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Medizinische Apps in der Klinik: Mobil ans Ziel

Autoren

P. Knipp1

Institut

1 qcmed GmbH, Aachen

Einführung ▼ Die Zahl der Mobilgeräte (Smartphones und andere) in Privatbesitz und für die Arbeit wächst. Die Zahl der dafür erhältlichen Programme oder Anwendungen (engl. Applications, kurz Apps) ebenfalls. Ärzte, die heute in der Klinik schon zu den Nutzern gehören oder überlegen, in der nahen Zukunft medizinische Software (medical Apps) einzuführen, sollten sich ausreichend vorab mit allen wesentlichen Aspekten befassen, damit sie auch davon profitieren können. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über wichtige Punkte, an die der klinische Nutzer vor und bei der Verwendung von mobilen Devices und Apps denken sollte. Dazu gehören neben den rechtlichen Fragen aus unterschiedlichen Bereichen technische und organisatorische Aspekte. Im Rahmen dieses Artikels soll ausschließlich die berufliche Anwendung in der Medizin betrachtet werden.

Was möchten Sie erreichen? ▼ Wer Medical Apps einsetzen will, muss vorab definieren, was das klinische Ziel ist. Kein Produkt ist universal für jeden Anwender und alle Anwendungen geeignet. Wichtige Fragen sind beispielsweise, welche Aufgaben wann, wo, warum und womit erledigt werden sollen. Insbesondere ist abzuwägen, ob mit potenziellen Vorteilen auch Nachteile oder Risiken verbunden sind.

Ziel In der Klinik sollte mit „Aegroti salus suprema lex“ schon das oberste Ziel ausgegeben sein. Die Technik muss dem Mediziner oder seiner Organisation dabei helfen, den Dienst am Patienten besser oder effizienter auszuführen [23]. Damit soll für diese Übersicht der Fokus allein auf solche Produkte gelenkt werden, die tatsächlich für die Durchführung von Aufgaben verschiedener Art in der Klinik gedacht sind. ■

Zweckbestimmung Technische Produkte und auch Software, die der Arzt zur Ausübung seines Berufes für Diagnostik und Therapie [6] am Patienten verwendet, sind üblicherweise Medizinprodukte, solange sie nicht allgemeine Vielzweckgeräte sind (z. B. Tablet-Computer, Smartphone, Telefon etc.) [16]. Die genaue Begriffsbestimmung von Medizinprodukt kann dem Medizinproduktegesetz (MPG) [3] in § 3 Abs. 1 entnommen werden: Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, […], die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke [folgt unten] zu dienen bestimmt sind […].

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Schlüsselwörter Apps Medizinprodukt Betreiberpflicht

q q q

Keywords Apps medical device operators obligations

q q q

Folgende Zwecke sind aufgezählt: a) Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten b) Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen c) Untersuchung, Ersetzung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs d) Empfängnisregelung Dies ist grundlegend, um die für diesen Artikel wichtigste Punkte zu erfassen. 1. Die Rechtsnorm gibt eindeutig vor, was ein Medizinprodukt ist. Sie bestimmt aber nicht, dass der Arzt für alle seine Tätigkeiten in einer Gesundheitseinrichtung ausschließlich nur Medizinprodukte verwenden darf. 2. Dennoch gibt nicht das Produkt selbst, seine potenziellen technischen Anwendungsmöglichkeiten oder der Anwenderwunsch, sondern ausschließlich der Hersteller des Produktes die eigentliche Zweckbestimmung vor. Diese ausgelobte Zweckbestimmung ist wesentlich dafür, ob

eingereicht 18.11.2013 akzeptiert 17.07.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387383 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:2349–2353 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dipl.-Ing. Peter Knipp qcmed GmbH Im Süsterfeld 6 52072 Aachen

Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! ■

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Medical apps in clinical use: mobile success

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ein technisches Produkt ein App bzw. eine Software als Medizinprodukt einzustufen ist oder nicht und für welche Tätigkeiten des Arztes es folglich vorgesehen ist und verwendet werden darf. Daraus ergibt sich auch, welche speziellen Vorschriften (MPG; MPBetreibV, MPSV) zu beachten sind [16, 20, 25].

