Klinische Studie

M.-rectus-internus-Sehnenverlängerung mit bovinem Perikard bei Duane-Retraktionssyndrom Typ 1 Medial Rectus Tendon Elongation with Bovine Pericardium for Type 1 Duaneʼs Retraction Syndrome

Autoren

A. M. Hedergott, J. Fricke, A. Neugebauer

Institut

Augenklinik, Universitätskliniken Köln

Schlüsselwörter " Strabologie l " Retraktionssyndrom l " Sehnenverlängerung l " Tutopatch® l " M. rectus internus l

Zusammenfassung

Abstract

!

!

Hintergrund: Teilweise nehmen Patienten mit esotropem Retraktionssyndrom Typ 1 eine Kopfzwangshaltung (KZH) ein, um Binokularfunktionen nutzen zu können. In einigen Fällen ist eine einseitige Rücklagerung des M. rectus internus des betroffenen Auges nicht ausreichend, um KZH und Schielwinkel in Primärposition zu beseitigen. Ein stärkerer Effekt mit Erhalt der Abrollstrecke kann durch den Einsatz von Interponaten zur Sehnenverlängerung des M. rectus internus erreicht werden. Wir berichten über unsere Ergebnisse und Erfahrungen. Patienten/Material und Methoden: Retrospektiv wurden die Daten von 10 Patienten mit esotropem Retraktionssyndrom Typ 1 ausgewertet, bei denen eine Sehnenverlängerung mit bovinem Perikard (Tutopatch®) durchgeführt wurde, um eine KZH bzw. einen Schielwinkel in Primärposition zu korrigieren. Bei 2 der Patienten wurde die Sehnenverlängerung im Rahmen eines Primäreingriffs bei großem initialem Schielwinkel durchgeführt, bei 8 Patienten im Rahmen eines Revisionseingriffs. Neun Patienten standen für eine Langzeitkontrolle nach > 6 Wochen zur Verfügung. Ergebnisse: Präoperativ betrug der Schielwinkel (Fernblick) im Median + 27,5 pdpt, postoperativ im Median 0 pdpt. Im Langzeitverlauf kam es bei keinem Patienten zu einem Übereffekt. Die mediane Dosis-Wirkungs-Beziehung im Langzeitverlauf betrug für die Revisionseingriffe 2,4 pdpt Schielwinkelreduktion/mm Operationsstrecke, für einen Patienten mit Primäreingriff im Langzeitverlauf 2,75 pdpt/mm. Die präoperative, horizontale KZH der 7 Patienten mit präoperativem binokularem Einfachsehen betrug im Median 20°, postoperativ im Median 0°. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung betrug im Median 3,3 °KZH-Reduktion/mm Operationsstrecke. Alle 9 Patienten mit Langzeitkontrolle hatten eine maximale resi-

Background: Some patients with esotropic Duaneʼs retraction syndrome (type 1) adopt a head turn to gain binocular vision. For some patients recession of the ipsilateral medial rectus muscle is not sufficient to eliminate head turn and squint angle. Surgery with tendon elongation allows the correction of larger angles and maintains a sufficient arc of contact. We report our results and experience. Methods: We retrospectively reviewed the medical records of 10 patients with unilateral, esotropic Duane syndrome type 1 who had tendon elongation with bovine pericardium to correct a head turn or squint angle. Two patients had primary surgery with tendon elongation due to preoperative excessive angles, eight patients had tendon elongations as secondary procedures. Nine of the patients had their follow-up examination at least six weeks after surgery. Results: The median preoperative angle of squint in primary position was + 27.5 pdpt, the median postoperative angle + 0 pdpt. The median dose effect relation for secondary interventions was 2.4 pdpt reduction of squint angle/mm surgery, for one patient with primary surgery and long-term follow-up 2.75 pdpt/mm. The median, preoperative head turn of seven patients with preoperative binocular functions was 20°. Postoperatively, six patients with long-term follow-up showed a median head turn of 0°. The median dose-effect relation was 3.3° reduction of head turn/mm surgery. All nine patients with long-term follow-up had a maximal head turn of 10°, six of the patients had no persisting head turn. Binocular functions were stable or better than preoperatively. Conclusions: For patients with retraction syndrome type 1, tendon elongation of the medial rectus muscle using Tutopatch® is a good option for secondary interventions or excessive preoperative squint angle or head turn.

Key words " strabism l " Duaneʼs retraction syndrome l " tendon elongation l " Tutopatch® l " medial rectus muscle l

eingereicht 16. 6. 2014 akzeptiert 15. 8. 2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1383070 Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 980–987 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Dr. Andrea M. Hedergott Augenklinik Universitätskliniken Köln Kerpener Str. 62 50937 Köln Tel.: + 49/(0)221/4 78 43 30 Fax: + 49/(0)221/4 78 38 94 [email protected]

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Einleitung !

