Schwerpunkt: Lungen- und Pleurapathologie Pathologe 2014 · 35:586–590 DOI 10.1007/s00292-014-1921-3 Online publiziert: 12. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

K. Junker, Bremen

Die primären Pleuratumoren werden in der WHO-Klassifikation der Tumoren der Lunge, der Pleura, des Thymus­und des Herzens von 2004 geführt, die mesotheliale und mesenchymale Tumoren sowie lymphoproliferative Erkrankungen der Pleura unterscheidet. Dabei stellen maligne Mesotheliome den häufigsten primären Pleuratumor dar, der von mesothelialen bzw. submesothelialen Zellen der Pleura ausgeht und ein überwiegend diffuses Wachstum im Bereich der Pleura zeigt [14, 15, 20]. Die WHO-Klassifikation wird in Kürze in einer überarbeiteten Auflage erscheinen, wobei sich daraus hinsichtlich der histologischen Typisierung der malignen Pleurameso­ theliome keine Änderungen ergeben werden.

Epidemiologie und Ätiologie Während noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Pleuramesotheliome­ eine seltene Tumorerkrankung mit einer jährlichen Inzidenz von 1 bis 2 Fäl­ len/1.000.000 Einwohner darstellten [4, 22], war mit dem weltweiten Anstieg der Asbestnutzung nach dem 2. Weltkrieg zeitlich versetzt auch ein erheblicher Anstieg der Mesotheliominzidenz zu verzeichnen. Bereits 1960 wurden von Wagner et al. [21] erste Berichte über eine Assoziation von Asbestexposition und Erkrankung an einem malignen Meso­ theliom nach Beobachtungen in Südafrika­ veröffentlicht [10].

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K. Junker1 · K.-M. Müller2 1 Zentrum für Pathologie, Klinikum Bremen-Mitte, Bremen 2 Gerhard-Domagk-Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Münster

Morphologische Diagnostik maligner Pleuramesotheliome Inzwischen wird davon ausgegangen, dass in Industrienationen bei Männern mehr als 90% der Pleuramesotheliome auf eine vorausgegangene Asbestexposi­ tion zurückzuführen sind. Dabei erreicht die Mesotheliominzidenz Zahlen von bis zu 60/1.000.000 Einwohner bei Männern und 11/1.000.000 Einwohner bei Frauen in Australien im Jahr 2000 [13]. Während die maximale Inzidenz maligner Mesothelio­ me in Nordamerika bereits überschritten­ sein soll, wird diese für andere Länder – z. B. Großbritannien – erst um das Jahr 2020 erwartet [10, 16, 18, 20]. Die in ver­ schiedenen Ländern immer noch steigen­ de Mesotheliominzidenz ist auf eine jahr­ zehntelange Latenz zwischen Asbestex­ position und symptomatischer Erkran­ kung zurückzuführen [16]. Das Potenzial, maligne Mesotheliome­ zu induzieren, weist eine Abhängigkeit von den verschiedenen Asbestfasertypen­ auf. Dabei zeigen Amphibolfasern (Amosit­und Crocidolit) ein höheres Ge­ fährdungspotenzial als Chrysotilasbest, wobei das größte Risiko von Crocidolit ausgeht [6, 7, 16].

breite Tumorschwarte ein (. Abb. 1). Dabei ist typischerweise­auch ein Tumor­ wachstum entlang der Interlobärspalten zu beobachten. Während zur Peripherie eine zunehmende Infiltration der Thorax­ wand nachzuweisen ist, kommt es häufig erst relativ spät zu einem Einbruch in sub­ pleurales Lungengewebe [10]. Sekundäre Pleuratumoren (insbe­ sondere Pleurakarzinosen pulmonaler und extrapulmonaler Karzinome, malig­ ne Thymustumoren) können eine „pseu­

Makroskopie Frühe Stadien maligner Pleuramesothe­ liome manifestieren sich als kleinknotige­ Veränderungen überwiegend im Bereich der Pleura parietalis. Mit fortschreitendem Tumorwachstum treten eine Konfluenz der Tumorknoten, eine Fusion der Pleu­ rablätter und schließlich eine vollständige­ Einscheidung und Kompression­der Lun­ ge durch eine bis mehrere Zentimeter

