ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG _ FOLGE 441

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer

Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg Medizinische Fakultät der Semmelweis Universität

Teilnahme unter www.springermedizin.de/kurse-mmw

Einfaches Behandlungsschema, kaum Komplikationen

Orale Antidiabetika ermöglichen eine individualisierte Therapie Heute gibt es vielfältige orale Therapieansätze, die den Blutzucker effektiv senken. Mit der Einführung der DPP-4- und SGLT-2-Hemmer hat sich die orale Diabetestherapie grundlegend geändert. Zudem sind sie hypoglykämiesicher und erhöhen nicht das Körpergewicht. Nie war die Behandlung des Typ-2-Diabetes sicherer. Abbildung 1 α-Glukosidase-Inhibitoren Mikrobiom Veränderte Inkretine

Sulfonylharnstoffe/Glinide ß-Zellen vermindert

Glitazone Erhöhte Lipolyse Verminderte Glukoseaufnahme Adipokine Inflammatorische Mediatoren

Insulinsekretion reduziert

SGLT-2-Hemmer

DPP-4-Hemmer Hyperglykämie Alpha-Zellen erhöht Glukagonsekretion verändert

Insulinresistenz reduzierte Insulinsekretion Hyperglukagonämie Fettverteilung

Erhöhte Reabsorption von Glukose

Metformin

Mod. n. [4, 5]

Myokine Glukoseaufnahme Lipidakkumulation Verminderte Insulinwirkung Erhöhte Glukoseproduktion Lipidakkumulation Inflammasom Hepatokine Ernährung Genetische Disposition

Neurotransmitter-Veränderungen Hypothalamus-Nahrungszufuhr Sympathikusaktivität Afferentes Nervensystem

Abb. 1 Mechanismen und potenzielle Angriffspunkte für die Entwicklung und Therapie eines Typ-2-Diabetes.

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Im Gesundheitsbericht Diabetes 2015 wird davon ausgegangen, dass bei ca. 7–8% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland ein Diabetes diagnostiziert ist, eine hohe Dunkelziffer besteht und die Zahl der Betroffenen im Laufe der letzten zehn Jahre um fast 40% gestiegen ist [1]. Wichtigster pathopysiologischer Mechanismus für die Manifestation eines Typ-2-Diabetes ist eine veränderte Funktion des Inselzellapparates. Eine Insulinresistenz gilt als Risikofaktor. Die klinische Diagnose wird häufig erst gestellt, wenn mikroangiopathische Komplikationen (Mikroalbuminurie als Zeichen der Nephropathie, Retinopathie oder Neuropathie) den Patienten zum Arzt führen oder eine koronare Herzkrankheit vorliegt. Das Ziel sollte daher sein, eine frühe, effektive und sichere Therapie des Typ-2-Diabetes durchzuführen (Tab. 1, S. 71). Das Konzept der oralen Diabetestherapie Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) zur Therapie des Typ-2-Diabetes [2, 3] sieht als Basismaßnahme therapeutische Lebensstilmaßnahmen vor. Die medikamentöse Therapie beginnt mit ■ This article is part of a supplement not sponsored by the industry.

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Abbildung 2 Bis Stadium 1 Mod. n. Rote Liste 2014 u. Fachinformation der SGLT2-Hemmer

GFR (ml/min)

Stadium 2

90

60

Stadium 3

Stadium 4

30

Stadium 5

15

0

Metformin SH Repaglinid Acarbose Pioglitazon Sitagliptin

1× 100 mg

Saxagliptin

1× 5 mg

1× 50 mg

1× 25 mg

1 × 2,5 mg

Dapagliflozin Empagliflozin

Abb. 2 Einschränkung der Gabe oraler Antidiabetika bei eingeschränkter Nierenfunktion. Hellrot bedeutet bei Metformin, Saxagliptin und Empagliflozin, dass die Dosis gesenkt werden sollte. (SH = Sulfonylharnstoffe)

