Der interessante Fall

Keratokonusdetektion durch Analyse der kornealen Biomechanik Keratoconus Detection by Analysis of Corneal Biomechanics

Hintergrund

Der Fall

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Der Keratokonus stellt eine absolute Kontraindikation für eine Refraktivkorrektur mittels LASIK dar [1], da ein weiteres Kompromittieren der kornealen Biomechanik durch die LASIK zu einer Progression des Keratokonus und einer iatrogenen Keratektasie führen kann. Dies ist besonders schwerwiegend, wenn sich ein bis dahin subklinischer Konus erst durch den Eingriff klinisch manifestiert. Daher muss ein subklinischer Keratokonus, der nicht immer einfach von physiologischen Irregularitäten der Hornhaut zu trennen ist, vor einer geplanten LASIK sicher erkannt werden.

Wir berichten über eine 38-jährige Patientin, die sich mit dem Wunsch nach refraktiver Korrektur bei uns vorstellte. Bei ihr lag eine Myopie von rechts 1,5 und links 1,75 dpt (Dioptrien) bei vollem Visus beidseits vor. Die weiteren ophthalmologischen Befunde waren allesamt unauffällig, allgemeinmedizinisch gab die Patientin einen niedrigen Blutdruck und eine gut eingestellte Schilddrüsenunterfunktion an. Aufgrund der Refraktionswerte hielten wir eine Monovision, bei der nur ein Auge behandelt werden müsste, für anstrebenswert. Daher führten wir einen Tole-

Abb. 1 Hornhauttopografie (True Net Power und Posterior Float) beider Augen.

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ranztest mittels Probebrille und später auch Kontaktlinse durch, bei dem nur das rechte Führungsauge auf Emmetropie korrigiert wurde. Dies wurde von der Patientin als angenehm empfunden, sodass wir eine Refraktivkorrektur an diesem Auge planten. Die im Rahmen der Voruntersuchung erstellte Hornhauttopografie (Oculus Pen" Abb. 1) zeigte allerdings gerade tacam, l am rechten Auge Irregularitäten, die zwar diskret, aber angesichts des geplanten Eingriffs von Relevanz waren [2]: Die Differenz des oberen und unteren K-WertMaximums in der steilsten Achse betrug 1,4 dpt (am linken Auge 1,0 dpt), der Posterior Float zeigte eine Elevation von 12 μm (links 8 μm). Beide Augen zeigten bei überdurchschnittlicher Hornhautdicke (571/577 μm) eine diskrete Aufsteilung der nasal-unteren Hornhaut (bei KWert-Maximum in der Hornhautvorderfläche 43,4 und 43,1 dpt), die Belin-Am" Abb. 2 und 3) lieferte brosio-Analyse (l bei beidseits nur geringen Abweichungen vom Durchschnitt keine wegweisenden Informationen. Diese Befunde erlaubten weder eindeutig die Stellung eines Keratokonusverdachts

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Abb. 2 Die Belin-Ambrosio-Analyse des rechten Auges zeigt keine wegweisenden Auffälligkeiten.

noch den für die geplante LASIK notwendigen sicheren Ausschluss.

Diagnostik der kornealen Biomechanik !

Wir führten im Anschluss eine Messung der kornealen Deformation mittels eines Non-Contact-Tonometers mit integrierter Hochgeschwindigkeits-Scheimpflug-Darstellung (Oculus Corvis ST) durch. Hierbei wird während eines tonometrischen AirPuffs die Verformung der Hornhaut, die sich aus einer bulbuskomprimierenden Bewegung und einer Rückstellbewegung zusammensetzt, mit einer Auflösung von über 4000 Bildern pro Sekunde tomografisch erfasst. Aus den aufgezeichneten Bildern lassen sich biomechanische Daten numerisch und grafisch extrahieren, die Software greift auf Parameter wie die Amplitude der Bewegung (Deformation Amplitude), die Geschwindigkeit der Bewegung (Corneal Velocity) oder die Applanationslänge (Applanation 1: Länge der Applanation bei der bulbuskompri-

