungen unter einer Therapie mit Fingolimod bekannt geworden sind [2]. Nach Markteinführung wurde unter den vorgesehenen Maßnahmen zur Verhinderung schwerer Varizella-Zoster-Erkrankungen seitens der Zulassungsbehörden zunächst vorwiegend auf die kardialen Nebenwirkungen hingewiesen. Die eingehende kardiale Anamnese und Untersuchung vor Therapiebeginn zur Erfassung besonderer Risikofaktoren und Kontraindikationen sowie das Monitoring unter Erstgabe sollten daher entsprechend den Empfehlungen erfolgen [16]. Hämophagozytisches Syndrom. Ein Rote-HandBrief bezog sich kürzlich auf das Auftreten des sehr seltenen hämophagozytischen Syndroms (HPS) [30]. Nach einer Behandlungszeit von 9 und 15 Monaten mit Fingolimod wurden 2 Todesfälle berichtet. Üblicherweise lösen Infektionen, insbesondere mit dem Epstein-Barr-Virus, diese schwerwiegende Erkrankung aus. In ihrem Verlauf treten Fieber, Lymphadenopathie, Zytopenie, Organomegalie, Leberversagen und neurologische Symptome auf. Die frühe Erkennung und Einleitung einer Behandlung des HPS kann Multiorganversagen und einen möglichen letalen Verlauf verhindern. Neben der Behandlung der triggernden Infektion helfen immunsuppressive Maßnahmen, die überschießende Immunantwort zu unterbinden.

Natalizumab Aufgrund seiner zunehmenden Häufigkeit im Rahmen verbreiteter Anwendung und verbesserter Risikostratifizierungsmöglichkeiten soll hier auf die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) gesondert eingegangen werden. PML ist eine opportunistische Infektion des ZNS durch das John-Cunningham-Virus (JCV). Es kann zu schwerwiegender Behinderung und Tod führen, wobei verschiedene Faktoren (Latenz bis zur Diagnose, Lokalisation der PML-Läsionen, Management) vermutlich die Prognose beeinflussen [31 – 33]. Weltweit sind bisher 495 bestätigte PML-Fälle

(davon 492 bei MS und 3 bei Morbus Crohn) beschrieben (Stand: 2. September 2014) [34]. Das Risiko einer PML steigt besonders ab einer Behandlungsdauer mit Natalizumab von mehr als 24 Infusionen. Eine weitere Therapiefortführung darüber hinaus bedarf daher einer erneuten Aufklärung des Patienten und der Abwägung des individuellen Nutzen-Risiko-Profils. Mögliche, auf eine PML hinweisende neurologische, besonders auch neuropsychologische Symptome sollten dem Patienten und seinen Angehörigen bewusst sein. Für die Langzeitbehandlung werden engmaschigere zerebrale MRT-Kontrollen empfohlen. Die MRTCharakteristika PML-verdächtiger Läsionen sind ausgedehnte (> 3 cm), subkortikale, T2- oder Flairhyperintense, T1- (und Diffusions-) hypointense Läsionen der weißen Substanz mit scharfer Begrenzung zur grauen und nicht-befallenen weißen Substanz. Kontrastmittelaufnahme kann früh auftreten [35]. Neben der Therapiedauer ist auch eine vorangegangene Therapie mit Immunsuppressiva mit einem höheren Risiko für die Entwicklung einer PML verbunden. Die Bestimmung des Anti-JCV-Antikörper-Status ist mittlerweile etabliert, ein negativer Antikörper-Nachweis ist mit einem geringen PML-Risiko assoziiert. Mithilfe dieser 3 Faktoren können Risikogruppen gebildet werden. Unter diesen variiert die PML-Inzidenz zwischen unter 0,09 (Gruppe des niedrigsten Risikos) und 11,1 Fällen pro 1000 Patienten (Gruppe des höchsten Risikos) [31]. Weiterentwicklungen des Antikörpertests umfassen die Bestimmung der Höhe der Antikörperreaktivität, die vermutlich ebenfalls prädiktiven Charakter besitzt [36]. Bei Verdacht auf eine PML muss die Natalizumab-Therapie ausgesetzt und weitere Diagnostik, insbesondere ein aktualisiertes MRT und Liquordiagnostik mit Nachweis von JCV-DNA, eingeleitet werden. Die Therapie der PML und des im Verlauf eintretenden Immunrekonstitutionssyndroms (IRIS) sollte in spezialisierten Zentren erfolgen.

