Klinische Einzelbeobachtungen 653

Marfan-Syndrom und Schwangerschaft, kompliziert durch das Aneurysma dissecans l. Kött er-Thoms en' , D. Weisn er l , E. Lehmann- willenbrock' , S. Stoaloe". A. von Hehre' Aus der Abteilung Frauenheilkunde im Zent rum Operative Medizin I und Michaelis-Hebammenschule. Kiel!, der Abteilung Kard iovaskulär e Chirurgie in der Chirurgisc hen Universitätsklinik Kiel 2 und der l. Medizinischen Klinik im Klinikum der CAU Kiel3 (Direktor : Prof. Dr. med. Dr. med. vet. h. c. K.Semm I)

Die Schwangerschaft eine r Patientin mit Marfan-Syndrom ist durch das Risiko der Bildung ein es Aneurysma dissecans belastet. Da sich das dissezierende Aneurysma durch ein Echokardiogramm na chweisen läßt, sind während der Schwangerschaft engmaschige kardiographisch e Kontroll en vorsorglich indiziert. Berichtet wird über den peripartialen Verlauf eine r Marfan-Patientin, bei der sich im III. Schwangerschaftstrimen on akut ein Aortena ne urysma entwickelte. Möglichk eiten der Beratung und Betreuung betroffen er Marfan-Patientinnen werden erlä ute rt.

Mar fa n's Synd rome a nd Pregnancy, Complicated by Ane urysma Dissecans Pregnant wom en with a Marfan syndrome ca rry a risk of developing a n aorti c a rc diss ection. As th e developing aneurism may be dia gnos ed by echoca rdiogra phy, thi s method should be applied rep eatedly during pr egnan cy. We report the case of a Marfan patient, who develop ed an acute aortic dis section during the third trimest er ofher pregnancy a nd dis cuss th e guidance and surveillance of Marfan pati ents wh o a re or wish to becom e pregnant.

Einleitung Das mit eine r Prävalen z von 0 .004 % an gegebene Marfan-Syndrom ist eine a utoso mal dominant verer bte Störung der Bindegewebs entwicklun g, die sich neb en Hochwu chs. Übe rstrec kbarkeit der Gelenke und Linsenluxati on en bes ond ers in Gefäßve rä nde ru ngen mani festi er t. Elastica de fekte mit Zyste nbildung in der Aorta können Ane urys me n, vor allem a be r Gefäßru pturen in der Aorta as cenden s mit der Entwicklung eines Ane urysm a dissecans bedingen .

Geburtsh. u. Fraue nhe ilk. 51 (1991) 653 -654 © Georg Thi em o Verlag Stuttgart . New Yor k

Mandel et al. (1954) stellten fest, daß 50 % der nachgewiesen en Aneurysm en bei Frau en unter 40 Jahren mit eine r Schwangerschaft asso ziiert waren. Die Mortalitätsrate eine r notfallmäßig durchzuführenden kardiochirurgischen Revision ein es rupturi er end en Aortenan eurysm as liegt derz eit bei 40 % (Bruno et al. 1986). Es wird der Fall eine r schwangere n Patien tin beschri eb en, bei der das Marfan-S yndrom erst in Verbindung mit dem Auftre ten eines Ane urysma diss ecans diagnostiziert wurde. Aufgru nd zügig eingeleitete r Th erapierna ßnahmen konnte das Leb en von Mutter und Kind gerettet werden .