Abb. 1 Diese App soll das Telefon zum Stethoskop machen. Beispiel für eine App, die als Nicht-Medizinprodukt gekennzeichnet ist.

kurzgefasst Der Hersteller einer App darf deren Zweckbestimmung vorgeben. Seine Werbeaussagen müssen allerdings damit übereinstimmen.

Zu 1.: Auch die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBeteibV) [4] gibt weder vor, dass ein Arzt in einer Gesundheitseinrichtung nur Medizinprodukte verwenden darf, noch, dass alles, was er nutzt ein Medizinprodukt ist oder wird, sofern es nicht für medizinische Zwecke i. S. der genannten Definition nach § 3 Abs. 1 MPG genutzt wird. Das lässt dem Arzt zwar einerseits Freiheiten, bedeutet aber andererseits eine große Verantwortung sowohl für den Arzt als auch für den Hersteller. Mediziner verwenden bei ihrer Arbeit verschiedene Produkte, die keine Medizinprodukte sind. Wenn deren Funktionen nun von einem mobilen Endgerät übernommen werden sollen, bedeutet das zunächst keinen generellen Unterschied. Doch ein großer Anreiz bei Mobilgeräten und Apps besteht darin, dass sie „Zusatznutzen“ bieten. Durch ihre Konnektivität, Rechenleistung und integrierte Funktionen können mobile Geräte, Apps und Systeme leicht über das hinausgehen, was die „klassische“ Version eines Produkts nicht konnte. Somit können in der Gesundheitseinrichtung (ggf. unbeabsichtigt (!)) auch neue Medizinprodukte geschaffen werden (sog. Eigenherstellung gemäß § 3 Abs. 21, MPG), für die folglich alle Regeln und Verpflichtungen nach dem MPG und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen in der Einrichtung eingehalten werden müssen. Spezifisch muss ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 7 Abs. 9 MPV durchgeführt werden, in dessen Rahmen auch die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie nachgewiesen werden. Dieses kann mit erheblichem Aufwand und Verantwortung verbunden sein [16, 21, 25]. Beispiel Krankenakte: Eine Krankenakte aus Papier ist kein Medizinprodukt, ein Patientendatenmanagementsystem (PDMS) und eine App als mobile Erweiterung dazu oftmals schon. Zu 2.: Bezüglich der Zweckbestimmung ist für Hersteller Vorsicht geboten. Denn während der Hersteller zunächst über die Zweckbestimmung vorgibt, ob sein Produkt ein Medizinprodukt sein soll, greifen die Behörden bei einer Beurteilung (EU-Richtlinie 93/42/EWG [17], MPG [3]) auf die Werbeaussagen der Hersteller zurück. Nach § 3 Abs. 10 MPG ist die „Zweckbestimmung […] die Verwendung, für die das Medizinprodukt in der Kennzeichnung, der Gebrauchsanleitung oder den Werbematerialien […] bestimmt ist.“ [3] Wenn der Hersteller ein Produkt explizit als Nicht-Medizinprodukt auslobt, erscheint diese Entscheidung erst einmal nach MPG nicht anfechtbar. Allerdings verweist Rehmann darauf, dass unzutreffende oder irreführende Angaben wettbewerbsrechtlich angegriffen werden können und zudem zu Produkthaftungsansprüchen führen können [26]. Leichter ist es da für die Geräte selber: Diese sind als Multifunktionsgeräte ohne klinischen Anwendungszweck hergestellt und in Verkehr gebracht worden. Deren Hersteller haben teilweise (z. B. Apple [2]) bestimmt, dass sie auch durch eine Software nicht zum Medizinprodukt gemacht werden dürfen, wenn dies regu-

latorische Implikationen mit sich bringen würde. Zu beachten ist auch, dass nach § 2 Abs. 1 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) Medizinprodukte nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung betrieben werden dürfen und es müssen hierbei entsprechend § 2 Abs. 5 MPBetreibV insbesondere die Gebrauchsanweisung, sonstige sicherheitsbezogene Informationen sowie die Instanthaltungshinweise beachtet werden [4].

kurzgefasst Eine App kann ein Medizinprodukt sein. Wird sie durch den Anwender verändert, kann der Anwender zum Eigenhersteller werden, was mit erheblichem Aufwand verbunden ist.