Die ausschließliche Rücklagerung eines geraden Augenmuskels ohne gleichzeitige verkürzende Operation des Antagonisten ist in besonderen Fällen indiziert. Hierzu zählen Augenfehlstellungen und Bewegungsstörungen mit restriktiven Komponenten durch strukturelle Muskelveränderungen oder Fehlinnervationen [1–3]. Bei der endokrinen Orbitopathie beispielsweise ist die Indikation der ersten Wahl, den verdickten, inelastischen Muskel zurückzulagern, in dessen Zugrichtung hin das Auge abweicht bzw. gegen dessen Widerstand das Auge nicht bewegt werden kann [1]. Ein verkürzender Eingriff am Gegenspieler hätte isoliert kaum Effekt, wenn eine Exkursion des Bulbus grundsätzlich durch passive Restriktion des Bulbus gehemmt wird. Somit sind in diesen Fällen oft auch großstreckige Rücklagerungen der Mm. recti interni oder inferiores indiziert [1, 4, 5]. Beim Duane-Retraktionssyndrom, insbesondere bei der häufigsten Form, dem sog. Typ-1-Retraktionssyndrom in der Klassifikation nach Huber [6] mit Esotropie und Abduktionsdefizit, ist es ebenfalls oft wünschenswert, ausschließlich den oft straffen, durch Kokontraktion des Antagonisten restriktiv veränderten M. rectus internus zurückzulagern [2, 3, 7–9]. Eine zusätzliche Stärkung des M. rectus externus kann zwar bei großen Schielwinkeln die Stellung in Primärposition verbessern, bringt aber auch in Adduktion durch die Fehlinnervation des M. rectus externus eine Verstärkung der Retraktion mit sich [2, 3, 7]. Eine großstreckige Rücklagerung eines geraden Augenmuskels ist durch die Bulbuskonfiguration und den Umstand limitiert, dass eine Rücklagerung weit hinter die Abrollstrecke nicht möglich ist. Im Jahr 2011 stellten Esser et al. bzw. Eckstein et al. [4, 5] mit der Sehnenverlängerung am M. rectus inferior und M. rectus internus mittels Tutopatch®-Interponat bei endokriner Orbitopathie ein völlig neues operatives Konzept zur Realisierung effektiver Ein-Muskel-Operationen vor. Gleichzeitig führten sie bovines Perikard (Tutopatch®) als geeignetes biologisches Material zur Sehnenverlängerung gerader Augenmuskeln ein und erweiterten so das Repertoire der strabologischen Maximalchirurgie. Ermutigt durch die Ergebnisse von Esser et al./Eckstein et al. und durch eigene Erfahrungen mit dem Einsatz von Tutopatch bei endokriner Orbitopathie entschlossen wir uns, diese Technik auch in Fällen von Typ-1-Retraktionssyndrom einzusetzen. Hier sahen wir insbesondere in den Fällen eine Indikation, in denen nach bereits stattgehabter Rücklagerung des M. rectus internus weiterhin eine Esotropie mit Kopfzwangshaltung und eine Retraktion in Adduktion bestand. Wir berichten über unsere Ergebnisse und Erfahrungen.

Methoden !

Retrospektiv wurden die Akten von allen Patienten ausgewertet, bei denen von 2012 bis 2014 aufgrund eines Retraktionssyndroms Typ 1 mit konvergentem Schielwinkel und Kopfzwangs-

haltung eine Sehnenverlängerung des M. rectus internus mit bovinem Perikard (Tutopatch®) als Revisionseingriff oder als Ersteingriff durchgeführt worden war. Bei allen Patienten war, in Anlehnung an die von Esser et al./Eckstein et al. [4, 5] beschriebene Technik, folgende Operationsmethode angewandt worden: Zunächst wurde über einen Türflügelschnitt der M. rectus internus freipräpariert. Ansatznah wurde der Muskel jeweils am Oberund Unterrand mit doppelt armierten, nichtresorbierbaren Mersilene®-Fäden 5,0 angeschlungen. Dann wurde der Muskel skleral desinseriert. Zur Sehnenverlängerung wurde, je nach erforderlichem Effekt und orientiert an der vorgefundenen Lage des M. rectus internus und dem gewünschten Refixationspunkt, ein 8 bis 12 mm langes Stück aufbereitetes, bovines Perikard (Tutopatch®) in Muskelbreite zugeschnitten und mit den vorgelegten Mersilene-Fäden am abgetrennten Muskel fixiert. Das freie Ende des Interponats wurde dann skleral mit Mersilene-Fäden 5,0 refixiert. Der neu gewählte Ort der Fixation lag maximal 5 mm hinter dem anatomischen Ansatz des M. rectus internus, das bedeutet, dass bei Patienten, bei denen im Rahmen einer vorherigen größerstreckigen Rücklagerung des M. rectus internus die Abrollstrecke des Muskels deutlich verringert worden war, diese durch eine Wiedervorlagerung des Ansatzpunkts wiederhergestellt wurde. Bei der Dosierung des Implantatzuschnitts wurde diese relative Vorlagerung durch entsprechend längeres Implantat kompensiert, ansonsten wurde die Implantatlänge an der Strecke einer gemäß des präoperativen Befunds erforderlichen Rücklagerungsstrecke des M. rectus internus gewählt. Die Fixation in bis zu 5 mm Entfernung vom anatomischen Ansatz wurde gewählt, um eine Sichtbarkeit des Transplantats und Irritationen unter der Conjunctiva bulbi zu vermeiden. Für die vorliegende Studie wurden der präoperative Befund, der Befund am 1. postoperativen Tag und der Langzeitbefund (mindestens 6 Wochen postoperativ erhoben) ausgewertet. Die Befunde wurden zur Dosierung des Eingriffs in Bezug gesetzt, um die Erfahrungen der individuellen Dosierungen dieser Technik nutzbar zu machen. Den Akten wurden folgende prä- und postoperativen Befunde entnommen: " Bestkorrigierter Visus bei Fernfixation und Kopfzwangshaltung in Grad, gemessen mit dem Goniometer unter binokularen Bedingungen, während der Patient den kleinsten noch auflösbaren Optotypen in der Ferne fixierte. " Ferner Tests für Binokularsehen (immer Bagolini-Lichtschweiftest, Lang-Stereotest, Titmus-Stereotest) in der Kopfzwangshaltung und ggf. in Primärposition. " Minimaler Schielwinkel, geschätzt in Grad mittels Hornhautreflexbildchentest nach Hirschberg für Ferne und Nähe in Primärposition. " Maximaler Schielwinkel in Prismendioptrien (pdpt), gemessen mit alternierendem Prismen-Cover-Test (APCT) für Nah- und Fernfixation in Primärposition. " Schielwinkel in Grad, gemessen an der Tangententafel nach Harms in 9 Blickrichtungen, sofern möglich.

