Onkologie I : 20-22 (1978)

Das Kaposi-Sarkom Ein kurzer Überblick über eine seltene Krankheit R. O brist , D. H artm ann und J. P. O brecht

Zusammenfassung und Schlüsselwörter

Summary and Key Words

Pathologische, klinische, epidemiologische und immunologische Aspekte eines seltenen Tumors, des Kaposi-Sarkoms, werden kurz diskutiert. Die Häufigkeit der Krankheit in einer afrikanischen Be­ völkerung legt die Frage nach begünstigenden genetischen und Um­ weltfaktoren in der Karzinogenese nahe. Immunologische Daten deu­ ten auf eine mögliche virale Ursache. Die klinische Symptomatik scheint durch Veränderung des Immunabwehrsystems beeinflußt zu werden. Viele Fragen bezüglich der Wirt-Tumor-Beziehung bleiben weiterhin offen.

Pathological, clinical, epidemiological and immunological aspects of a rare tumor, Kaposi’s sarcoma, are briefly discussed. The prevalence of the disease in an African population raises questions about genetic and environmental factors in its carcinogenesis. Immunological data indicate a probable viral origin. The clinical patterns seem to be influenced by alterations of the immune defense mechanisms. Most questions about tits biological behaviour remain to be answered yet.

Kaposi-Sarkom - Immunologische Parameter - Therapie

Kaposi’s sarcoma - Immunological parameters - Therapy

Ein Patient mit Kaposi-Sarkom war zur Einleitung einer zyto­ statischen Chemotherapie an unsere Klinik gewiesen worden. Obwohl es sich dabei um eine extrem seltene Krankheit han­ delt, sind die durch diesen Tumor aufgeworfenen Fragen von so weitreichender immunbiologischer Bedeutung, daß eine Zusammenfassung des Falles und eine kurze Literaturüber­ sicht gerechtfertigt scheint. S. B., KG No. 11429/77. Bei unserem Patienten handelt es sich um einen 50jährigen männlichen Bantu aus Tansania, welcher seit 1964 an beiden Beinen langsam wachsende Knoten bekam. Die Diagnose eines Kaposi-Sarkoms wurde zuerst aufgrund des typischen klinischen Bildes, 1969 schließlich erstmals aufgrund eines histologischen Präparates, gestellt. Die Behandlung in Afrika und in Europa bestand in Bestrahlungen und einer Vielzahl von zytostatischen Medika­ menten, welche alle partielle und komplette Remission induzierten. Klinisch bestanden die Läsionen in multiplen intradermalen Knötchen mit Durchmessern bis zu einigen Zentimetern, welche an beiden Beinen, um die Knöchel und auf dem Fußrist auftraten. Diese Knötchen waren von einer ziemlich derben Konsistenz, die größeren deutlich wärmer als die umgebende Haut, die meisten ohne eine Eigenfärbung, einige jedoch mit der typisch bläulichen, hämorrhagischen Koloration. Die Haut der Füße war verdickt, ödematös geschwollen und von bedeutend dunklerer Farbe als die übrige Haut. Am lateralen und medialen Fußrand fanden sich multiple Fissuren. Schließlich fanden sich mehrere kreisförmi­ ge Narben mit weißlich atrophischer Haut in derselben Ge­ gend (Abbildung 1 und 2). Nach 13jährigem Verlauf trat 1977, gleichzeitig mit einem Rezidiv des Kaposi-Sarkoms, als Zweittumor ein malignes Lymphom auf. Dieses war in einer axillären Lymphknoten­ biopsie diffus, lymphozytär, undifferenziert. Bei der weiteren Abklärung fand sich ein grobverändertes Lymphangiogramm, eine Verdrängung der Ureteren durch Lymphknoten sowie