Was kann oder will das Produkt leisten? ▼ Man muss als Anwender schon genau hinsehen, wenn man bei Produkten, die nicht explizit gekennzeichnet sind, den Zweck erkennen möchte (Beispiele in q Abb. 1 und q Abb. 2). Die reine Bezeichnung mit einem Wort, das auch ein Medizinprodukt bezeichnet, kann in die Irre führen. q Abb. 1 zeigt ein Produkt, das vorgibt, aus einem Telefon ein Stethoskop zu machen. Wenigstens wird klar darauf hingewiesen, dass es nicht zu diagnostischen Zwecken dienen soll. Sehr mit Vorsicht zu genießen sind Produkte, die das nicht klar aussprechen, wie q Abb. 3 undq Abb. 4 zeigen: Wenn ein Hersteller für ein Produkt die Anwendung durch professionelle Nutzer an ihrem Arbeitsplatz nahelegt, dann aber die Verantwortung für Fehler ablehnt, ist größte Zurückhaltung geboten. Mindestens die Produkthaftung kann auf diese Weise nicht ausgeschlossen werden.

Information, Werbung, oder mehr? ▼ Viele Apps werden so beworben, dass sie „lediglich“ Informationen bereitstellen, die sonst auch anderweitig verfügbar wären, z. B. in Büchern. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Allerdings sollte der Anwender bedenken, dass der Hersteller die App oft als Werbeplattform benutzen möchte. Das ist legitim, nervt aber oft.

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Abb. 2 Die Beschreibung der StethoskopApp weist darauf hin, dass die Applikation nicht für diagnostische Zwecken gedacht ist.

Abb. 4 Es fehlt eine klare Kennzeichnung, ob die App ein Medizinprodukt ist oder nicht.

ohne Warnung oder Fehlermeldung angegeben. Fazit: Vom Notfalleinsatz einer solchen App kann nur abgeraten werden. Jeder behandelnde Arzt muss sich absolut darüber im Klaren sein, dass er sich auf ein solches Produkt in keinem Fall verlassen darf.

kurzgefasst Bei Apps muss man genau hinsehen. Viele Hersteller (Programmierer) positionieren sich nicht klar nach dem Medizinproduktegesetz bzw. scheinen dieses nicht zu kennen oder zu berücksichtigen.

Gibt es offizielle Bewertungen? ▼

Und Hersteller, die Apps kostenlos anbieten, haben oft deutlich weniger Aufwand in die Entwicklung und Prüfung der Inhalte gesteckt als ein Verlag. Dann sind fehlerhafte Ergebnisse recht wahrscheinlich. Anders ist das zu bewerten z. B. bei online verfügbaren Leitlinien, die bisweilen von Fachgesellschaften und namhaften Verlagen herausgegeben werden [12]. Sobald jedoch mit in der Literatur zur Verfügung stehenden Informationen und Formeln gerechnet wird, ist Vorsicht geboten beim Anwendungsbereich. Beispiel: Eine App zur Kinderanästhesie verspricht, der „aktuellen Fachliteratur“ zu entsprechen und maximale Transparenz darüber, dass alle Formeln im Internet nachzulesen seien. Die App sei geeignet für die „Überprüfung eigener Berechnungen“, aber auch für den „Notfall“. Es findet sich keine Anbieterkennzeichnung (für eine deutsche Seite ein Verstoß gegen § 5 Telemediengesetz [9]) und es werden auch für offensichtlich unrichtige Eingaben (in unserem Beispiel: Kind, 4 Jahre, 3 kg Körpergewicht) vollständige Werte