Kasuistik Zum Zeitpunkt der Aufna hme befand sich die 26jährige l.-Gravida (Größe: 2,06 m. 82 ,3 kg). der en Mutter im Alter von 4 2 Ja h re n an einer ge ne ra lisierte n Herzinsuffizien z verstor ben wa r, in der 38. SSW.Je tzt erfolgte d ie stat ionäre Aufna hme wege n zun ächst regelm äßi ger Wehe ntä tigkeit. Am folgend en Tag klagte die Patientin üb er zu nehm end e retrosternale Schm erzen . die bis in das Epiga strium au sstr ahl ten . Auskultatorisch fand en sich üb er dem Erbsehen Punkt ein mitt elho chfr equ ent es. laut es. lagea bhä ngiges Diastoli kurn als Ausdruck einer Aort eninsuffizienz sowi e ein mitteIfrequentes Systolikum üb er der Her zspitze. Das EKG war unauffällig; der Blutdru ck betrug 10 5/6 5 mmHg. Das sofort durchgeführte Echokardiogramm erga b die Diagnose eine r Aorte ndissektion mit Dissekti onsm embran in Höhe der Aorte nkla ppe und in Höhe des Aorten bogens. Notfallmäßig wur de in Allgeme ina nästhes ie und in Ber eitschaft eine s kardi ochirurgischen OP-Team s durch Sectio caesarea ein 288 0 g sch weres. 52 cm lan ges, vita les, weibliche s Neuge bore nes entw ickelt. In der selb en Narkose erfolgte die Thorakotom ie mit Aorte nklappe ne rsa tz und Ersa tz der Aorta ascendens du rch ein Kunststoff-Conduit. Die Kor onararteri en mußten in die Proth ese reimpl antiert we rden . Der postoper ative Verla uf wa r ge kennze ichne t du rch hohe HR-Spitzen mit resu ltier end er Nachblutu ng aus der distalen Anasto mose, so daß eine Rean astomi sierung erforde rlich wurde . Der weite re postoper ati ve Verlauf ges ta ltete sich komplika tionslos, wora ufhin die Pati entin vier Wochen spä te r un ter Antikoagulanti en -Dau ermedik ation in die HEHA-Klinik verlegt we rde n kon nte . In der Univers itä ts -Kinde rklinik wurde inzwisc he n a uch für da s Neuge bore ne die Diagno se eines Marfan -Syndr om s ges tellt.

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Zusammenfassung

Geburts h. u. Frauenh eilk . 5 1 (1991)

I. Kott er-Th oms en, D. Weisn er. E. Lehmann- Willenbrock, S. Suia loe, A. von Hehn

Dis kussion Die limitierte Lebenserwartung der Mar fan-Patientinnen ist zu fast 90 % auf kardi ale Urs ache n zurückzuführen (Mars elese et al. 1989). Als besonders begünstigend für die Bildung eines Aneurysma dissecans wird da s 111. Schwanger schaftstrimen on anges eh en (Cola und Laoin 1985, Fergusan et al. 1983) . Dab ei sche inen die häm odynamischen Verände runge n wie die Erhö hu ng des Blutvolumen s und des Blutdrucks und eine dami t verbundene Steigeru ng der kardialen Leistung für die Aneurysmenr upt ur die wichtigsten pr ädi sp oni er enden Faktore n zu se in 'Mor-Yosef et al. 198 8). Möglicherweise sin d auch horm onelle Einflüsse ursächlich für die Gefäßv er änderungen mitver antwortlich . Für die ärztliche Beratung und Begleitung eine r vom Marfan-Syndrom betroffenen Schwangeren sind folgende Richtlinien empfehlenswert: Das das Marfan- Syndrom dominant vere rbt wird, sollte auf das 50 %ige Risiko der Weiterga be des Gendefektes auf das Kind hingewiesen werde n.

Pyeritz (1981) kam nach retrospektiven Studi en zu dem Schlu ß, daß die Wah rscheinlichkeit einer lebensgefährli chen Komplik ation entsche idend vom kardiovaskul är en Befund vor der Schwanger schaft abhä ngt . Grundsätzlich rät er Patientinn en mit ber eits na chgewiesener Dilatation des Bulbus aortae über 40 mm, eine Schwangers chaft zu vermeiden . Liegt der Durchmesser der Aortenwurzel unte r 40 mm, empfiehlt er eine Schwanger schaft in möglichst frühem Leb ensalter.