mierenden Bewegung, Applanation 2: Länge der Applanation bei der Rückstellbewegung) zurück und stellt diese gegen die Zeit aufgetragen grafisch dar. Verschiedene Arbeiten geben einen umfassenderen Überblick über das Prinzip, die extrahierten Parameter und die Befunddeutung [3, 4]. Die aus den Messungen extrahierten Da" Abb. 4 und 5) zeigten deutliche ten (l Unterschiede zwischen dem rechten und linken Auge. Während das linke Auge keine nennenswerten Auffälligkeiten zeigte und vergleichend zur Darstellung eines annähernden Normalbefunds dienen kann, erhärtete eine Reihe von Befunden am rechten Auge den Keratokonusverdacht [4, 5]: Der Graph der Deformations" Abb. 4 und 5: Deformation amplitude (l Amplitude) zeigte während des bulbuskomprimierenden Anteils der Bewegung eine Zäsur mit Ausbildung eines kleinen Zwischengipfels. Korrelierend dazu fand sich im Diagramm der Hornhautbewe" Abb. 4 und 5: gungs-Geschwindigkeit (l Corneal Velocity) ein für Keratektasien typisches Sägezahnmuster. Die Applana-

tion während der Rückstellbewegung " Abb. 4 und 5: Appla(2. Applanation; l nation Length) war im Vergleich zur 1. Applanation deutlich verkürzt, der Radius der stärksten Durchbiegung " Abb. 4 und 5: Highest Concavity) war (l deutlich kleiner als am Partnerauge (7,43 zu 8,38 mm). Alle diese Daten deuten auf eine biomechanisch kompromittierte Hornhaut hin, deren Reaktion auf den Luftstrahl eine „zappelige“ Bewegung ist.

Diskussion !

Dank jüngerer technischer Entwicklungen ist die präzise Erfassung von Parametern der kornealen Biomechanik, deren Einfluss auf augenheilkundliche Erkrankungen und Messverfahren (z. B. Applanationstonometrie) schon länger postuliert wird, ohne großen Aufwand im klinischen Alltag möglich. Die Erfassung der biomechanischen Eigenschaften der Kornea setzt näher bei den potenziellen Ursachen für Formveränderungen an als die Hornhauttopografie, die eigentlich

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Abb. 3 Die Belin-Ambrosio-Analyse des linken Auges ähnelt der des rechten Auges.

Abb. 4 Darstellung der kornealen Biomechanik des linken Auges (Normalbefund).

Abb. 5 Darstellung der kornealen Biomechanik des rechten Auges mit keratektasietypischen Veränderungen (Pfeile).

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zierte Daten hier Klarheit schaffen werden und auch dabei helfen, die Genese des Keratokonus allgemein besser zu verstehen.

Interessenkonflikt: Nein P. Franko Zeitz, J. Zeitz Praxis für Augenheilkunde, Praxis Zeitz Franko Zeitz, Düsseldorf

Literatur 1 Kommission Refraktive Chirurgie (KRC). Bewertung und Qualitätssicherung (5/2011). Im Internet: http://www.augeninfo.de/krc/ index_00.php; Stand: 04.10.2013 2 Goebels S, Eppig T, Seitz B et al. [Detection of early forms of keratoconus – current screening methods]. Klin Monatsbl Augenheilkd 2013; 230: 998–1004 3 Valbon BF, Ambrósio jr. R, Fontes BM et al. Effects of age on corneal deformation by noncontact tonometry integrated with an ultra-

high-speed (UHS) Scheimpflug camera. Arq Bras Oftalmol 2013; 76: 229–232 4 Gatzioufas Z, Seitz B. [New aspects on biomechanics of the cornea in keratoconus]. Ophthalmologe 2013; 110: 810–817 5 Wolffsohn JS, Safeen S, Shah S et al. Changes of corneal biomechanics with keratoconus. Cornea 2012; 31: 849–854

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1360141 Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 170–173 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Dr. med. Philipp Franko Zeitz Praxis Zeitz Franko Zeitz Praxis für Augenheilkunde Blumenstraße 11 40212 Düsseldorf Tel.: ++49/(0)2 11/2 20 69 80 Fax: ++49/(0)2 11/22 06 98 29 [email protected]

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„nur“ die Auswirkungen darstellt. Daher liefern die beiden Verfahren durch grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen gut voneinander abgegrenzte Informationen, die sich gegenseitig ergänzen. In unserem Fall erbrachte die Topografie ein nicht eindeutig zu klärendes Verdachtsmoment, die Messung der kornealen Deformation die diagnostische Klarheit und Therapieentscheidung, in diesem Fall wegen eines begründeten Verdachts auf eine LASIK zu verzichten. Warum der Unterschied zwischen dem rechten und dem linken Auge in der Messung der Biomechanik allerdings so viel deutlicher ausgefallen ist als in der Topografie und warum das linke Auge keine signifikanten biomechanischen Veränderungen zeigte, erklärt sich für uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig. Da das Verfahren noch sehr jung ist, erwarten wir, dass in Zukunft weitere publi-

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