Etablierte Risikofaktoren der PML-Entwicklung sind eine vorangegangene immunsuppressive Therapie, ein positiver Anti-JCV-Antikörperstatus und eine Natalizumab-Therapiedauer von mehr als 24 Monaten. Weitere Biomarker zur Risikostratifizierung werden derzeit validiert.

Neue verlaufsmodifizierende Therapieoptionen der RRMS !

Alemtuzumab Alemtuzumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das Leukozyten-Oberflächenantigen CD52 (Cluster of Differentiation, CD). Die i. v. Gabe von 12 mg erfolgt im 1. Therapiejahr über eine 5-tägige Behandlungsphase, im 2. Jahr über 3 Tage. Nach

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der 2. Behandlungsphase ist aktuell eine weitere Beobachtung des Patienten über zunächst weitere 48 Monate ohne wiederholte oder andere Therapiemaßnahmen vorgesehen, weil in den bisherigen Studien eine hohe Wirksamkeit bei schubförmigen MS-Verläufen gezeigt wurde [37 – 40], die in der Nachbeobachtung der Patienten aus der Phase-II-Studie als mehrjährig anhaltend beschrieben wurde [41]. Dennoch wird, anhand der Studiendaten, ein Teil der Patienten innerhalb dieses Zeitraums eine erneute oder anderweitige Therapie benötigen (nach [41] etwa 18 %). Obwohl die europäische Zulassung sich lediglich auf Krankheitsaktivität bezieht, die klinisch oder kernspintomografisch nachgewiesen sein kann [17], ist angesichts potenzieller Nebenwirkungen seitens entsprechender deutscher Leitliniengruppen mindestens der Nachweis klinischer Krankheitsaktivität gefordert. Insbesondere wird dabei auf die Einschlusskriterien der Zulassungsstudien " Tab. 4) [37, 40]. Für die Erstlinienverwiesen (● therapie sollten aufgrund des Risikoprofils strenge Kriterien angewendet werden. Das Vorliegen einer sehr hohen Schubfrequenz in kurzer Zeit und bei kurzer Erkrankungsdauer und der zusätzliche Nachweis von MRT-Aktivität (Kontrastmittelaufnahme oder Zunahme der Läsionslast) werden dazu vorgeschlagen [2]. In diesen frühen und hochaktiv-entzündlichen Phasen der Erkrankung ist nach bisherigem Datenstand Alemtuzumab wirksam, während spätere oder gar chronische Verlaufsformen vermutlich nicht von der Behandlung profitieren. Diese Sichtweise wird durch die bereits beschriebene neue Einordnung der Krankheitsverläufe gestützt [3]. Aufgrund seiner eingreifenden Wirkung im Immunsystem birgt Alemtuzumab neben Infusionsreaktionen, die regelhaft auftreten und einer ärztlichen Überwachung und prophylaktischen Therapie bedürfen [17], insbesondere Risiken für infektiologische und autoimmune Nebenwirkungen. Infektiologisch sind insbesondere auch Herpes-Virus-assoziierte Infektionen zu berücksichtigen. Sekundäre Autoimmunphänomene, die unter Therapie und auch bis zu 48 Monaten nach ihrer Beendigung [41] auftreten können, umfas-

Tab. 4 Ein-/Ausschlusskriterien zur MS-Aktivität und -Dauer aus den Alemtuzumab-Zulassungsstudien.

sen Thyreoiditiden (36 %), idiopathisch thrombozytopenische Purpura (1 %) und Nephropathien inkl. Goodpasture-Syndrom (0,3 %) [17], die unbehandelt einen schweren, in Einzelfällen sogar tödlichen Verlauf nehmen können. Sicherheitsuntersuchungen auch im Verlauf sind daher relativ komplex, die Adhärenz des Patienten zu den Sicherheitsmaßnahmen gewinnt maßgebliche Bedeutung. Laborchemisch müssen vor Therapieinitiierung chronische Infektionserkrankungen und ggf. eine Schwangerschaft ausgeschlossen sowie eine Varizella-Zoster-Serologie, ein Differentialblutbild, Schilddrüsen- und Nierenretentionsparameter inkl. Urinuntersuchung beachtet werden. Monatliche, für Thyreotropin (TSH) 3-monatliche Kontrolluntersuchungen sind obligat, aufgrund der möglichen Latenz des Auftretens von Nebenwirkungen auch über 4 Jahre nach Therapieende. Während und über die Dauer eines Monats nach Behandlung muss eine HerpesProphylaxe mit Aciclovir (täglich 2-mal 200 mg oral) erfolgen.