Bei weit über 40 000 medizinischen Apps bereits im März 2013 [1] ist es unmöglich, dass ein einzelner Benutzer sich eine auch nur annähernde Übersicht verschaffen kann. Und kein einzelner Benutzer wird in der Lage sein, alle in seinen Interessensbereich fallenden Apps vor der Verwendung zu prüfen und (rechts-) sicher zu bewerten. Da ist Hilfe willkommen. Das Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH (ZTG) hat 2012 ein Portal aufgebaut (http://gesundheitsapps.info), in dem das ZTG nach eigenen Angaben Gesundheitsapps auf Tauglichkeit prüft. Leider sind dort erst zu einem einzigen Themenbereich insgesamt acht Apps bewertet, was den Nutzen für die meisten Benutzer sehr einschränkt. Die Kriterien sind zwar aufgelistet, decken aber z. B. die Zertifizierung als Medizinprodukt nicht zwingend ab. Die freie und unabhängige Seite www.healthon.de ist ebenfalls seit 2012 in Betrieb. Sie setzt neben den eigenen und durch Nutzer angestoßenen Tests auf eine freiwillige Selbstverpflichtung, den Ehrenkodex. Die Zahl von derzeit 160 als getestet gelisteten Apps scheint angesichts der verfügbaren Zahl verschwindend gering, aber es ist ein nennenswerter Ansatz. Zahlreiche weitere Seiten (z. B. http://mobihealthnews.com, http://www.imedicalapps.com/ oder [11]) geben aus eigener Sicht Rankings an,

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Abb. 3 Eine App, die einem Arzt bei medizinischen Kalkulationen hilft, könnte als Medizinprodukt verstanden werden. Kalkulationen unterstützen bei der Therapie.

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welche App für welche Nutzergruppe, nutzbringend sein soll. Ein unbestrittenes Qualitäts-Kriterium dagegen ist eine Zulassung durch die amerikanische FDA oder die CE-Kennzeichnung mit Kennnummer einer Benannten Stelle.

Beschränkungen

Vorteile des mobilen Arbeitens? ▼

Hygiene: Geräte müssen in der Klinik den Hygieneanforderungen entsprechen und ggf. auch desinfiziert werden können [20]. Dafür gibt es vereinzelt auch für kritische Bereiche schon Konzepte [18, 22].

Der wesentliche Vorteil von Mobilgeräten und Mobile Medical Apps ist die Benutzung überall, das heißt auch am „Point of Care“: Dafür muss die Hardware natürlich mitgeführt werden können. Smartphones passen in der Regel in die Kitteltasche, Tablet-Computer nicht. Dafür gibt es dann z. B. mobile Visitenwagen. Vor Ort kann die neue Technologie die Effizienz klinischer Prozesse erhöhen, wenn z. B. Daten direkt mobil eingesehen oder eingegeben werden können. Hierfür ist in der Regel eine Integration in klinische IT-Systeme (z. B. KIS/RIS/PACS oder ePA) erforderlich, die heute noch nicht ausreichend gegeben ist [24]. Allerdings sind nach Röhrig [24] viele mobile Endgeräte mehr geeignet, Inhalte anzuzeigen, als Inhalte einzugeben, gerade bei eingabeintensiven Anwendungen. Die Qualität der Tablet-Computer, speziell der Displays, sowie einzelne Apps machen es sogar möglich, dass sie zusammen in radiologischen Anwendungen verwendet werden können [10]. Hierbei ist aber unbedingt zu beachten, dass für solche Anwendungen in Deutschland zusätzlich noch die Röntgenverordnung [8] mit gilt: Dort werden u. a. Anforderungen an die Lichtverhältnisse gestellt, bei denen eine Befundung von Röntgenbildern stattfinden darf. Diese Lichtverhältnisse sind nicht überall gegeben. Weiterhin ist hierzu klarzustellen, dass dafür eine durchgehende WLAN-Abdeckung in der Klinik erforderlich ist.

kurzgefasst Apps sind in Mode, aber bei fehlender Zulassung ist eine unabhängige fachliche Bewertung nicht sichergestellt. Der Anwender muss selber den Nutzen bewerten. Dafür ist eventuell eine neue Infrastruktur erforderlich.