Abb. 1 8 Frontalschnitt durch die rechte Lunge mit angrenzender Thoraxwand bei einem   malignen Pleuramesotheliom mit kompletter­ Einscheidung der Lunge und Übergreifen des Tumorgewebes auf das Lungenparenchym (männlicher Patient, 62 Jahre alt). (Nach [15])

Abb. 2 8 Histologische Befunde maligner Mesotheliome und möglicher Differenzialdiagnosen. a Epitheloides Pleurameso­ theliom (männlicher Patient, 67 Jahre alt, HE-Färbung). b Sarkomatoides Pleuramesotheliom (männlicher Patient, 75 J., HE-Färbung). c Mesotheliale Inklusion mit einer einfachen/reaktiven mesothelialen Hyperplasie im Rahmen einer chronisch fibrosierenden Pleuritis (männlicher Patient, 72 J., HE-Färbung). d Atypische mesotheliale Hyperplasie/Proliferation (männlicher Patient, 67 J., Calretinin-Immunhistochemie). e Malignes epitheloides Mesotheliom mit beginnender Infiltration des Fettgewebes der Pleura parietalis (weiblicher Patient, 63 J., HE-Färbung). f Malignes epitheloides Mesotheliom mit beginnender Stromainfiltration der Pleura parietalis (männlicher Patient, 58 J., EvG-Färbung). g Malignes epitheloides Mesotheliom mit beginnender Stromainfiltration der Pleura parietalis (männlicher Patient, 73 J., EvG-Färbung). h Malignes epitheloides Meso­ theliom mit beginnender Infiltration des Fettgewebes der Pleura parietalis (weiblicher Patient, 63 J., Zytokeratin-Immunhistochemie, MNF116)

domesotheliomatöse“ pleurale Ausbrei­ tung aufweisen, die makroskopisch von einem malignen Pleuramesotheliom nicht abzugrenzen ist. Maligne Pleurameso­ theliome zeigen somit ein zwar typisches, nicht aber spezifisches makroskopisches Wachstumsmuster [10]. Die Metastasie­ rung maligner Mesotheliome unterschei­ det sich in Finalstadien nicht signifikant von der bei Lungenkarzinomen, wobei auffällt, dass Hirnmetastasen bei Pleura­ mesotheliomen nur selten nachzuweisen sind [5, 19]. Allerdings werden inzwischen unter zunehmenden therapeutischen Be­ mühungen auch häufiger Hirnmetastasen maligner Mesotheliome beobachtet.

Mikroskopie Bei der histologischen Typisierung des diffusen malignen Pleuramesothelioms werden laut WHO-Klassifikation epithe­ loide, sarkomatoide, desmoplastische und biphasische Mesotheliome unterschieden. Das desmoplastische Mesotheliom stellt jedoch lediglich einen besonders aggres­ siven Subtyp des sarkomatoiden Pleura­ mesothelioms dar.

Hinsichtlich der Verteilung auf die 3 histologischen Typen wird für den epi­ theloiden Typ überwiegend ein Anteil zwischen 40 und 60%, für den sarkoma­ toiden Typ zwischen 20 und 30% und für das biphasische Pleuramesotheliom eben­ falls zwischen 20 und 30% angegeben [2]. Die relative Häufigkeit biphasischer Me­ sotheliome steigt mit dem Umfang der gewonnenen Proben und dem dadurch möglichen Ausmaß der histologischen Untersuchungen an [10].

Epitheloides Pleuramesotheliom Definitionsgemäß zeigen epitheloide Pleuramesotheliome bei mindestens 90% des jeweiligen Tumors eine epitheloide Differenzierung, wobei am häufigsten ein tubulopapilläres oder mikroglanduläres Wachstumsmuster (. Abb. 2a), seltener eine kleinzellige, klarzellige, lymphohis­ tiozytoide oder deziduoide Differenzie­ rung nachgewiesen wird. Die Mehrzahl der epitheloiden Pleuramesotheliome vermittelt aufgrund des relativ monoto­ nen zytologischen Bildes einen gut diffe­ renzierten Eindruck. Empfehlungen zum Grading epitheloider Mesotheliome oder

Studien, die eine Korrelation zwischen entsprechenden zytomorphologischen Merkmalen und der Prognose aufgezeigt hätten, liegen jedoch nicht vor [10, 20].