Bei hoher Wirksamkeit von Alemtuzumab erfordert das Risiko potenziell schwerwiegender Nebenwirkungen ein komplexes Sicherheitsprotokoll und gesicherte Patientenadhärenz zu den Sicherheitsmaßnahmen.

Dimethylfumarat (DMF) DMF und sein aktiver Metabolit Monomethylfumarat haben antiinflammatorische und – zumindest experimentell – antioxidative Wirkungen [42]. Die Verträglichkeit der oralen Einnahme in der Zieldosis von 2-mal 240 mg täglich wird durch eine einschleichende Eindosierung verbessert. Insbesondere das Auftreten einer FlushSymptomatik und vermutlich gastrointestinaler Nebenwirkungen wird hierdurch reduziert. Die Zulassung zur Behandlung der RRMS erfolgte im europäischen Raum Anfang 2014 nach den Ergebnissen der 2 relevanten Zulassungsstudien [43, 44]. DMF kommt leitliniengerecht in der Gruppe der Erstlinienmedikamente bei milden/moderat

Studie

CARE-MS I [36]

CARE-MS II [37]

Einschlusskriterien

≥ 2 Schubereignisse innerhalb der letzten 24 Monate

≥ 2 Schubereignisse innerhalb der letzten 24 Monate

davon ≥ 1 Schubereignis in den letzten 12 Monaten

davon ≥ 1 Schubereignis in den letzten 12 Monaten ≥ 1 Schubereignis unter mind. 6-monatiger Vortherapie (Interferon β, Glatiramerazetat, andere)

Ausschlusskriterien

Erkrankungsdauer bis zu 5 Jahren

Erkrankungsdauer bis zu 10 Jahren

MS-typische MRT-Veränderungen

MS-typische MRT-Veränderungen

EDSS ≤ 3,0

EDSS ≤ 5,0

jegliche vorangegangene MS-Therapie (abgesehen von Steroiden)

EDSS – Expanded Disability Status Scale

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Fort- und Weiterbildung

DMF ist für die Erstlinientherapie der RRMS bei mildem/moderatem Erkrankungsverlauf zugelassen. Regelmäßige Kontrollen des Differentialblutbilds unter Therapie sind als sinnvolle Sicherheitsuntersuchung zu bewerten.

Peginterferon β-1a Wie aus der Interferon-Therapie z. B. bei Hepatitis bekannt, kann durch die Konjugation der Substanz mit Polyethylenglykol (PEG, Pegylierung) das Verbleiben der Substanz im Körper verlängert werden. Dies wird durch verschiedene Vorgänge erreicht wie der Verzögerung enzymatischer Abbauprozesse und einer Verlangsamung der renalen Ausscheidung. Durch die Pegylierung des Interferon β-1a konnten die Injektionsintervalle für die subkutane Applikation bei der RRMS auf 2 Wochen gestreckt werden [18]. Während die Wirksamkeit bei RRMS auf entsprechende klinische Parameter dokumentiert ist, ist kein formaler Vergleich zu der entsprechenden intramuskulären (i. m.) Vergleichssubstanz (Interferon β-1a i. m. 30 µg wöchentlich) durchgeführt worden. Sicherheitsprofil. Das Sicherheitsprofil von Peginterferon β-1a ist vergleichbar mit dem von Interferon-β-Präparaten. Lokalreaktionen an der Injektionsstelle (Erythem 62 %, Schmerz 15 %, Juckreiz 13 %) wurden beobachtet. Grippeähnliche Symptome, insbesondere bei Therapiebeginn, traten in der Studie bei etwa der Hälfte der Patienten auf [18], daher empfiehlt die Fachinformation ein Aufdosierungsschema über die ersten 3 Injektionen (63 → 94 → 125 µg = volle Dosis alle 2 Wochen s. c.) [49]. Erhöhungen der Transaminasen, die das 5-Fache der Norm überstiegen, wurden bei 1 – 2 % der Patienten unter Peginterferon β-1a beobachtet. Zumeist milde Leuko- und Thrombopenien können auftreten, ausgeprägte Zytopenien konnten nicht deutlich häufiger als in der Placebogruppe gefunden werden. Dennoch sind 2 Einzelfälle unter Peginterferon β-1a (eine Thrombozytopenie, eine Neutropenie) beschrieben, sodass Kontrollen der Leberwerte und des Differentialblutbilds durchgeführt werden sollten. Die im Zusammenhang mit anderen Interferon-β-Präparaten beschriebene Vorsicht bei der Anwendung bei Patienten mit Depression oder Suizidalität wird auch für Peginterferon β-1a aufgeführt, obwohl die Studiendaten keinen deutlichen Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen belegten [18, 49]. Gleiches gilt für das Auftreten von thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura und hämolytisch-urämischem Syndrom, die unter Therapie mit Peginterferon β-1a bislang nicht berichtet wurden.

