Dreikorn u. a. Derzeitiger Stand der Nierentransplantation in der Bundesrepublik
Deutsche Medizinische Wochenschrift
Übersichten Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1498-1504 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Nieren beträgt 1004 (Tabelle 1). Während im Jahre 1974 Der derzeitige Stand der Nierentransplantation in der Bundesrepublik Deutschland 183 Nieren transplantiert wurden, betrug die Anzahl der K. Dreikorn, E. Ritz, L. Röhl, V. Lenhard und H. J. Gurland Unter Mitarbeit von P. Rathert (Aachen), U. Fiedler (Berlin, Klinikum Steglitz), R. Nagel (Berlin, Klinikum Westend), M. Siedek (Bonn), K. Hoffmann, W. Wagner (Düsseldorf), W. Schulz (Erlangen-Nürnberg), F. Beersiek, H. Penke (Essen), W. Faßbinder (Frankfurt am Main), J. Haibfass, R. Jontofsohn (Freiburg), K. Mül(er, C. F. Rothauge (Gießen), V. Zühlke (Göttingen), J. Augustin, W. Hupe (Hamburg), Ch. Brölsch (Hannover), R. Grundmann (Köln), M. Nun, A. Schwarzbeck (Mannheim), H. Lange, G. Rodek (Marburg), W. Land (München), W. Schmitz (Pnien/Chiemsee), H. D. Bundschu, K. Hayduk (Tübingen) und H. E. Franz, P. Schmidt-Wiederkehr (Ulm) Urologische Abteilung des Chirurgischen Zentrums (Vorstand: Prof. Dr. L. Röhl(, Medizinische Universitätsklinik (Direktor: Prof. Dr. G. Schettler), Institut für Immunologie und Serologie (Direktor: Prof. Dr. K. O. Rother) der Universität Heidelberg und Nephrologische Abteilung der Medizinischen Klinik I der Universität München, Klinikum Großhadern (Direktor: Prof. Dr. G. Riecker)
Der folgende Bericht, der einen Uberblick über die derzeitige Transplantationsaktivität in der Bundesrepublik Deutschland vermittelt und ohne Anspruch auf Vollständigkeit die Stellung der deutschen Transplantationsgruppen zu einigen derzeit strittigen immunologischen und klinischen Problemen wiedergibt, stützt sich auf eine schriftliche Befragung der deutschen Transpiantationszentren. Stichtag war der 31. 12. 1975.
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Transplantationsstatistik Nierentranspiantationen werden in der Bundesrepublik Deutschland an 21 Zentren durchgeführt. Die Gesamtzahl der bisher in der Bundesrepublik transpiantierten
Nierentranspiantationen im Jahre 1975 228, das heißt etwa 3,8 Transplantationen pro 1 Million Einwohner und Jahr. Betrachtet man den prozentualen Anteil der Transpiantierten an der Gesamtzahl aller terminal Nierenkranken, so liegt die Bundesrepublik Deutschland nach den Erhebungen des EDTA-Registry' (5) unter 20 europäischen Ländern, in denen mehr als 10 Patienten mit funktionstüchtigem Transplantat leben, mit 5,1% an letzter Stelle (Tabelle 2), weit unter dem europäischen Durchschnitt (19,6%,).
Dieser Rückstand hängt mit bereits früher (10) angeführten Gründen zusammen: ungenügende materielle und personelle Ausstattung der Transplantationszentren, mangelnde Kooperation von Krankenhäusern, die in der Lage wären, Spendernieren zur Verfügung zu stellen.
Die durchschnittlichen Transplantationserfolgsraten in der Bundesrepublik Deutschland entsprechen durchaus denen des EDTA-Registry (Tabelle 3). Wie aus unserer Umfrage hervorgeht, schwanken allerdings in den einzelnen Zentren die Einj ahres-Transplantatfunktionsraten zwischen 14,3 und 70%.
Lebendtransplantationen Die Mehrzahl der transplantierten Nieren sind Leichennieren. Uber die Berechtigung der Lebendtransplantation bestehen in der Bundesrepublik Deutschland kontroverse 1
EDTA
= European Dialysis and Transplant Association
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1498
Tab.
8.
1.
'499
Dreikorn u. a.: Derzeitiger Stand der Nierentransplantation in der Bundesrepublik
Oktober 1976, 101. Jg.
