Übersicht

Versorgung des akuten ischämischen Schlaganfalls1 Management of acute ischemic stroke

Autoren

C. H. Nolte1, H. J. Audebert2

Institute

1 2

Schlüsselwörter

●▶ akuter ischämischer Schlaganfall

●▶ Apoplex ●▶ Hirninfarkt ●▶ Notfallmanagement ●▶ Review Keywords

●▶ acute cerebral infarction ●▶ apoplexy ●▶ stroke ●▶ emergency medical management

●▶ review

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0042-101178 Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84: 14–18 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0720-4299 Korrespondenzadresse PD Dr. Christian H. Nolte Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie Hindenburgdamm 30 12203 Berlin [email protected]

Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie Charité, Centrum für Schlaganfallforschung Berlin

Einleitung



Der akute Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall. In der Akutversorgung müssen die Diagnose gesichert, Basismaßnahmen eingeleitet und spezifische Therapieoptionen überlegt werden. Alle Teile der Versorgungskette – vom Laienhelfer über den Rettungssanitäter bis zum Schlaganfallspezialisten – können dazu beitragen, diese Aufgaben zu bewältigen. Doch alle Bemühungen stehen unter Zeitdruck, denn „time is brain“ [15, 18, 26]. Symptome. Der Schlaganfall ist eine meist apoplektiform einsetzende fokal-neurologische Störung vaskulärer Genese. Charakteristisch sind die Dynamik (plötzlich) und die Konstellation der Beschwerden / Symptome (das Syndrom). Typische Beschwerden sind der plötzliche Verlust neurologischer Funktionen wie Gehunfähigkeit, Kommunikationsunfähigkeit, Gesichtsfeldeinschränkungen oder Doppelbilder, aber auch starke Kopfschmerzen. Klassische Untersuchungsbefunde (in absteigender Häufigkeit) sind ▶ plötzlich aufgetretene Paresen, ▶ Hypästhesien, ▶ Dysarthrien, ▶ Aphasien, ▶ Ataxien und ▶ Okulomotorikstörungen [25]. Der Schlaganfall ist primär ein klinisch definiertes und ein polyätiologisches Syndrom. Häufige Dif▶ Tab. 1. Das hervorsteferenzialdiagnosen zeigt ● chende Merkmal ist der meist apoplektiforme Beginn. Rolle der Schnittbilddiagnostik. Die spezifische Einordnung als ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall ist essentiell, da eine grundlegend unterschiedliche Therapie notwendig ist.

1

Erstveröffentlichung in Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1583–1586

Nolte CH, Audebert HJ. Versorgung des akuten … Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84: 14–18

Damit kommt der zerebralen und zerebrovaskulären Bildgebung eine Schlüsselrolle zu [20, 26, 36]. Sie erfolgt überwiegend initial per Computertomografie (CT). Die CT kann eine Blutung bereits kurz nach Symptombeginn mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität verifizieren. Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist hierfür genauso gut geeignet und hat eine Reihe zusätzliche Potenziale (s. u.) [36]. Der Patient muss daher eine entsprechende Schnittbilddiagnostik erhalten, wofür er in der Regel zu einer geeigneten Klinik gebracht werden muss.

Prähospitale Versorgung



Schlaganfall erkennen. Entscheidend für die prähospitale Versorgung ist, dass Laien und Ersthelfer über die Symptome Bescheid wissen, sodass sie adäquat handeln [20, 22, 32, 35]. Die Funktionsausfälle müssen als mögliche Schlaganfallsymptome identifiziert werden, bei denen schnellstmögliches Handeln geboten ist. Zur Erstbeurteilung wird häufig der sogenannte FAST-Test propagiert. Das Akronym FAST steht für die englischen Worte Face (Gesicht), Arm (Arme) und Speech (Sprache / Sprechen) und Test, bei dem die mimische Muskulatur, die Kraft der Arme und die Kommunikationsfähigkeit getestet werden [30]. Laienwissen verbessern. Das Laienwissen zur Akutversorgung des Schlaganfalls weist leider große Defizite auf. Typische Risikofaktoren und Schlaganfallsymptome sind nicht bekannt [22, 29, 35]. Dieses Unwissen verursacht Zeitverzögerungen [29]. Laienwissen und -handeln kann aber durch Aufklärungskampagnen verbessert werden [23]. Die geringste Zeitverzögerung entsteht, wenn der Transport ins Krankenhaus per Rettungs- / oder Notarztwagen erfolgt [20, 32]. Auch ist es wichtig, Schlaganfallpatienten als solche im telefonischen Alarmierungssystem zu identifizieren, um diagnosespezifische Maßnahmen zu bahnen. Eine struk-