Bei bislang vergleichbarem Sicherheitsprofil zu den anderen Interferon-β-Präparaten kann subkutan appliziertes Peginterferon β-1a mit verlängerten Injektionsintervallen in der Erstlinientherapie der RRMS eingesetzt werden.

Teriflunomid Teriflunomid wirkt über eine Hemmung der Dihydroorotat-Dehydrogenase hemmend auf die Pyrimidin-Neosynthese [50]. Im europäischen

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aktiven Verlaufsformen zur Anwendung [2]. Um eine auch paraklinische Therapieverlaufskontrolle vornehmen zu können, ist, wie auch bei den anderen Immuntherapeutika, das Vorliegen eines aktuellen MRTs bei Therapiebeginn sinnvoll. Trotz des bisher guten Sicherheitsprofils sind potenzielle Nebenwirkungen zu bedenken, die ein Therapiemonitoring erforderlich machen. Entsprechend den Empfehlungen der nationalen Leitlinienkommissionen sollten Patienten mit vorbestehenden gastrointestinalen Ulzera aufgrund der möglichen gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht mit DMF behandelt werden [2]. Vor Therapiebeginn sollte eine Basislaboruntersuchung (Differentialblutbild, Leber-, Nierenretentionsparameter, Elektrolyte) erfolgen, die bei entsprechenden anamnestischen Hinweisen um weitere Untersuchungen (z. B. Hepatitis-Serologie, HIV-Test, Schwangerschaftstest) erweitert werden muss [2]. Bei relativ rezenter Markteinführung sollte die Häufigkeit von bisher gemeldeten Einzelfällen von potenziellen Nebenwirkungen sorgfältig beobachtet werden. Die Häufigkeit von Leuko- und Lymphozytopenien nach einem Behandlungsjahr wurde in den Studien mit 10 – 12 % bzw. 28 – 32 % angegeben. Bei 4 – 5 % der Patienten traten Lymphozytenwerte unter 500/µl auf [43, 44]. Aus der Anwendung eines Fumarsäureester-Gemisches (Dimethylfumarat und Ethylhydrogenfumarat) bei Psoriasis wurden Fälle von PML beschrieben, bei denen in 2 Fällen eine länger bestehende Lymphopenie vorlag, auf die nicht mit der empfohlenen Dosisanpassung bzw. Aussetzung der Medikation reagiert wurde [45, 46]. Die anderen Fälle boten eine maligne Grunderkrankung, Vorbehandlung mit einem monoklonalen Antikörper und Methotrexat [47], sodass von einer Einschränkung der Immunkompetenz ausgegangen werden kann. Auch bei dem jüngst berichteten ersten PML-Fall einer MS-Patientin unter DMF wurde eine mehrjährige Lymphopenie unter Therapie beschrieben [48], sodass regelmäßige Differentialblutbildkontrollen eine sinnvolle Sicherheitsmaßnahme unter der Therapie mit DMF sind. Diese sollten entsprechend der deutschsprachigen Leitlinie im 1. Therapiejahr engmaschiger (z. B. 6- bis 8-wöchentlich), bei unauffälligen Werten danach vierteljährlich fortgeführt werden. Bei bestätigter Leukopenie unter 3000/µl oder Lymphopenie unter 500/µl sollte die Einnahme von DMF bis zur Normalisierung der Werte pausiert werden [2].

