Nr. 27, 8. Juli 1977, 102. Jg.

Ibrahim u. a.: Myxom des linken Vorhofs

997

Dtsch. med. Wschr. 102 (1977), 997-998 Georg Thieme Verlag, Stuttgart

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Klinische und echokardiographische Diagnose

Z. Ibrahim, F. Heni und P. Sadowski Medizinische Poliklinik des Zentrums Innere Medizin der Universität Tiibingen (Direktor: Prof. Dr. F. Heni)

Klinisches Bild, Verlauf und kardiologische Routinediagnostik geben zwar wichtige Anhaltspunkte für ein Myxom des linken Vorhofs, die sichere Diagnose ist aber nur mit Hilfe der Echokardiographie oder Cineangiographie möglich. Erstere mufg wegen ihrer Harmlosigkeit in allen Fällen der letzteren vorausgehen. Wir beobachteten drei Patienten mit gestieltem Myxom des linken Vorhofs, das echokardiographisch nachgewiesen werden konnte. Jedes gesicherte Myxom mufg unverzüglich der Operation zugefiihrt werden, da sonst meist plötzlich und unerwartet Komplikationen auftreten, die zum Tode fiihren. Bei Kranken mit wechselnden kardiologischen Zeichen und wechselnder klinischer Symptomatik mufg dieser Tumor ohne Zeitverlust echokardiographisch ausgeschlossen werden. Autoptische Statistiken geben seine Häufigkeit nicht richtig wieder. Ober 35% der primären intrakardialen Tumoren sind Myxome (13). Sie gehen überwiegend von der Gegend der Fossa ovalis des Septums des linken Vorhofes aus. Erst die kritische und ordnende Darstellung von Goodwin (4) fiinf eigene Beobachtungen und 40 iiber die British Cardiac Society gesammelte Fälle, 71% waren gestielt, der Rest saß noch fest am Septum hob die Erkrankung aus der Anonymität und stellte die klinische Diagnose auf eine feste Basis. Er trennt das komplexe klinische Bild auf in allgemeine Krankheitszeichen, multiple Embolien, obstruktive kardiale Symptome (Dyspnoe, Lungenödem und Synkopen). Von drei beobachteten Kranken mit operativ bestätigtem, zwischen dem linken Vorhof und dem Ventrikel endendem, gestieltem Myxom hatten zwei Kranke zerebrale Embolien, außerdem boten die drei Kranken ein mitralstenose-ähnliches Bild, das durch die Obstruktion des Mitralostiums bedingt war (5-9, 11, 12). Bei einer Patientin wurde postoperativ echokardiographisch ein Mitralklappenprolaps festgestellt. Der Befund war nach dreimonatiger Kontrolle unverändert. Dieser Prolaps ist wahrscheinlich durch Erweiterung des Mitralklappenringes durch das groSe Myxom bedingt. Verlauf und die am Krankenbett erhobenen Befunde zusammen mit dem Ergebnis kardiologischer Untersuchungen werden an anderer Stelle mitgeteilt.

Clinical picture, course and routine cardiological diagnostic methods may give important clues indicating the presence of myxoma of the left atrium, but a definite diagnosis can only be made using echocardiography or cineangiography. The former is free of risk and thus should always precede the latter. Three patients were observed with a stalked myxoma of the left atrium which could be demonstrated echocardiographically. Every proven myxoma should be operated on as soon as possible as otherwise sudden unexpected complications leading to death may occur. In patients with changing cardiological signs and changing clinical symptoms this tumour should be excluded promptly by echocardiography. Necropsy statistics do not accurately reflect the incidence.

Einen bedeutsamen diagnostischen Fortschritt brachten in den letzten Jahren die Cineangiokardiographie und die Echokardiographie (1-3, 10). Letztere sollte wegen ihrer Treffsicherheit und Harmlosigkeit bei geringstem Verdacht auf intrakardiale Tumoren vor allen intravasalen kardiologischen Untersuchungen durchgefiihrt werden. Hier werden nur die bei allen drei Kranken gleichartigen echokardiographischen Befunde mitgeteilt. Die Interpretation des Echokardiogramms des Myxoms und mögliche Fehlinterpretationen werden dargestellt. Der erste Tumor dieser Art wurde von Effert und Domanig (1) echokardiographisch festgestellt.

Methodik Zur Echokardiographie steht der Ekoline 20 mit einem Transducer von, 2,25 MHz und 0,4 inch/dm zur Verfiigung. Die Aufzeichnung erfolgt iiber eine Polaroidkamera und einen »Cambridge Fiber Optic medical Recorder.. Der Transducer wird im dritten oder vierten Interkostalraum links parasternal aufgesetzt und minimal hin- und herbewegt, bis das vordere Segel der Mitralklappe dargestellt ist. Von dieser Position aus wird der Schallkopf (Transducer) so geneigt, (lag sich das Schallbiindel nach medial und kranial richtet. Dabei werden die Aortenwurzel und der linke Vorhof sichtbar (»major sweep.). Geht man von der Ausgangsposition aus und richtet das Schallbiindel kaudal- und lateralwärts, so wird der Innenhohlraum des linken Ventrikels dargestellt (»minor sweep.). Die Durchfiihrung der »Sweeps« bei der echokardiographischen Untersuchung ist unerläßlich.