Aktivität der Transplantationszentren in der Bundesrepublik Deutschland
Transplantationen
Chef des chirurgischen Transplantationsteams
Transplantationszentrum
1974
1975
Gesamtzahl der davon LebendTranstransplantationen plantationen bis 31. 12. 1975
Aachen
Prof. Dr. W. Lutzeyer
2
1
7
0
Berlin-Steglitz
Prof. Dr. W. Brosig
3
11
35
1
Berlin-Westend
Prof. Dr. R. Nagel
0
0
8
0
Bonn-Venusberg
Prof. Dr. M. Siedek
14
0
86
3
Düsseldorf
Prof. Dr. H. Dettmar
6
7
17
S
Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. H. Sigel
Essen
Prof. Dr. W. Eigler
Frankfurt am Main
Prof. Dr. W. Weber
Freiburg
PD
Gießen
Prof. Dr. K. F. Rothauge
Göttingen
Prof. Dr. V. Zühlke
Hamburg
Prof. Dr. H. Klosterhalfen
Hannover
5
15
32
1
29
36
98
3
1
8
18
6
19
34
90
0
1
0
12
0
5
2
30
0
3
0
25
0
Prof. Dr. R. Pichlmayr
36
33
123
4
Heidelberg
Prof. Dr. L. Röhl
19
37
161
27
Köln-Lindenthal
Prof. Dr. Dr. H. Pichlmaier
5
20
70
0
Mannheim
Prof. Dr. J. Potempa
0
0
1
0
Marburg
Prof. Dr. G. Rodeck
21
18
48
1
München
Prof. Dr. G. Heberer
6
2
107
24
Prien/Chiemsee
Prof. Dr. W. Schmitz
2
1
3
2
Tübingen
Prof. Dr. L. Koslowski
1
2
7
1
Ulm
Prof. Dr. J. Vollmar
5
1
26
0
183
228
1004
78
Dr. M. Halbfass
Tab. 2. Prozentualer Anteil der Transpiantationen an der Gesamtzahl aller wegen terminaler Niereninsuffizienz behandelten Patienten
Tab. 3. Transplantatfunktionsraten und Oberlebensraten der Transplantatempfänger nach den Angaben des EDTA-Registry (1972
(31. 12. 1974)
bis 1974)
Land
Uberlebensraten
(ï ±
1
s)
bei
Nonsiegen
73,4
Finnland
69,8
Dänemark
58,0
Schweden
51,7
Schweiz
37,2
Europa
19,6
Bundesrepublik Deutschland
5,1
Eu-
Jahr Bundes-
3
Eu-
Jahre Bundes-
ropa republik ropa republik
Lebendspendern - Transplantat 70 ± 2 83 ± 9 60 ± 4 83 ± 9 Patienten 86 ± 2 92 ± 7 76 ± 4 92 ± 7 Leichennieren
- Transplantat Patienten
48 ± 1 46 ± 5 39 ± 2 32 ± 6 72 ± 1 79 ± 4 63 ± 2 69 ± 6
von der Gesamtzahl der durchgeführten Transplantationen, wobei allerdings der relative Anteil der Lebendtransplantationen rückläufig ist. USA 39%
Bei eineiigen Zwillingen oder HLA-identischen Geschwisterkombi-
Ansichten. Lebendtransplantatioñen werden von einigen Zentren grundsätzlich abgelehnt. Wenngleich die übrigen Zentren nicht prinzipiell Lebendtransplantationen ablehnen, ist jedoch die Anzahl der Lebendtransplantationen - von den bis zum 31. 12. 1975 durchgeführten 1004 Transpiantationen waren 78 Lebendtransplantationen insgesamt gering und stellt nicht mehr als 7,8% aller Transplantationen dar (Tabelle 1). Im Vergleich dazu beträgt der Anteil der Lebendtransplantationen in den
nationen treten Transplantatverluste durch Abstoßungsreaktionen nicht bzw. selten auf, so daß unseres Erachtens in diesen Fällen eine Lebendtransplantation absolut gerechtfertigt ist. Ob Lebendtransplantate bei haplotyp-identischer2 SpenderEmpfänger-Kombination aufgrund immunologischer Vorteile eine wesentlich bessere Funktionsrate aufweisen als Leichennieren, ist weniger überzeugend gesichert. Eine derartige Spender-EmpfängerKombination liegt nach den Mendelschen Gesetzen bei 500/o der Haplotypen = Paare von gekoppelt vererbten Antigenen, in diesem Zusammenhang: Vererbungseinheit des HLA-Systems. 2
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Nr. 41,
Dreikorn u. a.: Derzeitiger Stand der Nierentranspiantation in der Bundesrepublik
Geschwisterkombinationen und bei allen Eltern-Kind-Kombinationen vor. Bei der Mehrzahl der bislang in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Lebendtransplantationen fanden sich diese Spender-Empfänger-Kombinationen.
Das Risiko für den Spender ist gering, sollte jedoch in jedem Falle berücksichtigt und individuell abgewogen werden. Bei bisher auf der ganzen Welt insgesamt rund 5000 durchgeführten Lebendtransplantationen wurden vier Todesfälle bei Spendern beobachtet, entsprechend einem Operationsrisiko von 1%o. Die Reduktion der Lebenserwartung, die durch die Entnahme einer Niere zur Transplantation entsteht, ist vergleichbar mit der Reduktion der Lebenserwartung bei traumatisch Einnierigen durch das Risiko der traumatischen Verletzung der Restniere bzw. dem Risiko eines malignen Tumors in der Restniere und beträgt nach der Statistik der Metropolitan Life Insurance Company etwa 6 Monate bei einer Gesamtiebenserwartung von 65 Jahren.