den oralen Antidiabetika, wobei Metformin das Mittel der ersten Wahl ist. Danach empfiehlt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), weitere Substanzen mit Metformin zu kombinieren, die in der NVL in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt werden. Tab. 2 (S. 72) fasst die oralen blutzuckersenkenden Medikamente, die in Deutschland 2014 verfügbar sind, mit ihrer üblichen Dosierung zusammen. Der Autor bevorzugt wegen der Hypoglykämie-Sicherheit und guten Verträglichkeit Dipeptidyl-Peptidase (DPP)-4- und Sodium-Glukose-Transporter(SGLT)-2-Hemmer gegenüber α-Glukosidase-Inhibitoren oder Sulfonylharnstoffen. Bei den Glitazonen ist nur noch Pioglitazon verfügbar, welches aber in Deutschland nicht mehr durch die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKVs) erstattet wird. Daher werden im Folgenden die Medikamentengruppen nach Metformin in zeitlicher Reihenfolge ihrer Entwicklung besprochen, d. h. Sulfonylharnstoffe, α-Glukosidase-Inhibitoren, Glitazone und die sogenannten DPP4- und SGLT-2-Hemmer. Die therapeutischen Angriffspunkte zur Reduktion einer Hyperglykämie im Zusammenhang mit wichtigen pathophysiologischen Mechanismen sind in Abb. 1 skizziert [4, 5, 6].

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Biguanide

Unter den Biguaniden ist in Deutschland nur Metformin zugelassen, das ein klassisches antihyperglykämisches Medikament ist. Es verursacht keine Hypoglykämien und hat keinen direkten Einfluss auf die endogene Insulinsekretion. Trotz seines nicht vollständig bekannten Wirkmechanismus ist es zurzeit das Mittel der ersten Wahl. Ein wesentlicher Effekt von Metformin ist die Suppression der hepatischen Glukoseproduktion. Eventuell kann es auch die Glukoseaufnahme bzw. Insulinwirkung in peripheren Geweben erhöhen und die intestinale Glukoseresorption vermindern. Nebenwirkungen von Metformin sind eine milde, meist selbst limitierte Diarrhö, Übelkeit und Anorexie. Einige Patienten klagen über einen metallischen Geschmack im Mund, abdominelle Beschwerden oder Missempfindungen. Die meisten dieser Nebenwirkungen sind transient und dosisabhängig. Sie können minimiert werden, indem Metformin zu den Mahlzeiten und in einschleichender Dosierung eingenommen wird. Die gefährlichste Nebenwirkung ist die Laktatazidose, die bei Beachtung der Warnhinweise und Kontraindikationen allerdings nur sehr selten zu beobachten ist. Eine wichtige Kontraindikation ist

die Niereninsuffizienz bzw. eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) < 44 ml/ min. Bei einer GFR von 45–59 ml/min dürfen maximal 2 x 500 mg/d verabreicht werden. Ferner sollte Metformin nicht bei schweren Erkrankungen der Leber, der Lunge und des Herzens gegeben werden. Bei Untersuchungen mit Kontrastmittelgabe oder interventionellen bzw. operativen Verfahren ist Metformin temporär abzusetzen. Sulfonylharnstoffe

Sulfonylharnstoffe hemmen durch Bindung an einen Rezeptor für Sulfonylharnstoffe (SUR-1) die Kalium-ATPase. Hierdurch verändert sich das Membranpotenzial und spannungsabhängige Kalziumkanäle werden geöff net, weshalb vermehrt Ca 2+ in die β-Zellen strömt. Hierdurch kommt es zur Exozytose der Insulinspeichervesikel. Diese Insulinfreisetzung ist unabhängig von der Höhe der Glukosekonzentration im Blut. Daher können Sulfonylharnstoffe im Gegensatz zu Metformin und den weiter unten aufgeführten DPP-4- sowie SGLT-2-Hemmern zu Hypoglykämien führen. Patienten nehmen in aller Regel, wahrscheinlich durch den „insulinotropen“ Wirkmechanismus, unter der Therapie ca. 1–2 kg an Körpergewicht zu. Sulfonylharnstoffe senken effektiv das HbA1c, wobei die Wirkung aber wahrscheinlich durch die Progression des β-Zellversagens im Verlauf nachlässt. Mehrere Studien und Metaanalysen weisen darauf hin, dass die Therapie mit Sulfonylharnstoffen möglicherweise im Vergleich zu Metformin und DPP4-Hemmern mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden ist. Kürzlich haben Bennister et al. retrospektiv die Gesamtsterblichkeit von Patienten mit Typ-2-Diabtes über fünf Jahre analysiert, die noch keine medikamentöse Diabetestherapie zuvor erhalten hatten [7]. Verglichen wurde das Risiko von Patienten, die entweder erstmalig Metformin oder Sulfonylharnstoffe erhalten hatten, mit adjustierten Kontrollpersonen. Das Sterblickeitsrisko unter einer Sulfonylharnstofft herapie war mehr als zweimal so hoch wie von Kon-

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trollpersonen oder Patienten, die Metformin erhielten. Dies unterstützt die Auffassung der Deutschen Diabetes Gesellschaft, mit einer Sulfonylharnstofftherapie zurückhaltend zu sein.

