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Tagungsbericht – Netzhautforschung 2013 in Deutschland Meeting Report – Retinal Research 2013 in Germany

den Universitäts-Augenkliniken vor und stellt die Ausbildung von talentierten Clinician-Scientists als Hauptziel der Nachwuchsförderung dar.

Sitzung 2: Degeneration und Gentherapie !

Einleitung !

Am Samstag, den 23. März 2013 fand der erste Forschungsretreat der Deutschen Retinologischen Gesellschaft in Potsdam statt. Dieses Treffen hatte einerseits zum Ziel, einen umfassenden Überblick nationaler Forschungsaktivitäten im Bereich der Netzhautforschung zu gewinnen und andererseits als interdisziplinäres Forum zum Austausch gemeinsamer Projektideen zu dienen. Insbesondere sollte dadurch das Verständnis grundlegender Mechanismen von Netzhauterkrankungen und möglicher Therapieoptionen vertieft werden. In 32 Vorträgen wurden 6 verschiedene Schwerpunktthemen behandelt. Zunächst erfolgte eine Vorstellung von bestehenden Verbundprojekte und aktuellen Fördermöglichkeiten. Die weiteren Präsentationen fokussierten sich auf die im Vorfeld durch das Organisationskomitee der Retinologischen Gesellschaft identifizierten Schwerpunktthemen: Degeneration und Gentherapie, Regeneration und Neuroprotektion, Immunmechanismen, Netzhautglia, sowie Netzhautfunktion, Wundheilung und Gefäße.

Sitzung 1: Verbundprojekte der Netzhautforschung !

Zu Beginn der 1. Sitzung (Verbundprojekte und Fördermöglichkeiten) stellt Bernd Wissinger (Tübingen) das noch bis 2015 vom BmBF geförderte Netzwerk HOPE (Hereditary Retinal Disorders: From Patients towards Therapies) vor. In diesem Netzwerk sind das Forschungsinstitut für Augenheilkunde in Tübingen, das Institut für Humangenetik in Regensburg, das Institut für Zoologie in Main und das Helmholz Zentrum in München sowie die Firma Cellmed AG (Alzenau) vereint. Als Zielsetzung wird die Identifizierung und Diagnostik von erblichen Netzhauterkrankungen und die Entwicklung von zellulären Systemen zur Neuroprotektion anvisiert. Bernd Wissinger geht im Weiteren auf die Schwerpunkte des Moleku-

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largenetischen Labors am Forschungsinstitut für Augenheilkunde ein, die insbesondere genetische Ursachen von Farbsehstörungen und die Analyse von Tiermodellen umfassen. Ernst Tamm (Institut für Anatomie, Regensburg) skizziert die Kernpunkte der aus 8 Teilprojekten bestehenden Regensburger Forschergruppe 1075 (Regulation und Pathologie von homöostatischen Prozessen der visuellen Funktion). Der Forscherverbund hat eine Laufzeit bis 2015 und untersucht grundlegende Prozesse der retinalen Degeneration und die Entwicklung neuroprotektiver Therapieansätze. Francois Paquet-Durant (Tübingen) präsentiert den bis 2015 von der EU geförderten Forschungsverbund „Drugs for retinal degeneration, Drugsford“, der sich mit der Entwicklung und Testung von Delivery-Systemen für zyklische Nukleotidanaloga befasst. Das Konsortium besteht aus 5 europäischen Mitgliedern, und die Gruppe in Tübingen wird tierexperimentelle Versuche zur präklinischen Testung durchführen. Thomas Wheeler-Schilling (Tübingen) gibt einen Überblick über die ophthalmologische Forschungslandschaft in Deutschland und zeigt die starke Fragmentierung in meist isolierte Subdisziplinen als Hemmschuh einer koordinierten Verbundforschung auf. Optimierungsbedarf wird vor allem im Bereich nationaler Schwerpunktprogramme gesehen, um neben der Drittmittelförderung auch eine erhöhte Sichtbarkeit der Augenforschung in der Wissenschaftslandschaft und in der Öffentlichkeit zu erlangen. Eberhard Zrenner (Tübingen) erläutert mögliche Ursachen, warum die Augenheilkunde in Deutschland als Leitdisziplin in der Forschung nicht richtig sichtbar ist. Dies sind u. a. der ökonomische Druck in den Kliniken, eine suboptimale Forschungsorganisation und mangelnde Perspektiven für den forschenden Nachwuchs sowie das Fehlen einer Führungsposition bei großen internationalen Studien. Er schlägt als Strategie die Bildung einer Allianz der hochaktiven forschen-