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

14

Übersicht

Häufige Differenzialdiagnosen des Schlaganfalls [17, 26, 32].

Tab. 2

Häufige Imitatoren eines Schlaganfalls (sogenannte „Stroke Mimics“) – akute Hypoglykämie

Maßnahmen in der prähospitalen Versorgung des Schlaganfalls.

– Schweregrad des Schlaganfalls einstufen (Ausmaß der Defizite erfassen) – Indikation für eine Thrombolyse abschätzen – Zeitbeginn der Symptome bzw. Zeitpunkt, zu dem die Symptome zuletzt nicht vorlagen (ggf. Fremdanamnese) – Vorerkrankungen, insbesondere zurückliegende Schlaganfälle, Herzinfarkte, Verletzungen, Operationen, Blutungsereignisse, Krebserkrankungen mit Blutungsrisiko – Medikamentenanamnese: Antikoagulanzien, Antihypertensiva, Antidiabetika

– Migräneaura – epileptischer Anfall mit Todd’scher Parese – peripher-vestibuläre Störung – zentral-entzündliche Erkrankung – dissoziative Störungen

turierte Befragung kann über 50 % der Notrufe der Diagnose Schlaganfall korrekt zuordnen [21]. Stroke Units in Deutschland. Der Transport sollte in ein Krankenhaus mit Schlaganfallspezialstation (Stroke Unit) erfolgen. In Deutschland gibt es über 270 Stroke Units, die die Qualitätsstandards gemäß der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG) erfüllen [24]: http://www.dsg-info.de/stroke-units/stroke-unitsuebersicht.html. Diagnostik beim Transport. Während des Transports zum Krankenhaus sollten die Vitalparameter Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung und Temperatur erfasst werden, da sie für die weitere Behandlung relevant sein können [18, 26]. Mit point-of-care Methoden können heutzutage Blutzucker und ggf. Gerinnungswerte bestimmt werden. Um die Indikationsstellung für rekanalisierende Therapien, wie die Lysetherapie oder die mechanische Rekanalisation, zu beschleunigen, sollte man bereits prähospital nach Möglichkeit folgende Informationen recherchieren: ▶ Zeitpunkt des Symptombeginns ▶ bei unklarem Beginn: der letzte Zeitpunkt, zu dem definitiv noch keine Symptome vorlagen ▶ Vorerkrankungen, die gegen eine Lyse sprechen (z. B. aufgrund eines nicht kontrollierbaren, hohen Blutungsrisikos im Rahmen von Verletzungen, Operationen, Blutungsereignissen) ▶ Medikamente als Kontraindikation gegen die Lyse (z. B. orale Antikoagulanzien) ▶ Kontaktdaten von Angehörigen, die Auskunft geben können, insbesondere bei aphasischen Patienten [20, 26] Patienten sollten einen intravenösen Zugang idealerweise am nicht paretischen Arm erhalten und nüchtern bleiben. Wenn ▶ Tab. 2). möglich, sollte ein EKG-Monitoring erfolgen (● Blutdruck – wann intervenieren?. Blutdruckwerte zwischen systolisch 140–220 mmHg und diastolisch < 120 mmHg stellen in der Akutsituation zunächst keine Indikation zur Intervention dar. Nur Werte oberhalb dieser Grenzen sollten vorsichtig, z. B. mit Urapidil i. v., gesenkt werden. Erstmaßnahme bei niedrigen Blutdruckwerten ist die Volumensubstitution. Spezifische Maßnahmen können erst nach der zerebralen Bildgebung ergriffen werden [15, 18, 26]. Stroke-Einsatz-Mobil. Dass eine zerebrale Bildgebung auch prähospital in einem spezialisierten Fahrzeug durchgeführt werden kann, wurde kürzlich in zwei Projekten mit speziellen Schlaganfall-Rettungswagen bewiesen [7, 39]. Im Berliner Stroke-EinsatzMobil (STEMO) ist ein CT eingebaut [14]. Außerdem ist ein Labor sowie ein Neurologe und speziell geschultes Rettungspersonal an Bord. Die Lyse im STEMO war sicher, d. h. ohne erhöhte Risiken für die Patienten.

