Originalarbeit - klinische Untersuchung

Langzeitergebnisse nach Genioplastik D . S e g n e r 1, W . - J . H 6 1 t j e 2 Kieferorthop/idische Abteilung der Zahn-, Mund- und Kieferklinik~und Nordwestdeutsche Kieferklinik2, Universitfitskrankenhaus Eppendorf, Hamburg Zusammenfassung: Um die Stabilitfit von im Rahmen orthognathisch-chirurgischer Eingriffe durchgefiihrter Genioplastiken sowie deren Effekt auf das Weichteilprofil im Kinnbereich zu untersuchen, wurden 21 Patienten nachuntersucht. Es standen jeweils drei Fernr6ntgenseitenbilder (prfi-, postoperativ und mindestens ein Jahr nach Operation) zur Verf~gung. Sagittale Verfinderungen der Position des Kinns von 16,5 mm Vorverlagerung bis 1,1 mm Rtickverlagerung sowie vertikale Versetzungen zwischen 4,8 mm Verlfingerung und 9,3 mm Verktirzung blieben weitestgehend stabil. Es kam zu keinen mel3baren Verschiebungen des Kinnfragments; lediglich geringf/igige Resorptionen im Sinne einer modellierenden Abrundung wurden beobachtet. Am Unterrand des Kinns kam es in Ffillen, die prfioperativ eine vergr613erte Gesichtsh6he zeigten, zu Apposition von Knochen in der Gr6genordnung 1 mm bis maximal 5,5 mm. Die Weichteile folgten der Korrektur des kn6chernen Kinns in der Sagittalen im Durchschnitt um 71%. Die Spanne erstreckte sich jedoch von 4 % bis 145 %, und der Standardfehler der Vorhersage betrug 3 mm, so dab eine Planung des Weichteilprofils als sehr unzuverlfissig angesehen werden mug. Es konnte gezeigt werden, dab eine Genioplastik mit Weichteilstielung, stabiler Fixierung durch Zugschrauben oder Miniplatten und Refixierung des Weichteilkinns im Ergebnis zu gut planbaren und sehr stabilen kn6chernen Konturen fiihrt, dab aber eine auf die Weichteile bezogene Planung - wenn iiberhaupt - nur mit groBer Unsicherheit m6glich ist.

Long-term results after genioplasty Summary: The serial records of 21 patients were analyzed to study the stability of genioplasty performed in the course of orthognatic surgery and to describe its effect on the soft tissue profile. A pre-operative and a postoperative cephalogram as well as a cephalogram one year after surgery of each patient were available. Sagital correction of the chin from 16.5 mm advancement to 1.1 mm reduction and vertical movements between 4.8 mm lengthening and 9.3 mm shortening remained nearly unchanged during the control period. No postoperative movements of the chin fragment were observed except for minor resorptions that can be attributed to an osseous remodelling and rounding of sharp edges. In cases of a long face syndrome a bone apposition from 1 mm to 5.5 mm appeared at the lower edge of the chin. The average of sagittal soft tissue change in relation to the correction of the bony chin was 71%. The individual values ranged from 4 % to 145 % and the standard error of the estimate was 3 mm. Therefore the planning of the soft tissue profile is rather unreliable. A genioplasty performed with rigid fixation by compression screws or mini plates, preservation of vascular supply and re-fixation of the soft tissue of the chin results in accurately predictable and stable bony contours. On the other hand, the planning of surgery procedures related to the soft tissue profile is - if at all possible - very insecure.

