Klin. Pädiatr. 204 (1992)

Die nekrotisierende Enterocolitis Analyse einer Erkrankungsserie R. Repgen J, E. Harms J, G. lorch J, G. H. Willita/ 2 Westfälische Wilhe1ms-Universität Münster 'Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde - Allgemeine Kinderheilkunde 2Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie

Zusammenfassung In einem Zeitraum von 25 Monaten (1. 2. 88-28. 2. 90) wurden an der Universitäts-Kinderklinik zusammen mit der kinderchirurgischen Universitätsklinik Münster 11 Neugeborene wegen einer nekrotisierenden Enterocolitis (NEC) operativ behandelt (0,8070). Es handelte sich um sporadisch auftretende Einzelerkrankungen ohne die für eine infektiöse Genese als typisch angesehene Clusterbildung. Der hohe Anteil Frühgeborener (10 von 11 Fällen) mit niedrigem Geburtsgewicht (Median der Gesamtgruppe 1280 g) unterstreicht die Bedeutung der strukturellen und immunologischen Unreife als wichtigsten Risikofaktor für eine NEC. Ischämiebegünstigende Faktoren, die als prädisponierend für eine NEC gelten, wurden in der Vorgeschichte aller erkrankter Patienten beobachtet. Die Einführung der Surfactant-Therapie während des Untersuchungszeitraums blieb ohne erkennbaren Einfluß auf die NEC-Inzidenz. Für den diagnostisch wichtigen Nachweis extraluminaler Gasansammlungen, der in 9 Fällen gelang, erwies sich der Ultraschall als die gegenüber der Röntgendiagnostik sensitivere Methode. Ein akuter Krankheitsverlauf mit frühzeitiger Laparotomie in 3 Fällen unterschied sich von einer protrahierten Verlaufsform mit schleichendem Beginn bei den übrigen 8 Kindern. In 5 Fällen trat die klinische Dekompensation erst nach erneutem oralen Nahrungsaufbau nach zunächst scheinbar erfolgreicher konservativer Behandlung ein. 3 Neugeborene verstarben im schon präoperativ bestehenden septischen Schock. Bei den 8 Überlebenden betrug die anschließende stationäre Behandlungsdauer 88,5 Tage (Median). Bis zum Zeitpunkt der Rückverlagerung des Anus praeter, die nach 67,5 Tagen erfolgte, betrug die mittlere Gewichtszunahme der Patienten 16,6 g pro Tag. Spätkomplikationen wie dauerhafte Stenosen oder ein Kurzdarmsyndrom wurden nicht festgestellt. Eine frühzeitige Indikationsstellung zur Laparotomie nach den allgemeinen Regeln der Bauchchirurgie muß auch bei sehr kleinen Frühgeborenen mit NEC gefordert werden.

Analysis of aSeries of Cases of Necrotizing Enterocolitis During aperiod of 25 months 11 newborns treated at the childrens university hospital of Münster (0.8%) underwent laparotomy for necrotizing enterocolitis (NEC). The cases appeared sporadically without forming "clusters" typical of infectious etiology. 10 of 11 cases were premature infants (median birth weight 1280 g) stressing the predisposing role of immaturity. Ischemic events occurred in all patients prior to the onset of symptoms. The introduction of surfactanttherapy during the study period did not influence the incidence apparently. Ultrasonography was superior to radiology with regard to detection of extraluminar gas. We differentiated two types of clinical courses (3 acute and 8 protracted). In 5 cases we noticed a relapse of clinical symptoms after uptake of oral feeding. 3 newborns died with septic shock. The median hospitalisation time was 88.5 days in the 8 survivors. Enterostomy was replaced by definite anastomosis after 67.5 days (median). Median daily weight gain was 16.6 g. Late complications like permanent stenoses of short bowel syndrom were not observed. Early surgical intervention according to the general rules of abdominal surgery seems important even in very low birth weight infants.

