Kommentar | Commentary

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Neue Hypertonie-Leitlinien New hypertension guidelines

Die ursprüngliche Absicht, alle 3–4 Jahre aktualisierte Versionen der Hypertonie-Leitlinien zu erstellen, erwies sich wegen des Aufwands als schwer realisierbar. Zwar werden die Hypertonie-Leitlinien sehr häufig zitiert – die 2003 publizierten ESH/ESC Leitlinien [2] bisher 2239-mal, die ESH/ESC Leitlinien von 2007 [4] 2234-mal. Auch die sich an die europäischen Leitlinien anlehnenden, 2008 elektronisch publizierten „Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie“ der Deutschen Hochdruckliga [1] werden pro Monat etwa 10 000 mal abgerufen. Dennoch hat es seit den 2007 publizierten ESH/ESC-Leitlinien 6 Jahre gedauert, bis eine aktualisierte Version erschienen ist, obwohl in der Zwischenzeit eine Reihe wichtiger Interventionsstudien zur Therapie der Hypertonie publiziert wurden. Die ESH hatte daher als Interimslösung 2009 eine Übersicht mit Empfehlungen zu aktuellen Themen veröffentlicht [5]. Dieses Verfahren erscheint auch für die Zukunft ratsam, um neue Entwicklungen zeitnah zu bewerten.

grund der Symptomatologie und des Verlaufs von Krankheitsbildern, der Pathophysiologie, pharmakologischer Eigenschaften von Arzneimitteln und klinischen Studien die für den individuellen Patienten günstigste Art der Betreuung zu wählen. Die beste Evidenz wird durch randomisierte kontrollierte Studien erhalten. Für viele Fragestellungen bei der Diagnostik und Therapie von Hypertonikern gibt es allerdings derartige Studien nicht, und es wird sie vermutlich in absehbarer Zeit nicht geben. Daher wird man häufig auf weniger aussagekräftige Post-hoc-Analysen, Beobachtungsstudien und Expertenmeinungen zurückgreifen müssen. In früheren ESH/ESCLeitlinien war auf die Angabe von Evidenzgraden und auf eine Graduierung von Empfehlungen verzichtet worden. Es blieb dem Leser überlassen, aus der Diskussion der Befunde im Text die richtigen Schlüsse zu ziehen. In den neuen ESH/ESC-Leitlinien werden Grafiken mit Evidenzniveaus und Empfehlungsgraden angeboten, was die Bewertung von Empfehlungen erleichtert. Leider wurden nicht die für viele Leitlinien gebrauchten Klassifikationsschemata [6] sondern ein eigenes ESC Klassifikationssystem verwendet, wodurch die Situation unübersichtlicher wird.

K. H. Rahn1 Hypertensiologie Kommentar | Commentary

Schlüsselwörter Leitlinien Hypertonie Epidemiologie diagnostische Verfahren Therapie

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Keywords guidelines hypertension epidemiology diagnostic procedures therapy

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In den ESH/ESC-Leitlinien 2013 wird auf die Bedeutung der Blutdruckselbstmessung durch den Patienten eingegangen. Das Verfahren liefert zahlreiche Blutdruckdaten über viele Tage, ist kostengünstig und bindet den Patienten stärker ein in die Behandlungsabläufe. Die wenigen bisher vorliegenden prospektiven Studien weisen darauf hin, dass die vom Patienten selbst gemessenen Blutdruckwerte Organschäden besser vorhersagen als die bei der Praxismessung erhaltenen Daten.

kurzgefasst Im Juli 2013 – 6 Jahre nach der letzten Version – haben die „European Society of Hypertension“ (ESH) und die „European Society of Cardiology“ (ESC) gemeinsam aktualisierte Leitlinien zu Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie herausgegeben.

Klassifikation und Diagnostik der Hypertonie ▼ Ziel der ESH/ESC-Leitlinien ist es, Ärzten Empfehlungen – nicht Vorschriften – für eine sinnvolle Betreuung von Hochdruckkranken zu übermitteln. Die Ärzte sollen in der Lage sein, auf-

Die Autoren der ESH/ESC-Leitlinien von 2013 [7] haben sorgfältig und ausgewogen die meisten Aspekte der Hochdruckbehandlung diskutiert. Im Vergleich dazu kommen die Beschreibung und die Diagnostik sekundärer Hochdruckformen zu kurz. Für die Betreuung von Hypertonikern sind detaillierte Angaben über die Prävalenz sowie über Sensitivität und Spezifität von Nachweismethoden bedeutsam, um eine rationale Diagnostik zu ermöglichen. Erstaunlicherweise wird im Gegensatz zu früheren ESH/ESC Leitlinien jetzt auch die Messung der Serumnatriumkonzentration bei den Routinetests für alle Hypertoniker aufgeführt.

Institut Medizinische Klinik D, Universitätsklinikum Münster Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1349639 Dtsch Med Wochenschr 0 2013; 1380 0:2471–2473 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. med. Karl Heinz Rahn Medizinische Klinik D, Universitätsklinikum Münster 48149 Münster eMail [email protected]

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Im Juli 2013 haben die „European Society of Hypertension“ (ESH) und die „European Society of Cardiology“ (ESC) gemeinsam aktualisierte Leitlinien zu Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie publiziert [7]. Sie setzen damit eine 2003 begonnene Tradition fort, für den europäischen Bereich eigene Leitlinien zu erstellen. Zuvor hatten die europäischen Fachgesellschaften gemeinsame Hypertonie-Leitlinien mit der International Society of Hypertension (ISH) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlicht. Es zeigte sich jedoch zunehmend, dass wegen unterschiedlicher Gesundheitssysteme und finanzieller Ressourcen weltweit gültige Empfehlungen problematisch sind.

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Relatives Risiko (95 % KI ) CA-andere

0,91 (0,84 – 0,98)**

ARB-andere

0,90 (0,71 – 1,13)

ACE-andere

1,06 (0,94 – 1,20)

Diur-andere

0,94 (0,82 – 1,09)

BB-andere

1,18 (1,03 – 1,36)*

BB-andere außer CA

1,11 (0,86 – 1,44) 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4

Abb. 1 Relatives Risiko und 95 %-Konfidenzintervalle (KI) für Schlaganfälle in 46 Interventionsstudien. In der Meta-Analyse wurde jeweils eine Gruppe von Antihypertensiva mit der Gesamtheit der anderen Medikamente der ersten Wahl verglichen. BB: Betablocker, Diur: Diuretika, ACE: ACE-Inhibitoren, ARB: Angiotensin-Rezeptor-Blocker, CA: Kalziumantagonisten. * p = 0,02; **p = 0,01 (nach Daten aus [3]).

kurzgefasst Vom Patienten selbst gemessene Blutdruckwerte sagen Organschäden besser vorher als die Werte der Praxismessung.

Zielblutdruck ▼ Ausführlich diskutiert werden in den ESH/ESC-Leitlinien [7] die Zielblutdruckwerte bei verschiedenen Gruppen von Hypertonikern. Unumstritten ist bei allen Hypertonikern – mit Ausnahme von Patienten älter als 80 Jahre – ein systolischer Zielblutdruck unter 140 mm Hg (höchster Empfehlungsgrad I). Dies gilt auch für Hypertoniker mit Diabetes mellitus Typ 2, für die in früheren Leitlinien systolische Zielblutdruckwerte von

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