Tabelle 1

Ziele einer Diabetestherapie Kurzfristig

langfristig

wünschenswert

HbA1c 6,5–7,5%

keine mikrovaskulären Komplikationen

Remission

keine Hypoglykämien

keine makrovaskuläre Komplikationen

Krankheitsverlauf positiv beeinflussen

keine Gewichtszunahme

Morbidität reduzieren

Pathomechanismen behandeln

gute Lebensqualität

keine Neurodegeneration

Glinide

Repaglinid unterscheidet sich strukturchemisch von der Sulfonylharnstoffgruppe. Es bindet zwar auch an den Rezeptor für Sulfonylharnstoffe, aber an einer anderen Stelle als Sulfonylharnstoffe. Die stimulierende Wirkung der Glinide auf die Insulinsekretion ist kürzer. Daher wird Repaglinid zu den Hauptmahlzeiten eingenommen, um dann im Wesentlichen den postprandialen Blutzuckeranstieg zu kontrollieren. α-Glukosidase-Inhibitoren

Hemmstoffe der α-Glukosidase im Darmepithel sind Acarbose und Miglitol. Sie verlangsamen den Abbau von Dibzw. Polysacchariden sowie anderer komplexer Kohlenhydrate in Monosaccharide durch die Hemmung des Enzyms α-Glucosidase im Bürstensaum des Dünndarmepithels. Daraus resultiert eine verzögerte und eventuell verminderte Glukoseresorption. Die Folge ist eine Abschwächung, insbesondere des postprandialen Blutzuckeranstiegs. Hypoglykämien werden nicht beschrieben. Dosisabhängige Nebenwirkungen sind eine erhöhte Inzidenz von Flatulenz, weichen Stühlen oder Diarrhö sowie geringe abdominelle Beschwerden. Glitazone

Die Glitazone verbessern die Empfi ndlichkeit der peripheren Zellen für Insulin, d. h. die Insulinwirkung in der Leber, der Skelettmuskulatur und im Fettgewebe nimmt zu. Ein „Drug Target“ sind bestimmte intrazelluläre Rezeptoren, genannt PPARs. Rosiglitazon wurde 2008 wegen kardiovaskulärer Sicherheitsbedenken vom Markt zurückgezogen, sodass in Deutschland nur Pioglitazon zur Verfügung steht, welches aber nicht durch die gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet wird. Interessanterweise hat die FDA 2013 ihre Bedenken aufgrund neuer Daten zurückgezogen [8],

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Ziele sind individualisiert und unter Berücksichtigung von Lebenserwartung, Allgemeinzustand, Begleiterkrankungen und der psychosozialen Situation festzulegen.

was hierzulande aber kaum wahrgenommen worden ist. DPP-4-Hemmer

Sie hemmen den Abbau des endogenen Glukagon-Like-Peptide(GLP)-1, das durch endokrine Zellen im Dünndarm gebildet und sezerniert wird. Die DPP4-Hemmer-vermittelte, ca. zweifache Erhöhung der endogenen GLP-1-Spiegel führt zu einer Freisetzung von Insulin und einer Reduktion der Glukagonsekretion. Diese beiden Effekte sind glukoseabhängig. Dies bedeutet, dass diese Effekte sistieren, wenn die Blutglukose unter ca. 70 mg/dl absinkt. Dies liegt darin begründet, dass DPP-4-Hemmer die metabolisch bedingte Hormonsekretion in den β-Zellen modulieren und im Ge-

gensatz zu den Sulfonylharnstoffen und Gliniden nicht durch eine von den Blutzuckerspiegeln unabhängige, direkte pharmakologische Veränderung des Membranpotenzials die Insulinfreisetzung erhöhen. Daher führen DPP4-Hemmer auch vom Wirkprinzip her nicht zu Hypoglykämien. In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass die in Deutschland verfügbaren DPP-4-Hemmer Sitagliptin und Saxagliptin das HbA1c effektiv und nachhaltig absenken. Dies ist bei einer Kombinationstherapie in aller Regel ein additiver Effekt. DPP-4-Hemmer können bei einer Niereninsuffizienz gegeben werden (Abb. 2). Hier muss lediglich die Dosis reduziert werden, wobei dies wegen des

