Laryngo-Rhino-Otologie 2014 487

Operative Techniken

Management der mittleren und oberen Nasenmuschel

D. Simmen N. Jones

Priv.-Doz. Dr. Daniel Simmen Zentrum für HNO- und plastische Gesichtschirurgie ORL-Zentrum Witellikerstraße 40 8032 Zürich Schweiz Nick Jones MD; BDS; FRCS; FRCS (ORL), Professor Department of Otorhinolaryngology Head and Neck Surgery University Hospital Queens Medical Centre Nottingham NG7 2UH Großbritannien Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 D-70469 Stuttgart, Germany

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Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht, Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 487 – 492 · © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0935-8943

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Aus: D. Simmen, N. Jones: Chirurgie der Nasennebenhöhlen und der vorderen Schädelbasis 1. Englische Auflage 2005, Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, New York, 2005; Seiten 89–100

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Einer der Hauptunterschiede zwischen dem vorliegenden und anderen Büchern zum Thema ist unsere Sorge um den Geruchssinn und unsere besondere Rücksichtnahme hinsichtlich der Nasenmuschel und damit des olfaktorischen Gewebes. Einige Autoren verteidigen die Resektion der mittleren Muschel zwecks leichterem Zugang mit dem Argument, so das Vorkommen von Adhäsionen zu verringern. Wir hingegen versuchen, die gesamte olfaktorische Schleimhaut auf der medialen Oberfläche der ethmoidalen Muscheln und dem Septum zu erhalten. Ein Patient, der unter Anosmie oder schwerer Hyposmie leidet, wird seinen Geruchssinn nach der Operation nicht vermissen, da dieser schon vorher schlecht war. Das hat dazu geführt, dass Chirurgen selbstgefällig im Umgang mit dem Geruchssinn wurden, vor allem bei Patienten mit spät einsetzendem Asthma und Polypen der mittleren Muschel. Dabei sind die Operationsresul-

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tate verschieden (70 % mit Hyposmie verbessern sich, dies aber selten länger als 6 Monate, selbst unter kontinuierlicher medikamentöser Therapie). Kann der Chirurg den Geruchssinn eines Patienten durch Erhaltung der gesamten Schleimhaut im olfaktorischen Gebiet auf dem Septum und den Muscheln durch bewusstes Eröffnen der Riechspalte wiederherstellen, wird dieser ihm für die lang anhaltende Verbesserung seiner Lebensqualität sehr dankbar sein.

Chirurgische Techniken



Die mittlere und obere Muschel sollten nach einer kompletten Sphenoethmoidektomie sanft lateralisiert werden, um die Riechspalte zu öffnen. Eine atraumatische Lateralisation der Muscheln ist nur möglich, nachdem Platz für sie geschaffen wur▶ Abb. 1). Das reduziert den Mukosa-Mukosa-Kontakt in de (● diesem Gebiet und erlaubt einen besseren Zugang für topische endonasale Steroide.

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Abb. 1 a–d a, b Zustand nach einer Sphenoethmoidektomie am anatomischen Präparat und halbschematische Zeichnung. Die Keilbeinhöhle ist lateral und medial der oberen Muschel einzusehen. c, d Durch die vorsichtige Lateralisation der mittleren Muschel wird eine offene Einsicht auf den Recessus sphenoethmoidalis gewonnen und eine bewusst gewünschte Erweiterung der Riechspalte.

Abb. 2 a–b Die maxilläre Sinusotomie muss bis unter den unteren Rand der mittleren Muschel ausgedehnt werden, damit die Kieferhöhle durch dieses Muschelmanöver nicht verschlossen wird!

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Abb. 3 a–c a Ausgedehnte Polyposis in Ethmoid und Riechspalte trotz hoch dosierter oraler Steroidgabe über mehrere Tage. b Perioperative vorsichtige Lateralisation der mittleren Muschel nach durchgeführter Sphenoethmoidektomie. Die Polypen auf der medialen Muschelfläche werden bewusst belassen. c Endoskopischer Befund 1 Jahr später: Nach konsequenter Behandlung mit topischen Steroiden hat sich die Polyposis in der Riechspalte nach deren Exposition zurückgebildet.

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Abb. 4 a–c Abtragung der lateralen Hälfte einer Concha bullosa mit einer Züricher Mikroschere.

