354 KIm. Mb!. A ugenheilk. 196 (1990)
Gefalikalibermessungen bei diabetischer Retinopathie vor und nach Photokoagulation F. Koerner, A. Imobersteg, G. Nager IJniversitats-Augenklinik Bern (Direkior: Prof. Dr. F. Koerner)
Bei 58 Patienten mit diabetischer Retinopathie (DR) wurde der Durchmesser von je 4 retinalen Arteriolen und Venolen photographisch gemessen. Die Messungen wurden in ca. jahrlichen Abständen nach
Photokoagulation (PC) eines Auges jedes Patienten
wiederholt. Im Vergleich mit Gesunden waren bei DR Arteriolen und Venolen urn 15,4% weiter. Dieser Befund kann als autoregulative Reaktion auf eine relative Gewebshypoxie interpretiert werden. Nach PC nahmen die GefaI3weiten sowohl arteriell wie venös signifikant ab. Die Kaliberreduktion an den Venolen korrelierte mit der Koagulationsdosis (Anzahl PC-Effekte). In einer multiplen Regressionsanalyse ergab sich auch eine signifikante partielle Korrelation mit der Anderung des Visus und eines berechneten DR-Scores sowie mit der Prdsenz einer arteriellen Hypertonie. Der Ruckgang der pathologisch vergro]3erten GefiBka1iber nach PC deutet auf eine Verbesserung der retinalen Hrnodynamik hin. Die photographische quantitative Erfassung von retinalen GefaBkaliberanderungen bei DR kann von prognostischem Wert für Verlaufsbeurteilungen vor und nach Behandlung mit PC sein. Measurement of Vascular Diameters in Diabetic Retinopathy Before and After Photocoagulation
The calibers of 4 retinal arterioles and 4 venoles of each of 58 patients with diabetic retinopathy (DR) were measured on fundus photographs before and after photocoagulation (PC). The measurements were repeated at approximately one-year intervals following photocoagulation (PC) of one eye of each patient. The mean caliber of arterioles and venoles of DR patients was 15.4% greater than in nondiabetic subjects. This
finding may be interpreted as an autoregulatory response to relative tissue hypoxia. Following PC there was a significant reduction in both arterial and venous vessel caliber. In a multivariate regression analysis, the reduction in venous caliber correlated significantly with the number of coagulation spots. A weak correlation was found with arterial hypertension, change in visual acuity, and change in a calculated DR score. The reduction in pathologic vessel calibers following PC is indicative of an improvement in retinal hemodynaniics. Photographic quantification of retinal vessel changes may be of prognostic value, i.e., for assessing the course of DR before and after treatment by PC.
Kiln. MbI. Augenheilk. 196 (1990) 354—356
1990 F. Enke Verlag Stuttgart
Entstehung und Verlauf einer diabetischen Retinopathie (DR) lassen sich durch eine retinale Gewebshypoxie erklären. Danach ist eine autoregulative retinale Vasodilatation zu erwarten ( Wolbcirsht et al., 1981). Nach Photokoagulation wurde em Anstieg des praretinalen Sauerstoffgradienten gemessen (Diddieet al., 1977, Molnaret al., 1985). Klinisch muf3te sich eine verbesserte Oxygenisierung in einer Abnahme der Gefaf3kaliber dokumentieren.
Ophthalmoskopisches Frühzeichen einer DR ist eine Dilatation der retinalen Venen. Eine allfallige
Dilatation der Arteriolen ist dagegen klinisch kaum zu verifizieren. Mit der vorliegenden Studie sollen folgende Fragen untersucht werden: — LäI3t sich bei DR eine signifikante Dilatation sowohi der Venolen \vie der Arteriolen messen? — Sind Gefäi3ka]iberveranderungen nach Photokoagulation em Ma13 für den therapeutischen Effekt und läBt sich eine Dosisabhangigkeit erkennen?