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duelle KZH von 10°, 6 davon keine messbare KZH mehr. Binokularfunktionen blieben erhalten bzw. verbesserten sich. Bei allen Patienten dieser Studie war der Heilungsverlauf unkompliziert. Schlussfolgerung: Die Rücklagerung des M. rectus internus mit Einsatz eines Tutopatch®-Interponats ist eine gut verträgliche Option für Revisionseingriffe oder große präoperative KZH- und Schielwinkel beim Retraktionssyndrom Typ 1.

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Befunde zur horizontalen Bulbusmotilität, quantifiziert mittels Limbustest, Schätzung in Grad oder semiquantitativ beurteilt (falls erstere Tests nicht vorlagen, wurden die semiquantitativen Angaben für die statistische Auswertung in Grad umgesetzt). " Ferner wurde der prä- und postoperative Spaltlampenbefund der vorderen Augenabschnitte analysiert. " Weiterhin wurde das präoperative sphärische Äquivalent der Refraktion jedes Auges ermittelt. Anhand der Operationsberichte wurde ermittelt, um wie viele mm der Ansatz des M. rectus internus, respektive des refixierten Interponats gegenüber dem intraoperativ vorgefundenen Ansatz vorverlagert (Vorlagerung, VL) oder rückverlagert (Rücklagerung, RL) wurde. Ferner wurde ermittelt, wie weit der neue Ansatz nun hinter dem anatomischen Ansatz des M. rectus internus lag. Des Weiteren wurde die Länge des Implantats registriert. Aus den Werten der Vor- oder Rücklagerung und der Implantatlänge wurde die Gesamtstrecke ermittelt, um die der Muskel relativ verlängert wurde. Die Daten der Fallserie wurden mittels deskriptiver Statistik aufbereitet. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen relativer Gesamtverlängerung und Schielwinkelreduktion wurde berechnet. Ebenso die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen relativer Gesamtverlängerungsstrecke und Kopfzwangshaltungsreduktion, hier wurden aber nur diejenigen Patienten betrachtet, die auch präoperativ in KZH Binokularfunktionen hatten. Bei der Berechnung der Dosis-Wirkungs-Beziehungen wurden die Patienten mit Primäreingriffen getrennt von denen mit Revisionseingriffen betrachtet.

Ergebnisse !

Patienten Zehn konsekutive Patienten im Alter von 5 bis 75 Jahren (Median 22 Jahre) wurden in die Studie eingeschlossen, 6 Patienten waren weiblich. Der mediane Visus betrug präoperativ für das rechte Auge (OD) 1,0 (min. 1,0; max. 1,25), für das linke Auge (OS) 1,0 (max. 1,0; min. 0,2). Bei 1 Patienten bestand eine Amblyopie mit mehr als 2 Visusstufen Unterschied bzw. Visus unter 0,63 auf dem amblyopen Auge. Das mediane sphärische Äquivalent in dpt betrug für OD 0 (min. − 1; max. 4), für OS 0 (min. − 1,75; max. 2,75). Sieben Patienten hatten präoperativ unter Einnahme der Kopfzwangshaltung (KZH) binokulares Einfachsehen (BES), 3 Patienten (Patienten 6, 9, 10) exkludierten den Seheindruck eines Auges. In 9 Fällen war das linke Auge ausschließlich oder stärker von der Motilitätseinschränkung betroffen, in 1 Fall das rechte Auge. Entsprechend wurde bei 9 Patienten präoperativ eine KZH nach links eingenommen und die Indikation zur Operation des linken Auges (OS) gestellt. Bei 8 der 10 Patienten war bereits mindestens 1 Eingriff am M. rectus internus vorausgegangen (bei 5 Patienten in unserem Hause, bei 3 Patienten extern). Bei den beiden anderen Patienten wurde aufgrund des großen Winkels bereits beim Ersteingriff das Interponat zur Muskelverlängerung gewählt.

Operation Das Interponat hatte eine Länge von 8 bis 12 mm (Median 9,75 mm; Mittelwert 9,45 mm). Die Fixation hinter dem anatomischen Ansatz erfolgte in 0 bis 5 mm (Median 3,25 mm; Mittelwert 2,85 mm). Die Gesamtstrecke der relativen Muskelverlängerung betrug 4 bis 12 mm (Median 6 mm; Mittelwert 6,5 mm). In

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allen 8 Fällen, bei denen Voroperationen stattgefunden hatten, wurde der Ansatz des Muskels, respektive des Interponats, zur Rückgewinnung der Abrollstrecke vorverlagert.