Einleitung Im Zusammenhang mit orthognathisch-chirurgischen Eingriffen wird hfiufig eine Genioplastik durchgeffihrt. Sie bezweckt einerseits eine Profilverbesserung, oft aber auch eine Verbesserung der Funktion. Die VielVorgetragen auf der WissenschaftlichenJahrestagungder Deutschen Gesellschaftfiir Kieferorthopfidie1990in Heidelberg. Endg0.1tigeAnnahme des Manuskripts: 3.5. 1991. 282

zahl der m6glichen Osteotomielinien erlaubt dem Team aus Kieferchirurgen und Kieferorthop/iden eine grol3e Variationsbreite an Profilverfinderungen. Nach der ersten Beschreibung einer profilverbessernden Magnahme am Kinn durch Hofer [5] 1942 ist die Genioplastik zu einer besonders in den USA verbreiteten Mal3nahme zur Profilkorrektur geworden. Sie wird gelegentlich isoliert, wie zum Beispiel von Proffit et al. 9 Urban & Vogel Fortschr. Kieferorthop. 52 (1991), 282-288 (Nr. 5)

Segner, HOltje: Genioplastik [7] beschrieben, in der Regel jedoch in Kombination mit orthognathisch-chirurgischen Mal3nahmen durchgeffihrt. Nachuntersuchungen von McDonnel et al. [6] ergaben einen Verlust in der sagittalen Position des Pogonions von 10 bis 80 % bei einem Mittelwert von 30 %. Die Autoren fanden aul3erdem, dab das Weichteilkinn der skelettalen sagittalen Korrektur im Durchschnitt um 73 %, bei einer Spanne von 25 bis 109 %, folgt.

Bell und Dann [1] fanden in der Sagittalebene eine 100 %ige Stabilitfit. Nach ihrer Untersuchung folgt das Weichteilkinn zu 57% dem Hartgewebs-Pogonion. Auff~llig ist dabei die von ihnen gefundene gute Vorhersagbarkeit mit einem Korrelationskoeffizientenvon 0,93.

Steinhduser und Paulus [8] untersuchten den Effekt, den die skelettalen Ver~nderungen auf das Weichteilprofil haben. Sie gaben an, da6, abhfingig vonder Operationsmethode, die Weichteile dem Hartgewebe in sagittaler Richtung zu 78 % (Kinnrandverschiebung nach Obwegeser) beziehungsweise 107 % (Kinnostektomie nach KOle) folgen. Eine Streuungsbreite wurde von ihnen nicht angegeben. In seiner Untersuchung fand Hadjianghelou [3] bei doppelstufigen Kinnplastiken, die als freie Transplantate ausgeffihrt wurden, einen mittleren sagittalen Verlust in der Gr6Benordnung von 50 %. 7iel der vorliegenden Untersuchung ist, die postoperativen Ver/inderungen im Bereich der Genioplastik sowohl in sagittaler als auch in vertikaler Richtung zu erfassen. Die Ergebnisse sollen zukfinftig die Genauigkeit der Planung orthognathisch-chirurgischer Eingriffe verbessern, besonders in Hinblick auf das Langzeitergebnis. Material und Methode

Von 1983 bis 1989 wurden im Rahmen von orthognathisch-chirurgischen Eingriffen 31 Genioplastiken durchgeffihrt. Bei 21 Patienten, davon 65 % weiblich, konmen Nachuntersuchungen durchgefiihrt werden. Sie waren zum Operationszeitpunkt 17 bis 41 Jahre, bei einem Mittelwert von 24 Jahren, alt. Die Nachuntersuchung erfolgte jeweils mindestens ein Jahr postoperativ. Die Genioplastiken waren zumeist mit einer LeFort-I-Operation im Oberkiefer und/oder sagittaler Spaltung im aufsteigenden Ast des Unterkiefers kombiniert (Abb. 1). Die sagittalen Verschiebungen durch 9 Urban & Vogel Fortschr.Kieferorthop.52 (1991), 282-288 (Nr. 5)