Methode Bei 58 Patienten mit seitensymmetrischer DR wurden auf 4Ofach vergrOl3erten Schwarz-Weil3-Fundusphotos die Durchmesser von 4 Arteriolen und 4 Venolen nahe der Papille gemessen. Vergleichswerte wurden von je einem Auge bci 5 gesunden Probanden ermittelt. Die Messungen bei Patienten erfolgten vor sowic jahrlich uber 2—4 Jahre nach Photokoagulation (mittlere Beobachtungsdaucr 38,8 + 17,5 Monate). Em Auge jedes Patienten wurde mit Xerion-Photokoagulation behandelt. Aus 31 semiquantitativ ermittelten photographischeri Kriterien (Koer,wr et al., 1977) wurde em DR-Score fur jedes Auge berechnet. Em Ver-
laufs-Score ,DRDIFF' bezieht den irtitialen und den aktuellen DR-Score des behandelten und des Kontrollauges em.
Ergebuisse
Irn Vergleich mit gesunden Probanden wurde bei DR eine Kaliberzunahme urn + 15,4% sowohl an Venolen wie an Arteriolen gemessen.
Die pro Auge gemittelten 4 GefaBdurchmesser nahmen nach Photokoagulation signifikant ab, im
gesamten Beobachtungszeitraum fur Arteriolen urn —6,5% und für Venolen urn —9,6%. Im ersten Jahr nach Photokoagulation war die Kaliberreduktion weniger ausgepragt als in den folgenden 3 Jahren (Abb. I und 2).
Die Abnahme der Venolenkaliber korrelierte signifikant mit der Anzahl applizierter Koagulations-
Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
Einleitung
Zusammenfassung
Gefajika/ibermessungen bei diabetischer Retinopathie vor und nach Photokoagu/ation Tab.
1 Multiple lineare Regression (Vorwdrts-Selektion) für Anderungen der Venenkaliber als abhängig Variable laus A. Imobersteg, G. Nager, Diss. Bern, 1 989)
vor
nach
I
______
Wilik. Elnhelterl
Theraple
Partie 11cr Regr. koeff. Korr. koeff.
Variable
Partieller
Intercept Anzahl Koagulationseffekte Hypertonie Visusdifferenz
—6,89
F
p
0,38 0,06 0,06
3649
0,0001
6,78 11,26
5,51
6,73
0,0045 0,0122
—0,14
0,04
3,97
0,0516
0,09
DR-S cored if f e renz
IDRDIFF) P2
1
3
2
I 2 Zeitintervall (Jahre) 4
0,53
4
3
effekte (Abb. 3). Ab etwa 300 Xenonherden a 3 ° scheint Abb. 1 Signilikante Abnahme von Arteriolenkalibern am be handelten Auge nach einseitiger Photokoagulation (Zeitintervall 1 und 2: 58 Patienten, 3 und 4: 47 bzw 19 Patienten)
em
Maximum der Kaliberreduktion erreicht zu sein, wäh-
rend weniger als 100 Effekte im Mittel keine Besserung der Venenkaliber erzielten.
In einer multiplen linearen Regression ergaben sich signifikante Teilkorrelationen aul3er für die Ko-
Venen—Kaliber I
Wilik. Elnhelten
vor
nach
I
______
agulationsdosis als stärkstem Regressor auch fur Retinopathieverlauf (,DRDIFF'), Visusverlauf und arterielle Hypertonie (Tab. 1).