Abbildung 3 Diagnose eines Typ-2-Diabetes

Therapeutische Lebensstilmaßnahmen

Metformin

DPP-4-Hemmer

SGLT-2-Hemmer

Abb. 3 Kombinationsmöglichkeiten moderner oraler Diabetesmedikamente. Therapie der ersten Wahl ist Metformin, das mit einem DPP-4- oder SGLT-2-Hemmer kombiniert werden kann. Eine Kombination aller drei Substanzen ist möglich. Die gestrichelte Linie signalisiert auch die Möglichkeit der Gabe von DPP-4- oder SGLT-2-Hemmern als Monotherapie bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation von Metformin.

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Tabelle 2

Orale blutzuckersenkende Medikamente Klasse

Substanz

Dosierung/Tag

Biguanide

Metformin

1000–2000 mg

Sulfonylharnstoffe

Glibenclamid

7,0–10,5 mg

Glimepirid

1–6 mg

Gliclazid

30–120 mg

Gliquidon

30–120 mg

Glinide

Rapeglinid

0,5–2 mg präprandial

α-Glukosidase-Inhibitoren

Acarbose

150 mg

Miglitol

150 mg

Glitazone

Pioglitazon

15–45 mg

DPP-4-Hemmer

Sitagliptin

50–100 mg

Saxagliptin

2,5–5 mg

Dapagliflozin

10 mg

Empagliflozin

10–25 mg

SGLT-2-Hemmer

Die Angaben dieser Tabelle sind ohne Gewähr, beziehen sich auf die „Rote Liste 2014“ und geben übliche Tagesdosierungen an. Die Angaben zu den SGLT-2-Hemmern beruhen auf den Fachinformationen. Kombinationspräparate mit Metformin stehen für Pioglitazon, Sitagliptin, Saxagliptin und Dapagliflozin zur Verfügung. Der SGLT-2-Hemmer Canagliflozin (100–300 mg) ist in der Monotherapie in Deutschland nicht mehr verfügbar (daher oben nicht aufgeführt), aber als Kombinationspräparat mit Metformin erhältlich.

pharmakokinetischen Profi ls und nicht wegen eventuell beobachteter Nebenwirkungen empfohlen wird. In Bezug auf die Pankreassicherheit inkretinbasierter Therapiestrategien sind kürzlich alle Daten von Tierexperimenten und klinischen Studien durch die amerikanische (FDA) und die europäische Zulassungsbehörde (European Medical Agency, EMA), analysiert worden. FDA und EMA stellten gemeinsam fest, dass derzeit kein kausaler Zusammenhang zwischen inkretinbasierten Therapiestrategien und Pankreatitis oder einem Pankreaskarzinom besteht [9]. Das Thema muss weiter sorgfältig untersucht werden. Die Pankreatitis wird dennoch weiterhin zur Sicherheit als assoziierte Nebenwirkung inkretinbasierter Therapien betrachtet. FDA und EMA sind sich einig, dass die aktuellen Fach- und Produktinformationen der Medikamente den gegenwärtigen Kenntnisstand adäquat abbilden. Dieser Einschätzung schloss sich die DDG an [10]. SGLT-2-Hemmer

Die Vertreter dieser Gruppe inhibieren kompetitiv einen Transporter, der fast

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ausschließlich im proximalen Tubulus der Niere vorkommt. Normalerweise werden mit den 180 l Primärharn auch ca. 180 g Glukose fi ltriert, die zu mehr als 90% durch den SGLT-2-Transporter rückresorbiert werden. Die restlichen 10% werden durch einen sogenannten SGLT-1 zurückgewonnen [11]. Die Rückresorption von Glukose ist bei Patienten mit Typ-2-Diabetes im Vergleich zu Kontrollpersonen erhöht. Die Gabe der in Deutschland zur Verfügung stehenden hochselektiven SGLT2-Hemmer Dapagliflozin und Empagliflozin führt zu einer Absenkung der sogenannten „Nierenschwelle“ und zu einer therapeutisch gewünschten Ausscheidung von ca. 70–80 g Glukose über 24 Stunden. Hierdurch werden nicht nur der Blutzucker bzw. das HbA1c gesenkt, sondern wahrscheinlich durch den Kalorienverlust (70–80 g Glukose entsprechen ca. 280–320 kcal) auch das Gewicht um ca. 3–5 kg. Zudem hat die therapeutisch gewünschte Glukosurie eine osmotische Wirkung und senkt den systolischen Blutdruck um ca. 4–6 mmHg im Vergleich zu Placebo. In Bezug auf den

