Kasuistiken Pathologe 2015 · 36:385–388 DOI 10.1007/s00292-015-0036-9 Online publiziert: 9. Juni 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

G. Crisman1 · G. Margiotta1 · M. Calabresi2 · S. Discepoli3 · P. Leocata1 1 Pathology Unit, University of L’Aquila, L’Aquila, Italien 2 Urology Unit, “Ss. Filippo e Nicola” General Hospital, Avezzano (AQ), Italien 3 Pathology Unit, “Ss. Filippo e Nicola” General Hospital, Avezzano (AQ), Italien

Redaktion

K.W. Schmid, Essen

Malignes fibröses Histiozytom des Penis

Das maligne fibröse Histiozytom (MFH), jetzt hochgradig undifferenziertes pleomorphes Sarkom (UPS) genannt, ist ein aggressiver Weichteiltumor, der in der Regel im Erwachsenenalter mit einem Altersgipfel zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auftritt, obwohl einige Fälle im Kindesalter beschrieben wurden [5]. Männer werden doppelt so häufig befallen wie Frauen und Weiße scheinen stärker betroffen zu sein als Zugehörige anderer Ethnien. Die Ätiologie dieses Tumors ist ungeklärt, obwohl einige Autoren vermuten, dass eine vorherige Strahlentherapie, Infarkte, Fremdkörper oder Operationsnarben eine Rolle in der Pathogenese spielen könnten [1–4]. Am häufigsten wird ein MFH im Bereich der unteren Extremitäten gefunden, gefolgt von den oberen Extremitäten und dem Retroperitoneum. Andere Lokalisationen wie die Lungen sowie der Kopf- und Halsbereich können ebenso davon betroffen sein, während die Harnwege eine eher seltene Lokalisation darstellen. Entsprechend der Fachliteratur betrifft das MFH der Harnwege gewöhnlich die Nieren oder die Blase, dagegen sind nur 7 Fälle von MFH des Penis bekannt [5–17].

Die klinische Untersuchung der Hoden, des Hodensacks und der inguinalen Lymphknoten ergab keine Auffälligkeiten.

Histologische Untersuchung Daraufhin wurde eine Inzisionsbiopsie von ca. 1,5 cm Durchmesser durchgeführt (. Abb. 2). Die Schnittfläche war grauweiß und wies schwerpunktbezogene Blutungen auf. Sämtliche entnommenen Proben wurden in 4 % gepuffertem Formalin fixiert, routinemäßig verarbeitet und in Paraffin eingebettet. Schnitte von 4 µm wurden mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt. Weiter wurden mittels AvidinBiotin-Peroxidase-Komplex-Technik Färbungen mit Vimentin, CD68, S100, Desmin, Zytokeratin, Aktin, Ki67 und α-1Antitrypsin angefertigt. Alle Proben wurden von 3 Pathologen überprüft und mit histopathologischen und klinischen Befunden korreliert.

Die histologische Untersuchung ergab einen Tumor mit Faszikeln von Spindelzellen mit storiformem Muster innerhalb einiger myxoider Bereiche (.   Abb.  3). Starke Vergrößerungen zeigten unregelmäßige, große Spindelzellkerne mit spärlichem eosinophilem Zytoplasma und mehreren atypischen Mitosen. Ferner wurden schwerpunktmäßige fokale Nekrosen und Blutungen festgestellt. Die Tumorzellen waren durch Vimentin und α-1-Antitrypsin stark gefärbt, während die Positivität von CD68 geringer ausfiel (.  Abb. 4). Hingegen wurde keine Positivität von S100, Desmin und Zytokeratin noch Aktinflecken nachgewiesen. Rund 80 % der neoplastischen Zellen zeigten eine Ki67-Positivität.