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Fort- und Weiterbildung

Raum ist nur die tägliche orale Einmalgabe von 14 mg zugelassen [51], während die US-amerikanischen Zulassungsbehörden parallel die 7-mgDosis zugelassen haben. Die Zulassung erfolgte zur Behandlung der RRMS, obwohl in einer der relevanten Studien auch andere Erkrankungsverläufe inkludiert waren [52]. Auch Teriflunomid wird in den aktualisierten Leitlinien als Erstlinienmedikament von milden/moderaten Krankheitsverläufen eingeordnet [2]. Obwohl schwerwiegende hepatische Nebenwirkungen unter Teriflunomid bisher nicht beschrieben worden sind, sieht die Fachinformation aufgrund der Erfahrungen mit der Muttersubstanz Leflunomid eine Kontrolle der Leberwerte initial alle 2 Wochen, nach einem halben Jahr alle 8 Wochen vor [51]. Aus den placebokontrollierten Studien [52, 53] wurden in knapp der Hälfte der behandelten Patienten Anstiege der Transaminasen bis zum 3-Fachen des oberen Normwerts, in 6,1 % der Patienten Anstiege um mehr als das 3-Fache des oberen Normwerts beobachtet. Bei Ansteigen der Transaminasen über das 2-Fache der Norm werden daher wöchentliche erweiterte Laborkontrollen (Leber- und Cholestaseparameter) empfohlen. Wenn darunter mehrfach über das 3-Fache der Norm hinausgehende Werte auffallen, sollte Teriflunomid abgesetzt und je nach klinischem Befund auch die beschleunigte Elimination erwogen werden (s. u.) [2]. Die mittlere Verminderung der Leukozytenzahl im Blut vom Ausgangswert betrug in den Studien unter 15 % und trat innerhalb der ersten 6 Wochen auf, wenngleich einige Patienten eine ausgeprägtere Leukozytenreduktion zeigten. Vorwiegend beobachtet wurden dabei Neutro- und Lymphopenien, während Anämien und Thrombopenien deutlich seltener festgestellt wurden [52]. Bestimmungen des Differentialblutbilds unter Therapie werden daher im ersten halben Jahr alle 2 Monate, anschließend quartalsweise empfohlen. Aufgrund pharmakokinetischer Eigenschaften des Teriflunomids sind einige Besonderheiten zu beachten [51]: Es besitzt eine lange Halbwertszeit mit ausgeprägter enterohepatischer Rezirkulation sowie eine hohe Plasmaproteinbindung. Hypoproteinämie und höhergradige Leber- (Child-PughStadium C) und Niereninsuffizienz (Dialysepflichtigkeit) stellen daher Kontraindikationen dar. Das lange Verweilen des Medikaments im Körper stellt im Hinblick auf relativ stabile Wirkspiegel einen Vorteil dar, kann aber bei Eintreten von Nebenwirkungen oder Änderung der Lebensumstände (z. B. Kinderwunsch) von Nachteil sein, da lange Eliminationsphasen zu berücksichtigen sind. Da im Tierexperiment Hinweise auf ein teratogenes Potenzial bestehen, ist der Aspekt der Familienplanung in der Beratung junger Patientinnen von Bedeutung. Wiederholt sollte auf eine sichere Antikonzeption hingewiesen werden, bei zeitnah anstehendem Schwangerschaftswunsch sollten Therapiealterna-

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tiven geprüft werden. Bei Eintreten einer ungeplanten Schwangerschaft sollte Teriflunomid aktiv mithilfe von Cholestyramin oder Aktivkohle ausgewaschen werden. Dadurch wird der TeriflunomidPlasmaspiegel über den Auswaschzeitraum von 11 Tagen um mehr als 99 % reduziert [51]. Zudem besteht die Möglichkeit zur Messung von Teriflunomid-Plasmaspiegeln in solchen Spezialsituationen. Wechselwirkungen. Unter Teriflunomid wurde eine verminderte Wirkung von Warfarin beschrieben. Für Phenprocoumon, das in Deutschland deutlich häufiger angewendet wird, liegen keine gesonderten Daten vor, sodass engmaschige Gerinnungskontrollen (INR-Wert) erforderlich sind. Interaktionen mit Medikamenten, die Cytochrom-P450- und Transporter-Induktoren sind, sind wechselseitig zu bedenken. Dazu zählen unter anderem Antibiotika (Rifampicin, Cefaclor, Benzylpenicillin, Ciprofloxacin), Antikonvulsiva (Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin), Tizanidin, Duloxetin, Johanniskraut, Statine, nichtsteroidale Antiphlogistika (Indomethacin, Ketoprofen) und eine Reihe weiterer Stoffe [51]. Eine Erhöhung des Blutdrucks kann unter Therapie mit Teriflunomid eintreten; vor Therapiebeginn und unter Therapie werden regelmäßige Blutdruckmessungen daher empfohlen. Wie bei allen bereits beschriebenen Immuntherapeutika sollte auch unter Teriflunomid bei entsprechenden anamnestischen oder klinischen Hinweisen auf vorbestehende Infektionen vor Therapieeinleitung untersucht werden (z. B. Tuberkulose bei Risikogruppen).