Wirkmechanismus haben zwei Studien zu Beginn dieses Jahres gezeigt, dass die SGLT-2-Hemmung die Insulinsensitivität und glukosevermittelte Insulinsekretion verbessern kann [12, 13]. Die Gabe der SGLT-2-Hemmer ist bei Metforminunverträglickeit als Monotherapie zugelassen und kann ansonsten mit allen Therapiestrategien kombiniert werden. Bei einer GFR < 60 ml/min darf mit der Behandlung nicht begonnen werden. Hier stehen keine Sicherheitsbedenken im Vordergrund, sondern vielmehr die Tatsache, dass für die Effizienz des Wirkprinzips eine gute GFR benötigt wird. Als Nebenwirkung einer Therapie mit SGLT-2-Hemmern ist vor allem eine erhöhte Rate von Pilzinfektionen im Genitalbereich beobachtet worden (ca. 6–10% im Vergleich zu Placebo und bei Frauen häufiger als bei Männern). Bakterielle Harnwegsinfekte werden hingegen eher selten beschrieben (ca. 2% häufiger als bei Kontrollpersonen). Neue Kombinationstherapien

Aufgrund des neuen, eigentlich bei guter GFR immer wirksamen Therapieprinzips sind SGLT-2-Hemmer auch gute Kombinationspartner für Metformin und DDP-4-Hemmer. Deshalb ist heutzutage nicht nur eine Zweifach-, sondern auch eine Dreifachkombination möglich, bei denen alle Partner hypoglykämiesicher sind (Abb. 3). Kardiovaskuläre Sicherheit Bei kardiovaskulären Endpunktstudien gibt es drei verschiedene Designs bzw. Arten von Studien: der Vergleich von Therapiestrategien, Überlegenheitsund Sicherheitsstudien [14]. Bei einem Vergleich von Therapiestrategien wird bei ähnlich effektiver Absenkung des Risikofaktors gefragt, ob zwischen zwei Substanzen ein Unterschied in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse besteht. Bei der oralen Diabetestherapie läuft beispielsweise zurzeit eine Studie, die den Sulfonylharnstoff Glimepirid mit dem DPP-4-Hemmer Linagliptin vergleicht. Bei Überlegenheitsstudien wird überprüft , ob das kardiovaskuläre Risi-

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ko durch die Reduktion des Risifaktors im Vergleich zur Placebogruppe gesenkt wird. Beste Beispiele sind die Statinstudien. In der Diabetologie wurde bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mit diesem Design die kardiovaskuläre Bedeutung einer deutlichen HbA1c-Reduktion in den Studien UKPDS, ACCORD, ADVANCE und VADT untersucht [14]. Das Ergebnis: Nur im Metforminarm der UKPDS-Studie wurde der primäre Endpunkt für kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkt) signifikant gesenkt. Das Risiko für Myokardinfarkte war insbesondere bei kurzer Diabetesdauer reduziert. Eine kürzlich publizierte Nachanalyse der ACCORDStudie belegt, dass eine intensivere Blutzuckersenkung auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes die Komplikationen einer ischämischen Herzerkrankung senkt [15]. Die FDA hat im Jahr 2008 beschlossen, dass neue Diabetesmedikamente im Rahmen der Zulassung zeitnah ihre kardiovaskuläre Sicherheit nachweisen müssen. Sicherheitsstudien sind so angelegt, dass die zu untersuchende Substanz zwar mit Placebo verglichen wird, dass aber auch im Placeboarm der StuModerne orale Diabetestherapie

Fazit für die Praxis 1. Ziel einer Diabetestherapie ist die effektive, sichere und individualisiert abgestimmte Senkung des HbA1c, um das Risiko für mikro- und makrovaskuläre Spätkomplikationen zu reduzieren.