Prä- und postoperative Befunde Präoperativ betrug der mediane konvergente Schielwinkel im APCT + 27,5 pdpt (min. + 9 pdpt, max. + 45 pdpt; Mittelwert 25,3 pdpt, Standardabweichung [Stabw.] 14,0 pdpt). Von 9 der 10 Patienten lagen Werte für einen Langzeitverlauf mehr als 6 Wochen postoperativ vor. Der mediane Schielwinkel betrug 0 pdpt (min. 0 pdpt, max. 20 pdpt; Mittelwert 5,8 pdpt, Stabw. 8,0 pdpt). Die Schielwinkelreduktion betrug damit im Median 12 pdpt (min. 9 pdpt, max. 33 pdpt; Mittelwert 17,3 pdpt, Stabw. 9,6 pdpt). Für die Langzeitergebnisse ergibt sich bei Patient 9 mit Primäreingriff eine Dosis-Wirkungs-Beziehung von 2,75 pdpt Schielwinkelreduktion/mm Operationsstrecke. Für den anderen Patienten (Patient 10) mit Primäreingriff liegen keine Langzeitergebnisse vor. Für die 8 Patienten mit Revisionseingriffen und Langzeituntersuchung ergibt sich eine mediane Dosis-Wirkungs-Beziehung von 2,4 pdpt Schielwinkelreduktion/mm Operationsstrecke (min. 1,7 pdpt/mm, max. 5,2 pdpt/mm; Mittelwert 2,9 pdpt/mm, Stabw. 1,2 pdpt/mm). Die mediane horizontale Drehungs-KZH der 7 Patienten mit präoperativen Binokularfunktionen in KZH betrug 20° bei Fernfixation (min. 10°, max. 30°; Mittelwert 18,6°, Stabw. 7,5°). Mehr als 6 Wochen postoperativ betrug die mediane KZH dieser 7 Patienten 0° (min. 0°, max. 10°; Mittelwert 1,4°, Stabw. 3,8°). Die KZHReduktion betrug damit im Median 15° (min. 10°; max 30°; Mittelwert 17,1°, Stabw. 7,0°). Für die Langzeitergebnisse ergibt sich bei dem einen der beiden untersuchten Patienten mit Primäreingriff eine Dosis-WirkungsBeziehung von 1,25 ° KZH-Reduktion/mm Operationsstrecke. Dieser Patient hatte allerdings präoperativ kein BES und wurde entsprechend in die o. g. präoperative Berechnung nicht aufgenommen. Für die 7 Patienten mit Revisionseingriffen und präoperativem BES in KZH ergibt sich eine mediane Dosis-Wirkungs-Beziehung von 3,3 ° KZH-Reduktion/mm Operationsstrecke (min. 2°/mm, max. 5°/mm; Mittelwert 3,3°/mm, Stabw. 1,0°/mm). Die Abduktion des (stärker) betroffenen Auges war präoperativ im Median bis zur Mittellinie möglich (min. 5° vor, max. 10° über die Mittellinie; Mittelwert 0°, Stabw. 4,3°). Mehr als 6 Wochen postoperativ war die Abduktion an allen operierten Augen mindestens bis zur Mittellinie möglich, im Median bis 5° über die Mittellinie (min. bis zur Mittellinie, max. 15° über die Mittellinie; Mittelwert 5,4° über die Mittellinie, Stabw. 6,2°). Die Abduktion hatte sich bei 8 der 9 untersuchten Patienten leicht verbessert und war in 1 Fall gleich geblieben. Die horizontale Bewegungsstrecke hatte sich in Richtung Abduktion verschoben, die Adduktion hatte sich entsprechend in allen Fällen verschlechtert. Die Adduktion war postoperativ im Median bis 15° über die Mittellinie möglich (min. 10°, max. 40°; Mittelwert 21,1°, Stabw. 11,1°), dabei waren die postoperativen Binokularfunktionen gleich (6 Patienten) oder besser (3 Patienten). Bei 4 Patienten war eine Nahexophorie von max. − 8 pdpt im APCT messbar, 4 Patienten waren für die Nähe orthotrop, 1 hatte einen im APCT messbaren Restwinkel für die Nähe von 23 pdpt in Primärposition. Die prä- und postoperativen Kenndaten, Operationsdosierungen und weiteren Befunde aller Patienten " Tab. 1 aufgelistet. sind in l

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"

25

15 42 9 15 5 44 75 5 75 22

3

4 5 6 7 8 9 10 Min. Max. Median

OD OS > OD OS > OD OS OS OS OS OS OS OS

Seite

Vor-

1 1 1 2 1 0 0 0 2 1

1

2 2

op.

10 12 30 9 35 45 45 9 45 27,5

30

25 12

Pdpt.

APCT

präoperativ

10 10 (5) 15 30 (25) (15) 10 30 20

25

20 20

Grad

KZH

0 −3 3 10 0 −5 −5 −5 10 0

0

0 0

Grad

Abd.

50 50 50 40 50 50 50 20 50 50

25

40 20

Grad

Add.

3 8 4

3 4 4 8 3,5

4

5 5

mm

VL

4 3 3 4 3,5

mm

RL

Ansatz

mm

8 8 10 12 9,5 8 8 8 12 9,75

10 4 2 3,5 0 3,5 4 3 0 5 3,25

0,5

3 5

anat.

Länge 11 10

hinter

mm

ponat

Inter-

Operationsstrecken

5 4 6 4 6 12 11 4 12 6

6

6 5

mm

Strecke

Gesamt

0 0 18 4 −2 20 4 −2 20 4

12

8 4

APCT

0 0 n. g. 0 −5 10 10 − 10 10 0

10

− 10 0

KZH

1. Tag postoperativ

0 20 0

0 0 20 0 4 12

16

0 0

APCT

0 10 0

0 0 (10) 0 0 (10)

10

0 0

KZH

0 15 5

7 5 7 15 15 0

0

0 0

Abd.

> 6 Wochen postoperativ

10 40 15

30 40 35 10 15 15

10

20 15

Add.

9 33 12

10 12 10 9 31 33

14

25 12

Pdpt.

APCT

Diff.

10 30 15

10 10 (− 5) 15 30 (15)

15

20 20

Grad

KZH

Diff.