Einleitung

KJin. Pädiatrie 204 (1992) 10-15 © 1992 F. Enke Verlag Stuttgart

Die nekrotisierende Enterocolitis (NEC), eine schwere hämorrhagisch-nekrotisierende Entzündung des Dünn- und Dickdarms, tritt überwiegend bei unreifen Neugeborenen auf (13). Bei einer Inzidenz von 1-5070 im Krankengut von Neugeborenenintensivstationen (2, 10,

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Die nekrotisierende Enterocolitis - Analyse einer Erkrankungsserie

In den letzten Jahren hat es in der Frühgeborenenmedizin wichtige Fortschritte gegeben, die das Spektrum der Komplikationen in dieser Patientengruppe sowie ihre Diagnose und Therapie beeinflussen dürften. Im Hinblick auf die NEC als eine der typischen Begleiterkrankungen Frühgeborener sind hier drei Entwicklungen hervorzuheben: - die Einführung der Surfactanttherapie des Atemnotsyndroms, das als Risikofaktor für die NEC diskutiert wird - die zunehmende Anwendung des Ultraschalls in der Diagnostik von Darmerkrankungen - das aktivere kinderchirurgische Vorgehen. Auf diesem Hintergrund soll das derzeitige Erscheinungsbild der NEC dargestellt werden. Grundlage der Übersicht sind die Fallberichte von elf Neugeborenen, die in der Zeit vom 01. 02. 88 bis 28.02.90 an einer NEC erkrankten und am Universitätsklinikum Münster operativ behandelt wurden.

Tab. 1 NEC~lnzidenz Ilaparotomierte Fälle) enen Gewichtsgruppen (Angaben in Gramm) Geburtsgewicht

2500 Summe:

Aufnahmen

In

den

verschled~

NEC~Fälle

%

81 86 93 79 999

4

4,7

2 2 1

2,2 2,5 0,1

1338

11

0,8

2

2,5

Anzahl der Fälle 11,,-----------

10

9 8

8

3

o

Patienten und Methoden Die klinische Verdachtsdiagnose "NEC" kann letztlich nur durch den intraoperativen Befund, ergänzt durch eine histologische Untersuchung betroffener Darmanteile, gesichert werden. Es wurden daher nur die operativ behandelten NEC-Fälle in die Untersuchung eingeschlossen. Eine erste Eingrenzung des Patientenkollektivs erfolgte mit Hilfe der EDV-Basisdokumentation der Universitäts-Kinderklinik. Es wurden alle Patienten erfaßt, die im Zeitraum vom 01. 02. 88 bis 28.02.90 geboren wurden und unter der Diagnose "NEC", "Verdacht auf NEC" oder "Anus praeter" gespeichert waren. Nach persönlicher Einsicht der Krankenakten konnten dann elf Fälle für den angegebenen Zeitraum ermittelt werden, die die Voraussetzung "Operation im Zustand bei oder nach NEC" erfüllten. Die aus den Akten dieser Patienten erhobenen Daten zu Anamnese und Krankheitsverlauf waren Gegenstand der vorliegenden Analyse. Ergebnisse In dem Untersuchungszeitraum vom 01. 02. 88 bis 28. 02. 90 wurden 11 von 1338 aufgenommenen Neugeborenen (0,8070) in der Universitäts-Kinderklinik Münster wegen einer NEC operativ behandelt. Die Erkrankungsfälle traten vereinzelt und ohne zeitlichen Zusammenhang auf. Es waren überwiegend Frühgeborene (10 von 11 Fällen) mit niedrigem Geburtsgewicht betroffen (3% aller LBW-Kinder; vgl. Tab. 1). Der Median des Gestationsalters betrug 33 Wochen (Bereich 29-38 Wochen), der Median des Geburtsgewichts lag bei 1280 g (Bereich 610-2780 g). Es handelte sich in allen Fällen um Risikoschwangerschaften. Belastende Faktoren waren vorzeitige

