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Person und Wort des Arztes sind entscheidend für Placebo-Effekte

Von den Schamanen lernen Die Wirkung eines Medikaments ergibt sich nicht nur aus dem pharmakologischen Wirkprofil. Dazu kommt immer ein gewisser Placebo-Effekt, das heißt: Auch die Persönlichkeit des Arztes und insbesondere seine Kommunikation mit dem Patienten beeinflussen den Erfolg einer medikamentösen Therapie.



Dass die Persönlichkeit des Arztes und sein kommunikatives Geschick großen Einfluss auf den Patienten und somit auch auf den Krankheitsverlauf haben, ist bekannt, seit es die Medizin gibt. „Deshalb spielen von der antiken Medizin bis zu den traditionellen Heilsystemen der Gegenwart auch Rituale eine wichtige Rolle“, sagte Prof. Hans-Christian Deter von der psychosomatischen Universitätsklinik der Charité in Berlin.

Vielseitige Arzt-PatientenInteraktionen Um erfolgreich behandeln zu können, ist der Arzt in hohem Maße auf die Zusammenarbeit mit seinem Patienten angewiesen. „Das Problem heute ist, dass für den

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Was sagt die Placebo-Forschung? Placebos sind die ältesten und wissenschaft lich am besten untersuchten „Drogen“, da sie bei jeder placebokontrollierten Studie gegen ein Verum verglichen werden. „Placeboeffekte sind keine Einbildung, sondern haben ein biologisches Korrelat. Das zeigen Untersuchungen mit der funktionellen Kernspintomografie“, erklärte Prof. Paul Enck von der psychosomatischen Universitätsklinik in Tübingen. Solche unspezifischen Therapieeffekte könnten sogar „erlernt“ wer-

den. So gebe es einen positiven Zusammenhang der Schmerzempfindlichkeit zwischen Eltern und Kindern. Placebos bewirken zwar eine Verbesserung von Symptomen, aber keine Heilung. Sie entfalten ihre Wirkung auch nicht über eine Stimulation von Selbstheilungskräften. „Ganz im Gegenteil: Placebos erweisen sich als besonders gut wirksam bei Unsicheren, also bei Patienten mit geringer Selbstwirksamkeit“, so Enke. Auch sind sie bei chronischen Beschwerden weniger wirksam als bei akuten. Zu den Krankheitsbildern mit großem „Placebo-Potenzial“ gehören neuropathische Schmerzen, Fibromyalgie, Migräne, Reizdarm, Depression und chronisch entzündliche Darmerkrankungen.

Die Arzt-Patienten-Beziehung als Wirksamkeitsfaktor einsetzen!

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Rituale sind wichtig

Maskierte Heiler im OP Bei fast allen medizinischen Interventionen lassen sich rituelle Aspekte erkennen. So gibt es durchaus Parallelen zwischen einem chirurgischen Eingriff und einem schamanistischen Ritual: das Fasten des Patienten im Rahmen der Vorbereitung, das Anlegen eines „rituellen Gewandes“, die Anwendung bewusstseinsverändernder „narkotisierender Dämpfe“ und die Begegnung mit dem „maskierten Heiler“. Solche Rituale verstärken die heilende Wirkung einer therapeutischen Maßnahme i. S. eines Placeboeffekts. sti ■

direkten Patientenkontakt immer weniger Zeit zur Verfügung steht, was für die Adhärenz nachteilig ist“, so Deter. Entscheidend für Placeboeffekte bei der medikamentösen Therapie ist nämlich neben der Applikationsart das Wort, d. h. die Kommunikation über die Wirkung des Medikaments bzw. die Erfolgsaussichten. Empathie ist gefragt „Ärzte, die eine warme und Sicherheit gebende Haltung einnehmen, sind erfolgreicher als solche, die Konsultationen nur förmlich abhalten und wenig Rückversicherung anbieten“, so Deter. Ärzte sollten sich deshalb immer bemühen, die ArztPatienten-Beziehung als Wirksamkeitsfaktor einzusetzen. Dies erfordert eine empathische Haltung, d. h. es gilt, biopsychosoziale Zusammenhänge bei den einzelnen Krankheitsbildern zu berücksichtigen und, wenn möglich, zu beeinflussen. „Der Arzt muss die Situation des Patienten verstehen, seine subjektive Krankheitstheorie erfassen, seine Einwände ernst nehmen und Kompromisse zwischen der Realität des Patienten und den medizinischen Tatsachen suchen“. Dr. Peter Stiefelhagen ■ ■ Quelle: Internistenkongress 2014 in Wiesbaden

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (S1)

[Masked healers in the operating room].

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