Kinnplastik 24% Le Fort I 38% bimaxillare OP 29% UK-Ramus Osteotomie 10%

Abb. 1. Anteileder orthognathischenOperationen,die in Kombination mit der Genioplastikdurchgeftihrtwurden. die Genioplastiken selbst lagen zwischen 16,5 mm nach ventral und 1,1 mm in dorsaler Richtung. Gleichzeitig wurde eine Verfinderung in der Vertikalebene zwischen 9,3 mm Verkfirzung und 4,8mm Verlfingerung durchgef/ihrt. Die Genioplastiken wurden alle von demselben Operateur durchgeffihrt. Von intraoral wurde das kn6cherne Kinn dargestellt und die Osteotomielinien entsprechend der vorherigen kephalometrischen Planung angezeichnet. Mit der oszillierenden Sfige wurde der untere Teil der Symphyse gel6st. Dabei wurde darauf geachtet, dab die Versorgung fiber die sublinguale Muskulatur gewfihrleistet blieb. In einigen Ffillen mit starker Verk/irzung wurde auch eine Ostektomie vorgenommen. Nach Mobilisation wurde das Kinnfragment durch Zugschrauben und/oder Miniplatten in der korrekten Position stabil fixiert. Dann erfolgte die Wiederbefestigung des Mentalis-Muskels an der Kinnprominenz. Von jedem Patienten wurden drei Fernr6ntgenseitenbilder angefertigt; eines unmittelbar vor der Operation, das zweite ein bis 30 Tage postoperativ und das dritte nach Abschlul3 der Behandlung, im Durchschnitt 15 Monate nach der Genioplastik. Aufgrund der postoperativen Weichteilschwellung wurde ffir die Beurteilung tier Weichteilverfinderungen nur das erste und dritte R6ntgenbild verwendet. Die Bilder wurden auf drei verschiedene Weisen fiberlagert: Zun/ichst auf der Sch~delbasis anhand der Strukturen der Sella und des Bereichs Stirnbein/Nasenbein. In einem zweiten Schritt wurden die Bilder nach der ,,strukturellen Oberlagerungsmethode" nach BjOrk und Skieller [2] auf dem Corpus mandibulae fiberlagert. Als letztes wurde auf der mandibul~ren Symphyse mit besonderer Beachtung der inneren Kortikalis fiberla283

Segner, HOltje: Genioplastik gert. Abbildung 2 soll dies verdeufiichen. Im ersten R6ntgenbild (prfioperativ) wurden im Bereich des kn6chernen Kinns zwei Markierungen eingezeichnet (,, +" in Abbildung 2, oben links). Das postoperative und das Endr6ntgenbild wurde dann an der inneren Kortikalis des unteren Teils der Symphyse des ersten R6ntgenbildes tiberlagert; die Markierungen wurden auf dieses R6ntgenbild tibertragen (,,*" in Abbildung 2, oben rechts). Aus dem Abstand der Knochenoberfl~iche von diesen Markierungen konnten remodellierende Veriinderungen an der Knochenoberflfiche bestimmt werden. In dem in Abbildung 2 gezeigten Beispiel hat sich der Abstand des Punktes Gnathion von der anterioren Markierung (vGN) von R6ntgenbild 1 zu R6ntgenbild 3 vergr6Bert. Es hat also Apposition stattgefunden, deren AusmaB sich aus der Differenz vGn3 - vGnl ergibt. Werden danach die R6ntgenbilder auf den inter-

m>

hen Strukturen tier Mandibula iiberlagert, ergibt sich die durch die Genioplastik bedingte skelettale Veriinderung. Durch die Verschiebung der Markierungen vom Zeitpunkt des ersten R6ntgenbildes zum dritten R6ntgenbild wird das Netto-Ergebnis der operativen Verschiebung in sagittaler und vertikhler Richtung ohne Verffilschung durch Remodellierungsvorgfinge an der Knochenoberflfiche beschrieben (AsKinn und AvKinn in Abbildung 2, unten). Die dritte Uberlagerung wird auf der Schfidelbasis durchgeffihrt und gibt die Gesamtverschiebung eines Punktes an. Diese ergibt sich als Summe aus der Lageverfinderung der Mandibula, der Verschiebung des Kinns gegenfiber der Mandibula und aus oberflfichlichen Remodellierungsvorgfingen. Durch diese unterschiedlichen Uberlagerungen kann die Verschiebung des mobilisierten Kinnteils getrennt von Bewegungen der Mandibula und etwaigen Resorptions- und Appositionsvorgfingen an der fiuBeren Kontur des Kinns analysiert werden. Es wurden kephalometrische Werte ffir die anteroposterioren und vertikalen Verfinderungen der Refe-

Apg~g zXPg~ AGn~ag

vGnl

vGn3

AGnve~t AWPg~ag AWGnvert

J

AsPg AsPg/Mand AsKinn

_

~ L ~ ~vKinn

--'55" _1 g~.