Diagnose und Verlauf Schließlich wurde gemäß der jüngsten WHO-Klassifikation für Weichgewebe

Klinischer Befund Ein 61-jähriger kaukasischer Mann erschien in unserer Abteilung mit einer sich seit etwa einem Monat langsam vergrößernden, schmerzlosen Masse im oberen Schwellkörperbereich mit einem Maximaldurchmesser von etwa 2 cm und gummiartiger Konsistenz (.  Abb. 1). Anamnestisch lagen keine sexuell übertragbaren Krankheiten vor. Abb. 1 9 Klinisches Bild bei Erstvorstellung Der Pathologe 4 · 2015 

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Abb. 3 8 Die histologische Untersuchung ergab einen Tumor aus spindelzelligen Faszikeln mit storiformem Muster innerhalb einiger myxoider Bereiche. HE-Färbung, Vergrößerung 4:1

Abb. 2 8 Intraoperativer Befund

Abb. 4 9 a Fokal myxoide Bereiche, HE-Färbung, Vergrößerung 4:1. b Positivität von α-1-Antitrypsin, c Positivität von Vimentin, d pleomorphe Zellen und atypische Mitosen, HE-Färbung, Vergrößerung 10:1

die Diagnose eines hochgradig undifferenzierten pleomorphen Sarkoms (UPS) des storiform pleomorphen Subtyps bzw. pleomorphes malignes fibröses Histiozytom (pMFH) des Schwellkörpers gestellt, was für den Patienten eine Penektomie zur Folge hatte. Das nachoperative Staging zeigte beidseitige Lungenmetastasen. Nach 6 Zyklen Chemotherapie (Ifosfamid, Mesna, Cardioxan und Epirubicin)

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verschlechterte sich der Befund der Lunge, und 12 Monate nach Diagnosestellung verstarb der Patient.

Diskussion

55storiform pleomorpher Subtyp, 55myxoider Subtyp, 55großzelliger Subtyp, 55entzündlicher Subtyp sowie 55angiomatoider Subtyp.

Erstmals durch Ozzello et al. [12] im Jahr 1963 beschrieben, konnten nachträglich 5 histologische MFH-Formen unterschieden werden:

Im Rahmen der im Jahr 2002 veröffentlichten WHO-Klassifikation der Weichteiltumoren wurden alle MFH-Subtypen überprüft und sowohl die Terminolo-

Zusammenfassung · Abstract gie als auch die Klassifikation überarbeitet. Zum Beispiel wurden 2 Subtypen von MFH neu klassifiziert (der myxoide Subtyp wird nun als myofibroblastischer Tumor eingestuft und der angiomatoide Subtyp gilt heute als ein Tumor mit einer ungewissen Ausdifferenzierung). Der storiform pleomorphe Subtyp wird nun als hochgradig undifferenziertes pleomorphes Sarkom (UPS) bezeichnet. Da der Krankheitsverlauf des MFH, v. a. des storiform pleomorphen Subtyps, der gewöhnlichen Morphologie vieler Tumoren entspricht, handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose und kann folglich als echte Ausnahme in einer routinemäßigen Diagnosesicherung eines Pathologen betrachtet werden. Bisher waren nur 6 Fälle von MFH am Penis bekannt. Sieben Fälle betrafen MFH auf der Eichel [5, 7–17] und einer einen Patienten mit MFH an der Vorhaut [6]. Somit scheint dieser jüngste Fall der erste Bericht über ein MFH am Schwellkörper des Penis zu sein. Aufgrund des seltenen Auftretens an dieser Stelle ist die MFHDiagnose des storiform pleomorphen Subtyps eine große Herausforderung für Kliniker und Pathologen. Differenzialdiagnosen schließen verschiedene Arten von Infektionen (z. B. Syphilis) oder Neubildungen (z. B. Plattenepithelkarzinom, malignes Melanom) ein. Serologische Untersuchungen können auf einfache Weise infektiöse Vorgänge ausschließen. Unter den malignen Läsionen kommen sarkomatoide Plattenepithelkarzinome am häufigsten vor, doch routinemäßige histologische Untersuchungen reichen, um diese Diagnose ausschließen zu können. Spindelzellenmaligne Melanome, Spindelzellplattenepithelkarzinome, anaplastisches Karzinom, Leiomyosarkom, Dermatofibrosarcoma protuberans und atypische Fibroxanthome sollten ebenfalls ausgeschlossen werden [12–16]. Die Unterscheidung zwischen benignen und malignen Fibroblasten oder fibrohistiozytischen Wucherungen scheint die größte Herausforderung für die Pathologen zu sein: In der Tat präsentieren atypische Fibroxanthome, Dermatofibrosarcoma protuberans und MFH ähnliche histologische Merkmale wie nuklearer Pleomorphismus, Mitosen und storiforme Muster. Allerdings sind Anamnese (z. B.