2. Durch die neuen oralen Diabetesmedikamente (DPP-4- und SGLT2-Hemmer) stehen uns in der klinischen Praxis aktuell Therapieansätze zur Verfügung, die zusammen mit Metformin neue Zwei- und Dreifachkombinationen ermöglichen.

3. Künftige Studien müssen u. a. zeigen, ob durch neue Therapiestrategien der Krankheitsverlauf, die Morbidität, das kardiovaskuläre Risiko und auch die Entwicklung neurodegenerativer Störungen günstig beeinflusst werden kann.

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© Zoonar RF / Thinkstock

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Die kardiovaskuläre Sicherheit – ein wichtiger Fokus jeder antidiabetischen Therapie.

die der zu beeinflussende Risikoparameter, in diesem Falle HbA1c bzw. Blutzucker, studienprotokollgemäß vergleichbar gesenkt wird. Daher testet ein solches Studiendesign allein die Frage, ob ein therapeutisches Molekül einen eigenen bzw. von der Blutzuckersenkung unabhängigen „pleiotropen“ Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko hat [14]. Kardiovaskuläre Sicherheitstudien zeigten bei den DPP-4-Hemmern Sicherheit für Saxagliptin. Sitagliptin wird in der TECOS-Studie noch untersucht. Die Ergebnisse werden für das Jahr 2015 erwartet. Bei den SGLT2-Hemmern laufen Studien mit Dapagliflozin, Canagliflozin und Empagliflozin. Die Studie für Empagliflozin wird voraussichtlich bereits 2015 beendet sein. Ausblick Die Therapie und Prävention des Typ2-Diabetes basieren zwar auf therapeutischen Lebensstilmodifi kationen, aber dennoch spielen bei der Entstehung dieser Volkskrankheit genetische Faktoren und zahlreiche unterschiedliche Pathomechanismen eine entscheidende Rolle. Deswegen ist es das Ziel gegenwärtiger und künft iger medikamentöser Therapiestrategien, nicht nur die Blutzuckerspiegel effektiv zu senken, sondern auch unterschiedliche klinische Subtypen defi nieren zu können, die von bestimmten Therapiestrategien

im Sinne einer individualisierten Therapie besonders gut profitieren. Literatur unter mmw.de Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Endokrinologie, Diabetes und Stoff wechsel Asklepios Klinik St. Georg Lohmühlenstr. 5 D-20099 Hamburg E-Mail: [email protected]

Keywords Modern management with oral antihyperglycemic agents in type 2 diabetes DPP-4-inhibitors – SGLT-2-inhibitors – diabetes therapy

Interessenkonflikt Der Autor hat in den vergangenen drei Jahren Honorare für Vorträge und Beratungen von den Firmen AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, BMS, Daichii Sankyo, Janssen-Cilag, Lilly, MetaCure, MSD, Novartis, Novo Nordisk, OmniaMed, Roche, Sanofi erhalten. Klinische Studien und Forschungsunterstützung erfolgte durch AstraZeneca, MetaCure, MSD, Novartis, Roche und Sanofi. Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen Gutachtern geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausgabe hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.

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CME-Fragebogen

FIN: MM1523qZ gültig bis 13.4.2015

Bitte beachten Sie: • Die Teilnahme ist nur online unter www.springermedizin.de/eAkademie möglich. • ausführliche Erläuterungen unter www.springermedizin.de/info-eakademie

Diese CME-Fortbildungseinheit ist von der Bayerischen Landesärztekammer mit zwei Punkten in der Kategorie I zur zertifizierten Fortbildung anerkannt.