Anteile des Lymphoms im Knochenmark. Bei immunelektro­ phoretisch normalen Serumeiweißen fand sich im Urin ein nicht sicher beweisender Hinweis auf Bence-Jones-Proteine. Hautteste mit PPD, Varidase und Candida-Antigenen verliefen positiv, mit Mumps negativ. Eine DNCBSensibilisierung war negativ. Der Anteil der T-Lymphozyten im peripheren Blut betrug lediglich 34% (normal um 70%). Der Patient wird momentan mit einer Kombination von Vincristin, Streptonigrin und Prednison behandelt. Das von Kaposi 1872 erstmals beschriebene Sarkom erhielt von ihm den Namen »idiopathisches, multiples Pigment­ sarkom der Haut«, 1894 änderte er die Bezeichnung in»Sarcoma idiopathicum multiplex haemorrhagicum«. Seither er­ hielt dieser Tumor von verschiedenen Autoren gegen 40 unterschiedliche Bezeichnungen [2, 6, 8j. Die Pathologen konnten sich bis heute nicht auf eine definitive Einreihung einigen, obwohl das Kaposi-Sarkom offiziell unter den Tu­ moren des Gefäßsystems und der Lymphgefäße klassifiziert wird. Histologisch findet sich eine Kombination von Spindel­ zellen, vaskulären Strukturen und einem lymphozytären Infil­ trat, wobei die Häufigkeit der einzelnen Anteile in verschie­ denen Patienten oder sogar verschiedenen Knoten desselben Patienten sehr stark variieren kann. Als Extreme werden aufgrund des granulomähnlichen Bildes infektiöse Ursachen, aufgrund des anscheinend oft vorkommenden multifokalen Auftretens multiple Gefäßmißbildungen mit maligner Entar­ tungstendenz angenommen. Zytogenetisch werden meist ent­ artete Epithelzellen, oft jedoch auch Zellen des RHS, Peri­ zyten und sogar Schwansche Zellen als Ausgangsort postuliert. Nach neueren Arbeiten aus Uganda lassen sich histologisch eine gemischtzellige, eine monozelluläre und eine anaplastische Form unterscheiden. Eindeutige Beziehungen zu den klinisch unterschiedenen nodulären lymphödematösen oder lokal aggressiven Formen lassen sich nicht finden. Das KaposiSarkom tritt in linearer Abhängigkeit mit dem Alter häufiger

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Abbildung I. Frontale Ansicht, welche deutlich die ödematös geschwollenen Füße und Knöchel sowie die verdickte Haut, die Narben und Knoten zeigt.

Abbildung 2. Linke Poplitea mit verschiedenen intradermalen Knoten,

auf. Dies ist eine Gemeinsamkeit mit den malignen Lymphomen, im Gegensatz zu den Karzinomen, welche ex­ ponentiell zunehmen [2, 6, 13,15,16]. Die lymphadenopathische Form findet sich vorwiegend bei Kindern unter 16 Jahren, wo sie meist mit einem fulminanten Verlauf einhergeht. Die weitaus häufigste noduläre Form hat eine mittlere Uberlebenszeit von etwa 10 Jahren. Extreme bis 47 Jahre sind jedoch beschrieben worden. Das männliche Ge­ schlecht wird bis lOmal häufiger befallen als Frauen, letztere scheinen aber eher unter einem progressiven Verlauf zu lei­ den. Die Suche nach hormonellen Ursachen für diese Vertei­ lung verlief ergebnislos, ebenso wie die darauf basierenden Therapieversuche mit Hormonen. Am häufigsten tritt das Sarkom zuerst an den Beinen auf, um sich schließlich bei durchaus möglichen spontanen Remissionen, welche auf Thrombosierung der wild wuchernden Gefäße zurückgeführt werden, am ganzen Körper zu manifestieren. Todesursache beim Spontanverlauf sollen Magen-Darm-Blutungen, hervor­ gerufen durch Knoten in der Darmwand, sein [1, 2,4,11], Das Kaposi-Sarkom soll in den USA 3% aller Sarkome aus­ machen. In Finnland stellt es 0,02% aller malignen Tumoren, im Gebiet des ehemaligen Belgisch Kongo 12,8%. Es soll unter Italienern, Juden und Bantus gehäuft Vorkommen. Dies erklärt wohl auch seine Häufigkeit in Zentral- und Ostafrika.