.!1

~sKinn

Abb. 2. Prinzip der 15berlagerung auf den inneren Strukturen der Symphyse: Links oben Einzeichnen zweier Markierungen ( , + " ) auf dern ersten ROntgenbild, die dann bei der Uberlagerung auf das zweite (dritte) R6ntgenbild iibertragen werden (,,*"; oben rechts). Bei der 13berlagerung auf der Mandibula ergibt sich das AusmaB der operativen Verschiebung des Kinnsegments (unten).

284

AvGn

AvKinn

Verschiebung des Pogonions in sagittaler Richtung relativ zur NSL Verschiebung des Pogonions in vertikaler Richtung relativ zur NSL Verschiebung des Gnathions in sagittaler Richtung relativ zur NSL Verschiebung des Gnathions in vertikaler Richtung relativ zur NSL Verschiebung des Weichteil-Pogonions in saginaler Richtung relativ zur NSL Verschiebung des Weichteil-Gnathions in vertikaler Richtung relativ zur NSL Vertikale VerS.nderung des Gnathions in Relation zu den internen Knochenstrukturen des Kinns (Apposition/Resorption) Entsprechende sagittale Verfinderung beim Pogonion Sagittale Verfinderung des Punktes Pogonion relativ zur Mandibula Verschiebung des Kinnsegments gegenfiber der Mandibula in sagittaler Richtung Verschiebung des Kinnsegments gegen/iber der Mandibula in vertikaler Richtung

Ausgehend von den drei verwendeten R6ntgenbildern (1 = prfioperativ, 2 = postoperativ, 3 = Nachkontrolle), wurde jede dieser Differenzen dreimal berechnet: 2-1 Verfinderung durch die Operation 3-2 Postoperative Ver/inderungen (Rezidiv) 3-1 Effektive .A_nderung (Netto-Resultat) Tab. 1. Zus~tzlich zu den Werten der Bergen-Analyse verwendete Messungen. 9 Urban & Vogel

Fortschr. Kieferorthop. 52 (1991), 282-288 (Nr. 5)

Segner, HOltje." Genioplastik Millimeter; diese waren damit mef3technisch kaum nachweisbar. Prozentual gesehen betrfigt das Rezidiv zwischen 2,6 % und 42,9 % bei einem Mittelwert von 8,5 %. Diese groge Spanne bedarf einer Erklfirung: Der hohe Wert von 42,9 % trat bei einem Fall mit sehr geringer sagittaler Versetzung des Kinns von nur 2 mm auf; obwohl das absolute Ausmal3 des Rezidivs auch hierbei unter einem Millimeter lag, ergab sich ein grof3es relatives Rezidiv.

renzpunkte Pogonion und Gnathion bestimmt (Tab. 1). Dabei wurde die Nasion-Sella-Linie als Referenzlinie gewfihlt; Abstfinde und Verschiebungen mit positivem Vorzeichen bezeichnen Distanzen nach ventral beziehungsweise kranial. Zusfitzlich wurden konventionelle kephalometrische Variablen nach der Bergen-Analyse [4] bestimmt. Auch bei den postoperativen R6ntgenbildern, bei denen sich in der Kinnregion Miniplatten und/oder Schrauben befanden, wurden die Referenzpunkte immer auf der kn6chernen Kontur des Kinns gesucht. In Ffillen, in denen eine Miniplatte dem Knochen auflag, wurde diese beim Auffinden des Referenzpunktes Pogonion nicht berticksichtigt. Indem der Knochenkontur gefolgt wurde, lief3 sich auch in Ffillen mit metalldichter Verschattung im Bereich des Kinns der Referenzpunkt Pogonion auf der Knochenoberflfiche lokalisieren.