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zwischen präoperativem Wert und Wert > 6 Wochen postoperativ, n. g.= nicht gemessen

Abd. = Abduktionsfähigkeit, Add. = Adduktionsfähigkeit, VL = Vorlagerung des Muskels in Bezug auf den vorgefundenen Ansatz, RL = Rücklagerung des Muskels hinter den vorgefundenen Ansatz, Min. = Minimalwert, Max. = Maximalwert, Diff. = Differenz

Abkürzungen: BES = binokulares Einfachsehen, Nr. = Nummer, J. = Jahre, Vorop. = Voroperationen, OS = linkes Auge, OD = rechtes Auge, APCT = alternierender Prismen-Cover-Test, pdpt = Prismendioptrien, KZH = Kopfzwangshaltung (hier Kopfwendung),

19 38

J.

Alter

1 2

Pat. Nr.

Tab. 1 Kenndaten und Befunde aller Patienten. Für die Berechnung der medianen KZH wurden jeweils nur die Patienten mit präoperativem BES berücksichtigt, die Werte der Patienten ohne BES (Pat. 6, 9, 10) sind daher in Klammern wiedergegeben. Die Werte für Adduktion und Abduktion beruhen z. T. auf semiquantitativen Angaben, die in Grad umgerechnet wurden.

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Abb. 1 Konvergenter Schielwinkel präoperativ, am 1. Tag postoperativ und im Verlauf in pdpt. Bei 2 Patienten betrug der Schielwinkel am 1. Tag und im Verlauf 0 pdpt, bei 2 weiteren am 1. Tag 4 pdpt und im Verlauf 0 pdpt (unterschiedliche Markierungspunkte bei nur 1 sichtbaren Verbindungsstrich).

Abb. 2 KZH präoperativ, am 1. Tag postoperativ und im Verlauf in Grad. Bei 1 Patienten (Fall 6) ohne präoperatives BES kam es zu einer Zunahme der KZH im Verlauf von 5° präoperativ auf 10° im Langzeitverlauf. Für diesen Patienten existiert kein KZHBefund für den 1. postoperativen Tag, sodass die beiden Werte als Einzelmessungen als gelbe Punkte markiert sind. Bei 4 Patienten betrug die KZH am 1. Tag und im Verlauf 0° (unterschiedliche Markierungspunkte bei nur 1 sichtbaren Verbindungsstrich).

Die prä- und postoperativen Schielwinkel bei Fernfixation, gemessen mit dem alternierenden Prismen-Cover-Test sind in " Abb. 1, die prä- und postoperativen KZH-Werte sind in l " Abb. 2 grafisch dargestellt. l Die Befunde von 6 Patienten an der Tangententafel nach Harms " Tab. 2. für Rechts-, Geradeaus- und Linksblick finden sich in l Bei 2 Patienten war aufgrund von Exklusion eine Untersuchung an der Tangententafel nicht möglich (Patienten 1 und 6), bei 1 Patienten (Patient 8) aufgrund des jungen Alters. Für 1 weiteren existieren noch keine Langzeitwerte. Bei 1 Patientin (Patientin 3) wurde im Verlauf 6 Monate nach der Tutopatch®-Interposition bei subjektiv noch störender konsekutiver Rest-KZH von 10° eine Revisionsoperation vorgenommen. Nach erneuter Rücklagerung des Interponats um 3 mm konnte

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eine Rest-KZH unter 5° erzielt werden. Die Revisionsoperation am Tutopatch®-Interponat gestaltete sich unkompliziert. Das Interponat fand sich fest mit der Sklera verwachsen, ähnlich einem regulären Muskelansatz, ließ sich gut mit dem Schielhaken unterfahren und problemlos refixieren. Der weit hinten liegende Übergang zwischen Implantat und Muskel wurde im Rahmen der Revisionsoperation nicht dargestellt. Bei keinem der Patienten kam es im postoperativen Verlauf zu Wundheilungsstörungen. Die postoperativen Vorderabschnittsbefunde zeigten keine Besonderheiten gegenüber denen bei Muskelrücklagerung ohne Interponat.

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Tab. 2 Horizontale Winkel an der Tangententafel nach Harms für 25° Linksblick, Primärposition (PP) und 25° Rechtsblick präoperativ und im postoperativen Verlauf nach mindestens 6 Wochen für 6 Patienten. Bei 2 Patienten war aufgrund von Exklusion eine Untersuchung an der Tangententafel nicht möglich (Patienten 1 und 6), bei 1 Patienten (Patient 8) aufgrund des jungen Alters. Für 1 weiteren existieren noch keine Langzeitwerte. Primärposition

25° Rechtsblick

präoperativ

postoperativ

präoperativ

postoperativ

präoperativ

postoperativ

2 3 4 5 7 8

+ 28 + 27 + 22 + 22 + 24 + 50

+ 25 + 17 + 16 + 17 + 24 + 22

+ 11 + 14 + 3,5 +8 +6 + 30

+ 3,5 +2 + 0,5 0 0 +8

0 +2 0 − 0,5 – + 17

−7 − 18 − 10 − 15 – − 0,5

Diskussion !

