Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten | Commentary

2529

Neue Erkenntnisse aus der Leitlinie „Hepatozelluläres Karzinom“ New insights from the German guideline „hepatocellular carcinoma“

3Risikofaktoren und Prävention: Die chronische Hepatitis-B-Virus-Infektion ohne Leberzirrhose, die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung und die Steatohepatitis nehmen an Bedeutung für die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms (HCC) zu. 3Früherkennung: Patienten mit chronischer Lebererkrankung mit und ohne Leberzirrhose sollen zur Früherkennung eine native Sonographie der Leber alle 6 Monate erhalten. Der Tumormarker AFP ist als alleiniger Parameter in der Primärdiagnostik ungeeignet. 3Diagnostik: Die neuste WHO-Klassifikation gilt als Grundlage für die HCC-Typisierung. Kleine Herde, die nicht mit entsprechenden Bildgebungsverfahren charakterisiert werden können, sollten biopsiert werden, wenn dies eine therapeutische Konsequenz hat. Eine radiologische Charakterisierung des HCC beruht auf dem Nachweis eines typischen Perfusionsverhaltens. 3Kurative Verfahren bzw. auf die Leber beschränkte Verfahren: HCC ohne Leberzirrhose sollten wenn möglich reseziert werden. HCC in einer Leberzirrhose sollten für eine Lebertransplantation evaluiert werden. Eine intraarterielle Chemotherapie sowie die perkutane Ethanolinstallation haben keinen Stellenwert mehr. Die selektive interne Radiotherapie (SIRT), sowie neue perkutane Strahlentherapie-Ansätze, müssen zunächst weiter in Studien evaluiert werden. 3Systemische bzw. nicht auf die Leber beschränkte Verfahren: Unter bestimmten Bedingungen ist der Multikinaseinhibitor Sorafenib eine Therapieoption.

Einleitung ▼ Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist weltweit der fünfthäufigste Krebs und die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache [6]. Die zunehmende Inzidenz beruhte in westlichen Ländern bisher auf Hepatitis-B- und -C-Virus-Infektionen, sowie auf einen erhöhten Alkoholkonsum [6]. Die steigende Anzahl an Patienten mit HCC und Vielseitigkeit an Therapiemöglichkeiten waren Anlass für die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS), eine Deutsche Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des HCC zu formulieren [4], deren wichtigste Inhaltspunkte in diesem Artikel zusammengefasst werden.

Risikofaktoren und Prävention ▼ Patienten mit einer Leberzirrhose haben, unabhängig von der Lebergrunderkrankung, ein erhöhtes Ri-

siko für ein HCC [2]. Eine wichtige neue Risikogruppe sind Patienten mit chronischer Hepatitis-B-Virus-Infektion (HBV), auch ohne Leberzirrhose [2]. Weitere HCC-Risikofaktoren bei HBsAg-positiven Patienten sind erhöhte Transaminasen, ein positives HBeAg, Infektionen mit dem HBV-Genotyp C, männliches Geschlecht, Alter > 40 Jahre sowie eine positive HCC-Familienanamnese [15]. Die weitere Steigerung der HCC-Inzidenz wird auch durch die Zunahme von Diabetes mellitus und dem metabolischen Syndrom, vor allem in der Folge einer Adipositas, verursacht. Beide Erkrankungen können zu einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD), charakterisiert durch die Steatose des Lebergewebes, oder zu einer nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH), charakterisiert durch zusätzliche entzündliche Veränderungen mit oder ohne Fibrose, führen. Patienten mit einer NAFLD haben auch ohne Zirrhose ein erhöhtes HCC-Risiko. Bei einer NASH kann es im Verlauf durch Insulinresistenz und entzündliche Veränderungen zur Fibroseprogression und Zirrhose kommen. Wie häufig eine NASH in eine Leberzirrhose übergeht, bleibt unklar. Die jährliche Inzidenz von HCC bei diesen Patienten wird auf ca. 2,6 % geschätzt [1]. Eine HBV-Vakzinierung verhindert eine HBV-Infektion und kann hierdurch die HCC-Inzidenz reduzieren. Die Impfung erfolgt gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO). Regelmäßiger Alkoholkonsum verschlechtert den Verlauf einer Lebererkrankung und erhöht die HCC-Inzidenz [5]. Ein fortgesetzter Alkoholkonsum schränkt auch die Möglichkeiten einer HCC-Therapie ein. Eine strikte Alkoholkarenz ist daher empfohlen. Patienten mit chronischer HBV-, HBV/HDV- und HCV-Infektion sollen gemäß den aktuellen DGVSS3-Leitlinien behandelt werden. Bei anderen Lebererkrankungen wird die jeweilige Grunderkrankung maximal therapiert. Eine NAFLD kann durch eine Gewichtsreduktion (Diät, Sport) an der Progression gehindert werden. Bei nicht-insulinabhängigem Diabetes mellitus reduziert eine Metformin-Therapie die HCC-Inzidenz [3].

Klinische Relevanz Patienten mit einer Lebererkrankung benötigen eine aktuelle Impfung gegen das Hepatitis-Aund -B-Virus. Ferner ist eine Alkoholkarenz empfohlen. Die Therapie der Lebergrunderkrankung erfolgt gemäß den aktuellen DGVS-S3Leitlinien. Beim nicht-insulinabhängigen Diabetes mellitus begrenzt eine Metformin-Therapie die HCC-Inzidenz.