Meins oder Deins? ▼ Auch wenn inzwischen weit über 60 % aller Ärzte in den USA ein Tablet haben [16], darf dieses nicht einfach ohne weiteres genutzt werden: Das Mitbringen und Verwenden eigener Geräte (BYOD = Bring Your Own Device) bringt verschiedene Probleme mit sich [10, 13, 24]. 3 Nicht jede App ist für jede Plattform und jedes Gerät entwickelt worden und verfügbar. Damit ist eine Homogenität zwischen Kollegen bei gleicher Aufgabe nicht gewährleistet. 3 Ein auch privat genutztes Gerät kann Schadsoftware (z. B. Malware, Trojaner, Exploits) in ein IT-Netzwerk einschleusen, da die meisten Geräte privat nicht so gut überwacht werden wie in einer professionellen Umgebung. 3 Die Probleme von Datenschutz, Datensicherheit und Patientenschutz werden weiter unten angesprochen. 3 Der Arbeitgeber kann sich nicht auf die Verfügbarkeit von privaten Geräten verlassen. 3 Der Arbeitgeber muss den Zustand und den Patchstand des mobilen Devices kennen und beeinflussen können. Zwar empfiehlt das deutsche BSI [20], Apps regelmäßig einem Update zu unterziehen. Jedoch muss der Arbeitgeber bzw. der Anwender vor Nutzung der Updates prüfen und entscheiden, ob

die Funktionsfähigkeit und Sicherheit noch gegeben sind (§ 2 Abs. 5 MPBetreibV [4, 20, 25]).

Datensicherheit: Daten, die mit mobilen Produkten verarbeitet werden, dürfen ebenso wenig verloren gehen, wie sie verfälscht werden dürfen [5, 14]. Geht aber ein ganzes mobiles Endgerät verloren, so sind alle Daten, die darauf gespeichert sind, potenziell gefährdet. Datenschutz: Es muss klar sein, welche Daten vom Patienten und vom Behandler durch eine App für welche Zwecke erhoben und verarbeitet werden [27]. Die Daten dürfen Unbefugten nicht zugänglich werden [7]. Gerade bei Android-Systemen kann der Nutzer aber nicht ausreichend bestimmen, welche Berechtigungen für eine App er akzeptieren möchte. Und viele Apps sammeln ohne Wissen der Nutzer mehr Daten als erforderlich und schicken diese teilweise auch an den Hersteller [18]. Patientenrechte: Der Patient hat das Recht, die von ihm erhobenen Daten einzusehen, und er kann eine Löschung beantragen [16]. Das ist nicht mit jeder App einfach möglich, aber gefordert [6]. Gerade wenn aber ohne Wissen des Nutzers (Arzt-) Daten (evtl. Patientendaten) an eine nicht autorisierte Stelle geschickt werden können, kann das bereits strafbar sein nach § 203 StGB [18]. Haftung für einwandfreien Betrieb: Der Betreiber und/oder der Anwender muss die einwandfreie Funktion auch dann gewährleisten, wenn eine App oder sogar das Betriebssystem Updates oder Upgrades erfahren. Das stellt eine besondere Herausforderung dar, wenn Geräte nicht unter der vollständigen Herrschaft der Klinik-IT betrieben werden [21]. Eine Teil-Lösung kann darin liegen, dass Kliniken eigene App-Stores anbieten, in denen sie die Verteilung von Apps sogar nach Rolle/Berechtigung automatisiert vornehmen können. Vor Anwendung einer App soll der Arzt unbedingt die in Gebrauchsanleitung angegebene Zweckbestimmung überprüfen und beachten. Für Tätigkeiten im Zusammenhang mit therapeutischen und/ oder diagnostischen Zwecken dürfen nur als Medizinprodukt zertifizierte Apps verwendet werden. In diesem Fall müssen in der Gesundheitseinrichtung auch die Regelungen der Medizinprodukte-Betreiberverordnung beachtet und eingehalten werden. (Z.B. § 6–11 MPBetreibV, siehe [16, 25]. Betreibt ein Arzt eine Software, die nicht als Medizinprodukt zertifiziert ist, entgegen der vom Hersteller vorgegebenen Zweckbestimmung für Diagnose und/oder Therapie, so wird er selbst zum Eigenhersteller dieses Medizinprodukts mit allen hieraus resultierenden Verantwortungen und Pflichten. So muss er z. B. für entstandene Schäden haften und ihn treffen sämtliche Schadensersatzforderungen und Schmerzensgeldansprüche [25].