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Richard Funk (Institut für Anatomie, Technische Universität Dresden) stellt seine experimentellen Modelle der retinalen Degeneration wie der Blaulichtschaden vor und geht auf weitere Schwerpunkte wie der Rolle von oxidativem Stress und einer möglichen Verbindung der Mechanismen von Alzheimerscher Erkrankung und Netzhautdegenerationen ein. Ein neuartiges System zum Monitoring von Cytochrom C mittels Funduskamera könnte helfen, den Netzhautschaden und Therapieeffekte an Mausmodellen besser zu quantifizieren. Andreas Gießl und Helmut Brandstätter (Lehrstuhl für Tierphysiologie, FAU Erlangen-Nürnberg) beschäftigen sich mit der synaptischen Physiologie der Netzhaut. Die molekulare Zusammensetzung sowie Grundlagen adaptiver Vorgänge der Photorezeptor-Bandsynapse sind im Fokus ihrer Untersuchungen. Knut Stieger (Labor für Molekulare Ophthalmologie, Universität Gießen) präsentiert als Inhalt des ERC Starting Grant Projekts REGAIN die homologievermittelte Reparatur am Krankheitsmodell der XLRP sowie einen Biosensor zur nicht invasiven VEGF-Messung im Auge. Er berichtet weiterhin über den Stand der Patientenrekrutierung einer europäischen Initiative zur RPE65-Gentherapie. Uwe Wolfrum (Labor für Zell- und Matrixbiologie, Universität Mainz) beschäftigt sich mit Pathomechanismen der sensoneuronalen Degeneration und der Funktion von sensorischen Zilien. Weitere Schwerpunkte des Labors sind genetische Korrekturmechanismen durch Zinkfingernukleasen und die Unterdrückung von Nonsense-Mutationen durch sogenannte Translational Read-through inducing Drugs als Therapieansätze für erbliche Netzhauterkrankungen. Matthias Seeliger stellt die aktuellen Forschungsgebiete der Abteilung für okuläre Neurodegeneration in Tübingen vor. Diese sind die Weiterentwicklung moderner Phänotypisierungsplattformen für Mausmodelle (ERG, SD‑OCT, SLO), die molekulare Therapieforschung und die Systembiologie retinaler Funktionszusammenhänge.