– Laborparameter bestimmen (Glukose, Gerinnung, Blutbild – soweit als point-of-care vorhanden) – Vitalparameter erfassen (Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung, Temperatur) – venösen Zugang im nicht-paretischen Arm legen – zu unterlassen sind die Gabe von ASS, Heparinen oder Steroiden sowie i. m.-Applikationen

Eine Lysebehandlung innerhalb der ersten 60 Minuten nach Symptombeginn wurde fast nur bei STEMO-Versorgung erreicht und war mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit einer Entlassung nach Hause assoziiert [9].

Intrahospitale Versorgung



Versorgung im Krankenhaus. Diese ist besonders effektiv, wenn bereits viele Informationen auf dem Weg zur Klinik gewonnen werden konnten. Die auf dem Weg ins Krankenhaus durchgeführten Maßnahmen müssen intrahospital ergänzt oder ggf. wiederholt werden. Empfohlen werden: ▶ Blutbild ▶ aPTT ▶ INR ▶ Natrium ▶ Kalium ▶ Blutzucker ▶ Kreatinin ▶ ein Parameter bzgl. kardialer Schädigung (CK-MB oder besser Troponin) [18, 26]. Notwendig ist ein EKG und im Falle einer Lungenerkrankung ein Röntgen-Thorax.

Neben der Sicherung der Vitalfunktionen ist die zerebrale Bildgebung der elementare diagnostische Schritt [15, 18, 26]. Spezifische Triage kann die Zeitverzögerungen intrahospital verbessern [28]. Die Indikation zur Lysetherapie kann im Normalfall aufgrund von Anamnese, klinischem Befund, CT und Blutglukose gestellt werden. In besonderen Fällen ist spezifische Diagnostik ▶ Tab. 3). Die Blutglukose ist besonders relevant, notwendig (● weil v. a. die Hypoglykämie eine wichtige Differentialdiagnose ist, die Hyperglykämie das sekundäre Einblutungsrisiko nach Lysetherapie erhöht, und auch die Prognose nach ischämischem Schlaganfall allgemein beeinflusst [1, 6].

Der Einsatz des STEMO führte zu einer signifikanten Verkürzung der Zeit zwischen Symptom- und Lysebeginn [7] und verbesserte die prähospitale Triage [41].

Nolte CH, Audebert HJ. Versorgung des akuten … Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84: 14–18

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Tab. 1

15

Übersicht

Alle Patienten

Diagnostik, die nur durchgeführt

In besonderen Fällen

Tab. 3 Notwendige apparative Diagnostik bei Patienten mit Verdacht auf akuten Schlaganfall.

wird, wenn sie eine Lyse nicht verzögert – Nativ-CT oder MRT – Blutglukose

– Elektrolyte, Kreatinin – EKG – Laborparameter kardialer Schädigung (vorzugsweise Troponin) – Blutbild (es sei denn, dass Blutungszeichen vorliegen) – aPTT, INR (es sei denn, dass Blutungszeichen vorliegen) – Sauerstoffsättigung

– – – – – –

Leberfunktionstest toxikologisches Screening Alkoholspiegel Schwangerschaftstest Blutgasanalyse (bei Verdacht auf globale Hypoxie) Röntgen-Thorax (bei Verdacht auf Lungenerkrankung) – Lumbalpunktion (bei Verdacht auf Subarachnoidalblutung und CT ohne Blutungsnachweis) – EEG (bei Verdacht auf epileptischen Anfall [18, 26])