Das hohe Mar3 an Stabilitfit in sagittaler Richtung lief3 sich auch an der kaum verfinderten Relation der fiuf3eren Kontur der Kinnprominenz in Relation zu den K6pfen der Zugschrauben erkennen (Abb. 5a und 5b). Vertikal wurden durch die Genioplastiken Verfinderungen zwischen 4,8mm Verlfingerung und 9,3mm Verktirzung erreicht. Wfihrend das Kinnsegment selbst auch in der Vertikalebene stabil blieb, gab es in etwa einem Drittel der Ffille eine nennenswerte Apposition von Knochen in der Region des Gnathions (Abb. 4). Insgesamt wuchs das Gnathion im Durchschnitt um 0,5mm nach kaudal, im Einzelfall bis zu 5,5mm (Abb. 5b).

Die Auswertungen erfolgten computerunterstiitzt mit einem vom Autor erstellten Kephalometrieprogramm und dem SPSS-PC+ Statistikpaket. Ergebnisse

Bei sagittalen Verfinderungen des Pogonion-Punktes gegentiber der Mandibula von 16,5 mm Vorverlagerung bis 1,1 mm Rfickverlagerung ergaben sich postoperativ nur geringe Verfinderungen (Abb. 3). Im Durchschnitt betrug die operative Vorverlagerung 6,7 mm, das Rezidiv 0,2 mm und die effektive Vorverlagerung bis zum Zeitpunkt der Nachkontrolle 6,5 mm. 60 % der Patienten zeigten wfihrend des Kontrollzeitraumes Verfinderungen yon weniger als einem halben

Es konnte gezeigt werden, dab ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ausmal3 dieser Apposition und einer prfioperativ grogen Untergesichtsh6he, einem prfioperativ kleinen Index der anterioren Gesichtsh6hen sowie einer operativen Verkfirzung der anterioren Gesichtsh6he besteht (Tab. 2). Die Apposition wirkt damit der operativen Verkfirzung des Gesichtes entgegen.

mm 20

15 10

-5 ~

V---

~

r

OP

I

I

I

!

I

{ - - netto Resultat

I----J

.....

~

I

I

Rezidiv

9 Urban & Vogel Fortschr. Kieferorthop.52 (1991), 282-288 (Nr. 5)

I

Abb. 3. Nachuntersuchte F/ille, geordnet nach der sagittalen Verschiebungdes Referenzpunktes Pogonionaufgrundder Genioplastik in Millimeter.Beachteden fehlenden ZusammenhangzwischenAusmal3der Vorsetzung und Gr613edes Rezidivs. Negative Werte bedeutenDorsalbewegung. 285

Segner, HOltje: Genioplastik Abb. 4. Nachuntersuchte F~lle, geordnet nach der vertikalen Verschiebung des Referenzpunktes Gnathion, aufgespalten in Gesamt/inderung (AGnvert) und Anderung durch die Genioplastik (AvKinn) in Millimeter. Weiterhin Ausmal3 der postoperativen Apposition/Resorption in der Region Gnathion (AvGn). Beachte den Zusammenhang mit der Verk/irzung der Gesichtsh6he. Negative Werte bedeuten Kaudalbewegung.

mm 20

15 10

o -5

-Io AGr~e~

[__i

AvGn

AvKinn

Abb. 5a und 5b. Beispiel: a) Zustand drei Tage postoperativ nach Genioplastik; b) derselbe Patient zum Zeitpunkt der Nachkontrolle 17 Monate postoperativ. Deutlich ist eine nennenswerte Apposition am Kaudalrand des Kinns zu erkennen (Pfeil).