11

Hypotonie

Abb, 1

Polyzythämie Hypoglykämie Nabelkatheter Bradykardie Anämie Beatmung

Anamnestische Faktoren vor

NEC~Erkrankung

Wehen, Präeklampsie, vorzeitiger Blasensprung, Amnioninfektionssyndrom, Placentainsuffizienz, Oligohydramnie, mütterlicher Diabetes mellitus und fetaler Hydrops. Nur eine Entbindung erfolgte spontan, bei einem anderen Kind wurde eine Zangengeburt vorgenommen, neun Kinder kamen durch Kaiserschnitt zur Welt. In der Zeitspanne zwischen Geburt und Beginn der NEC traten bei allen Kindern Situationen ein, die eine Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen begünstigen konnten. Abb. 1 gibt eine Übersicht über die Häufigkeit der beschriebenen Auffälligkeiten und Komplikationen vor NEC-Beginn. Dazu gehörte insbesondere die Notwendigkeit der trachealen Intubation und Beatmung bei Ateminsuffizienz mit unterschiedlicher Ursache. Bei drei der hiervon betroffenen sieben Kinder ist die Diagnose eines Atemnotsyndroms dokumentiert, wobei in zwei Fällen Surfactant gegeben wurde. Weitere häufige Befunde waren Hypotonie (6/11), Bradykardie und Anämie Ueweils Sill) und Hypoglykämie (4/11). Drei Kinder erhielten unmittelbar nach Geburt einen Nabelkatheter (zwei arterielle, ein venöser Katheter), bei zwei Kindern bestand eine Polyzythämie. Ein persistierender Ductus arteriosus oder eine Austauschtransfusion wurden nicht beschrieben. Neun Kinder wurden vor NEC-Beginn oral ernährt, wobei in allen Fällen industrielle Fertignahrung (Prematil, Humana 1, PreAponti) verwendet wurde; drei Kinder erhielten zusätzlich Muttermilch. Die Nahrungsmenge variierte je nach Ausmaß der begleitenden Infusionstherapie und betrug im Mittel ca. 60 ml/kg/Tag am Tag vor Erkrankungsbeginn.

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20) gilt sie als die häufigste Ursache für Notfalloperationen im Neugeborenenalter (2, 11). Ätiologie und Pathogenese sind im einzelnen noch ungeklärt. Störungen der Durchblutung und Oxygenierung der Darmschleimhaut sind möglicherweise prädisponierend (13, 24).

Klin. Pädiatr. 204 (1992)

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Die nekrotisierende Enterocolitis - Analyse einer Erkrankungsserie Tab. 2 Fall

1

2 3 6 7 8 9 10 11

13

Röntgenologische und sonographische Befunde bel NEC geblähte Darmschlingen Rö. Sono.

intramurales Gas Rö. Sono.

+ + +

+ +

+ +

+ +

+ + +

4

5

Klin. ·Pädiatr. 204 (1992)

+

+

+ +

intraportales Gas Rö. Sono.

+ +

freie Flüssigkeit Rö. Sono.

freie Luft Rö. Sono.

+

+

+

+

+

+ +

+

+ +

+

+ +

+ +

+

Kindern zu Komplikationen durch Briden- und Stenosenbildung. Die übrigen Kinder hatten einen unauffälligen postoperativen Verlauf, der nach vorübergehender parenteraler Ernährung einen komplikationslosen oralen Nahrungsaufbau ermöglichte. Bis zum Zeitpunkt der Rückverlagerung des Anus praeter, die nach 67,5 Tagen (Median) vorgenommen wurde, hatten die Kinder eine tägliche Gewichtszunahme von 16,6 g/Tag zu verzeichnen. Etwa drei Monate (Median 88,5 Tage) nach NEC-Operation konnten die Kinder aus der stationären Behandlung entlassen werden.

Ernährung konnte das Kind sechs Wochen später aus der stationären Behandlung entlassen werden. Zum Zeitpunkt der geplanten Rückverlagerung nach weiteren acht Wochen wurde röntgenologisch eine Stenose des Colon ascendens diagnostiziert, so daß die Resektion des betroffenen Darmbereiches mit nachfolgender Ileoascendostomie erforderlich wurde. Anschließend traten keine weiteren Komplikationen auf.