Bildgebung



Nativ-CT. Bereits ein Nativ-CT reicht aus, um Hämorrhagien und andere, nicht-ischämische Pathologien zu erkennen. Die Indikation zur Lysetherapie kann bei fehlender Infarktdemarkierung gestellt werden. Das Nativ-CT beansprucht eine kurze Untersuchungszeit und erlaubt eine Überwachung des Patienten. Es ist weiterhin der Standard in der Akutversorgung [36]. MRT. In der Darstellung des ischämischen Areals ist das Magnetresonanztomogramm (MRT) dem Nativ-CT überlegen. Es kann mittels der sogenannten DWI-Sequenz bereits in der Frühphase ischämisches Gewebe identifizieren [36]. Auch im Nachweis von Blutungen ist es dem Nativ-CT mindestens ebenbürtig [12]. Die MRT-Angiografie lässt – wie die CT-Angiografie – eine differenzierte Gefäßbaumdarstellung zu und kann Gefäßverschlüsse verlässlich nachweisen. Im MRT kann sie aber mit der Time-of-flight (TOF)-Technologie ohne Kontrastmittel durchgeführt werden. Der Nachweis eines proximalen Gefäßverschlusses ist für die Indikationsstellung einer mechanischen Rekanalisation unabdingbar.

Stroke Unit



Reduktion der Letalität. Die Einrichtung von spezialisierten Stationen, den „Stroke Units“, hat einen sehr großen Anteil an der Reduktion von Letalität und Morbidität des Schlaganfalls [13]. Stroke Units haben das multidisziplinäre Personal, das Wissen und die Infrastruktur, um die relevanten Entscheidungen und Maßnahmen der Akutversorgung zu treffen. Dazu gehören ▶ die Basismaßnahmen (●▶ Tab. 4), ▶ das Erkennen und frühe Behandeln von häufigen Komplikationen, ▶ eine frühe Sekundärprophylaxe sowie ▶ die Indikation der Lysetherapie und mechanischen Rekanalisation. Viele diagnostische und therapeutische Maßnahmen können bereits innerhalb der ersten 72 h getroffen werden [24, 40]. Untersuchung per Videokonferenz. Eine Stroke-Unit-Versorgung ist in mittelgroßen Krankenhäusern auch mit telemedizinischer Unterstützung möglich [2]. Hierbei wird bei Krankenhausaufnahme nicht zwingend vor Ort neurologisch untersucht, sondern insbesondere außerhalb der Dienstzeiten über Videokonferenz. Wichtig ist dabei allerdings, dass eine Prognoseverbesserung im Vergleich zur Krankenhausbehandlung auf Allgemeinstation nur bei konsequenter Anwendung des Stroke-Unit-Konzepts beschrieben ist [3].

Tab. 4 – – – – – – – – – –

Basismaßnahmen auf einer Stroke Unit [24].

Blutdrucktherapie Blutzuckertherapie standardisiertes Screening nach Schluckstörungen frühe Mobilisierung, frühe Rehabilitation Aufmerksamkeit gegenüber der Entwicklung von Infekten und deren frühzeitige Behandlung Prophylaxe tiefer Beinvenenthrombosen Gabe von Thrombozythenaggregationshemmern innerhalb von 48 h (unmittelbar nach Blutungsausschluss, außer bei Lyse) Aufklärung über Genese, Risikofaktoren, gesundheitsförderndes Verhalten Indikationsstellung zur Karotisendarteriektomie mittels Gefäßdarstellung Suche nach Vorhofflimmern durch EKG-Monitoring