Die Verfügbarkeit von Sehneninterponaten ist in der Augenmuskelchirurgie bei komplexen Augenbewegungsstörungen wünschenswert. Verschiedene Berichte über den Einsatz alloplastischer Materialien, so z. B. von Silikonbändern zur Verlängerung der M.-obliquus-superior-Sehne, existieren [10–12]. Mit dem Einsatz von Implantaten aus aufbereitetem bovinem Perikard führten Esser und Eckstein [4, 5] ein Material in die Strabismuschirurgie ein, das geeignet scheint, einen dauerhaft zugfesten, gut verträglichen biologischen Sehnenersatz zu bieten. Laut Herstellerinformationen wird Tutopatch® nach einem speziellen Verfahren aus bovinem, lösungsmittelkonserviertem, gammasterilisiertem Perikard gewonnen. Im Laufe des Herstellungsprozesses würden Pathogene inaktiviert und Zellen, Fette und nicht kollagene Proteine zerstört, um Antigenität und Infektionsrisiko praktisch vollständig zu eliminieren, wohingegen die biomechanischen Eigenschaften des natürlichen Ursprungsgewebes erhalten blieben. Tutopatch® werde im Verlauf von einigen Wochen oder Monaten vollständig in patienteneigenes Gewebe umgebaut (http://www.bess.de/interdisziplinaer/gewebetransplantat-tutopatchr.html). Nach unserer Erfahrung mit einem Fall der Revision eines Transplantats in dieser Serie kommt es zumindest im Sklera-Transplantat-Übergang, eventuell aber auch im Sehnen-TransplantatÜbergang über die Adaptation mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial hinaus, zu einer bindegewebigen Verfestigung. Dies wird auch von Esser et al. [4] bzw. Eckstein et al. [5] berichtet. Während aufbereitetes bovines Perikard bereits seit Langem in der kardiovaskulären Chirurgie und in der Neurochirurgie eingesetzt wird, ist der Einsatz in der Ophthalmochirurgie bislang selten. Am häufigsten wird die Ummantelung von Hydroxylapatitplomben mit Tutopatch® in der Enukleationschirurgie beschrieben [13–15], ferner auch die Abdeckung von Ahmed-Implantaten in der Glaukomchirurgie [16] oder die Abdeckung perforierter, kornealer Ulzera [17]. Während hierzu etliche positive Berichte, teilweise auch mit größeren Fallzahlen existieren, gibt es auch einen kritischen Bericht von De Vries et al. [18], welcher in 4 Fällen heftige entzündliche Reaktionen und Tutopatch®-Auflösung beschreibt. Hier ist anzumerken, dass in diesen Fällen das Tutopatch® in Kombination mit einem weiteren inerten Implantat eingebracht wurde. Ein Bericht über die sklerale Aufnähung von bovinem Perikard im Rahmen von Melanomresektionen von Scupola et al. [19] gibt die Erfahrungen mit 4 Fällen wieder und zeigte eine gute Verträglichkeit des Materials in diesen Fällen. Die bisher einzigen Fallserien mit Interposition von Tutopatch® in der Augenmuskelchirurgie werden von der Gruppe um Esser und Eckstein vorgelegt [4, 5]. Die Erfahrungen beziehen sich auf die

M.-rectus-internus- und M.-rectus-inferior-Operation im Rahmen der endokrinen Orbitopathie. Die von uns vorgelegte Studie vergrößert die Anzahl der Erfahrungsberichte am Augenmuskel und zeigt Möglichkeiten der Erweiterung des Indikationsspektrums auf. Auch beim Duane-Retraktionssyndrom erscheinen in Einzelfällen großstreckige Augenmuskelrücklagerungen erfolgversprechend. Eine Fülle von Arbeiten beschäftigt sich mit der grundsätzlich eleganten und schonenden M.-rectus-internusRücklagerung, die insbesondere beim Duane-Syndrom des Typs 1 indiziert ist [2, 3, 7–9, 20–25]. Großwinklige Abweichungen wecken hier den Wunsch nach der Möglichkeit effektiver Abschwächungen des M. rectus internus, andererseits wurde durchaus auch über die unerwünschte Nebenwirkung eines Adduktionsdefizits nach großstreckiger Rücklagerung des M. rectus internus von 7 mm oder mehr berichtet [26]. Gelegentlich wird versucht, die Problematik durch eine bimediale M.-rectus-internus-Rücklagerung anzugehen [27, 28], was aber eine Operation am nicht betroffenen Auge bedeutet und eher die Gefahr einer Überdosierung birgt als eine einseitige Rücklagerung [29]. Die Verlängerung des M. rectus internus durch ein Tutopatch®-Interponat eröffnet somit neue chirurgische Optionen beim Duane-Syndrom. Über die grundsätzliche Frage der Verträglichkeit und Stabilität hinaus, die durch die Untersuchungen und Erfahrungen von Esser et al./Eckstein et al. [4, 5] ermutigend beantwortet wurde, stellt sich die Frage nach der Dosierbarkeit des Eingriffs. Die individuell unterschiedliche Innervationslage und die individuellen strukturellen Muskelveränderungen beim Retraktionssyndrom lassen eine im Einzelfall stark schwankende Dosis-Wirkungs-Relation erwarten. In der Literatur finden sich vor allem Dosierungsvorschläge für und Ergebnisse von Primäreingriffen mit M.-rectus-internus-Rücklagerung beim Retraktionssyndrom Typ 1. Strecken bis 10 mm ipsilateraler Rücklagerung werden beschrieben, manche Autoren verwenden auch justierbare Nähte [9]. Kaufmann et al. [23] werteten 1994 die Befunde von insgesamt 82 Patienten mit allen Formen des Retraktionssyndroms aus und empfahlen für Typ 1 eine einseitige Rücklagerung des M. rectus internus um bis zu 7 mm bei einer Kopfzwangshaltung bis zu 15° und um bis zu 10 mm bei einer größeren Kopfzwangshaltung. Natan et al. [22] lagerten bei 27 Patienten mit Retraktionssyndrom Typ 1 und einer mittleren KZH von 25,5° den M. rectus internus im Mittel um 6,3 mm (min. 5 mm, max. 8 mm) zurück. In einer früheren Arbeit fand unsere Gruppe [21] für eine einseitige Rücklagerung des M. rectus internus von 5,5 bis 8 mm (Median 6 mm) bei 25 Patienten als Primäreingriff eine mittlere Schielwinkelreduktion von 2 pdpt/mm Rücklagerung und eine mittlere Reduktion der KZH von 1,58°/mm Rücklagerung. Wie bereits erwähnt, warnt Nelson [26] allerdings vor einer großstre-

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25° Linksblick Patient Nr.