Pathologe 2015 · 36:385–388  DOI 10.1007/s00292-015-0036-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 G. Crisman · G. Margiotta · M. Calabresi · S. Discepoli · P. Leocata

Malignes fibröses Histiozytom des Penis Zusammenfassung Gemäß den neuesten Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte die Diagnose eines malignen fibrösen Histiozytoms (MFH) nur für Läsionen mit Tumorzellen ohne Nachweis einer bestimmten Ausdifferenzierung gestellt werden. Somit handelt sich es sich um eine Ausschlussdiagnose, weshalb die Bezeichnung hochgradig undifferenziertes pleomorphes Sarkom (UPS) vorzuziehen ist. Weichteilsarkome können mit einer Inzidenz von ca. 20 Fällen/1 Mio. Einwohner/Jahr in allen Körperteilen auftreten. Weichteiltumoren des Penis machen etwa 5 % sämtlicher Tumoren des Penis aus, die Inzidenz der Penissarkome wird auf ca. 0,6–1 Fälle/100.000 Patienten geschätzt. In der Literatur wurden bisher nur 7 Fälle beschrieben. Diese Kasuis-

tik beschreibt den Fall eines 61-jährigen kaukasischen Mannes mit einer schmerzlosen Masse im oberen Schwellkörperbereich. Eine Inzisionsbiopsie mit nachfolgender breiter immunohistochemischer Untersuchung ergab ein hochgradig undifferenziertes pleomorphes Sarkom oder pleomorphes storiformes MFH. Neben dem Fallbericht stellen die Autoren einen Literaturreview zur Vertiefung der Diskussion über die schwierige Diagnosestellung vor. Schlüsselwörter Hochgradig undifferenziert · Pleomorphes Sarkom · Malignes fibröses Histiozytom · Schwellkörper · Penis

Malignant fibrous histiocytoma of the penis Abstract According to the most recent World Health Organization (WHO) guidelines a diagnosis of malignant fibrous histiocytoma (MFH) should be made only for lesions composed of tumor cells without evidence of a specific line of differentiation. This is therefore a diagnosis by exclusion which is why the name of undifferentiated high-grade pleomorphic sarcoma (UPS) should be preferred. Soft tissue sarcomas currently have an incidence in all body regions of approximately 20 cases per 1 million inhabitants per year. Soft tissue tumors of the penis represent approximately 5 % of all penile tumors and the incidence of penile sarcomas is estimated to be approximately 0.6-1 case per 100,000 patients. Only seven cases have so far been reported in the

starke vorherige Sonnenbestrahlung) sowie die Invasion des subkutanen Gewebes bei der Diagnose eines atypischen Fibroxanthoms hilfreich. Weder Kernpleomorphie noch sehr hohe Mitoseraten werden bei Dermatofibrosarcoma protuberans beobachtet. Die Immunhistochemie stellt eine nützliche Technik zur Diagnosefindung dar, wobei S-100 und HMB-45 relevant sind, um ein desmoplastisches Melanom auszuschließen, während die Negativität von Desmin und Aktin die Diagnose

literature. This article describes the case of a 61-year-old Caucasian male who presented with a painless mass sited in the upper part of the corpus cavernosa. An incisional biopsy with a subsequent investigation using an extensive immunohistochemical panel were performed and a high-grade undifferentiated pleomorphic sarcoma or pleomorphic storiform MFH was diagnosed. In addition to the case report a literature review is presented to elaborate the discussion on the differential diagnoses of these kinds of lesions. Keywords High grade undifferentiated · Pleomorphic sarcoma · Malignant fibrous histiocytoma · Corpus cavernosa · Penis

eines Rhabdomyosarkoms ausschließen kann (. Tab. 1).

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Kasuistiken Tab. 1  Immunhistochemie zur Differenzialdiagnose des malignen fibrösen Histiozytoms Leiomyosarkom Rhabdomyosarkom Dermatofibrosarcoma protuberans Spindelzellenmaligne Melanome Spindelzellplattenepithelkarzinom Anaplastisches Karzinom Atypisches Fibroxanthom Malignes fibröses Histiozytom/undifferenziertes pleomorphes Sarkom

Fazit für die Praxis 55Aufgrund der begrenzten Erfahrung mit MFH am Schwellkörper des Penis sind die prognostischen Aussichten schwer einzuschätzen. 55Unser Patient wies beidseitige Lungenmetastasen auf, eine radikale Penektomie mit anschließender Chemotherapie war zwingend erforderlich. Dennoch ist der Patient aufgrund seiner fortgeschrittenen Erkrankung bei Diagnosestellung innerhalb eines Jahres verstorben. 55Dies bestätigt das aggressive und metastasierende Potenzial dieser Entität undifferenzierter Tumoren. 55Wir berichten von diesem Fall, um die Schwierigkeit einer Ausschlussdiagnose zu unterstreichen, die bei so einem aggressiven Sarkom entscheidend sein kann.