Basismaßnahmen



Schluckstörungen überprüfen. Basismaßnahmen und frühe Sekundärprophylaxe umfassen ▶ frühe Mobilisierung, ▶ Beginn von Rehabilitationsmaßnahmen und ▶ Screening nach Schluckstörungen. Je nach Ausmaß der Schluckstörung sollte die Nahrung nur angedickt verabreicht oder eine Nasen-Magen-Sonde gelegt werden. Dies ist Teil der Pneumonieprophylaxe. Pneumonien treten nach Schlaganfall gehäuft auf und sind prognostisch ungünstig [11, 16]. Je früher, desto besser? Eine kürzlich erschienene randomisierte Studie zeigte für eine ultrafrühe und intensive Mobilisierung innerhalb von 24 h ein ungünstigeres Behandlungsergebnis nach 3 Monaten als die Standard-Behandlung auf einer Stroke Unit. In diesem Fall besteht also kein positiver Dosis-WirkungsZusammenhang [5]. Schlechter war der Verlauf in der AVERTStudie insbesondere bei schweren Schlaganfällen oder intrazerebralen Blutungen, so dass die in diesen Fällen oft gestörte Blutdruckregulation bzw. deren medikamentöse Therapie eventuell ungünstig mit der Mobilisierung interagiert [5]. Weitere Therapie. Hier wird bei immobilisierten oder Patienten mit Beinparesen subkutanes Heparin empfohlen. Effektiv sind auch spezielle Strümpfe mit intermittierender pneumatischer Kompression [18]. Thrombozythenaggregationshemmer (in der Regel 100 mg ASS) haben einen kleinen aber statistisch gut gesicherten Effekt bei der Vermeidung früher vaskulärer Komplikationen nach Hirninfarkt [33]. In der Akutbehandlung werden eine Normoglykämie, eine Normothermie und Blutdruckwerte unter 220 mmHg systolisch und 120 mmHg diastolisch angestrebt [18].

Nolte CH, Audebert HJ. Versorgung des akuten … Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84: 14–18

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

16

Übersicht

17

Konsequenz für Klinik und Praxis



Intravenöse Lyse. Die Lyse mit rTPA (Actilyse®) ist der Behandlung mit Placebo signifikant überlegen. Sie ist zugelassen, wenn das Zeitintervall zwischen Ereignis und Beginn der Lyse nicht mehr als 4,5 h beträgt. Der Nutzen ist stark zeitabhängig. Je früher die Therapie begonnen wird, desto besser ist die Prognose für den Patienten [10].

Inzwischen wird die Lysetherapie flächendeckend in Deutschland angeboten und durchschnittlich bei 9 % der Patienten mit ischämischen Schlaganfall angewendet. Bei einer Lysetherapie sollen die Blutdruckwerte unter 185 mmHg systolisch und 110 mmHg diastolisch liegen. Wenn die Gesamtbehandlung im Rahmen einer (Tele)-Stroke-Unit-Versorgung abläuft, führt die telemedizinische Indikationsstellung zu gleichguten Ergebnissen wie in erfahrenen neurologischen Stroke Units [4, 34]. Mechanische Rekanalisation. Kürzlich haben 5 Studien nachgewiesen, dass bei Verschlüssen großer Hirnarterien, wie dem Hauptstamm der Arteria cerebri media oder der terminalen Arteria carotis interna, die mechanische Rekanalisation mittels Katheterintervention mit einem signifikanten Prognosevorteil verbunden ist [31]. Sie wird deshalb bei bestimmten Patienten in der Regel als Add-on bzw. Eskalations-Therapie durchgeführt. Die Lysetherapie wird begonnen, während die Katheterintervention vorbereitet wird („bridging“-Konzept). Die mechanische Rekanalisation kommt aber auch bei Patienten mit Kontraindikationen gegen eine Lysetherapie zum Einsatz.