Auch wenn es Ihnen schwer fällt, der Versuchung zu widerstehen, Polypen medial der mittleren Muschel zu verkleinern oder zu entfernen, ist es von Vorteil, diese Schleimhaut zu erhalten. Eine präoperative Behandlung mit Steroiden wird helfen, die Größe der Polypen zu verringern. Nur jene Polypen, die von der posterioren Siebbeinhöhle unterhalb der oberen Muschel stammen, sind zu entfernen, die an Septum oder mittlerer Muschel ansetzenden jedoch nicht. Wird die mittlere Muschel auf diese Art und Weise verlagert, muss die mittlere meatale Antrostomie so durchgeführt werden, dass sie in einer Ebene unter dem unteren Rand der mittleren Muschel liegt. So kann das Ostium maxillare nach Lateralisierung der mittleren Muschel immer noch gut drainieren ▶ Abb. 2). (● Außerdem können mit einem 45 °-Endoskop die maxilläre Sinusotomie, der Recessus frontalis sowie die Siebbeinzellen eingesehen werden. Die mittlere Muschel sollte relativ stabil bleiben, solange man sie nur sanft lateralisiert und die Basis oder die inferiore horizontale Komponente der Grundlamelle erhält. Selbst wenn sie sehr mobil ist, ziehen wir es trotzdem vor, sie zu lateralisieren, als dass sie am Septum klebt und die Gefahr besteht, den Geruchssinn zu beeinträchtigen. Ist die Riechspalte geöffnet, lösen sich selbst große Polypen medial zur mittleren Muschel auf. Deshalb besteht kein Grund zur ▶ Abb. 3). Polypen Beunruhigung, wenn diese belassen werden (● in der Riechspalte zu entfernen ist einfach – schwierig ist es, olfaktorisches Epithel, das dabei mit entfernt worden ist, wieder zurückzubringen!

Abb. 5 Frontosphenoethmoidektomie. Zusätzlich zur einen Sphenoethmoidektomie wird der Recessus frontalis und damit die Stirnhöhle eröffnet.

Alternative Techniken



Ist eine Concha bullosa vorhanden, kann die laterale Hälfte der Muschel reseziert werden: Die anteriore Oberfläche wird mit einem Sichelmesser eingeschnitten und der laterale Anteil durch freies Schneiden mit Mikroscheren oder mit geraden, scharfen ▶ Abb. 4). Zangen entfernt (●

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ihnen ein längeres symptomfreies Intervall zu verschaffen ▶ Abb. 6). (● Eine Minderheit der Patienten mit Polyposis leidet unter frontalen Symptomen. Bei ihnen würden wir den Recessus frontalis eröffnen. Auch bei Patienten mit postoperativer Stenose des Recessus frontalis sowie Symptomen ist das Eröffnen dieser Region notwendig. Bei Patienten mit Pathologien, die den Recessus frontalis betreffen, z. B. mit einer Pilzerkrankung oder Mukozele, ist eine weite Öffnung der Recessus-frontalis-Region erforder▶ Abb. 7, 8). lich (● Osteome verursachen selten Symptome, außer wenn sie so groß sind, dass sie ästhetische Deformationen oder Mukozelen verursachen (Hehar et al. 1997). Vorsicht, wenn der Patient andere Symptome, z. B. Schmerzen, aufweist! Ein Osteom verursacht selten diese Symptome. Osteome sind so häufig, dass sie am ehesten ein zufälliger Befund sind. Abb. 7 Frontosphenoethmoidektomie (hellblau) und zusätzlich Mediandrainageoperation (dunkelblau).

Manchmal versperrt eine Concha bullosa den Zugang zur Uncinektomie, wo nur eine Infundibulotomie verlangt ist. So kann zuerst mikrochirurgisch der laterale Anteil der Muschel entfernt werden und dann der Processus uncinatus.

Frontosphenoethmoidektomie ± Sinusotomie Typ I, II, III



Terminologie und Einteilung Die Frontosphenoethmoidektomie umfasst: ▶ eine anteriore und posteriore Ethmoidektomie ▶ eine Sphenoidotomie sowie ▶ die Eröffnung des Recessus frontalis mit einer frontalen Sinusotomie. Dieser Eingriff ist eine Kombination aus allen zuvor beschriebe▶ Abb. 5). nen operativen Schritte im Nebenhöhlensystem (●

Indikationen Die Frontosphenoethmoidektomie ist hauptsächlich für Patienten mit persistierenden Symptomen nach einer anterioren und posterioren ethmoidalen Operation vorgesehen. Bei Patienten mit schwerer, rezidivierender Polyposis ist es am besten, die gesamten Zellen – inklusive Recessus frontalis – zu eröffnen, um

Sphenoidotomie



Terminologie und Einteilung Bei der Sphenoidotomie wird der Sinus sphenoidalis über einen ▶ Abb. 9). transnasalen Zugang geöffnet (● Sphenoidale Typ-I-Sinusotomie: Identifizierung des Ostium sphenoidale ohne weitere operative Manipulation. Sphenoidale Typ-II-Sinusotomie: Öffnung des Sphenoids an der inferioren Seite bis zur Hälfte seiner Höhe und aufwärts bis zur Schädelbasis. Sphenoidale Typ-III-Sinusotomie: Die Sphenoidotomie wird bis zum Boden des Sinus und lateral bis zu seinen wesentlichen ▶ Abb. 10). Strukturen ausgedehnt (●

Indikationen Bei isolierten Keilbeinhöhlenerkrankungen, z. B. Aspergillose, purulenten bakteriellen Infektionen, invertierten Papillomen oder Mukozelen und bei Biopsien von Schädelbasisläsionen besteht die Indikation zur Sphenoidotomie.