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Die Gruppe um Marius Ader (Centrum für Regenerative Therapien Dresden, CRTD) konnte zeigen, dass sie retinale Pigmentepithelzellen, Stäbchen und Zapfen in vitro aus humanen embryonalen Stammzellen zu gewinnen vermag. Spezifische Oberflächenmarker helfen bei der Anreicherung der Photorezeptorzellen. Die Sinneszellen lassen sich im Tiermodell in die adulte normale Retina funktionell integrieren. Michael Brand stellt einen geplanten Sonderforschungsbereich aus dem CRTD vor. „Retinal disease: From cell biology to cell-based regeneration“. In der Stufe 1 wird der Pathomechanismus retinaler Degeneration analysiert. Anschließend soll der Wert retinaler Vorläuferzellen auf Degeneration und Regeneration untersucht werden. Integriert werden in den SFB aus der Universität Dresden neben dem CRTD das Biotechnologiezentrum, das Institut für Anatomie, die Augenklinik, die Medizinische Klinik III (Stoffwechselstörungen) und die Biophysik. Außerhalb der Dresdner Universität kommen hinzu das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und ‑Genetik, das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), und das Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung der Universität Leipzig. Mike Karl (DZNE) entwirft die Bedeutung der Müller-Glia für die neuronale Regeneration (Regeneration versus Gliosis). Weitere aktuelle Projekte der Gruppe sind die Regulation der Netzhautentwicklung, Mechanismen der Neuroprotektion, Modelle retinaler Erkrankungen und die Anwendung pluripotenter Stammzellen. Ziel: Photorezeptorregeneration im Säugetier. Udo Bartsch (Universitäts-Augenklinik Hamburg) beschreibt seine Arbeiten zur Netzhaut-Regeneration und ‑Neuroprotektion. Er setzt Mausmodelle ein (Retinitis pigmentosa, Glaukom, neuronale Zeroid-Lipofuszinose). Er transplantiert Photorezeptorvorläufer und untersucht Oligodendrozyten-Differenzierung und ‑Interaktion. Wolf Lagrèze (Universitäts-Augenklinik Freiburg) arbeitet im Tiermodell und in vitro an der Vermeidung von Optikusatrophie zusammen mit den Instituten für Neuropathologie, Anatomie, Zellbiologie und Anästhesie. Geplant ist eine klinische Studie, die Optikusatrophie mit Erythropoietin behandelt.

Dietmar Fischer (Experimentelle Neurologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) betrachtet retinale Ganglienzellen: axonale Regeneration und Neuroprotektion. Laufende Projekte untersuchen inhibitorische versus regenerationsfördernde Signalwege sowie regenerationsassoziierte Gene und Proteine. Thomas Claudepierre aus der Universitäts-Augenklinik Leipzig setzt Seidenfasern (Leitstruktur für die Axone retinaler Ganglienzellen und Gliazellen) zur Regeneration des Sehnerven ein (Tiermodell).

Sitzung 4: Immunmechanismen !

Maren Henning (Ophthalab und Augenabteilung am St. Franziskus Hospital Münster) fasst die Schwerpunkte der Arbeitsgruppe Uveitis (Leitung Arnd Heiligenhaus) zusammen. Diese sind die Erforschung von Pathomechanismen der experimentellen autoimmunen Uveitis im Mausmodell, die Entwicklung von Trägern zur intraokulären Wirkstofffreisetzung und die Evaluierung von lokalen und systemischen Immunmodulatoren als Therapieoptionen der Uveitis. Susanne Wasmuth (Arbeitsgruppe AMD, Leitung Daniel Pauleikhoff) untersucht die Wirkung von AMD-assoziierten Komplementproteinen auf RPE-Zellen und studiert dabei Mechanismen der Seneszenz und der Interaktion mit Immunzellen der Netzhaut. Margrit Hollborn und Andreas Bringmann (Universitäts-Augenklinik Leipzig) berichten über mögliche Zusammenhänge der Gerinnungskaskade mit der feuchten AMD und weisen auf eine vielseitige Wechselwirkung verschiedener angiogener Signalsysteme im RPE hin. Alexa Klettner (Universitäts-Augenklinik Kiel) beschäftigt sich mit der In-vitro-Interaktion des retinalen Pigmentepithels mit Monozyten und Mikroglia. Aktiviertes RPE kann Blutmonozyten hemmen jedoch Mikroglia proinflammatorisch aktivieren. Tim Krohne (Universitäts-Augenklinik Bonn) erläutert seine Kooperation mit dem Institut für angeborene Immunologie in Bonn und präsentiert aktuelle Befunde zur Rolle des RPE-Inflammasoms bei der AMD. Insbesondere die Phototoxizität von Lipofuszin scheint einen potenten Aktivator des NLRP3-Inflammasoms im retinalen Pigmentepithel darzustellen. Peter Issa (Universitäts-Augenklinik Bonn) entwirft ein Konzept der AMD, bei

dem die Komplementaktivierung möglichweise mit der Aktivierung von proangiogenen Makrophagen und der Ausbildung von CNV in Verbindung steht.