kurzgefasst Mobile Endgeräte müssen abgesichert werden. Daten- und Patientenrechteschutz stellen hohe Anforderungen.

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Pflichten für Betreiber und Anwender Abhängig um welche Art von Produkt es sich handelt, kommen für den Betreiber folgende Pflichten zum Tragen: 1. Prüfen der Zweckbestimmung, Schaffen der Sachkenntnis (§ 2 Abs.  1 bis 3 MPBetreibV ) 2. Nachweis der Eignung (§ 2 Abs.  3 MPBetreibV) 3. Besondere Beachtung von 1. & 2. bei Änderungen (Updates, Upgrades, Releases, Patches) 4. Ggf. Sicherheitstechnische Kontrollen (§ 6 Abs. 1 MPBetreibV, letzter Satz) 5. Führen von Medizinproduktebuch und Bestandsverzeichnis, Aufbewahren der Dokumentation (§§ 7 bis 9, MPBetreibV) 6. Messtechnische Kontrollen (§ 11 MPBetreibV) 7. Meldung von Vorkommnissen (§ 3 Abs. 2MPSV) 8. Einhaltung des Datenschutzes Ist eine medizinische App ein Medizinprodukt aus Eigenherstellung gemäß § 3 Abs. 1 MPG , kommen nach § 12 MPG zusätzlich noch die Pflichten ähnlich denen eines Herstellers hinzu: 1. Durchführung eines „verkürzten“ Konformitätsbewertungsverfahrens nach § 7 Abs. 9 MPV 2. Risikobewertung 3. Nachweis der Erfüllung der Grundlegenden Anforderungen 4. Aussagen zur Kompatibilität mit Virenschutz und anderen Produkten (dokumentierter Eignungsnachweis)

Konsequenz für Klinik und Praxis 3Die neuen Technologien bieten viele Möglichkeiten, das Arbeiten im klinischen Alltag effizienter zu gestalten. Der klinische Anwender muss genau überlegen, wofür und auf welcher Plattform er Apps einsetzen möchte und darf. 3Insbesondere die Zweckbestimmung und mögliche Kompatibilitätsaussagen der Hersteller sind sorgfältig zu prüfen, um nicht ungewollt in die Eigenherstellung zu gelangen. 3In diesem Fall muss ein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt werden. 3Die Pflichten und zu beachtenden Gesetze betreffen sowohl die Software als auch die Hardware und sind umfangreich.

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanzielle Verbindung mit einer Firma hat, deren Produkt in diesem Beitrag eine Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt). Literatur 1 Amelung V. „Medical-Apps auf dem Vormarsch“ KU-gesundheitsmanagement spezial.Mediengruppe Oberfranken 03.2013; Nr. 2, 8 2 Apple Inc. iOS Developer Program License Agreement, Version 9/2914, section 3.3.28. 3 Bundesministerium für Gesundheit. Gesetz über Medizinprodukte (MPG)zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 19.10.2012 4 Bundesministerium für Gesundheit. Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (MPBetreibV) Medizinprodukte-Betreiberverordnungin der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 2002 (BGBl. I S.3396), die zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2326) geändert worden ist 5 Bundesministerium für Gesundheit. „Patientenrechtegesetz“ Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. Bundesrepublik Deutschland, 20.02.2013