Wegen seines vermehrten Vorkommens in Malariagebieten wurde in Analogie zum Burkitt-Lymphom eine mögliche Virusätiologie und die Ausbreitung durch einen Vektor an­ genommen. Bis heute ist jedoch ein Virusnachweis nicht ge­ lungen. Immerhin finden sich bei Patienten mit Morbus Kaposi signifikant häufiger erhöhte Zytomegalie-Antikörpertiter, als dies in der normalen Bevölkerung der Fall ist. Inter­ essanterweise scheinen diese Titer bei progredienten Fällen tiefer zu sein und seltener vorzukommen. Die humorale Immunabwehr scheint normal zu funktionieren, ergaben sich doch nach Impfungen mit Vi-Antigenen keine Unterschiede zu einer Kontrollgruppe. Desgleichen waren immunelektro­ phoretisch keine Unterschiede auszumachen. Hingegen lassen sich gewisse zelluläre Abwehrschwächen durch DNCB-Sensibilisierung bei progressiven Formen nachweisen. Während bei protrahiertem Verlauf 100% der Patienten auf eine DNCB-Sensibilisierung reagierten, waren es bei malignem Verlauf nur noch 12%. Möglicherweise erklärt sich so der tiefe T-Zellprozentsatz bei unserem Patienten. Eine gestörte Immunitätslage ist auch aufgrund der sehr häufigen Zweit­ tumoren anzunehmen. So starben in einer Serie von 63 Patien­ ten deren 18 an einem Zweittumor. Von diesen 18 litten 8 an einem malignen Lymphom, ln einer anderen Serie waren bei 8% der Fälle von Kaposi-Sarkom gleichzeitig maligne

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Obrist et al.: Das Kaposi-Sarkom

Obrist et al.: Das Kaposi-Sarkom

Lymphome vorhanden. Auffallenderweise findet sich diese Häufung von Zweittumoren nur bei amerikanischen und euro­ päischen Patienten, nicht jedoch bei afrikanischen Negern. Möglicherweise spielt dabei eine Rolle, daß in den medizinisch entwickelteren Ländern die Patienten vermehrt mit Zyto­ statika behandelt werden. Wenn diese Hypothese stimmt, soll­ ten diese Unterschiede zunehmend mit der Einführung mo­ derner Behandlungsmethoden verschwinden [2, 3, 5, 7, 9, 10,

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Therapie der Wahl scheint heute eine Dreifachkombination mit Actinomyzin-D, Vincristin und DTIC zu sein. Eine kon­ trollierte Studie ergab damit über 90% komplette Remissio­ nen. Dabei reagierten allerdings die monozellulären Formen mit nur 75% kompletten Remissionen bedeutend schlechter. Über die Dauer dieser Therapieerfolge läßt sich momentan noch nichts aussagen. Bei einer Wertung ist die Gefahr von eventuell durch die medikamentöse Therapie hervorgerufenen Zweittumoren zu berücksichtigen. Ferner wurde ein fulmi­ nanter Verlauf eines Kaposi-Sarkoms unter Azathioprim bei einem Patienten mit Nierentransplantation beschrieben. Außerdem können die Patienten im allgemeinen mit einem protrahierten Verlauf rechnen. Schließlich sterben bis 50% der Patienten an anderen Todesursachen [11,12,14]. Wir haben versucht, einige interessante Aspekte des seltenen Kaposi-Sarkoms aufzuzeigen. Dabei fanden sich verschiedene, vorwiegend immunologische Ansatzpunkte, ohne daß jedoch definitive Aussagen möglich wären. Die Erweiterung unserer Kenntnisse über diese Krankheit läßt ein vertieftes Verständ­ nis komplexer tumorimmunologischer Vorgänge erwarten.

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Literatur

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[Kaposi sarcoma. A short review on a rare disease].

Onkologie I : 20-22 (1978) Das Kaposi-Sarkom Ein kurzer Überblick über eine seltene Krankheit R. O brist , D. H artm ann und J. P. O brecht Zusammen...
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