Abb. 5a

Abb. 5b

Die Beurteilung der Auswirkung auf das Weichteilkinn stellt sich als sehr schwierig dar. Trotz des Bemiihens, die R 6 n t g e n a u f n a h m e n bei entspannter mimischer Muskulatur zu erstellen, zeigten fast 30 % aller Patienten bei der prfioperativen A u f n a h m e eine Dysfunktion des Mentalis-Muskels, so dab das Weichteil-Pogonion nicht korrekt bestimmt werden konnte. Dieser hohe Prozentsatz mag darin begriindet sein, dab MentalisDysfunktionen unter Patienten, bei denen eine Genioplastik indiziert ist, v e r m e h r t auftreten. W e n n die sagittalen Verfinderungen des Weichteilkinns (AWPg3_I) mit den Verfinderungen des kn6cher-

Index (pr~i-OP) Untergesichtsh6he (prfi-OP) Vordere Gesichtsh6he (prfi-OP) Operative Verktirzung (gesamt) Operative Verkiirzung (Kinn)

N-Sp'/Sp'-Gn Sp'-Gn N-Gn AN-Gnl_2 AvKinn~ 2

-0,56* 0,86** 0,85** 0,57* 0,52*

*p < 0,01, **p < 0,001. Tab. 2. Apposition bzw. Resorption in der Region des Gnathions zwischen dem Operationszeitpunkt und dem Zeitpunkt der Nachkontrolle. Korrelationen des Ausmal3es der Apposition/Resorption. 286

nen Kinns (AsPg2_l) in Relation gesetzt werden, zeigt sich, dab das Weichtei|profil den Hartgewebskorrekturen im Durchschnitt zu 55 % folgt, allerdings bei einer Spanne von 4 % bis 115 % (Abb. 6 und 7). Die Korrelation betrfigt trotzdem 0,87 bei einem Standardfehler der Schfitzung von 3,2 m m . Wird dagegen das Verhfiltnis Weichgewebsfinderung (AsWPg3_I) zu effektiver Korrektur, das heil3t nach Abzug des tats~ichlich eingetretenen Rezidivis (AsPg3_l) , bestimmt, erhfilt man als-mittleres Verh~iltnis 7 1 % . Hierbei handelt es sich nur zu einem vernachlfissigbar geringen Anteil um das Rezidiv der Genioplastik, sondern vielmehr um die postoperativen Verfinderungen der orthognathischen Hauptoperation. Hierbei erh6ht sich der Korrelationskoeffizient auf 0,89, und der Standardfehler der Schfitzung verringert sich auf 3,0 ram. D e r G r u n d fiir die relativ hohen Korrelationskoeffizienten ist die sehr groBe Variationsbreite der operativen Korrekturen. Das Hartgewebspogonion wurde durch die K o m b i n a t i o n von orthognathischer Hauptoperation und Genioplastik zwischen 8,9 m m zurtick 9 Urban & Vogel Fortschr. Kieferorthop. 52 (1991), 282-288 (Nr. 5)

Segner, HOltje: Genioplastik mm 30 ~i ,j

25 20-' 9 51

Abb. 6. Verhfiltnisder Hartgewebskorrektur beim Referenzpunkt Pogonion zur Weichgewebsfinderung zum Zeitpunkt der Nachkontrolle ftir die einzelnen Patienten der Untersuchungsgruppe als Sfiulendiagramm dargestellt. Deutlich zu erkennen ist die grol3e Variation der Weichteilreaktion.

15 10 ~

5 0

-5 -10 sag. V e r a n d e r u n g

Pg

~--

Weichgewebsgnderung

16

Die Einbeziehung weiterer Variablen im Sinne eines multiplen Regressionsmodells ergibt nur geringffigige Verbesserungen der Prognosegenauigkeit, ohne die Signifikanz der Regression zu erh6hen.

