Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 158, 257--259 (1975) © by J. F. Bergmann, Nfinchen 1975

Originalarbeiten Natfirliche Vorkommen von Progesteron in handelstiblichen Milchprodukten* Bernd Hoffmann, Rainer Hamburger u n d Heinrich Karg Institut far Physiologie, Siidd. Versuchs- und Forsehungsanstalt far Milehwirtsehaft Weihenstephan, Technische Universit~t Mfinchen, Freising-Weihenstephan(BRD) Eingegangen am 20. Dezember 1974 N a t u r a l Occurrence of Progesterone i n Commercial Milk P r o d u c t s

Zusammen]assung. Die Konzentration yon Progesteron in handelsiiblichen Milehprodukten wurde mit einem radioimmunologischenVerfahren bestimmt. Die gemessenen Werte reichen yon 1,4 ng/ml (Magermilch) bis zu ca. 300 ng/g (Butter), wobei eine enge Korrelation zwischen dam Progesterongehalt und der Fettkonzentration in den Produkten besteht. Es wird diskutiert, dab Hormone als natarliche Inhaltsstoffe in Lebensmitteln aufgrund methodiseh-analytischer Fortschritte in Mikroquantit~ten effagbar geworden sind, darien bisher keine biologische Bedeutung zuerkannt werden karm; diese Tatsaehe sollte abet zu einer Revision yon Begriffen wie ,,hormonfrei" im Sinne yon ,,Nulltoleranzen" Veranlassung geben. Summary. By means of radioimmunoassay the concentrations of progesterone in commercial milk products were determined. The values range from 1.4 ng/ml (skim milk) to 300 ng/g (butter). The results show a close correlation between progesterone and fat contents in milk products. I t is discussed t h a t - due to recent progress in analytical m e t h o d s - hormones in their natural occurence in food are now measureable in micro-quantities which were not yet considered to be of biological importance; these findings should provoke a revision of terms like ,,free of hormones" in the sense of ,,zero tolerances".

Einleitung :Bei dem zu den Sexualhormonen gehSrenden Schwangerschaftsschutzhormon ,,Progesteron" (Pregn-4en-3,2O-dion) handelt es sich um eine physiologisehe Verbindung, die praktisch in jedem Sgugetierorganismus (also bei Mensch und Tier) produziert wird. Mit der Entwicklung neuer Verfahren auf dem Gebiet dot Hormonanalytik sind MeBbereiehe erschlossen worden (Nanogramm und Pikogramm), wodurch es m6glich wurde, auch auBerhalb der hormonproduzierenden Driisen die natarliehen Hormonkonzentrationen in Organen und Sekreten zu erfassen. So konnte speziell Progesteron in der Milch in diesen niedrigen MeBbereichen nachgewiesen warden [1--3], woraus auch ein diagnostisches Veffahren zur Beurteilung des Fertilit~tszustandes der Kuh wiihrend des Zyklus und der Friihgraviditgt entwickelt warden konnte [3--6]. Bei diesen Untersuchungen zeigte sich auch eine positive Korrelation zwischen der HShe des Progesterongehaltes und der Milchfettkonzentration. Diese Tatsache lies es interessant erscheinen, die Untersuchungen auch auf einige Milchprodukte auszudehnen.

Material und Methode Die einzelnen Milchprodukte wurden entweder direkt yon der Molkerei oder aus dam Handel erworben und sofort waiter verarbeitet. Die Extraktion der Proben entsprach dem far Rohmilch beschriebenen Verfahren [3]. Zusammengefafit beinhaltet die Methode eine Primi~rextraktion yon 0,1--0,2 ml Milch bzw. yon 10--20 mg Milchfett oder Milchpulver mit Petrolgther. Es folgte eine Lipidf'gllung in Methanol bei - - 3 0 ° C und eine LSsungsmittelverteilung zwischen 80°/oigem Methanol und Petrol/~ther. Die sich anschlieBende Endpunktbestimmung yon Progesteron wurde mit einem an anderer Stelle ausfiihrlich beschriebenen, hochempfindlichen und spezifischen t~adioimmunotest durchgefiihrt [7].

Ergebnisse I n allen u n t e r s u c h t e n M i l c h p r o d u k t e n k o n n t e Progesteron nachgewiesen warden. Die e r m i t t e l t e n W e r t e sind i n der Tabelle zusammengefaBt. Wic d a r a u s hervorgeht, erstrecken sich die P r o g e s t e r o n k o n z e n t r a t i o n e n fiber e i n e n Bereich v o n 1,4 n g / m l i n * Die Arbeit konnte mit Unterstfitzung der Vereinigung der Freunde und FSrderer der Siidd. Versuchs- und Forschungsanstalt far Milchwirtschaft e. V. dttrchgeffihrt warden. 17