6 Bundesministerium für Gesundheit. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher VorschriftenBRDrs. 172/09, zu Nummer 3 (33) 38 7 Bundesministerium des Inneren. Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66)das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) geändert worden ist 8 Bundesministerium für Umwelt. Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit. Röntgenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 2003 (BGBl. I S. 604)geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 4. Oktober 2011. BGBl. I S. 2000 9 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Telemediengesetz (TMG) vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179)das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Mai 2010 (BGBl. I S. 692) geändert worden ist 10 Cain M. One company’s experience: blazing the trail with the first FDA-approved medical imaging app. Biomed Instrum Technol 2012;10.2345/0899-8205-46.s2.87 11 Chester Street Publishing, Inc. Mobi health newsIm Internet: http://mobihealthnews.com/research/103-fda-regulated-mobile-medical-apps/ Stand 25.05.2014 12 Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. Interaktive Leitlinien für die innere Medizin.Springer-Verlag und DGIM Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V App verfügbar für Android 13 Dierks C. Rechtlicher Rahmen für „Bring your own device“ (BYOD). http://e-health-com.eu/kolumnen/details-kolumne/rechtlicher-rahmen-fuer-bring-your-own-device-byod/18f05e0d714fb358db8c6fca8940132a/ Letzter Zugriff: 8.10.2014 14 . DIN: DIN EN 80001-1, Anwendung des Risikomanagements für ITNetzwerke, die Medizinprodukte beinhalten– Teil 1: Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Aktivitäten; 2011-11 15 Dolan B. Apple’s top 80 apps for doctors, nurses, patients. http://mobihealthnews.com/19206/apples-top-80-apps-for-doctors-nursespatients/ Letzter Zugriff: 7.10.2014. 16 Düwert H, Klümper M. Gesundheits-Apps: Ein neuer Trend und seine rechtlichen Herausforderungen. Medizinproduktejournal 2013; 20: 23–30 17 EU Kommission. Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinproduktezuletzt geändert 2007 18 Fried C. Brainlab: Mit iPod & App in den OP. MedEngenieering 2012; 9-10: 48–49 19 Gärtner A. Mobilgeräte und Apps in der Medizin aus regulatorischer Sicht – Teil 1. Mt-medizintechnik 2012; 132: 9–15 20 Gärtner A. Mobilgeräte und Apps in der Medizin aus regulatorischer Sicht – Teil 2. Mt-medizintechnik 2012; 132: 66–70 21 Göttschkes C. Eigenherstellung von Systemen – Ein Überblick über den medizinprodukterechlichen Rechtsrahmen. Medizintechnik 2013; 133: 61–64 22 Inner-Vision Technology. Protective Medical iPad case and desktop sync charging cradle. http://www.innervisiontechnology.com/ Letzter Zugriff 7.10.2014 23 Calmer B KMA guide zur conhIT, April 2013 http://www.kma-online.de/fb/mm/files/3406_1.pdf (Letzter Zugriff: 28.10.2014) 24 Lorenz W-D. Health-Apps im Krankenhaus fordern die IT heraus. Krankenhaus-IT Journal 2012; 4: 6–9 25 Lücker V. Software als Medizinprodukt – Der Betrieb von Software als Medizinprodukt aus juristischer Sicht. Medizintechnik 2013; 133: 129–137 26 Rehmann WA, Wagner SA. Medizinproduktgesetz (MPG). Kommentar 2.: Auflage,Verlag C.H. Beck 2010; 51 27 Unterarbeitsgruppe Krankenhausinformationssysteme der Arbeitskreise Gesundheit und Soziales sowie Technische und organisatorische Datenschutzfragen der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Normative Eckpunkte zur Zulässigkeit von Zugriffen auf elektronische Patientendaten im Krankenhaus. www.datenschutz.rlp.de/downloads/oh/oh_kis-eckpunktepapier.pdf Letzter Zugriff: 7.10.2014

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 2349–2353 · P. Knipp, Medizinische Apps in …

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