Klinische Studie

ckigen Rücklagerung des M. rectus internus: Bei 2 seiner Patienten trat eine deutliche Adduktionseinschränkung nach Rücklagerung um 7 mm bzw. Rerücklagerung von 5,5 auf 7,5 mm auf. Seiner Meinung nach kann eine Rücklagerung um mehr als 6 mm aufgrund der paradoxen Koinnervation des M. rectus externus bei intendierter Adduktion die Adduktionsfähigkeit deutlich einschränken. Auch Kubota et al. [8], die den M. rectus internus bei 50 Patienten mit Retraktionssyndrom Typ 1 max. 6 mm zurücklagerten, berichten über 3 Übereffekte. Bei Natan et al. [22] kam es bei 2 der 27 Patienten zu einer deutlichen Adduktionseinschränkung nach 6 bzw. 6,5 mm Rücklagerung des M. rectus internus. Die Chirurgie mit Interponat ermöglicht eine längere Rücklagerungsstrecke bei erhaltener Abrollstrecke, wodurch im Vergleich zur einfachen, großstreckigen Muskelrücklagerung theoretisch eine geringere Einschränkung der Adduktion zu erwarten wäre. Bei dem einen Patienten unserer aktuellen Studie mit Primäreingriff und Langzeitverlauf betrug die Schielwinkelreduktion 2,75 pdpt/mm Rücklagerung, der Effekt war somit stärker als bei einer Rücklagerung ohne Interponat zu erwarten wäre. Die Reduktion der KZH betrug 1,25°/mm Rücklagerung, allerdings lag präoperativ kein BES vor. Postoperativ fanden sich eine residuelle KZH von 10° mit positivem Lang-Test, in Primärposition ein Restwinkel von 12 pdpt für die Ferne und Orthophorie für die Nähe. Die Adduktion war ca. 15° über die Mittellinie möglich. Für Revisionseingriffe bei M.-rectus-internus-Rücklagerung ohne Interponat finden sich kaum Angaben oder Empfehlungen in der Literatur. Biedner [30] berichtet über gute Ergebnisse bei 2 Patienten mit einer Revision und Rerücklagerung des M. rectus internus auf 13,5 mm vom Limbus. Allerdings ist die Möglichkeit der M.-rectus-internus-Rücklagerung begrenzt, wenn ein subjektiv störendes Adduktionsdefizit vermieden werden soll [26]. In unserer Patientengruppe mit Revisionseingriffen mit Interponat kam es zwar auch zu einer Verschlechterung der Adduktion bzw. Verschiebung der Motilität in Richtung Abduktion, jedoch blieben die Binokularfunktionen erhalten und es trat in keinem Fall ein dauerhafter Übereffekt auf. Es zeigte sich auch für die Nähe in keinem Fall eine Exotropie, lediglich in 4 Fällen eine geringe, subjektiv nicht störende Nahexophorie von maximal − 8 pdpt. Die mediane Dosis-Wirkungs-Beziehung betrug für die (Fern-) Schielwinkelreduktion 2,4 pdpt/mm Operationsstrecke und für die KZH-Reduktion 3,3°/mm Rücklagerungsstrecke, bei einer deutlichen individuellen Schwankung. Damit ist bei Revisionseingriffen, aber auch bei Primäreingriffen mit Interponat, mit einem deutlich stärkeren Effekt zu rechnen als bei Primäreingriffen ohne Interponat. Auch im Vergleich zur M.-rectus-internusRücklagerung mit Interponat bei endokriner Orbitopathie von 1°/mm Rücklagerungsstrecke [5], also ca. 1,75 pdpt/mm, maßen wir einen deutlich stärkeren Effekt. Insgesamt erzielten wir mit der Interponatchirurgie beim Retraktionssyndrom Typ 1 gute Ergebnisse. Alle 8 Patienten mit Langzeitverlauf hatten eine maximale residuelle KZH von 10°, 6 sogar keine messbare KZH mehr. Bei allen Patienten dieser Studie war der Heilungsverlauf unkompliziert.

Schlussfolgerung !

Die Rücklagerung des M. rectus internus mit Einsatz eines Tutopatch®-Interponats erwies sich in unserer Fallserie als eine neue, gut verträgliche, revidierbare Option für Revisionseingriffe oder

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große präoperative KZH- und Schielwinkel beim Retraktionssyndrom Typ 1.

Interessenkonflikt !

Nein.

