Eine effektive Therapie verlangt die richtige Diagnose

So bieten Sie Kopfschmerzen die Stirn Ist es eine Migräne oder ein Spannungskopfschmerz – oder womöglich ein sekundärer Kopfschmerz bei einem Hirntumor? Kopfschmerzen sind eine alltägliche Herausforderung für den Hausarzt. Oft genügt schon eine ausführliche Anamnese, um die richtige Diagnose zu stellen. Diese ist im Hinblick auf die zu verordnende Therapie besonders wichtig.



Kopfschmerzen sind ein häufig geklagtes Symptom. In über 90% der Fälle handelt es sich um einen primären Kopfschmerz, d. h. Migräne oder Spannungskopfschmerzen. Oft kann in diesen Fällen schon mit einer ausführlichen Anamnese die richtige Diagnose gestellt werden.

Spannungskopfschmerz: episodisch und chronisch Spannungskopfschmerzen sind leichte bis mittelschwere Kopfschmerzen, die im Unterschied zur Migräne, die sich meist einseitig manifestiert, im Bereich des gesamten Kopfes auftreten. Sie haben einen drückend ziehenden, aber keinen pulsierenden Charakter und verstärken sich nicht bei körperlicher Aktivität. Die einzelnen Kopfschmerzattacken dauern 30 Minuten bis 7 Tage. Vegetative Begleitsymptome wie erhöhte Licht- und/oder Lärmempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit treten nur ganz selten auf. „Von den 5% aller Menschen, die unter täglichen Kopfschmerzen leiden, besteht bei ca. 40% ein Spannungskopfschmerz“, so Prof. Hartmut Göbel, Kiel. Für die Betroffenen bedeutet dies eine große Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Anhand der Häufigkeit der Anfälle wird zwischen episodischem und chronischem Spannungskopfschmerz unterschieden. Beim episodischen Spannungskopfschmerz treten die Attacken mindestens zehnmal, aber insgesamt an weniger als 180 Tagen pro Jahr auf. Beim chronischen Spannungskopfschmerz machen sich die Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat in mehr als sechs aufeinanderfolgenden Monaten bemerkbar.

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Muskuläre Verspannungen als Auslöser Pathophysiologisch liegen dem Spannungskopfschmerz erhöhte Schmerzempfindlichkeit der perikraniellen Muskulatur und das Vorhandensein von myofaszialen Triggerpunkten zu Grunde. Die erhöhte muskuläre Sensitivität erhöht den Muskeltonus. „Bei der Konversion in die chronische Verlaufsform kommt es dann auch zu einer zunehmenden zentralen Sensitivierung“, so Göbel. Geeignet für die Therapie des episodischen Spannungskopfschmerzes sind Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen, Naproxen und Metamizol. Für die Prophylaxe werden trizyklische Antidepressiva und Antiepileptika empfohlen. Der selektive neuronale Kalium-KanalÖffner Flupirtin wirkt nicht nur analgetisch, sondern löst auch die muskulären Verspannungen. Wegen Hepatotoxizität darf die Substanz nur maximal zwei Wochen lang eingenommen werden. Botulinum bei Migräne Typisch für einen Migräneanfall ist der mittelschwere bis schwere einseitige pulsierende Kopfschmerz, der sich bei körperlicher Aktivität verstärkt. Er ist begleitet von vegetativen Begleitsymptomen wie Übelkeit und Erbrechen. Treten die Attacken an mehr als 15 Tagen im Monat auf, spricht man von chronischer Migräne. Seit einigen Jahren wird Botulinumtoxin A in der Prophylaxe der chronischen Migräne mit Erfolg eingesetzt. Ursprünglich dachte man, dass die Wirkung auf acetylcholinerge motorische Synapsen für den Therapieeffekt verantwortlich sei. „Neuere Beobachtungen legen ein anderes

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Bild der Wirkung nahe“, so Prof. Andreas Straube, München. Vieles spreche dafür, dass Botulinumtoxin seine Wirkung über eine Modulation der peripheren Schmerzfasern entfaltet, indem es die Ausschüttung von Schmerz induzierenden Neuropeptiden hemmt. Daraus ergibt sich, dass bei der Migräneentstehung die Aktivierung von peripheren trigeminalen Schmerzfasern eine wichtige Rolle spielen dürfte. Dafür spricht auch die Beobachtung, dass Botulinumtoxin dann am besten wirkt, wenn es in Areale injiziert wird, die trigeminal innerviert sind. Kopfschmerzen bei Kindern Kopfschmerzen treten auch im Kindesund Jugendalter auf, ja sie sind sogar eines der häufigsten Krankheitsbilder in dieser Altersgruppe. „Die Kopfschmerzen beginnen im Kindes- und Jugendalter, aber sie enden nicht dort“, erläuterte Prof. Florian Heinen, München. Jedes zweite betroffene Kind transferiert das Problem Kopfschmerz in das Erwachsenenalter. Die Migräne bei Kindern ist oft mit Nackenschmerzen und auch mit psychischen Störungen assoziiert. Gerade in dieser Altersgruppe ist das Symptom „Schmerz“ häufig Folge eines Traumas, sodass immer ein Traumascreening durchgeführt werden sollte. „Das Thema Kopfschmerzen bei Kindern ist ein zunehmendes Problem und wird nicht modisch problematisiert“, betonte Heinen. Auch an trigeminoautonome Kopfschmerzen denken Zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzen, die auch bei Kindern auftreten können, gehören der Clusterkopfschmerz und die paroxysmale Hemikranie. Auch diese Erkrankungen können episodisch oder chronisch verlaufen. „Typisch sind heftige halbseitige Kopfschmerzattacken, die in der Regel nur kurz (15 bis 180 Minuten) anhalten und mit mehr oder weniger