Sitzung 5: Netzhautglia !

Wolfram Eichler (Universitäts-Augenklinik Leipzig) diskutiert die angioregulatorische und neuroprotektive Funktion von Müller-Zellen. Die Rolle von PEDF (Pigment epithelial-derived factor) wird dabei mithilfe einer induzierbaren und gliaspezifischen Überexpression von PEDF in einer transgenen Maus untersucht, die experimentell der Ischämie unterworfen wird. Antje Grosche (Humangenetik Regensburg) beleuchtet die homöostatischen Funktionen der Müller-Zellen in der Netzhaut. Die Freisetzung von Transmittern und Mechanismen der Gliose bei verschiedenen Modellen der retinalen Degeneration sind ebenfalls Kerngebiete der Arbeitsgruppe. Olaf Strauß (Experimentelle Ophthalmologie, Charité Berlin) stellt seine aktuellen Projekte vor. Im Fokus stehen die Rolle des Bestrophins 1 bei Morbus Best, die komplementinduzierte Kalziumfreisetzung im RPE und der systemische Einfluss des intraokulären Renin-Angiotensin-Systems auf die Physiologie des RPE. Stephanie Hauk (Helmholz Zentrum München) erläutert verschiedene proteomische Ansätze zur Aufklärung der GliaNeuronen-Kommunikation, der Identifizierung von Protein-Interaktionsnetzwerken und der Untersuchung von Proteinmarkern der Autoimmunität.

Sitzung 6: Physiologie, Wundheilung und Gefäße !

In dieser Sitzung stellt zunächst Michael Bach (Universitäts-Augenklinik Freiburg) seine quantitative Erfassung des Visus (subjektiv psychophysisch) unterhalb des ETDRS-Bereichs (keine Lichtscheinprojektion, Lichtscheinprojektion, Handbewegungen) vor: „Low-Vision“ (BaLM). Thomas Münch (Werner Reichardt Zentrum für integrative Neurowissenschaften, CIN, Universität Tübingen) untersucht von der Netzhautphysiologie kommend: Informationsverarbeitung in der Netzhaut bei wechselnden Lichtverhältnissen, bei Augenbewegungen. Optogenetische Behandlung der Blindheit, Strategien von der Maus zum Menschen.

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Sitzung 3: Regeneration und Neuroprotektion

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Die Arbeitsgruppe „Experimentelle Ophthalmologie“ der Universitäts-Augenklinik Freiburg unter Leitung von Günther Schlunck befasst sich mit der okulären Gefäßbiologie und Angiogenese. Dabei erforscht man unter anderem neurovaskuläre Interaktion, Lipidmediatoren, hypoxieinduzierte Signalübertragung, Modulation der Mikroglia, Zellmatrix-Interaktionen, Medikationssysteme und Modulation der Wundheilung zur Vermeidung von Vernarbung. Weitere Vorstellungen in dieser Sitzung erfolgten durch Antonia Joussen (Universitäts-Augenklinik Berlin, Charité) zur Angiogenese und Ulrich Schraermeyer (Uni-

versitäts-Augenklinik Tübingen) zur Elektronenmikroskopie.

Interessenkonflikt: Nein T. Langmann 1, M. Ueffing 2, B. Kirchhof 1, F. G. Holz 3, D. Pauleikhoff 4 1 Department of Ophthalmology, University Hospital of Cologne 2 Institute for Ophthalmic Research, Universität Tübingen 3 Universitäts-Augenklinik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 4 Department of Ophthalmology, St. Franziskus Hospital, Münster

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1360359 Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 266–268 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Prof. Thomas Langmann, PhD University Hospital of Cologne Department of Ophthalmology Kerpener Straße 62 50931 Köln Tel.: ++49/(0)2 21/4 78 73 24 Fax: ++49/(0)2 21/47 88 45 91 [email protected]

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