Moderne orale Diabetestherapie Welches Phänomen ist für die klinische Manifestation des Typ-2-Diabetes entscheidend? ⃞ Eine Erhöhung des peripheren Gefäßwiderstandes. ⃞ Eine Mikrozirkulationsstörung des Fettgewebes. ⃞ Eine Insulinresistenz der Endothelzellen. ⃞ Eine veränderte Funktion des Inselzellapparates. ⃞ Eine verminderte Wirkung von Glukagon. Welcher Parameter ist kein Ziel einer Diabetestherapie? ⃞ Gute Einstellung des HbA1c. ⃞ Keine Zunahme des Gewichts. ⃞ Hypoglykämiesicherheit. ⃞ Keine Nebenwirkungen. ⃞ Kontrolle des Harnzuckers. Welcher klinischer Effekt ist in der UKPDSStudie mit einer Metformintherapie verbunden? ⃞ Zunahme des Körpergewichts. ⃞ Senkung des Risikos für Myokardinfarkt. ⃞ Nierenschäden. ⃞ Erhöhung des LDL-Cholesterins. ⃞ Zunahme mikrovaskulärer Komplikationen. Welche Aussage zu Sulfonylharnstoffen im Vergleich mit Metformin und DDP-4-Hemmern trifft zu? Sulfonylharnstoffe ... ⃞ ... führen häufiger zu Hypoglykämien. ⃞ ... senken das Körpergwicht. ⃞ ... senken den Blutdruck. ⃞ ... wirken über eine Verbesserung der Insulinresistenz. ⃞ ... führen zu einer niedrigeren Mortalität. Welche Aussage zu einer Therapie mit DPP-4-Hemmern trifft zu? ⃞ Es besteht ein hohes Hypoglykämierisiko. ⃞ Bei eingeschränkter Nierenfunktion muss auf den Einsatz von DPP-4-Hemmern verzichtet werden.

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⃞ DPP-4-Hemmer steigern die Glukagonsekretion. ⃞ Sie hemmen den Abbau von GLP-1. ⃞ Nach der aktuellen Datenlage besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der Gabe von DPP-4-Hemmern und Pankreatitiden. Welche Aussage zu den in der antidiabetischen Therapie verwendeten Stoffgruppen trifft zu? ⃞ α-Glykosidase-Inhibitoren haben ein hohes Hypoglykämierisiko. ⃞ Sulfonylharnstoffe hemmen die NatriumATPase. ⃞ Biguanide steigern die endogene Insulinresistenz. ⃞ SGLT-2-Hemmer steigern die Rate bakterieller Harnwegsinfekte um mehr als 10%. ⃞ Glinide kontrollieren im Wesentlichen den postprandialen Blutzucker. Welche Aussage zur SGLT-2-Hemmung ist richtig? ⃞ Unter der Therapie besteht ein erhöhtes Risiko für Pilzinfektionen im Genitalbereich ⃞ SGLT-2-Hemmer wirken über eine Erhöhung der Insulinresistenz. ⃞ SGLT-2-Hemmer dürfen nicht mit Insulin kombiniert werden. ⃞ SGLT-2-Hemmer haben eine Zulassung zur Therapie von Patienten mit Typ1-Diabetes. ⃞ SGLT-2-Hemmer sind nicht für die Monotherapie zugelassen. Welche Aussage zur antidiabetischen Therapie trifft zu? ⃞ Die orale Diabetestherapie hat keine Effekte auf die mikroangiopathischen Komplikationen eines Typ-2-Diabetes. ⃞ Sie sollte nicht nur den Blutzucker, sondern auch den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen.

⃞ Es gibt keine neuen therapeutischen Targets. ⃞ Die modernen Medikamente sind so effektiv, dass Lebensstilmodifikationen keine weitere Therapieverbesserung darstellen. ⃞ Veränderungen der Fettverteilung sind für neue Therapiekonzepte irrelevant. Welche Aussage zur Therapie mit Glitazonen trifft zu? ⃞ In Deutschland sind mehrere Vertreter dieser Gruppe verfügbar. ⃞ Ziel der Glitazone sind intrazelluläre Rezeptoren, die PPARs. ⃞ Die Kosten einer Therapie mit Glitazonen werden durch gesetzliche Krankenkassen erstattet. ⃞ Rosiglitazon wurde wegen Nephrotoxizität vom Markt genommen. ⃞ Glitazone wirken über eine enterale Resorptionshemmung von Glukose. Welche Aussage zu den Zielen einer antidiabetischen Therapie trifft zu? ⃞ Eine verbesserte Lebensqualität gehört nicht zu den langfristigen Zielen einer Diabetestherapie. ⃞ Das HbA1c-Ziel sollte möglichst mit dem Patienten zusammen individualisiert festgelegt werden. ⃞ Bei älteren Menschen braucht der Blutzucker nicht gesenkt zu werden. ⃞ Um den HbA1c-Zielwert zu erreichen, werden Hypoglykämien bewusst in Kauf genommen. ⃞ Eine mögliche Veränderung des Körpergewichts unter einer Therapie muss bei der Wahl der Therapiestrategie nicht berücksichtigt werden.

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)

DOI 10.1007/s15006-015-2719-9

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[Modern management with oral antihyperglycemic agents in type 2 diabetes].

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