Korrespondenzadresse Dr. G. Crisman Pathology Unit University of L’Aquila Loc. Vetoio Coppito 2, 67100 L’Aquila [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  G. Crisman, G. Margiotta, M. Calabresi, S. Discepoli und P. Leocata geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. Raney RB, Allen A, O‘Neill J, Andler SD, Uri A, Littman P (1986) Malignant fibrous histiocytoma of soft tissue in childhood. Cancer 57:2198–2201

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S100 − − − ++ − − − −

Desmin + + − − − − − −

Aktin + + − − − − − −

Zytokeratin − Selten − − ++ − + −

Vimentin + −/+ + − − − + +

  2. Pinkston JA, Sekine I (1982) Postradiation sarcoma (malignant fibrous istiocyotma) following cervix cancer. Cancer 49:434–438   3. Inoshita T, Youngberg GA (1984) Malignant fibrous istiocytoma arising in a previous surgical site. Report of two case. Cancer 53:176–183   4. Anderson JD, Scardino P, Smith RB (1978) Inflammatory fibrous histiocytoma presenting as a renal pelvic and bladder mass. J Urol 118:470–471   5. Katona TM, Shienbaum AJ, Wyatt LL, Brown GA, Cheng L (2006) Malignant fibrous histiocytoma of the glans penis: a case report. Anal Quant Cytol Histol 28(1):39–42   6. Moran CA, Kaneko M (1990) Malignant fibrous histiocytoma of the glans penis. Am J Dermatopathol 12(2):182–187   7. Bianchi G, Querena M, Pisa R, Malossini G (1986) Malignant fibrohistiocytoma: a rare localization at the level of the glands. Minerva Urol Nefrol 38(1):35–37   8. Fletcher CDM, Lowe D (1988) Inflammatory fibrous histiocytoma of the penis. Eur Urol 14:75–76   9. Parsons MA, Fox M (1988) Malignant fibrous histiocytoma of the penis. Eur Urol 14(1):75–76 10. Sugiura S, Tatenum T, Sakata R et al (2013) Malignant fibrous histiocytome/undifferentiated pleomprphic sarcoma of the penis: a case report. Nihon Hinyokika Gakkai Zasshi 104(6):706–711 11. Seo IY, Oh TH Chuluun S et al (2013) Pleomorphic msalignant fibrous histiocytoma/undifferentiated pleomorphic sarcoma of the glans penis. Can Urol Assoc J 7(11–12):823–825 12. Ozzello L, Stout AP, Murray MR (1963) Cultural characteristics of malignant histiocytomas and fibrous xanthomas. Cancer 16:331–344 13. Katona TM, Lopez-Beltran A, MacLennan GT, Cheng L, Montironi R, Cheng L (2006) Soft tissue tumors of the penis: a review. Anal Quant Cytol Histol 28(4):193–206 14. Antunes AA, Nesrallah LJ, Goncalves PD, Ferreira YA, Campagnari JC, Srougi M (2005) Deep-seated sarcomas of the penis. Int Braz J Urol 31(3):245– 250 15. Nascimento AF, Raut CP (2008) Diagnosis and management of pleomorphic sarcomas (so-called "MFH") in adults. J Surg Oncol 97(4):330–339 16. Baceti D, Knezevi M, Stojsi Z, Atanackovi M, Vujani GM (1998) Primary extraskeletal osteosarcoma of the penis with a malignant fibrous histiocytoma-like component. Histopathology 33(2):185–186 17. Berkmen F, Celebiolu AS (1997) Adult genitourinary sarcomas: a report of seventeen cases and review of the literature. J Exp Clin Cancer Res 16(1):45–48

CD68 − − − − − − + +

CD34 − − ++ − − − − +

α-1-Antitrypsin − − − − − − + +

[Malignant fibrous histiocytoma of the penis].

According to the most recent World Health Organization (WHO) guidelines a diagnosis of malignant fibrous histiocytoma (MFH) should be made only for le...
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