In der Therapieplanung ist eine lange Verweildauer von Teriflunomid im Körper zu berücksichtigen, die mithilfe aktiver Auswaschprotokolle verkürzt werden kann.

Kernaussagen !

Mit Überarbeitung der Diagnosekriterien ist die Diagnosestellung einer RRMS bei weiterhin guter Sensitivität und Spezifität früher und einfacher möglich. Die frühe Therapieeinleitung ist in den meisten Fällen indiziert und mag den Langzeitverlauf beeinflussen. Die Therapiewahl sollte anhand einer Einordnung der Krankheitsaktivität der RRMS erfolgen. Dazu sollten klinische und MRTParameter in Ergänzung zueinander Anwendung finden. Für milde bis moderate Erkrankungsverläufe können neben den lange angewandten und weithin sicheren, injizierbaren Präparaten (Glatiramerazetat, Interferon-β-Präparate) DMF, Peginterferon-β 1a und Teriflunomid eingesetzt werden. Während Peginterferon-β 1a hinsichtlich Sicherheitserwägungen vermutlich mit den anderen Interferonpräparaten vergleichbar ist, sind bei den oralen Präparaten DMF und Teriflunomid spezi-

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fische Sicherheitsuntersuchungen zu bedenken, die u. a. in den Therapiehandbüchern des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes MS (KKNMS) zusammengefasst sind. Für aktive und hochaktive RRMS-Erkrankungsverläufe sollten primär Alemtuzumab, Fingolimod und Natalizumab Anwendung finden. Für jeden Patienten sollte eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung anhand der spezifischen Sicherheitsaspekte der Präparate erfolgen; auch dabei können die Therapiehandbücher des KKNMS hilfreich sein. Für die chronischen MS-Verläufe sind weiterhin wenige Therapieoptionen verfügbar, allerdings sind für PPMS und SPMS Präparate in der klinischen Testung, die das Spektrum der verlaufsmodifizierenden Therapeutika auch in diesem Bereich erweitern könnten. Interessenkonflikt: A. Salmen erhielt Honorare für Vorträge von Novartis, Sanofi und Almirall Hermal GmbH. A. Chan erhielt Honorare für Vortrags-/Beratertätigkeiten und Forschungsunterstützung von Bayer Schering, Biogen Idec, Genzyme, Merck Serono, Novartis, Teva Neuroscience und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, „German Competence Network Multiple Sclerosis“ (KKNMS), CONTROL MS, 01GI0914).

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CME-Fragen Neue Therapieoptionen bei der Multiplen Sklerose A B C D E

Interferon β-1a i. m. 30 µg Glatiramerazetat s. c. 20 mg Peginterferon β-1a s. c. 125 µg Interferon β-1b s. c. 250 µg Interferon β-1a s. c. 22/44 µg

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0 Welche Aussage zu Alemtuzumab trifft nicht zu? 2 █ A B C D E

3 █ 0

A B C D E

Alemtuzumab richtet sich gegen das Oberflächenantigen CD52. Die i. v. Gabe von Alemtuzumab erfolgt in 2 Behandlungsphasen im Abstand von 24 Monaten. Die Häufigkeit von sekundären Thyreoiditiden wird derzeit mit ca. 36 % angegeben. Eine prophylaktische Therapie mit Aciclovir muss zu jedem Zyklus über die Dauer eines Monats erfolgen. Nephropathien und idiopathisch thrombozytopenische Purpura gehören zu den sekundären Immunphänomenen unter Therapie mit Alemtuzumab. Die Häufigkeit einer ausgeprägten Lymphopenie (unter 500/µl) unter Dimethylfumarat (DMF) in den Zulassungsstudien betrug … 10 – 12 % 30 – 34 % 0,5 % 4–5% 44 %

0 Welche Aussage trifft auf Teriflunomid zu? 4 █ A B C D

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0 Welche Aussage zu MRT-Läsionen bei progressiver 6 multifokaler Leukenzephalopathie (PML) trifft zu? █

0 Zu den Risikofaktoren für die Entwicklung einer progressi7 ven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) zählt nicht … █ A B C D E