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Myxoma of the left atrium

Myxom des linken Vorhofs

Ibrahim u. a.: Myxom des linken Vorhofs

Ergebnisse Das Echokardiogramm zeigt einen klassischen Befund, der fiir die Diagnose eines gestielten Vorhofmyxoms beweisend ist. Die pathognomonischen Merkmale sind je nach Gröge des Tumors folgende: deutliche Verminderung der friihdiastolischen Klappenschluggeschwindigkeit, des vordéren SegeIs der Mitralklappe (Abflachung des EF-Gefälles) (Abbildung 1* und 2). Während der Kammerdiastole findet man eine Masse fast parallel verlaufender Echos, die vom vorderen Mitralklappensegel abgesetzt sind. Diese multiplen Echos fiillen den Raum zwischen dem vorderen und dem hinteren Segel der Mitralklappe. Wenn der Tumor einen langen Stiel hat, kann man diese Echos bis in den Innenraum des linken Ventrikels verfolgen. Wichtig bei diesen multiplen Echos ist, dag sie nicht zu Beginn der Mitralklappenöffnung erscheinen, sondern erst nach einigen Millisekunden auftreten (Abbildung 1) (friihdiastolischer Bluteinstrom). Die Vorhofkontraktionswelle (A-Welle) ist je nach Gröge des prolabierenden Tumors nur angedeutet oder gar nicht zu sehen (Abbildung 1). Während der Kammersystole sieht man im linken Vorhof (oberhalb des Mitralklappenringes) wolkenartige Echos, die von der Hinterwand des linken Vorhofs ausgehen und sich nach vorn meist bis zur Hinterwand der Aorta (vordere Vorhofwand) erstrecken (Abbildung 3). Weist das Echokardiogramm diese Merkmale auf, dann ist die Diagnose eines gestielten Vorhofmyxoms gesichert. Die Angiokardiographie kann die Diagnose nur noch bestätigen, gibt jedoch bessere Auskunft über Gröge und Beweglichkeit des Tumors. Interpretationsprobleme echokardiographischer Befunde sind meistens technisch bedingt (Reflexion von Schallwellen). Ähnliche echokardiographische Bilder konnten wir feststellen bei verkalkten Mitralstenosen (Abbildung 4), rheumatischer Mitralinsuffizienz, Vorhofseptumdefekt mit grogern Links-RechtsShunt, schwerer Anämie infolge der Abnahme der Blutviskosität. *

Abbildungen 1 bis 5 siehe Tafeln Seite 995 und 996

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Bei der Klärung, ob ein Vorhofmyxom oder Pseudomyxom vorliegt, spielen die Dämpfung der Schallwellen und die Durchfiihrung von »Sweepso eine dominierende Rolle. Verkalkte Mitralstenosen kann man durch Dampfung klar darstellen. Die zusätzliche Durchfiihrung von »Sweepso klärt die Diagnose endgiiltig, da bei einer Mitralstenose der linke Vorhof echofrei ist, beim Vorhofmyxom findet man multiple Echos gerade im linken Vorhof. Bei den iibrigen erwähnten Erkrankungen wiirde schon die Dämpfung oder die Änderung des Winkels des Schallkopfes geniigen, um die Differentialdiagnose zu stellen. Bei rheumatischer Mitralinsuffizienz (Abbildung 5), Vorhofseptumdefekt und schwerer Anämie glauben wir, dag die multiplen Echos durch starke Blutwirbelströmungen bedingt sind. Ist der Tumor klein, so kann man keine echokardiographischen Veränderungen in Höhe der Mitralklappe erwarten. Hier niitzt nur die ausfiihrliche Darstellung des linken Vorhofs, wobei eine Masse von Echos im Vorhof zu erwarten ist. Bewährt hat sich in solchen Fällen das Aufsetzen des Transducers in der Fossa jugularis mit Richtung der Schallwellen strikt kaudalwärts (3, 10). Dabei erhält man ein echokardiographisches Bild, in dem von oben nach unten Aorta, Arteria pulmonalis dextra und linker Vorhof dargestellt sind. Literatur Effert, S., E. Domanig: Diagnostik intraaurikulärer Tumoren und großer Thromben mit dem Ultraschall-Echoverfahren. Dtsch. med. Wschr. 84 (1959), 6.

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Dr. Z. Ibrahim, Prof. Dr. F. Heni, Dr. P. Sadowski Medizinische Universitäts-Poliklinik 7400 Tübingen, Liebermeisterstr. 14

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[Myxoma of the left atrium (author's transl)].

Nr. 27, 8. Juli 1977, 102. Jg. Ibrahim u. a.: Myxom des linken Vorhofs 997 Dtsch. med. Wschr. 102 (1977), 997-998 Georg Thieme Verlag, Stuttgart 0...
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