10

Diskussion

W P g s.g 2O

[]

5 []

0

-6 []

-10 -10

J -6

I

[

I

I

I

I

0

6

10

16

20

26

'~ Pg s.g Abb. 7. Verteilungsdiagramm der Verfinderungen des Weichgewebs-Pogonion in Relation zu den entsprechenden operativen Korrekturen in der Position des Hartgewebs-Pogonion. Obwohl die Ausrichtung der Hauptachse (Regressionsgrade) deutlich zu erkennen ist, bestehen zum Teil Differenzen in der Weichteilreaktion yon bis zu 12 mm bei nahezu gleichem Ausmal3 an sagittaler Korrektur des kn6chernen Kinns.

und24,5 m m vor bewegt. Die Standardabweichung betrfigt dabei 10,1 mm. Bei einer derartig groBen Streuung der operativen Verfinderungen ergibt auch ein Korrelationskoeffizient von fast 0,9 noch einen recht grol3en Standardfehler der Sch~itzung von etwa 3 mm. Im Einzelfall ergeben sich damit hfiufig Schwankungen der tatsfichlichen Weichteilreaktion gegenfiber der vorausgesagten von fiber 5 ram. 9 Urban & Vogel Fortschr. Kieferorthop. 52 (1991), 282-288 (Nr. 5)

Die vorliegende Untersuchung zeigt, dab sich der Langzeiteffekt einer Genioplastik nicht nur sehr genau planen lfigt, sondern dab es, abgesehen von Abrundungs- und Ausgleichseffekten, nur zu minimalen Verfinderungen in sagittaler Richtung k o m m t (Abb. 8). Bei der postoperativen A u f n a h m e sollte der Referenzpunkt Pogonion nicht direkt an der Kante zur Osteotomielinie gew~ihlt werden, da es hier in der Regel zu Resorptionen im Sinne einer A b r u n d u n g k o m m t . Bereits wenige Millimeter weiter kaudal bleibt die ventrale Kontur sehr stabil. D a m i t werden im wesentlichen die Ergebnisse von Bell und Dann [1] unterstiitzt, nicht aber das b e h a u p t e t e v611ige Fehlen eines Rezidivs bestfitigt. McDonnel et al. [6] gaben mit 30 % sagittales Rezidiv in ihrer Studie einen h6heren Wert an. Hadjianghelou land ffir die als freies Transplant ausgeffihrte doppelstufige Kinnplastik mit 50 %, bei einer Spanne von 22 % bis 79 %, ein wesentlich stfirkeres sagittales Rezidiv. Ein leichtes vertikales Rezidiv durch Apposition am U n t e r r a n d des Kinns nach operativer K o r r e k t u r im Sinne einer Verkfirzung wurde von Bell und Dann sowie McDonnel et al. nicht beschrieben. Diese Appositionsvorgfinge am U n t e r r a n d der Symphyse nach vertikaler Verkfirzung des Gesichts sind m6glicherweise 287

Segner, HOltje: Genioplastik lung und der Refixierung des Weichteilkinns scheint geeignet, das Risiko von Resorptionen und Dislokationen zu vermeiden. D a es sich nicht um ein freies Transplantat handelt, scheint es nur zu geringf~gigen Resorptionen zu k o m m e n .

+ Abb. 8. Postoperative Verfinderungen der Kinnkontur dutch Apposition (+) und Resorption (-). Apposition im Bereich des Gnathions fand fast ausschliel31ichbei Ffillen statt, die prfioperativ eine vergr613erte Untergesichtsh6he zeigten. Der B-Punkt selbst verfindert sich in der Regel nicht nach ventral, es sei denn, es wird zusfitzlich Knochentransplantatmaterial ausgeffillt.

Es konnte damit gezeigt werden, dab zwar das Ergebnis des chirurgischen Eingriffs, bezogen auf das Hartgewebe, bei genauer Planung und systematischer Durchffihrung gut planbar ist, dab aber andererseits der.Effekt auf das Weichgewebsprofil nur sehr bedingt vorhersagbar ist. Eine Planung, die vom Weichteilprofil ausgeht, birgt ffir den Einzelfall die Gefahr von unkalkulierbaren Ergebnissen.