R. R. Plentz1 N. P. Malek1 Gastroenterologie Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten | Commentary

Schlüsselwörter Diagnostik HCC Leitlinie Risikofaktoren Therapien

q q q q q

Keywords diagnostics guideline HCC risk factors therapies

q q q q q

Institut 1Abteilung Innere Medizin I, Medizinische Universitätsklinik Tübingen Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387397 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:2529–2531 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. med. Nisar P. Malek Abteilung Innere Medizin I Medizinische Universitätsklinik Tübingen Otfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen Tel. 07071/29-82721 Fax 07071/29-2095 eMail Nisar.Malek@ med.uni-tuebingen.de

Heruntergeladen von: University of Pittsburgh. Urheberrechtlich geschützt.

Was ist neu?

Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten | Commentary Früherkennung ▼ Hauptziel sollte sein, ein HCC in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, in dem der Tumor prinzipiell kurativ behandelt werden kann. Für die Früherkennung ist die Abdomen-Sonographie mit B-Bild und Farbdoppler sehr gut geeignet. Klinische Studien zum Einsatz von Kontrastmittel-verstärktem Ultraschall (CEUS), CT und MRT zur Früherkennung des HCC liegen nicht vor. Die Sonographie ist eine nicht-invasive und kostengünstigste Schnittbildmethode, ist aber auch abhängig von Untersucher und Gerät [11]. Bei Leberzirrhose im Stadium CHILD-Pugh A und B, chronischer Virushepatitis und Steatohepatitis wird als Früherkennung eine Sonographie der Leber alle 6 Monate empfohlen. Eine Bestimmung des Tumormarkers Alpha-Fetoprotein kann zusätzliche erfolgen. Zum Nutzen einer Früherkennung bei anderen chronischen Lebererkrankungen ohne Ausbildung einer Zirrhose sind aktuell keine Daten verfügbar, im klinischen Alltag werden bei diesen Patienten jedoch häufig auch diagnostische Untersuchungen durchgeführt.

Klinische Relevanz Zur Früherkennung eines HCC eignet sich die Abdomen-Sonographie mit B-Bild und Farbdoppler.

Diagnostik ▼ Die laparoskopische Leberbiopsie und die sonographisch bzw. radiologisch kontrollierte Leberzielpunktion sind invasive diagnostische Maßnahmen zur Beurteilung von Leberfibrose, –zirrhose und von Lebertumoren. Die Typisierung des HCC sollte nach der neuesten WHO-Klassifikation erfolgen [13]. Es sollte hierdurch eine weitere Differenzierung zwischen mäßig und gering differenziertem HCC, fibrolamellären HCC, intrahepatischem Cholangiokarzinom, Lebermetastasen und benignen Lebertumoren erfolgen. Eine Tumorbiopsie sollte aber nur angestrebt werden, wenn sich aus den Befunden eine therapeutische Konsequenz ergibt. Ein Problem der Biopsieentnahme suspekter Leberraumforderungen ist der Umgang mit einem negativen Ergebnis. Auch die Differenzierung zwischen hochgradig dysplastischen Knoten und einem HCC ist nicht immer eindeutig. In Abhängigkeit vom histopathologischen Erschei-

nungsbild können weitere immunhistologische Untersuchungen zur Sicherung bzw. Ausschluss eines HCC eingesetzt werden (PAS-, Faserfärbung, HepPar1, K7, K19, CA19–9, GS, Glypican 3, HSP70, CD34). Ein unklarer histologischer Befund ohne Nachweis einer spezifischen benignen oder malignen Raumforderung sollte in jedem Falle durch eine erneute Biopsie bzw. gegebenenfalls ergänzende Bildgebung untersucht werden [9]. Die radiologische Charakterisierung des HCC beruht auf dem Nachweis eines typischen Perfusionsverhaltens. Eine arterielle Hypervaskularisation mit raschem Auswaschen des Kontrastmittels und relativer Kontrastumkehr zum umgebenden Leberparenchym ist bei Hochrisiko ein ausreichend sicherer Nachweis eines HCC [7]. Das Kontrastverhalten sollte mit einem 3phasigen kontrastverstärkten Schnittbildverfahren nachgewiesen werden. CEUS, CT und MRT können hierfür gleichwertig eingesetzt werden. Bei der CT gilt der Nachweis eines typischen Kontrastverhaltens eines Tumorknotens > 3 cm mit arterieller Hypervaskularisation und anschließendem Wash-out-Phänomen als beweisend für ein HCC. Das Kontrastverhalten eines HCC in der MRT entspricht dem in der CT während der arteriellen, portalvenösen und späten Phase nach Bolus-artiger Kontrastmittelapplikation. Ein typisches natives Kontrastverhalten mit früharterieller Hypervaskularisation und Wash-out-Phänomen in den späteren Phasen gilt auch in der MRT als beweisend für ein HCC, so dass bei Nachweis dieses Kontrastverhaltens bei Knoten > 1 cm Durchmesser mit einer Treffsicherheit von ca. 90 % auszugehen ist. Der Stellenwert von hepatozytenspezifischem Kontrastmittel ist noch nicht abschließend untersucht worden, scheint aber vermutlich für eine bessere Beurteilung des Differenzierungsgrads des HCC geeignet zu sein. Der CEUS erbringt einen diagnostischen Zugewinn, vor allem dann, wenn CT und MRT eine Läsion nicht sicher charakterisieren können. Bei malignitätsverdächtigen Leberrundherden

[New insights from the German guideline "hepatocellular carcinoma"].

[New insights from the German guideline "hepatocellular carcinoma"]. - PDF Download Free
264KB Sizes 0 Downloads 7 Views