A B C D

5 █ A B C D E

Zu den bislang beobachteten Therapierisiken und Nebenwirkungen in der Behandlung mit Alemtuzumab zählt/ zählen nicht … Thyreoiditis Infektionen durch Reaktivierung von Herpes-Viren Infusionsreaktionen Duodenalulzera Nephropathie

Siponimod ist eine Weiterentwicklung von Laquinimod in der Testung für sekundär-chronische MS. Fingolimod wurde im Bereich der primär-chronischen MS mit negativem Ergebnis getestet. Der monoklonale Antikörper Daclizumab kann das Spektrum oral verfügbarer Präparate erweitern. Laquinimod wird nach den Ergebnissen der Phase-III-Studie im Bereich RRMS in reduzierter Dosis weiter untersucht. Die Anwendung von Natalizumab in der sekundär-chronischen MS zeigte negative Studienergebnisse.

0 Welche Aussage zu Dimethylfumarat (DMF) trifft nicht zu? 9 █ A B

C

0

weibliches Geschlecht eine vorangegangene Therapie mit Cyclophosphamid eine Therapiedauer mit Natalizumab von mehr als 24 Infusionen eine vorangegangene Therapie mit Mitoxantron ein positiver Anti-JC-Virus-Antikörper-Befund

0 Welche Aussage zu verlaufsmodifizierenden Therapie8 möglichkeiten in der klinischen Testung trifft zu? █

E

Teriflunomid hat eine sehr kurze Halbwertszeit. In Deutschland wurden beide in den Phase-III-Studien getesteten Dosierungen (7 und 14 mg) zugelassen. Die Anwendung bei Frauen mit unmittelbarem Kinderwunsch kann besonders empfohlen werden. Auswaschprotokolle zur beschleunigten Elimination von Teriflunomid können mithilfe von Cholestyramin oder Aktivkohle umgesetzt werden. Teriflunomid erhöht die Wirkung von Warfarin.

Das Auftreten einer Kontrastmittelaufnahme spricht gegen das Vorliegen einer PML. Die Begrenzung der PML-Läsionen zur grauen Substanz ist üblicherweise unscharf. Die Einbeziehung der grauen Substanz ist typisch. In der T2-Wichtung erscheinen PML-Läsionen hypointens. PML-verdächtige Läsionen können im Frühstadium klein sein und zeigen im Verlauf üblicherweise eine flächige Größenausdehnung von mehr als 3 cm.

D E

Die Gesamttagesdosis von 240 mg wird auf 2 Einzelgaben verteilt. Die einschleichende Eindosierung verringert das Auftreten einer Flush-Symptomatik und verbessert die gastrointestinale Verträglichkeit. Patienten mit gastrointestinalen Ulzera sollten nicht mit DMF behandelt werden. Chronische Infektionserkrankungen sollten vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. Bei Auftreten einer Lymphopenie unter 500/µl sollte die Einnahme von DMF pausiert werden.

Salmen A, Chan A. Neue Therapieoptionen bei … Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83: 174–186

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0 Welches der folgenden Präparate ist zur Frühtherapie bei 1 Klinisch Isoliertem Syndrom (KIS) nicht zugelassen? █

186

Fort- und Weiterbildung

0 Welche Aussage zu neuen verlaufsmodifizierenden 10 Therapieoptionen trifft nicht zu? █ A

B

C

D

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E

Zytopenien sind in der Behandlung mit Alemtuzumab, Dimethylfumarat, Peginterferon β-1a und Teriflunomid zu bedenken. Nach Abschluss der 2. Behandlungsphase mit Alemtuzumab ist die frühzeitige Wiederaufnahme einer Erstlinientherapie indiziert. Eine Einnahmepause von Dimethylfumarat ist indiziert bei einer Verminderung der Gesamtleukozytenzahl unter 3000/µl. Das Sicherheitsprofil von Peginterferon β-1a ist vergleichbar mit dem der nicht-pegylierten Interferon-β-Präparate. Die blutdruckerhöhende Wirkung von Teriflunomid verlangt ein Blutdruckmonitoring vor und während der Therapie.

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Salmen A, Chan A. Neue Therapieoptionen bei … Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83: 174–186

[New therapeutic options in multiple sclerosis].

Therapeutic options in the treatment of multiple sclerosis (MS) have broadened notably over the past years, especially for relapsing-remitting forms o...
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