Das Wissen um mögliche kardiovaskuläre Komplikati onen und der en frühzeitige Erkennung kön nen entsche idend den Graviditätsverl auf bei Marfan -Syndrom beeinflussen . Literatur 1

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Die Schwan ger schaft eine r Marfan-Patientin ist stets als Hochrisikoschwanger schaft zu behandeln . 4

Hinsichtlich zu befür chtend er kardiovasku lärer Komplikationen ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit eine m Intern isten notw endig. Es sollte eine konsequ ente echokardiographische Über wachung einschließlich der sono gr aphischen Überwachung des Aorte nbogens in 2--4wöchentli chem Rhythmus eingeleitet werd en .

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Zusätzlich zur Routin ekontr olle sollte die fetale Entw icklung in 4wöchentli chen Abstä nde n doku mentiert werden . Im Vorder grund stehe n fetale Knochenm essungen und der Nachweis evtl. schon in uter o auftretend er Aort enaneurysm en. Das diss ezier ende Aort en an eurysma ist in se iner klinischen Symptomatik variabel. In typischen Fällen geh t die meist akut einsetze nde Aortenwa nddissektion mit eine m retrosternalen Schm er z und Schocksymp tom en einhe r. Häufigste Fehldi agnosen sind der Her zinfarkt und die Lungen emboli e. Wird da s Aneurysma echokardiogra phisc h gesiche rt, sollte zu jedem Zeitpunkt der Schwa nge rsc ha ft un verzüglich eine gefäß chirurgische Revision erfolgen. Bei schon lebensfähigem Feten kann zuvor in derselben Narkose eine Sectio caesarea durchgefü hrt werd en. Bleiben die Patientinnen während der Schwangerschaft kardiologisch unauffällig, kann unt er Minimi erung der Kreislaufb elastung in Narkos eber eitschaft eine vaginale Entbindung angestrebt werden . Da auch postp artal aufgetrete ne Aneurysmenrupturen bes chri eben werde n iSnir et al. 1988), sollte die Patientin zunächst unt er engmaschiger internistischer Kontro lle bleiben .

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Brun o, L., M. Prandi, P. Colom bi, L. La Vecchia : Diagn ostic a nd surgi cal managem ent ofpati ent s with ane urys ms ofthe th ora cic aorta with various cause s. Br, Heart J. 55 (1986), 81-91. Cola, L. M., J . P. Lavin: Pregnan cy complicated by Marfan Syndr ome with ao rtic a rch dissection , subse quent ao rtic arch re placeme nt and tripie coro na ry arte ry bypass gra fts. J . Rep rod . Med. 30 (9) (1985), 685-688 . Fergusan 11., J . E., K. Ueland, R. B. Stinso n, H. P. Maly: Marfan's Syndro me: Acute ao rtic disseetion dur ing la bor, resulting in feta l distress a nd cesa rea n seetion, followed by sucessfu l surgica l repair. Am. J . Obstet. Gynecol. 147 (1983), 759- 762 . Marsalese, D. L., D. S. Moodie, M. Vacante, B. W. Lytle, C. GiII, R. Sterba , D. M. Cosgrove , M. Passal acqua, M. Goormastic, A. Kovacs: Marfan 's Syndrom e : Natur al history and long-ter m follow-up of cardiovascula r involvement. J . Am. Coll. Cardio l. 14 (1989),422-42 8. Mor-Yosef, S., J. Younis, M. Gra na t, A. Ked ari, A. Milgalter, J . G. Schenk er : Marfan 's Syndro me in pr egnan cy. Obstet. Gyn. Survey 43 (1988), 382-385. Pyeritz, H. E.: Maternal and fetal complications of pr egnan cy in th e Marfa n Synd rome. Am . J . Med. 71 (1981), 784 - 790 . Snir, E., L. Levinsky, J. Salomon, M. Findler, M. J . Levy, B. A. Vidne : Dissecting aortic an eurys m in pregnant women without Marfan disease. Sur g. Gynecol. Obstet. 167 (1988), 46 3-465.

Dr. Ingrid Kött er-Thoms en Geibelstr . 23 2300 Kiel 1

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[Marfan syndrome and pregnancy, complicated by dissecting aneurysm].

Pregnant women with a Marfan syndrome carry a risk of developing an aortic arc dissection. As the developing aneurism may be diagnosed by echocardiogr...
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