Z. L e b e n s m i t t . - U n t e r s u c h . , B a n d 158

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Magermileh bis ca. 300 ng/g in Butter. Es besteht eine gesicherte positive Korrelation zwischen der HShe des Fett- und des Progesterongehaltes in den einzelnen Milchprodukten. Tabelle 1. Progesteronkonzen~rationen in verschiedenen handelsiiblichen Milchproduk~en Milchprodukt Konsum-Vollmilch Magermilch Rahm Buttermilch H-Konsum-Vollmilch H-Milch, teilentrahm~ Sauermilch, teilentrahmt Kondensmilch Markenbutter Magermilchpulver Vollmilchpulver

:Fettgehal~ nach Angabe % pasteurisiert frisch frisch frisch ultrahocherhitzL homogenisiert ultrahocherhitzt, homogenisiert pasteurisiert ungezucker~ frisch

Progesteron gemessen ng/ml bzw. g

3,5 ca. 0,1 ca. 32,0 ca. 1,0 3,5

12,50 1,40 43,00 6,50 11,75

1,5

6,00

1,5

4,20

10,0 mind. 82,0 max. 1,5 mind. 25,0

12,25 300,00 17,10 98,40

Diskussion

Die Untersuehungen haben gezeigt, dab in wichtigen Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs wie in Milch und Milchprodukten gewisse Konzentra~ionen eines Steroidhormons, n~Lmlich Progesteron, enthalten sind. Im Vergleich zu Rohmileh [3] wird dieser Progesterongehalt durch die fabrikationsm~i~igen Aufarbeitungsprozesse nieht oder nut unwesentlich verringert. Die enge Korrelation zwischen Fett- und Progesterongehalt, wie sie ffir Rohmilch nachgewiesen wurde [3], gilt aueh ffir die entsprechenden Milehprodukte. Setzen wir jedoeh die gemessenen Progesteronkonzentrationen in Beziehung zu mSglichen biologischen oder pharmakologischen Wirkungen, so mul~ zun~ehst festgestellt werden, dab -- im Gegensatz zu kSrpeffremden synthetischen Verbindungen mit ghnlieher gestagener A k t i v i t g t - Progesteron als ,,oral" wenig wirksam angesehen wird. Aul~erdem liegt die mit oral wirksamen Priipai'aten (kontraceptive Pille) aufgenommene Dosis an synthetisehen Gestagenen in einer GrSl~enordnung yon 0,5 rag/Person/Tag -- also um ca. 2 Zehnerpotenzen hSher als sie sich aus den ProgesteI'onkonzentrationen in den entsprechenden Milchprodukten ergeben wiirde. Man hat also keine Anha]tspunkte, solche -- lediglich aufgrund methodisch-analytischer Fortschri%e e n ~ d e c k t e n - Inhaltsstoffe in Lebensmitte]n negativ zu beurteilen. Andererseits weisen die Befunde aber darauf hin, daI3 eine Bezeiehnung ,,hormonfrei" bei Lebensmitteln natfirlichen Ursprungs -- das gilt u. U. auch ffir gewisse pflanzliche Produkte -- genau genommen unzutreffend ist. Ffir pri~zise Aussagen sind vielmehr quantitative mid qualitative Unterscheidungen erforderlich und nunmehr auch mSglich. Wenn sich somit auch der Begriff ,,Nulltoleranz", wie er frfiher oft verwendet wurde, z. T. selbst ad absurdum fiihrt, so stellt sich doch die Aufgabe, eben yon Null abweiehende Toleranzen zu definieren. In Konsequenz wird sieh aber aueh eine mSgliehe Kontamination des Lebensmi*tels mi~ Hormonen exogener Provenienz -- z. B. naeh Behandlungen yon Tieren -- sachlieh nur auf dieser Basis diskutieren lassen. Fragen der Bedenkliehkeit fiir den Verbraueher sind dann aueh nur aufgrund yon quantitativen und qualitativen Mel~ergebnissen zu ldgren.

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Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Darling, J.A.B., Kelly, R.W., Laing, A.H., ttarkncss, R.A.: J. Endocrinol. 54, 347 (1972) Laing, J.A., Heap, R.B.: Bri~. Vet. J. 127, 19 (1974) Hoffmann, B , Hamburger, R.: Zuchthygiene 8, 154 (1973) Heap, R.B., Gwyn, M., Laing, J.A., Walters, D.E. : J. Agric. Sci. 81, 151 (1973) Hoffmann, B.: Tierzfichtcr 26, 291 (1974) ttoffmann, B., Hamburger, R , Giinzler, O., KorndSrfer, L., Lohoff, H. : Theriogenology 2, 21 (1974) 7. Hoffmann, B., Kyrein, J., Ender, M. L.: I-Iorm. Res. 4, 302 (1973) Priv. Doz. Dr. B. Hoffmann Ins~itu~ fiir Physiologie Siidd. Versuchs- und Forschungsanstalt ffir Milchwirtschaft TU Miinchen D-8050 Freising-Weihenstephan Bundcsrepublik Deutschland

17"

[Natural occurrence of progesterone in commercial milk products (author's transl)].

By means of radioimmunoassay the concentrations of progesterone in commercial milk products were determined. The values range from 1.4 ng/ml (skin mil...
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