Theraple
SchluBfo!gerungen
Bei diabetischer Retinopathie sind sowohi Venolen als auch Arteriolen signifikant um Ca. 15¾ erwei-
tert. Nach Photokoagulation tritt eine signifikante Kaliberabnahme der retinalen GefaBe em. Die deutliche Verengung der Venolen auf etwa em Drittel des Ausgangswertes
korreliert mit der Anzahl applizierter Koagulationsherde und mit einer Besserung der DR. 1
2
1
4
3
4
3
2
Zeitintervall (Jahre) Abb. 2 Signifikante Abnahme von Venolenkalibern am behandelten Auge nach einseitiger Photokoagulation. Siehe Le-
gende Abb. 1
30
Prozent
20 10
A
17 58 = 0,61
A
A
-
0
A A
:: A
A
A:
Die photographische vergleichende Messung von retinalen GefaBkalibern ist somit von prognostischem Wert in der Beurteilung einer DR und des therapeutischen Effekts einer Photokoagulationsbehandlung. Der Durchmesser der retinalen Gefäf3e ist einer von zahireichen Parametern, weiche die retinale Durchblutung bestimmen. Der offenbar dosisabhangige RUckgang der GefBkaIiber nach Photokoagulation lbBt sich durch autoregulative Mechanismen erk!aren und zeigt eine verbesserte retinale Oxygenisierung an. Auch mit quantitativen f!uoreszenzangiographischen Verfahren und mit der Laser-Doppler-Velocimetrie wurden nach Photokoagulation Besserungen der retinalen Hamodynamik ermittelt (Oswa/det a!., 1985, Feke eta!., Grunwa/det al., 1986). Die hier besprochene Methode ist jedoch wesent!ich einfacher und damit für den k!inischen Gebrauch geeignet.
A
A
Literatur
A
A
—30 —40
100
200
300
40
Anzahl Photokoaguations—Etfekte (Xenon 3
Abb. 3 Korrelation zwischen prozentualer Reduktion retinaler Venolenkaliber und Koagulationsdosis
Diddie, K. R., J. T. Ernest: The effect of photocoagulation on the choroidat vasculature and retinal oxygen tension. Am. J. Ophthatmol. 84 (1977)
6266 Feke, G. T., H. Tagawa, A. Yoshida, D. G. Goger, 7. 7. Weiter, S. M. Buzney, J. W. McMeeI: Retinal circulatory changes related to retinopathy
Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
Arteriolen—Kaliber I
K/in. iv! b/. Augenheilk. 196 (1990) 355
F. Koerner und Mitarb.: GefaJikalibermessungen bei diabetischer Retinopathie
progression in insulin-dependent diabetes mellitus. Ophthalmology 92
after photocoagulation. Graefe's Arch. Gun. Exp. Ophthalmol. 223
(1985) 1517—1522
(1985) 154—157
Grunwald, J. E., C. E. Riva, A. I. Brucker, S. H. Sinclair, B. L. Re/rig: Effect of panretinal photocoagulation on retinal blood flow in proliferative diabetic retinopathy. Ophthalmology 93 (1986) 590—595 Imobersteg, A., G. Nager: Retinale Geftissdurchmesser bei diabetischer Retinopathie var und nach Photokoagulation. Diss. Bern (1989)
Wolbarsht, M. L., M. B. Landers III, F. Si efansson: Vasodilatation and the etiology of diabetic retinopathy: a new model. Ophthalmic Surgery 12
Koerner, F., U. Koerner, N. Eichenseher: Diabetic retinopathy study.
Proj. Dr. med. F. Korner
Data acquisition and its reliability. Graefe's Arch. Clin. Exp. Ophthalmol. 202 (1977) 163—173
Molnar, I., S. Poi(ry, M. Tsacopoulos, N. Gilodi, P. M. Leuenherger: Effect of laser photocoagulation on oxygenation of the retina in miniature pigs. tnvest. Ophthalmol. Vis. Sci. 26 (1985) 1410—1414 Oswald, B., W. Vilser, H. Oswald, A. Julie, D. Schwei!zer, E. KunigsdOrffer, A. Deufrains, U. Dietze: Measurement of flow-physiologic parameters of retinal blood circulation in type I and 2 diabetics before and
(1981) 104—107
Univ. Augenklinik Inselspital CH-30t0 Bern Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
356 KIm. Mb!. A ugenheilk. 196 (1990)