Fall 11 (vgl. Abb. 4): Dieses Frühgeborene wurde in der 30. SSW bei Präeklampsie der Mutter durch Kaiserschnitt entbunden (GeburtsStellvertretend sollen im folgenden zwei gewicht 1190 g, Apgar 7/9/10, Nabelarterien-pH 7,36). Nach primärer Intubation und Surfactantgabe in der der elf untersuchten Fälle skizziert werden: fünften Lebensstunde mußte das Kind wegen eines AtemFall 2 (vgl. Abb. 3): notsyndroms Grad BI elf Tage lang beatmet werden. Eine Es handelt sich um ein spontan entbundenes Frühgebore- initiale Hypotonie, eine transfusionsbedürftige Anämie nes aus der 36. SSW (Geburtsgewicht 2780 g, Apgar 10/ und eine Hyperbilirubinämie komplizierten den postnata10/10, Nabelarterien-pH 7,16). Die Schwangerschaft war len Verlauf zusätzlich. Nach der Extubation traten gedurch einen Diabetes mellitus, vorzeitige Wehen und eine häuft Apnoen und Bradykardien auf. Der orale Nahintravenöse Tokolyse belastet. Im Vordergrund standen rungsaufbau erschwerte sich durch eine von Beginn an während der ersten Lebensstunden ausgeprägte Hypoglyk- ausgeprägte Darmatonie mit wechselnd geblähtem Abdoämien (Glucose < 10 mg/dl), die parenterale und orale men und reduzierter Stuhlausscheidung. In der dritten LeGlucosegaben erforderlich machten (i. v. Dauerinfusion benswoche verschlechterte sich der Zustand des Kindes: mit Glucose 10-20% 9-13 ml/h, i.v. Bolusgaben Glucose häufige Bradykardien, ansteigende Magenreste bei gebläh20%, oral Glucose-Saccharidlösung 25% 2 x 10 ml bzw. tem, druckempfindlichem Abdomen und schließlich Er2 x 5 ml, vom zweiten Tag an als Dauerinfusion über na- brechen und sichtbar blutige Stühle gaben Anlaß zu einer sogastrale Sonde 2-3 ml/h). Der orale Nahrungsaufbau sechs Tage andauernden Nahrungskarenz. Nach Besseerfolgte mit Humana I. Schon am zweiten Tag traten erste rung des abdominellen Befunden wurde die orale Ernähabdominelle Symptome auf: zunehmende Magenreste, ein rung wieder aufgenommen, bis sich nach weiteren zehn stark geblähtes Abdomen, verminderte Darmperistaltik Tagen die Symptome erneut verstärkten. Sonographisch und Erbrechen. Auffällige Allgemeinsymptome waren waren nun deutlich intramurale und intraportale GasanDyspnoe, erhöhte Temperatur (rektal 38 oe) und Infek- sammlungen sichtbar. Bei der Laparotomie fanden sich tionszeichen im Blut (CRP 2,4 mg/dl, 16100 Leukozyten, im distalen Ileum und im gesamten Colon Gasansamm12 Stabkernige, 58 Segmentkernige). Röntgenologisch fie- lungen innerhalb der Darmwand. Am stärksten betroffen len geblähte Darmschlingen und intramurale Gasansamm- waren Caecum und Colon ascendens, die dunkelrot-livide lungen auf, sonographisch zeigten sich zusätzlich Gasbläs- verfärbt waren. Es erfolgte die Anlage eines doppelläufichen im intrahepatischen Pfortadersystem. Nach Unter- gen Ileostomas. Nach komplikationslosem postoperativen brechung der oralen Ernährung und Beginn einer i. v. An- Verlauf konnte sieben Wochen später die Reanastomosietibiose wurde das Kind am folgenden Tag laparotomiert. rung vorgenommen werden. Bis zur Entlassung im Alter Dabei fanden sich entzündliche Veränderungen mit trü- von vier Monaten traten zweimal subileusartige Zustände bem Exsudat im Bereich von Caecum, Colon ascendens auf, die auf eine Enge im Anastomosenbereich zurückgeund transversum, die livide verfärbt waren. Zur Entla- führt wurden. Sie konnten konservativ durch Gabe von stung der erkrankten Darmabschnitte wurde eine Ileosto- Gastrografin und Laxantien behandelt werden. mie ca. 10 cm proximal der Ileocoecalklappe vorgenommen. Nach komplikationslosem Wiederaufbau der oralen