Literatur

eine Folge funktioneller Umbildungen aufgrund von postoperativ verstfirktem Muskelzug. Klinisch lfif3t sich ein derartiges Rezidiv durch eine geringffigige l}berkorrektur der Verkfirzung kompensieren. Die Auswirkung der Genioplastik auf das Weichteilkinn liegt mit 55 % geringffigig unter der, die Bell und Dann [1] und McDonnel et al. [6], und deutlich unter der, die Steinhiiuser und Paulus [8] angaben. Wfihrend sich die Spanne bei Bellund Dann von 33 % bis 8 1 % erstreckt, ist sie sowohl in der vorliegenden Untersuchung als auch bei McDonnell et al. noch gr613er. Die geringere Streuung bei Bell und Dann mag daran liegen, dab in ihrem Material keine zusfitzlichen Lageverfinderungen der gesamten Mandibula v o r g e n o m m e n wurden. Steinhiiuser und Paulus gaben kein Streuungsm a g und keine Spanne an. Wfihrend auch in der vorliegenden Untersuchung manche Ffille eine Weichteilreaktion zeigten, die die Hartgewebsverfinderung fibertraf, konnte dieses nicht mit einer vertikalen Verkfirzung durch die Genioplastik korreliert werden, wie dies von Steinhiiuser und Paulus b e o b a c h t e t wurde. Wfihrend andere A u t o r e n Drahtosteosynthesen zur Fixierung des Kinnsegmentes verwendeten, wurde bei unserem Kollektiv obligatorisch eine Osteosynthese durch Zugschrauben oder Miniplatten v o r g e n o m m e n . Dieses V o r g e h e n in Verbindung mit der Weichteilstie-

288

1. Bell, W. H., J. J. Dann: Correction of dentofacial deformities by surgery in the anterior.part of the jaws. Amer. J. Orthodont. 64 (1973), 162-187. 2. Bjork, A., V. Skieller: Normal and abnormal growth of the mandible. A synthesis of longitudinal cephalometric implant studies over a period of 25 years. Europ. J. Orthodont. 5 (1983), 1-46. 3. Hadjianghelou, O.: Erfahrungen mit der doppelstufigen Kinnvergr6gerung. In: Schuchard, K. (Hrsgb.): Fortschr. Kiefer- und Gesichtschirurgie, Bd. 24. Thieme, Stuttgart 1979, S. 112-115. 4. Hasund, A., O. E. B6e, F. Jenatsche, K. Norderval, K. Thunold, P. J. Wisth: Klinische Kephalometrie ffir die Bergen-Technik. Universitfit Bergen, Norwegen 1974. 5. Hofer, O.: Operation der Prognathie und Mikrogenie. Dtsch. Zahn-, Mund- und Kieferheilk. 9 (1942), 121125. 6. McDonnel, J. P., R. W. McNeill, R. A. West: Advancement genioplasty: A retrospective cephalometric analysis of osseous and soft tissue changes. J. oral Surg. 35 (1977), 640-647. 7. Proffit, W. R., T. A. Turvey, J. D. Moriarty: Augmentation genioplasty as an adjunct to conservative orthodontic treatment. Amer. J. Orthodont. 79 (1981), 473-491. 8. Steinhfiuser, E. W., G. W. Paulus: Weichteilverfinderungen nach Kinnplastik. In: Schuchard, K. (Hrsg.): Fortschr. Kiefer- und Gesichtschirurgie, Bd. 24. Thieme, Stuttgart 1979, S. 108-112.

Fiir die Verfasser: Dr. Dietmar Segner, Kieferorthopiidische Abteilung, Zahn-, Mund- und Kieferklinik, Martinistrafie 52, D-2000 Hamburg 20.

9 Urban & Vogel Fortschr. Kieferorthop. 52 (1991), 282-288 (Nr. 5)

[Long-term results after genioplasty].

The serial records of 21 patients were analyzed to study the stability of genioplasty performed in the course of orthognatic surgery and to describe i...
678KB Sizes 0 Downloads 0 Views