Sarkomatoides Pleuramesotheliom Die Diagnose eines sarkomatoiden Pleu­ ramesothelioms erfordert den Nachweis einer sarkomatoiden Differenzierung bei mindestens 90% des jeweiligen Tu­ mors. Entsprechende Tumoren bestehen aus spindelförmigen Zellen, die eine fas­ zikuläre oder ungeordnete Ausrichtung aufweisen können (. Abb. 2b). Auch eine herdförmig an andere Sarkome (z. B. Osteosarkome oder Chrondrosarkome) erinnernde Differenzierung ist grundsätz­ lich möglich [11]. Analog zum epitheloi­ den Pleuramesotheliom wird ein Grading des sarkomatoiden Mesothelioms nicht vorgenommen [10].

Biphasisches Pleuramesotheliom Die Diagnose eines biphasischen Pleu­ ramesothelioms ist anzugeben, wenn Der Pathologe 6 · 2014 

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Zusammenfassung · Abstract nebeneinander Tumoranteile mit einer epitheloiden und sarkomatoiden Diffe­ renzierung vorliegen und jede Kompo­ nente einen Anteil von mindestens 10% an der Gesamttumormasse ausmacht [10, 20].

Morphologische Diagnostik Die sichere histologische Diagnose eines malignen Pleuramesothelioms lässt sich in 2 Schritte gliedern: F Nachweis einer mesothelialen Differenzierung der zur Diskussion stehenden pleuralen Läsion mittels eines geeigneten Antikörperpanels, F Nachweis eines (zumindest fokalen) invasiven Wachstums. Dabei ist die hier genannte Abfolge nicht im Sinne einer streng einzuhaltenden Reihenfolge zu verstehen. So kann in Ab­ hängigkeit vom individuellen Fall ein auf den ersten Blick invasives Wachstum im Bereich der Pleura vorliegen, bei aber fraglicher mesothelialer Differenzierung. Andererseits kann eine nach der konven­ tionellen Lichtmikroskopie sehr wahr­ scheinlich mesotheliale Pleuraläsion vor­ liegen, bei aber zunächst nicht eindeu­ tig erkennbarem invasivem Wachstum. Hinsichtlich der ersten Fragestellung (meso­theliale Differenzierung) steht ins­ besondere die differenzialdiagnostische Abgrenzung zwischen einem malignen Mesotheliom und einer Pleurakarzinose­ zur Diskussion. Bei der zweiten Frage (invasives Wachstum) geht es – bei gesicherter mesothelialer Differenzierung – um die Differenzialdiagnose zwischen reaktiven und neoplastischen mesothelia­ len Veränderungen.

Mesotheliale Differenzierung Der Nachweis einer mesothelialen Dif­ ferenzierung einer neoplastischen Ver­ änderung im Bereich der Pleura setzt die Anwendung eines geeigneten Antikör­ perpanels voraus [1, 17]. Dieses sollte für die basale Diagnostik einen Panzytokera­ tinmarker (z. B. Klon AE1/AE3, MNF116 oder KL1), Marker für eine mesotheliale Differenzierung (insbesondere Calretinin und WT1) und Marker für eine epithelia­ le Differenzierung (insbesondere BerEP4

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Pathologe 2014 · 35:586–590  DOI 10.1007/s00292-014-1921-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 K. Junker · K.-M. Müller

Morphologische Diagnostik maligner Pleuramesotheliome Zusammenfassung Die WHO-Klassifikation der primären Pleuratumoren unterscheidet mesotheliale und mesenchymale Tumoren sowie lymphoproliferative Erkrankungen. Maligne Mesotheliome stellen dabei den häufigsten primären Pleuratumor dar. Histologisch werden epi­ theloide (ca. 40–60%), sarkomatoide (ca. 20– 30%) und biphasische Mesotheliome (ca. 20– 30%) unterschieden. Die sichere morphologische Diagnose eines malignen Pleuramesothelioms erfordert einerseits zum Ausschluss insbesondere der pleuralen Dissemination eines pulmonalen oder extrapulmonalen epithelialen Malignoms den Nachweis einer mesothelialen Differenzierung mittels­

eines geeigneten Antikörperpanels, andererseits zur Abgrenzung gegenüber einer reaktiven mesothelialen Proliferation den Nachweis eines zumindest fokalen invasiven Wachstums. Der Ausschluss eines malignen Pleuramesothelioms induziert ggf. weitere differenzialdiagnostische Überlegungen, z. B. hinsichtlich der Primärtumorzuordnung bei nachgewiesener Pleurakarzinose. Schlüsselwörter Pleurakarzinose · Einfache/reaktive Mesothelhyperplasie · Atypische Mesothelhyperplasie · WHO-Klassifikation · Differenzialdiagnostik