Anatomie Zum bereits Aufgeführten ist einzig hinzuzufügen, dass der Septumast der A. sphenopalatina horizontal durch die anteriore Wand des Os sphenoidale zieht. Bei einer Typ-III-Sinusotomie ist eine Durchtrennung der Arterie unvermeidlich. Sie muss nahe dem Foramen sphenoidale koaguliert werden.

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Abb. 6 a–c Endokopisches Bild nach Frontosphenoethmoidektomie bei schwerer Polyposis. Die noch vorhandene geringfügige Schleimhautentzündung muss weiterhin mit regelmäßigen Spülungen der Nase und mit topischen nasalen Steroiden behandelt werden. Kieferhöhle, mittleren Nasengang und offene Geruchsspalte mit Keilbeinhöhleneröffnung a. Aufsicht auf die Schädelbasis mit der A. ethmoidalis anterior b. Frontale Sinusotomie Typ II c.

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Abb. 8 a–c Frontosphenoethmoidektomie und Mediandrainageoperation bei schwerer Polyposis und linksseitiger Stirnhöhlenmukozele a,b CT vor und nach der Operation c Endoskopischer Befund 5 Jahre später.

Abb. 11 Zustand nach Typ-I-Sphenoidotomie, bei der eine Exposition, aber keine Erweiterung des Keilbeinhöhlenostiums vorgenommen wurde. Aus dem Ostium tritt Mukus aus.

Chirurgische Techniken

Abb. 9 Isolierte Sphenoidotomie. Das Hellgrün zeigt an, dass es nötig sein kann, auch die hinteren Siebbeinzellen in die Operation einzubeziehen – je nach zugrunde liegender Pathologie.

Die Keilbeinhöhle kann sicher erreicht werden, indem der Chirurg nahe dem Septum in der Mittellinie verbleibt und mit einem geraden Sauger (2–3 mm Durchmesser) der posterioren Wand des Sphenoids 1–1,5 cm von der Schulter der posterioren ▶ Abb. 11). Choane entfernt nach oben folgt (● Eventuell muss die mittlere Nasenmuschel vorsichtig lateralisiert werden, um den Zugang zum Recessus sphenoethmoidalis zu gewährleisten. Die posteriore Choane bildet eine Leiste, die getastet werden kann, selbst in Situationen mit eingeschränkter Sicht, etwa bei einer Blutung. Sobald das Ostium des Sinus sphenoidalis lokalisiert ist, kann es mithilfe einer kleinen 45 °-Zange erweitert werden. Um es zu vergrößern, wird eine Hajek-Kofler-Stanze, eine scharfe Stammberger-Ringstanze oder eine „Pilzstanze“ benutzt. Am besten bleiben Sie nahe der Mittellinie, um Verletzungen einer dehiszenten Karotis oder des Sehnervs zu verhindern, die aufgrund von Sichtbehinderung durch Mukusretention oder Polypen im CT nicht erkennbar waren. Das Ostium sphenoidale sollte nicht unterhalb einer Ebene tiefer als die Hälfte der gesamten Höhe des Sinus eröffnet werden, da ein Ast der A. sphenopalatina durch seine anteriore Wand zieht. Wird dieser durchtrennt, ▶ Abb. 12). kann es zu starken Blutungen kommen (●

Abb. 10 Der schattierte, runde Kreis stellt das Ostium nach einer Typ-ISphenoidotomie dar. Eine Typ-II-Sphenoidotomie vergrößert das Ostium nach oben und unten – hier ein vertikales Rechteck. Eine Typ-III-Sphenoidotomie verbindet das Sphenoid mit den hinteren Siebbeinzellen – hier dargestellt durch die Verbindung der hell- und dunkelgrünen Kästen.

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Abb. 12 a, b Aspergillose des linken Sinus sphenoidalis. CT vor a und endoskopisches Bild nach Typ-II-Sphenoidotomie b.

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Abb. 13 a–c Dermoid des linken Sinus sphenoidalis mit Ausdehnung nach lateral. a,b Axiales CT und MRT. c Postoperativer endonasaler Befund nach einer Typ-III-Sphenoidotomie.

Gelegentlich ist die Scheidewand innerhalb des Sphenoids sehr schief und eine Seite infolgedessen sehr klein. Vorsicht ist beim Entfernen einer solchen Scheidewand angebracht, da sie bei über 75 % der Patienten schräg verläuft und am Knochen über

der A. carotis interna ansetzen kann. Ist das Sphenoid nur rudimentär oder der umgebene Knochen hyperostotisch, muss sorgfältig abgewogen werden, ob das Eröffnen einen Vorteil bringt. ▶ Abb. 13). Dies ist selten der Fall (●

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