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- Rö.: röntgenologische Untersuchung des Abdomens - Sono.: sonograph ische Untersuchung des Abdomens

R. Repgen et al.

Klin. Piidiatr. 204 (1992) Diskussion

Die Frage nach Ätiologie und Pathogenese der NEC, die als eine für Frühgeborene typische Erkrankung in den letzten zwanzig Jahren erheblich klinische Bedeutung erlangte, kann bis heute nicht in überzeugender Weise beantwortet werden. Man nimmt ein multifaktorielles Geschehen an, wobei die strukturelle und immunologische Unreife der Frühgeborenen im Mittelpunkt steht und als Ursache ihrer besonderen Empfänglichkeit gilt. Ischämisch-hypoxische Zustände, eine inadäquate Ernährung und infektiöse Agenzien können durch ihre schleimhautschädigende Wirkung zur Entstehung der NEC beitragen (vgl. Abb. 6) (2, 8, 11, 13,24). Es werden zahlreiche prä- und postnatale Faktoren diskutiert, die eine Prädisposition darstellen sollen. Dazu gehören auch die in der Vorgeschichte der hier untersuchten Patienten aufgetretenen Ereignisse: Hypoxämie (Ateminsuffizienz, Anämie), verminderte Durchblutung (Hypotonie, Bradykardie, Placentainsuffizienz) und thromboembolische Komplikationen (Polyzythämie, Gebrauch von Nabelkathetern) können zu einer Beeinträchtigung des intestinalen Stoffwechsels mit anschließender Mucosaschädigung führen (22). In Fallkontrollstudien wurden noch weitere signifikante Faktoren gefunden wie niedrige Apgarwerte (20, 26), Austauschtransfusion (25, 26), persistierender Ductus arteriosus (20), Hypothermie (27), hyperosmolare Ernährung (26), Hyperalimentation und Sondenernährung (20). Es war jedoch keiner der genannten Faktoren in allen Studien signifikant, in mehreren Studien ließen sich keine Unterschiede zwischen NECPatienten und Kontrollgruppe feststellen (3, 5, 17, 21). Vielmehr gelten die zunächst als Risikofaktoren für eine NEC in Betracht gezogenen Ereignisse in Wirklichkeit als charakteristisch für die Mehrzahl der Patienten auf Neugeborenenintensivstationen (24), von denen aber nur wenige (1-5010) an einer NEC erkranken. Aus der Literatur ist weiterhin bekannt, daß auch Neugeborene mit unauffälliger Anamnese eine NEC entwickelten (10, 26). Die Beteiligung von Bakterien oder Viren bei der Pathogenese der NEC ist weitgehend unumstritten. Fraglich jedoch ist, inwieweit sie primär im Sinne von direkter Pathogenität oder sekundär auf dem Boden eines schon vorbestehenden Mucosaschadens und begünstigt durch die verminderte Immunkompetenz des unreifen Neugeborenen wirksam werden. Die variierende Inzidenz und das häufig dokumentierte Auftreten von Epidemien sogenannten ..Clusters" - auf einzelnen Intensivstationen