Proximale Verschlüsse der ACM machen allerdings nur rund ein Viertel der hyperakuten ischämischen Schlaganfälle aus [27]. Die mechanische Rekanalisation wird aufgrund der notwendigen Infrastruktur nur in spezialisierten Zentren, z. B. in vielen Stroke Units, angeboten [24]. Schlaganfall mit unklarem Beginn. Ein anderes Problem für die Anwendung von rTPA besteht darin, dass der Ereignisbeginn oft nicht bekannt ist, weil der Patient geschlafen hat und mit dem neurologischen Defizit aufwacht, oder selbst keine Angabe machen kann und kein Zeuge zur Verfügung steht. Es gibt dann nur einen „Bemerkens“-Zeitpunkt und einen Zeitpunkt, zu dem die Beschwerden noch nicht vorlagen (engl. „patient last seen well“). In der Wake-Up Studie wird derzeit untersucht, ob das MRT eine genauere Zuordnung zur Zeitdauer erlaubt und damit auch die Indikationsstellung zur Lyse bei Patienten mit unklarem Symptomzeitbeginn ermöglichen kann. Erste Untersuchungen sind vielversprechend [8, 37]. Hemikraniektomie. Als seltene Komplikation kann es vor allem bei jungen Patienten mit großen Infarkten im ACM-Gefäßterritorium oder in der hinteren Schädelgrube zu lebensbedrohlichen Schwellungen des infarzierten Gewebes kommen. Da im Schädel nur wenige Möglichkeiten zum Druckausgleich bestehen, kommt es zur Hirneinklemmung. Diese führt trotz konservativer Hirndrucktherapie sehr häufig zum Tod. Lebensrettend ist bei diesen malignen Infarkten die Kraniektomie. Sowohl bei Patienten unter als auch über 60 Jahren wird die Letalität durch die Kraniektomie gesenkt [19, 38]. Wirksam ist die operative Druckentlastung vor allem bei einem Einsatz innerhalb von 48 h nach Ereignisbeginn. Viele Patienten bleiben jedoch unterstützungsbedürftig [38].

▶ Der akute Schlaganfall ist ein Notfall – diagnostische und

therapeutische Maßnahmen müssen unverzüglich beginnen.

▶ Zeitverzögerungen sind für die Prognose von Nachteil. ▶ Die zerebrale Bildgebung ist unabdingbar. ▶ Schlaganfallpatienten sollten auf Stroke Units behandelt

werden. ▶ Basismaßnahmen, frühe Sekundärprävention und Prophylaxe von Komplikationen sind wichtige Bausteine der Akuttherapie. ▶ Lysetherapie und mechanische Rekanalisation sind evidenz-basierte, kausale Therapien des ischämischen Schlaganfalls. Interessenkonflikte: C. H. Nolte gibt an, Honorare für Vorträge oder Kongressreiseunterstützungen von Bayer Vital, Pfizer, BMS, Boehringer Ingelheim und Sanofi erhalten zu haben. H. J. Audebert gibt an, für Vorträge bzw. Beratungen Honorare von BMS, Pfizer, Bayer Vital, Lundbeck, EVER Neuropharma, Sanofi, Roche Diagnostics und Boehringer Ingelheim erhalten zu haben.