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ausgeprägten autonomen Begleitsymptomen einhergehen“, so PD Dr. Charly Gaul, Königstein. Dazu gehören konjunktivale Injektion, Lakrimation, nasale Kongestion bzw. Rhinorrhö, Lidödeme, Schwitzen oder Erröten im Bereich der Stirn oder des Gesichts, Völlegefühl im Ohr und Miosis bzw. Ptosis. Am häufigsten ist der Clusterkopfschmerz, der vor allem nachts auftritt und sich bei körperlicher Aktivität bessert. „Cluster-Patienten laufen herum, MigränePatienten bleiben liegen“, so Gaul. Empfohlene Medikamente sind Triptane, Verapamil und Indometacin, außerdem hilft Sauerstoff, Dr. med. Peter Stiefelhagen ■ ■ Schmerzkongress 2014, Hamburg

Studie bei Migränepatienten

Positive Erwartung erhöht die Wirksamkeit der Tabletten „Wirkt eher nicht, aber wir können es mal probieren“ – das sollten Ärzte ihren Patienten besser nicht sagen. Bei Migräne nützt die Therapie dann kaum noch. Dagegen verhelfen positive Formulierungen auch Placebos zu ungeahnter Stärke. In einer Studie bei 66 Migräne-Patienten mit insgesamt 459 Kopfschmerzattacken wurde untersucht, inwieweit eine Wirkungserwartung die Wirksamkeit eines Medikaments beeinflussen kann. Die Patienten erhielten zufällig ein Triptan oder Placebo, wobei aber die Verpackungen beider Mittel entweder mit der Aufschrift „Placebo“ oder „Placebo oder Arzneimittel“ oder „Arzneimittel“ gekennzeichnet waren. Ersteres sollte eine negative, letzteres eine positive und die mittlere Verpackung eine unsichere Wirkungserwartung vermitteln. „Die Wirksamkeit beider Arten von Medikamenten, also sowohl des Triptans als auch des Placebos, wurde durch eine positive Wirkungserwartung gesteigert“, sagte Dr. Arne May, Hamburg. Selbst dann, wenn der Patient wusste, dass er ein Placebo einnahm, habe sich eine Wirkung gezeigt. Eine negative Wirkungserwartung führte dagegen auch bei tatsächlicher Einnahme des Triptans zu einer schlechteren Wirkung. sti/mut ■

Teratogenität ausschließen

Migräne bei Schwangeren: Wie sicher sind Triptane? Frauen im gebärfähigen Alter leiden häufig an Migräneattacken. Dagegen helfen kann eine Behandlung mit Triptanen. Doch die essenzielle Frage, ob diese Substanzklasse toxische Schädigungen bei Feten hervorrufen könnte, ist nicht eindeutig geklärt. Eine Metaanalyse der Arbeitsgruppe um Alexander Marchenko, Universität in Toronto, sollte über die Sicherheit einer Triptanbehandlung in der Schwangerschaft Klarheit schaffen. Sechs randomisierte, kontrollierte Studien wurden berücksichtigt. Diese umfassten insgesamt 4.208 Kinder, deren Mütter während der Gravidität Sumatriptan oder andere Triptane eingenommen hatten sowie 1.466.994 Kinder, bei deren Müttern diese Migränemedikamente nicht verwendet worden waren. Danach kam es bei den Kindern bzw. Müttern aus der Triptangruppe nicht häufiger zu schweren kongenitalen Fehlbildungen, Frühgeburten oder Aborten als bei Kindern, deren Mütter zwar an Migräne gelitten, dagegen aber keine Triptane genommen hatten. Auch wurden bei den Triptan-exponierten Kindern nicht mehr Fehlbildungen oder Frühgeburten beobachtet als bei Kindern von gesunden, also migränefreien

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Müttern; allerdings waren spontane Aborte in der Triptangruppe häufiger. Potenzielle Gefahr bei unbehandelter Migräne Kongenitale Dysmorphien traten beim Nachwuchs von Migräne geplagten Frauen, die keine Triptane genommen hatten, signifikant häufiger auf als bei Kindern von gesunden Frauen. Das bedeute, dass eine unbehandelte Migräne möglicherweise ein gewisses teratogenes Risiko berge, schreiben die Autoren. Zwar muss diese Hypothese erst mit qualitativ hochwertigen Studien erforscht werden. Doch bei der Entscheidung für eine Migränebehandlung von Schwangeren dürfe man dieses potenzielle Risiko nicht außer Acht lassen. „Akzeptables Risiko“ für Triptane Was die Triptane betrifft, scheint es nach aktueller Datenlage bei der Anwendung in der Schwangerschaft nicht häufiger zu

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Welche Migränemittel darf sie nehmen?

Missbildungen oder Frühgeburten zu kommen. Man könne also von einem „akzeptablen Risiko“ sprechen, schlussfolgern Marchenko und Kollegen. Allerdings erlaube es die aktuelle Evidenz nicht, irgendein Triptan als zweifellos „nicht teratogen“ einzustufen. Die beobachtete erhöhte Rate an spontanen Fehlgeburten etwa bedarf weiterer Forschungsarbeit. vsc ■ ■ Marchenko A et al. Headache 2015;55:490–501

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[Managing the headache].

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