Morphological diagnostics of malignant pleural mesothelioma Abstract The World Health Organization (WHO) classification differentiates between pleural tumors of mesothelial and mesenchymal origin as well as lymphoproliferative disorders, with malignant mesotheliomas forming the most common pleural primary tumor. Histologically, epithelioid (40–60%), sarcomatoid (20– 40%), and biphasic mesotheliomas (20–40%) are distinguished. The certain morphological diagnosis of a malignant pleural mesothelio­ ma requires the establishment of mesothelial­ differentiation by means of an appropriate panel of antibodies to exclude pleural dissemination of a pulmonary or extrapulmonary epithelial malignancy and also requires

und MOC31 sowie aufgrund der häufigen­ differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber der Pleurakarzinose eines pul­ monalen Adenokarzinoms ggf. TTF1) beinhalten. Dabei zeigen epitheloide Me­ sotheliome typischerweise eine positive­ Reaktion für Zytokeratine, Calretinin (zytoplasmatisch und nukleär) und WT1 (nukleär). Sarkomatoide Mesotheliome­ weisen­ eine zumindest partiell positive­ Zytokeratinreaktion, häufig eine negative Calretininreaktion und in der Regel­ eine zumindest fokal nukleär positive WT1Markierung auf. Insofern hat sich insbe­ sondere WT1 als wertvoller Marker für die Diagnose sarkomatoider Mesotheliome­ erwiesen. Die Anwendung eines D2-40Antikörpers bietet dagegen – der eigenen

the establishment of at least focal invasive growth to distinguish from reactive mesothelial proliferation. The exclusion of a malignant pleural mesothelioma may induce further differential diagnostic considerations, e. g. concerning the assignment to a certain primary tumor after the establishment of carcinomatous pleuritis. Keywords Carcinomatous pleuritis · Simple/reactive mesothelial hyperplasia · Atypical mesothelial hyperplasia · WHO classification · Differential diagnostics

Erfahrung zufolge – für diese Fragestel­ lung nur in Ausnahmefällen eine verwert­ bare Zusatzinformation. Auch die Über­ prüfung einer Koexpression von Vimentin ist aufgrund der Möglichkeit Vimentinpositiver pulmonaler Adenokarzinome­ im Allgemeinen entbehrlich. Im Sinne einer Stufendiagnostik rich­ tet sich die Auswahl ggf. erforderlicher weiterer Antikörper nach den Resulta­ ten der oben genannten Marker und dem morphologischen Aspekt in der konven­ tionellen Lichtmikroskopie (z. B. epi­ theloide vs. sarkomatoide Morphologie). Dabei sollte insbesondere eine negative Zytokeratinreaktion den dringenden Ver­ dacht auf das Vorliegen einer nichtmeso­ thelialen Neoplasie lenken, auch wenn

die WHO-Klassifikation grundsätzlich zytokeratinnegative Pleuramesotheliome zulässt [20]. In diesem Zusammenhang sei aus­ drücklich darauf hingewiesen, dass keiner der genannten „mesothelialen Marker“ für sich allein betrachtet spezi­ fisch für eine mesotheliale Differenzierung ist. Vielmehr sind die entsprechenden­ Resultate jeweils im Kontext eines Anti­ körperpanels zu analysieren.

