Schwerpunkt Internist 2015 DOI 10.1007/s00108-014-3598-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

F. Thol · M. Heuser · A. Ganser Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Myelodysplastische Syndrome Definition und Einteilung der Erkrankung Unter dem Begriff „myelodysplastische Syndrome“ (MDS) wird eine Gruppe von klonalen Erkrankungen der hämatopoetischen Stammzelle zusammengefasst, die sich durch eine ineffiziente Hämatopoese und Dysplasien im Knochenmark auszeichnen. Der alte Begriff der „Präleukämie“ war bereits durch die Erkenntnis geprägt, dass MDS-Patienten im Verlauf häufig eine akute myeloische Leukämie (AML) entwickeln.

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Die WHO-Klassifikation von 2008 ist die aktuelle Einteilung der Erkrankung Die Komplexität dieser Erkrankung spiegelt sich auch in den Klassifikationen über die letzten Jahrzehnte wider. In der FAB-Klassifikation von 1982 wurde erstmals die Heterogenität der Erkrankung zum Ausdruck gebracht. 1999 wurde die WHO-Klassifikation für die MDS eingeführt. Sie löste die FAB-Klassifikation ab. Die WHO-Klassifikation wurde zuletzt 2008 modifiziert und beinhaltet verschiedene Gruppen (. Tab. 1). Eine Blastenvermehrung im Knochenmark von ≥20% wird hier bereits als AML bezeichnet. Wesentliche Einteilungskriterien sind F die Anzahl der Zytopenien, F das Vorkommen von Ringsideroblasten, F die Anzahl der Blasten im Knochenmark (bis maximal 19%) und F das Vorhandensein einer Deletion 5q.

Für die Einteilung innerhalb der WHOKlassifikation ist somit die zytologische bzw. die histologische Untersuchung des Knochenmarks wie auch die Chromosomenanalyse unabdingbar. Sekundäre Dyplasien, die z. B. durch Alkohol oder Medikamente, einen Vitamin-B12- bzw. Folsäuremangel sowie Virusinfekte induziert sein können, müssen von einer genuinen Knochenmarkerkrankung wie MDS abgegrenzt werden. Hilfreich kann dabei zum einen der Nachweis zytogenetischer Aberrationen und zum anderen die Detektion von MDS-typischen Mutationen sein.

Epidemiologie Die MDS sind Erkrankungen des höheren Lebensalters. Nur selten treten sie vor dem 40. Lebensjahr auf. Die kindlichen MDS sind von den Erkrankungen der Erwachsenen abzugrenzen, da die Pathogenese hier eine andere ist und häufig hereditäre Formen vorliegen [1]. Bei erwachsenen MDS-Patienten ist die Erkrankung nur selten hereditär bedingt und das Erkrankungsrisiko für Angehörige klinisch nicht relevant erhöht. In Deutschland erkranken jährlich 4000 Menschen, woraus sich eine Inzidenz von 4–5/100.000 ergibt [2, 3]. Bei über 70-Jährigen beträgt sie über 30/100.000. Als Risikofaktoren gelten Benzole, die z. B. im Zigarettenrauch vorkommen, ionisierende Strahlung, alkylierende Substanzen und organische Lösungsmittel – hier auch berufsbedingt bei Arbeitern in der Kautschukindustrie [4].

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Das myelodysplastische Syndrom ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters

Die deutlich erhöhte Inzidenz der Erkrankung bei älteren Patienten beruht am ehesten auf einer mit dem Alter zunehmenden Zahl an somatischen Mutationen in wichtigen Genen der hämatopoetischen Stammzellen [5]. Durch den demografischen Wandel unserer Gesellschaft wird die Erkrankung häufiger werden und somit auch einen größeren Stellenwert im klinischen Alltag erreichen.

Klinik Bei einigen Patienten ist die Diagnose des MDS eine Zufallsdiagnose, die auf einer routinemäßig durchgeführten Blutbilduntersuchung basiert. Allerdings leidet die Mehrzahl der Patienten an Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Leistungsminderung, die durch die Anämie bedingt sind. MDS-Patienten, bei denen die Thrombozytopenie ausgeprägt ist (

[Myelodysplastic syndromes].

Myelodysplastic syndrome (MDS) encompasses a heterogeneous group of diseases originating in hematopoietic stem cells and is characterized by inefficie...
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