Literatur 01 Ahmed N, Dávalos A, Eriksson N et al. Association of admission blood glucose and outcome in patients treated with intravenous thrombolysis: results from the Safe Implementation of Treatments in Stroke International Stroke Thrombolysis Register (SITS-ISTR). Arch Neurol 2010; 67: 1123 – 1130 02 Audebert H. Telestroke: effective networking. Lancet Neurol 2006; 5: 279 – 282 03 Audebert HJ, Wimmer ML, Hahn R et al. TEMPIS Group. Can telemedicine contribute to fulfill WHO Helsingborg Declaration of specialized stroke care? Cerebrovasc Dis 2005; 20: 362 – 369 04 Audebert HJ, Kukla C, Vatankhah B et al. Comparison of tissue plasminogen activator administration management between Telestroke Network hospitals and academic stroke centers: the Telemedical Pilot Project for Integrative Stroke Care in Bavaria / Germany. Stroke 2006; 37: 1822 – 1827 05 AVERT Trial Collaboration group. Efficacy and safety of very early mobilisation within 24 h of stroke onset (AVERT): a randomised controlled trial. Lancet 2015; 386: 46 – 55 06 Dziedzic T, Pera J, Trabka-Janik E et al. The impact of postadmission glycemia on stroke outcome: Glucose normalisation is associated with better survival. Atherosclerosis 2010; 211: 584 – 588 07 Ebinger M, Winter B, Wendt M et al. STEMO Consortium. Effect of the use of ambulance-based thrombolysis on time to thrombolysis in acute ischemic stroke: a randomized clinical trial. JAMA 2014; 311: 1622 – 1631 08 Ebinger M, Scheitz JF, Kufner A et al. MRI-based intravenous thrombolysis in stroke patients with unknown time of symptom onset. Eur J Neurol 2012; 19: 348 – 350 09 Ebinger M, Kunz A, Wendt M et al. Effects of golden hour thrombolysis: a Prehospital Acute Neurological Treatment and Optimization of Medical Care in Stroke (PHANTOM-S) substudy. JAMA Neurol 2015; 72: 25 – 30 10 Emberson J, Lees KR, Lyden P et al. Stroke Thrombolysis Trialists‘ Collaborative Group. Effect of treatment delay, age, and stroke severity on the effects of intravenous thrombolysis with alteplase for acute ischaemic stroke: a meta-analysis of individual patient data from randomised trials. Lancet 2014; 384: 1929 – 1935 11 Erdur H, Scheitz JF, Ebinger M et al. In-hospital stroke recurrence and stroke after transient ischemic attack: frequency and risk factors. Stroke 2015; 46: 1031 – 1037 12 Fiebach JB, Schellinger PD, Gass A et al. Stroke magnetic resonance imaging is accurate in hyperacute intracerebral hemorrhage: a multicenter study on the validity of stroke imaging. Stroke 2004; 35: 502 – 506 13 Fjærtoft H, Rohweder G, Indredavik B. Stroke unit care combined with early supported discharge improves 5-year outcome: a randomized controlled trial. Stroke 2011; 42: 1707 – 1711

Nolte CH, Audebert HJ. Versorgung des akuten … Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84: 14–18

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Spezielle Therapieoptionen

Übersicht

14 Gierhake D, Weber JE, Villringer K et al. [Mobile CT: technical aspects of prehospital stroke imaging before intravenous thrombolysis]. Rofo 2013; 185: 55 – 59 15 European Stroke Organisation (ESO) Executive Committee and ESO Writing Committee. Guidelines for management of ischaemic stroke and transient ischaemic attack 2008. Cerebrovasc Dis 2008; 25: 457 – 507 16 Haeusler KG, Schmidt WUH, Föhring F et al. Cellular immunodepression preceding infectious complications after acute ischemic stroke in humans. Cerebrovasc Dis 2008; 25: 50 – 58 17 Huff JS. Stroke mimics and chameleons. Emerg Med Clin North Am 2002; 20: 583 – 595 18 Jauch EC, Saver JL, Adams HP Jr. American Heart Association Stroke Council; Council on Cardiovascular Nursing; Council on Peripheral Vascular Disease; Council on Clinical Cardiology. et al. Guidelines for the early management of patients with acute ischemic stroke: a guideline for healthcare professionals from the American Heart Association / American Stroke Association. Stroke 2013; 44: 870 – 947 19 Jüttler E, Unterberg A, Woitzik J et al. Hemicraniectomy in older patients with extensive middle-cerebral-artery stroke. DESTINY II Investigators. N Engl J Med 2014; 370: 1091 – 1100 20 Kessler C, Khaw AV, Nabavi DG et al. Standardized prehospital treatment of stroke. Dtsch Arztebl Int 2011; 108: 585 – 591 21 Krebes S, Ebinger M, Baumann AM et al. Development and validation of a dispatcher identification algorithm for stroke emergencies. Stroke 2012; 43: 776 – 781 22 Müller-Nordhorn J, Nolte CH, Rossnagel K et al. Knowledge about risk factors for stroke: a population-based survey with 28 090 participants. Stroke 2006; 37: 946 – 950 23 Müller-Nordhorn J, Wegscheider K, Nolte CH et al. Population-based intervention to reduce prehospital delays in patients with cerebrovascular events. Arch Intern Med 2009; 169: 1484 – 1490 24 Nabavi DG, Ringelstein EB, Faiss J et al. [Regional and national stroke units in Germany: amended certification criteria]. Nervenarzt 2012; 83: 1039 – 1052 25 Nolte CH, Müller-Nordhorn J, Jungehülsing GJ et al. [Symptoms, risk factors, and etiology of transient ischemic attack and stroke]. Nervenarzt 2005; 76: 1231 – 1238 26 Nolte CH, Endres M. [Management of acute ischemic stroke]. Internist 2012; 53: 585 – 592 27 Nolte CH, Doepp F, Schreiber SJ et al. Quantification of Target Population for Ultrasound Enhanced Thrombolysis in Acute Ischemic Stroke. J Neuroimaging 2013; 23: 79 – 81