Reaktive präneoplastische, frühe neoplastische Pleuraveränderungen Hinsichtlich der biologischen Wertigkeit sind einfache/reaktive Mesothelhyper­ plasie, atypische Mesothelhyperplasie­ und frühes invasives Mesotheliom­ differenzialdiagnostisch voneinander abzugrenzen. Bei der einfachen/ reaktiven­ mesothelialen Proliferation handelt es sich um eine einzelne Lage prominenter, flacher bis kubischer meso­ the­­lialer Zellen auf einer serösen Ober­ fläche (. Abb. 2c). Die atypische Meso­ thel­hyperplasie stellt eine Mesothelzell­ proliferation auf einer serösen Oberfläche­ dar, mit Zellen, die verschiedene Grade der zellulären Atypien mit prominenten­ Nukleolen und vergrößerten Zellkernen­ aufweisen (. Abb. 2d). Die Diagnose­ eines frühen invasiven Mesothelioms be­ inhaltet eine Mesothelzellproliferation mit fokalem Nachweis invasiven Wachs­ tums (. Abb. 2e, f, g, h). Einer Mesothelhyperplasie können insbesondere eine chronische (organisie­ rende) Pleuritis, ein Pleuraempyem, ein Thoraxtrauma, eine Pleurabeteiligung bei einer rheumatischen Grunderkran­ kung oder ein Spontanpneumothorax­ zugrunde liegen. Dabei ist eine spezifi­ sche Zuordnung oder differenzialdiag­ nostische Abgrenzung einer einfachen/ reaktiven von einer atypischen mesothe­ lialen Proliferation auch hinsichtlich der biologischen Wertigkeit nicht möglich. Die Frage nach dem Vorliegen eines in­ vasiven Tumorwachstums lässt sich ggf. bereits am HE-Schnitt eindeutig beant­ worten. Anderenfalls muss gezielt nach einer Stromainfiltration oder einer In­ filtration pleuralen Fettgewebes gesucht werden. Zur Frage einer Stromainfil­

tration hat sich die Anfertigung einer EvG-Färbung, zum Nachweis einer frü­ hen Fettgewebsinfiltration die sorgfältige Analyse der Zytokeratinreaktion bewährt (. Abb. 2f, g, h). Auch das Vorliegen aty­ pischer spindelzelliger oder epitheloi­ der Proliferate in tieferen Schichten einer fibrös verbreiterten Pleura spricht (auch ohne den Nachweis einer Fettgewebsin­ filtration) gegen die Diagnose einer reak­ tiven mesothelialen Proliferation [3, 9, 12]. Ergänzende immunhistochemische Untersuchungen zur differenzialdiagnos­ tischen Abgrenzung zwischen reaktiver­ und neoplastischer mesothelialer Proli­ feration hinsichtlich der Expression von EMA (epitheliales Membran-Antigen), Desmin, p53 oder GLUT-1 können gewis­ se Zusatzinformationen liefern, ersetzen­ aber in keinem Fall die sorgfältige Suche nach einem invasiven Wachstum entspre­ chend den oben genannten Kriterien.

Mesothelioma in situ Im Zuge der Entwicklung eines (frühen) invasiven Mesothelioms aus einer atypi­ schen Mesothelhyperplasie wäre grund­ sätzlich die Stufe eines Mesothelioma in situ anzunehmen. Dieses würde einer zytologisch bereits eindeutig malignen, aber nichtinvasiven mesothelialen Lä­ sion entsprechen. Da die Bezeichnung „Mesothelioma in situ“ einerseits bereits malignes Wachstum im Sinne eines ma­ nifesten Pleuramesothelioms suggeriert, andererseits aber eindeutige differenzial­ diagnostische Kriterien gegenüber der atypischen mesothelialen Hyperplasie nicht definiert sind, stellt das Mesothelio­ ma in situ zwar ein interessantes wissen­ schaftliches Konzept, aber eine „gefähr­ liche“ und daher nicht zu verwendende Diagnose dar. Entsprechende Verände­ rungen sollten nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden diagnostischen Möglichkeiten (weitere Schnittstufen, ergänzende Färbungen, insbesondere Faserdarstellung mittels EvG-Färbung, Immunhistochemie, insbesondere Zyto­ keratine, Einbettung weiteren Gewebes) als atypische Mesothelhyperplasie be­ zeichnet und insbesondere bei Vorliegen einer begrenzten Pleurabiopsie mit dem Kommentar versehen werden, dass in Abhängigkeit vom klinischen Befund hin­

sichtlich der Frage eines malignen Pleura­ mesothelioms ggf. die Gewinnung weite­ ren Gewebes erforderlich ist.

Staging Die Stadieneinteilung maligner Pleura­ mesotheliome wird nach der TNM-Klas­ sifikation vorgenommen, die zurzeit in der 7. Auflage vorliegt [23].