Literatur 1 Esser J, Mühlendyck H. Myogene Augenbewegungsstörungen. In: Kaufmann H, Steffen H, Hrsg. Strabismus, 4. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme, 2012: 446–474 2 Kommerell G, Lagrèze WA. Retraktionssyndrom. In: Kaufmann H, Steffen H, Hrsg. Strabismus, 4. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme, 2012: 497– 499 3 Kaufmann H, Steffen H. Operation bei Retraktionssyndrom. In: Kaufmann H, Steffen H, Hrsg. Strabismus, 4. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme, 2012: 602–603 4 Esser J, Schittkowski M, Eckstein A. Endokrine Orbitopathie: M.-rectusinferior-Sehnenverlängerung bei großen vertikalen Schielwinkeln, die nicht durch eine einfache Muskelrücklagerung korrigiert werden können. Klin Monatsbl Augenheilkd 2011; 228: 880–886 5 Eckstein A, Weiermüller C, Holdt M et al. Schielformen und Augenmuskeloperationen nach Orbitadekompression. Z prakt Augenheilk 2011; 32: 335–344 6 Huber A. Electrophysiology of the retraction syndromes. Br J Ophthalmol 1974; 58: 293–300 7 Miller RN. Duane retraction syndrome (Stilling-Turk-Duane syndrome, DURS). In: Taylor D, Hoyt GS, eds. Pediatric Ophthalmology and Strabismus. Third edition. Philadelphia: Elsevier Saunders 2005: 934–938 8 Kubota N, Takahashi H, Hayashi T et al. Outcome of surgery in 124 cases of Duaneʼs Retraction Syndrome (DRS) treated by intraoperatively graduated recession of the medial rectus for esotropic DRS, and of the lateral rectus for exotropic DRS. Binocul Vis Strabismus Q 2001; 16: 15–22 9 Pressman SH, Scott WE. Surgical treatment of Duaneʼs syndrome. Ophthalmology 1986; 93: 29–38 10 Beisner DH. Extraocular muscle recessions utilizing silicone tendon prostheses. Arch Ophthalmol 1970; 83: 195–204 11 Stager DR jr., Parks MM, Stager DR sr. et al. Long-term results of silicone expander for moderate and severe Brown syndrome (Brown syndrome “plus”). J AAPOS 1999; 3: 328–332 12 Salvi G, Frosini R, Boschi MC. Focosiʼs tendon-lengthening technic in blockage syndromes. Mechanism of action and surgical technic. J Fr Ophtalmol 1981; 4: 127–132 13 Gupta M, Lyon F, Singh AD et al. Bovine pericardium (Tutopatch) wrap for hydroxyapatite implants. Eye (Lond.) 2007; 21: 476–479 14 Gupta M, Puri P, Rennie IG. Use of bovine pericardium as a wrapping material for hydroxyapatite orbital implants. Br J Ophthalmol 2002; 86: 288–289 15 Gayre GS, Debacker C, Lipham W et al. Bovine pericardium as a wrapping for orbital implants. Ophthal Plast Reconstr Surg 2001; 17: 381– 387 16 Quaranta L, Riva I, Floriani IC. Outcomes of using a sutureless bovine pericardial patch graft for Ahmed glaucoma valve implantation. Eur J Ophthalmol 2013; 23: 738–742 17 Alio JL, Rodriguez AE, Martinez LM. Bovine pericardium membrane (tutopatch) combined with solid platelet-rich plasma for the management of perforated corneal ulcers. Cornea 2013; 32: 619–624 18 De Vries FR, Notting IC, Marinkovic M et al. Complications due to bovine pericardium used to cover acrylic implants after enucleation and tubes of aqueous devices. Eye (Lond.) 2012; 26: 336 19 Scupola A, Blasi MA, Petroni S et al. Bovine pericardium for scleral closure in transscleral local resection of choroidal melanoma. Retina 2008; 28: 1530–1532 20 Duane A. Congenital deficiency of abduction, associated with impairment of adduction, retraction movements, contraction of the palpebral fissure and oblique movements of the eye. Arch Ophthalmol 1905; 34: 133–159 21 Fricke J, Neugebauer A, Ruessmann W. Operative Korrektur des Retraktionssyndroms. Klin Monatsbl Augenheilkd 2006; 223: 42–47 22 Natan K, Traboulsi EI. Unilateral rectus muscle recession in the treatment of Duane syndrome. J AAPOS 2012; 16: 145–149

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27 Dotan G, Klein A, Ela-Dalman N et al. The efficacy of asymmetric bilateral medial rectus muscle recession surgery in unilateral, esotropic, type 1 Duane syndrome. J AAPOS 2012; 16: 543–547 28 Farvardin M, Rad AH, Ashrafzadeh A. Results of bilateral medial rectus muscle recession in unilateral esotropic Duane syndrome. J AAPOS 2009; 13: 339–342 29 Greenberg MF, Pollard ZF. Poor results after recession of both medial rectus muscles in unilateral small-angle Duaneʼs syndrome, type I. J AAPOS 2003; 7: 142–145 30 Biedner BZ. Medial rectus re-recession for unacceptable head-turn and esotropia in Duaneʼs retraction syndrome. Ophthalmic Surg Lasers 1997; 28: 762–764

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23 Kaufmann H, Milkowitz K. [Results of surgical treatment of StillingTürk-Duane retraction syndrome]. Klin Monatsbl Augenheilkd 1994; 2042: 90–97 24 Barbe ME, Scott WE, Kutschke PJ. A simplified approach to the treatment of Duaneʼs syndrome. Br J Ophthalmol 2004; 88: 131–138 25 Merino P, Merino M, Gómez De Liaño P et al. Horizontal rectus surgery in Duane syndrome. Eur J Ophthalmol 2012; 22: 125–130 26 Nelson LB. Severe adduction deficiency following a large medial rectus recession in Duaneʼs retraction syndrome. Arch Ophthalmol 1986; 104: 859–862

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[Medial rectus tendon elongation with bovine pericardium for type 1 Duane's retraction syndrome].

Some patients with esotropic Duane's retraction syndrome (type 1) adopt a head turn to gain binocular vision. For some patients recession of the ipsil...
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