28 Nolte CH, Malzahn U, Kühnle Y et al. Improvement of door-to-imaging time in acute stroke patients by implementation of an all-points alarm. Stroke Cerebrovasc Dis 2013; 22: 149 – 153 29 Nolte CH, Rossnagel K, Jungehuelsing GJ et al. Gender differences in knowledge of stroke in patients with atrial fibrillation. Prev Med 2005; 41: 226 – 231 30 Nor AM, McAllister C, Louw SJ et al. Agreement between ambulance paramedic- and physician-recorded neurological signs with Face Arm Speech Test (FAST) in acute stroke patients. Stroke 2004; 35: 1355 – 1359 31 Prabhakaran S, Ruff I, Bernstein RA. Acute stroke intervention: a systematic review. JAMA 2015; 313: 1451 – 1462 32 Rossnagel K, Jungehülsing GJ, Nolte CH et al. Out-of-hospital delays in patients with acute stroke. Ann Emerg Med 2004; 44: 476 – 483 33 Sandercock P, Gubitz G, Foley P et al. Antiplatelet therapy for acute ischaemic stroke. Cochrane Database Syst Rev 2003, (2): CD000029 34 Schwab S, Vatankhah B, Kukla C et al. TEMPiS Group. Long-term outcome after thrombolysis in telemedical stroke care. Neurology 2007; 69: 898 – 903 35 Stroebele N, Müller-Riemenschneider F, Nolte CH et al. Knowledge of risk factors, and warning signs of stroke: a systematic review from a gender perspective. Int J Stroke 2011; 6: 60 – 66 36 Thomalla G, Audebert HJ, Berger K et al. Bildgebung beim Schlaganfall – eine Übersicht und Empfehlungen des Kompetenznetz Schlaganfall. Aktuelle Neurologie 2009; 36: 354 – 367 37 Thomalla G, Cheng B, Ebinger M et al. DWI-FLAIR mismatch for the identification of patients with acute ischaemic stroke within 4·5 h of symptom onset (PRE-FLAIR): a multicentre observational study. Lancet Neurol 2011; 10: 978 – 986 38 Vahedi K, Hofmeijer J, Juettler E et al. Early decompressive surgery in malignant infarction of the middle cerebral artery: a pooled analysis of three randomised controlled trials. Lancet Neurol 2007; 6: 215 – 222 39 Walter S, Kostopoulos P, Haass A et al. Diagnosis and treatment of patients with stroke in a mobile stroke unit versus in hospital: a randomised controlled trial. Lancet Neurol 2012; 11: 397 – 404 40 Weimar C, Weber R, Schlamann M et al. [Diagnostic and treatment of acute ischemic stroke]. Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 423 – 436 41 Wendt M, Ebinger M, Kunz A et al. STEMO Consortium. Improved prehospital triage of patients with stroke in a specialized stroke ambulance: results of the pre-hospital acute neurological therapy and optimization of medical care in stroke study. Stroke 2015; 46: 740 – 745

Nolte CH, Audebert HJ. Versorgung des akuten … Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84: 14–18

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

18

[Management of acute ischemic stroke].

[Management of acute ischemic stroke]. - PDF Download Free
563B Sizes 1 Downloads 36 Views