Diagnosesicherheit Bereits vor fast 30 Jahren wurde seitens des europäischen Mesotheliompanels ein 5-stufiges Wertungsschema für die Mesotheliomdiagnostik vorgeschlagen, in dem die „Sicherheit“ der jeweiligen Diagnose zum Ausdruck kommt [8, 10]: F Mesotheliom A – sicheres Mesothe­ liom: Kein Zweifel an der histologi­ schen Diagnose. F Mesotheliom B – wahrscheinliches Mesotheliom: Die Zurückhaltung kann ihre Begründung in der man­ gelnden Gewebegröße, der schlech­ ten Qualität oder der mangelnden Differenzierung finden, oder das Fehlen gewisser histologischer De­ tails kann zu leichten Zweifeln Anlass geben. F Mesotheliom C – mögliches Meso­ theliom: Die Diagnose kann nicht abgelehnt werden, aber es fehlen aus­ reichende Hinweise für eine positive Diagnose. F Mesotheliom D – wahrscheinlich kein Mesotheliom: Die Diagnose ist zwar unwahrscheinlich, kann jedoch nicht sicher ausgeschlossen werden. F Mesotheliom E – sicher kein Meso­ theliom: Die konkrete Diagnose eines anderen Tumors sollte angegeben werden.

Andere Pleuratumoren mesothelialen Ursprungs Pleuratumoren mesothelialen Ursprungs, die nicht einem malignen diffusen Meso­ theliom entsprechen, sind insgesamt selten. Die sehr seltenen pleuralen Ade­ nomatoidtumoren entsprechen histolo­ gisch den Adenomatoidtumoren anderer Lokalisationen. Die lokalisierten malignen Mesotheliome sind histologisch von den Der Pathologe 6 · 2014 

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Schwerpunkt: Lungen- und Pleurapathologie diffus wachsenden Mesotheliomen nicht zu unterscheiden und nur unter Berück­ sichtigung des makroskopischen bzw. intraoperativen Befundes zu diagnos­ tizieren. Ausgesprochen problematisch und an kleinen Biopsien ggf. unmöglich ist die differenzialdiagnostische Abgren­ zung der ebenfalls sehr seltenen gut dif­ ferenzierten papillären Mesotheliome der Pleura von papillär wachsenden diffusen malignen Mesotheliomen [10].

Versicherungsmedizinische Aspekte Die Anerkennung eines pleuralen Tumors als Berufskrankheit nach Ziffer 4105 der Berufskrankheitenverordnung durch die zuständige Berufsgenossenschaft setzt die Erfüllung zweier Bedingungen voraus: 1. Histologische (in Ausnahmefällen auch zytologische) Sicherung eines malignen Pleuramesothelioms gemäß den oben genannten Kriterien (Mesotheliom A oder B, s. oben; in Analogie auch Sicherung eines malig­ nen Mesothelioms des Peritoneums, des Perikards oder des Processus vaginalis testis). 2. Arbeitstechnische Sicherung einer be­ ruflichen Asbeststaubexposition mit entsprechender Latenzzeit durch den zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Aufgrund der ausgeprägten Assoziation zwischen Pleuramesotheliomen und be­ ruflicher Asbestexposition begründet jede Diagnose eines malignen Pleuramesothe­ lioms (oder malignen Mesothelioms an­ derer Lokalisation, s. oben) den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 4105 der Berufskrankhei­ tenverordnung und ist somit auch ohne offensichtliche Hinweise in der Berufs­ anamnese gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger zur Anzeige zu bringen [10]. Die sichere Diagnose insbesondere früher mesothelialer Läsionen ist daher auch vor versicherungsmedizinischem Hintergrund eine verantwortungsvolle­ Aufgabe für den Pathologen und seine kli­ nischen Partner.

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Fazit für die Praxis Die histologische Untersuchung einer   tumorverdächtigen Pleuraveränderung erfordert die folgenden diagnostischen Schritte: F Nachweis einer mesothelialen Differenzierung. F Nachweis eines invasiven Tumorwachstums. F Gegebenenfalls erforderliche weitere differenzialdiagnostische Überlegungen nach Ausschluss eines malignen Pleuramesothelioms (z. B. Primärtumorzuordnung bei Pleurakarzinose).

Korrespondenzadresse Prof. Dr. K. Junker Zentrum für Pathologie, Klinikum Bremen-Mitte St.-Jürgen-Str. 1, 28177 Bremen [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  K. Junker gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Morphological diagnostics of malignant pleural mesothelioma].

The World Health Organization (WHO) classification differentiates between pleural tumors of mesothelial and mesenchymal origin as well as lymphoprolif...
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