Abb. 6

Schema zur Pathogenese der NEC (modifiziert nach

8) strukturelle/immunologische Unreife ~

Ernährung Medikamente

\

Bakterien Viren

Ischämie Hypoxie

,

~

direkte Mucosaschädigung

indirekte Mucosaschädigung ~

NEC

(1, 17, 19, 23) gelten als wichtiges Argument für die ätiologische Bedeutung infektiöser Agenzien. Die eigenen Ergebnisse können diese Beobachtung jedoch nicht bestätigen. Das sporadische Auftreten spricht hier eher für eine sekundäre Rolle von Erregern im Rahmen der NEC-Entstehung. Die einzigen Risikofaktoren, die in den zahlreich erschienenen Studien zur Pathogenese der NEC konstant nachgewiesen wurden, sind Frühgeburtlichkeit bzw. niedriges Geburtsgewicht (3, 9, 12, 13, 21, 27) - ein Befund, der durch die vorliegende Untersuchung eindrucksvoll, bestätigt wird: einer Inzidenz von nur 0, I 010 unter Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von mehr als 2500 g stehen 3010 NEC-Erkrankungen bei Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht « 2500 g "Low birth weight infants") gegenüber. In der Gewichtsklasse zwischen I001 und 1500 g waren immerhin 4,7010 aller Neugeborenen betroffen. Die unvollständig entwickelte physiologische Schutzschranke im Magen-Darm-Trakt und die verminderte Immunkompetenz der Frühgeborenen gelten als die entscheidenden Merkmale, welche ihr erhöhtes NEC-Risiko bedingen (8, 24). Die Einführung der Surfactant-Behandlung im Rahmen multizentrischer Studien während des Untersuchungszeitraumes hatte keinen erkennbaren Einfluß auf die Inzidenz der NEC: Nur zwei der NEC-Patienten waren mit diesem Medikament behandelt worden. Die Gesamtinzidenz blieb gegenüber dem Voruntersuchungszeitraum unverändert und lag auch im Bereich der in der Literatur genannten Zahlen. Die zahlreichen kontrollierten Studien zur Surfactant-Therapie geben gleichfalls keinen Hinweis auf eine Beeinflussung der NEC-Inzidenz (z. B. 4, 6, 7, 15). In der Diagnostik der NEC mit Hilfe bildgebender Verfahren zeigte sich die Sonographie als eine gegenüber der röntgenologischen Untersuchung sensitivere Methode. Sie ermöglicht jedoch nicht die Sicherung der Diagnose, da sie sowohl falsch positive wie falsch negative Befunde liefert: die nachzuweisenden intramuralen und intraportalen Gasansammlungen gelten zwar als typisch für eine NEC, sind aber nicht als spezifisch anzusehen. So können die genannten Zeichen auch bei nicht an NEC erkrankten Kindern (z. B. bei Rotavirusinfektion) gefunden werden (18), andererseits kann man bei fehlendem Nachweis eine NEC nicht ausschließen. Das gleichzeitige Vorliegen klinischer Symptome ist für die Verdachtsdiagnose Voraussetzung. Die nach wie vor bestehende diagnostische Unsicherheit zeigt die Dringlichkeit der Einführung weiterer Methoden. In der Frage der Indikationsstellung zur Laparotomie bietet möglicherweise die Bauchhöhlenpunktion (14) mehr diagnostische Trennschärfe, insbesondere bei Differenzierung der im Punktat nachgewiesenen Zellen (path.: Segmentkernige >40010, (16». Ein schleichender Erkrankungsbeginn mit zunächst unspezifischen Allgemeinsymptomen stand gegenüber der schnellen Verlaufsform im Vordergrund und erschwert eine frühzeitige Diagnose. Diese ist jedoch in Verbindung mit einer konsequenten Therapie entscheidend, solange eine zufriedenstellende Prävention mangels genauer Kenntnisse der pathogenetischen Vorgänge nicht gewährleistet werden kann. In fünf der elf untersuchten Fälle konnte die Erkrankung zunächst durch konservative

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[Necrotizing enterocolitis--analysis of a case cohort].

During a period of 25 months 11 newborns treated at the children's university hospital of Münster (0.8%) underwent laparotomy for necrotizing enteroco...
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