Kasuistiken Unfallchirurg 2014 · 117:1141–1144 DOI 10.1007/s00113-014-2661-9 Online publiziert: 3. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

W. Mutschler, München V. Braunstein, München H. Polzer, München

Kapitatumfrakturen sind selten und verkörpern lediglich 1,3% der knöchernen Handwurzelläsionen [1]. Sie sind meistens mit anderen Handwurzelfrakturen, beispielsweise dem Fenton-Syndrom, assoziiert [2]. Klassischerweise handelt es sich bei diesem Syndrom um eine Querfraktur des Kahnbeins kombiniert mit einer Kopfbeinfraktur im proximalen Bereich, bei der das Fragment um 90° oder 180° rotiert ist. Isolierte Kapitatumfrakturen treten sogar noch seltener auf und verursachen lediglich 0,3% der knöchernen

M.C. Kirchberger · F. Unglaub · P. Hahn · C.K. Spies Vulpius Klinik GmbH, Bad Rappenau

Isolierte Kapitatumfrakturen in der Koronarebene Handwurzelverletzungen [1]. Diese Frakturen sind oftmals nicht disloziert.

Fallbericht 1 Eine 52-jährige Frau rutschte auf einer nassen Fußmatte aus und stürzte auf die rechte Hand. Nach der klinischen Untersuchung erfolgte eine nativradiologische Diagnostik der rechten Hand (. Abb. 1, 2). Der verantwortliche Chirurg konnte keine knöchernen Verletzungen feststellen. Demzufolge wurde eine Handge-

lenkdistorsion attestiert und die Patientin mit Analgetika aus der ambulanten Behandlung entlassen. Weil die Schmerzen einige Wochen persistierten, erfolgte basierend auf der Annahme einer Kahnbeinfraktur eine computertomographische Schnittbildgebung. Dadurch konnte eine Frakturlinie in der Koronarebene des Kapitatums diagnostiziert werden (. Abb. 3). Aufgrund dessen erfolgten die offene Reposition und die Osteosynthese durch eine Midi-Herbert-Schraube (. Abb. 4, 5).

Fallbericht 2 Ein 46-jähriger Mann, der beim Skifahren stürzte, beklagte Schmerzen über dem linken Handgelenk. Auch in diesem Fall wurde keine Fraktur der Handwurzel nach nativradiologischer Bildgebung festgestellt (. Abb. 6, 7). Aufgrund des klinischen Verdachts auf eine Kahnbeinfraktur erfolgte eine computertomographische Schnittbildgebung. Diese erbrachte den Nachweis einer Kapitatumfraktur in der Koronarebene (. Abb. 8). Auch in diesem Fall schlossen sich die offene Reposition und Verschraubung mit einer MiniHerbert-Schraube an (. Abb. 9, 10).

Diskussion

Abb. 1 8 Nativradiologische Bildgebung: Projektion nach Stecher des rechten Handgelenks

Abb. 2 8 Nativradiologische Bildgebung: seitliche Projektion des rechten Handgelenks

Kapitatumfrakturen treten äußerst selten auf. Diese Frakturen entstehen gewöhnlich an der Taille des Kopfbeins. Frakturen, die in der Koronarebene verlaufen, können allerdings leicht übersehen werden. Der Unfallchirurg 12 · 2014 

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Kasuistiken

Abb. 3 8 CT, sagittale Rekonstruktion des rechten Handgelenks: Fraktur durch den distalen Teil des Kopfbeins Abb. 7 8 Nativradiologische Bildgebung: seitliche Projektion der linken Mittelhand

Abb. 5 8 Nativradiologische Bildgebung: seitliche Projektion des rechten Handgelenks mit im Kopfbein platzierter Midi-Herbert-Schraube 6 Wochen postoperativ

Abb. 4 8 Nativradiologische Bildgebung: dorsopalmare Projektion des rechten Handgelenks mit im Kopfbein platzierter Midi-HerbertSchraube 6 Wochen postoperativ

Nach einer zielorientierten Anamnese sollte sich eine suffiziente klinische Untersuchung anschließen. Eine axiale Krafteinwirkung, die durch den 3. und 4. Mittelhandknochen führt, kann koronare Kopfbeinfrakturen verursachen [3, 4]. Hyperextensionstraumata verursachen für gewöhnlich Frakturen an der Taille des Kapitatums. Diese Läsionen sind oftmals durch Dislokationen des proximalen Kopfbeinpols charakterisiert [5].

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Abb. 8 8 CT, sagittale Rekonstruktion des linken Handgelenks: Fraktur durch den distalen Teil des Kopfbeins Abb. 6 8 Nativradiologische Bildgebung: dorsopalmare Projektion der linken Mittelhand

Nach der klinischen Untersuchung ist eine nativradiologische Bildgebung in 2 Ebenen vorzunehmen. Bei klinischem Verdacht auf eine Fraktur können Schräg-

aufnahmen sinnvoll sein. Koronare Frakturen des Kopfbeins können dennoch aufgrund von Überlagerungen vieler Handwurzelstrukturen leicht übersehen bzw.

Zusammenfassung · Abstract

Abb. 9 8 Nativradiologische Bildgebung: dorsopalmare Projektion des linken Handgelenks mit im Kopfbein platzierter Mini-Herbert-Schraube 6 Wochen postoperativ

richtung des Zentralstrahls ist von essenzieller Bedeutung und sollte durch die klinische Untersuchung eingegrenzt werden. Die Überlagerungsartefakte sind mitunter durch die enge anatomische Lagebeziehung der Handwurzelknochen zueinander verursacht, da der Bandapparat straff die Karpalknochen zusammenhält und somit eine hohe intrinsische Stabilität gewährleistet [6]. Das Kopfbein ist zentral in die Handwurzel eingebettet, und Frakturdislokationen treten aufgrund des straffen Bandapparats selten auf [2, 7]. Diese Eigenschaften erschweren den Nachweis einer Fraktur durch die nativradiologische Bildgebung. Vor allem Unfallgeschehen mit axialer Krafteinwirkung auf den 3. oder 4. Mittelhandknochen oder direkt auf das Kopfbein und eindeutig eingrenzbaren Schmerzen diesbezüglich sollten zur zeitnahen Veranlassung einer DünnschichtCT mit multiplanaren Rekonstruktionen führen, um diese Handwurzelläsion sicher nach zu weisen [8, 9]. Kopfbeinfrakturen in der Koronarebene sind in der Regel intraartikuläre Frakturen. Konsolidierungsstörungen der Kapitatumfraktur werden regelmäßig beschrieben [4, 10, 11]. Somit sollten dislozierte Frakturen idealerweise offen reponiert und mit einer Kompressionsschraube, z. B. einer Herbert-Schraube, versorgt werden. Nichtdislozierte Frakturen können auch konservativ therapiert werden. Eine offene Reposition und die osteosynthetische Versorgung ermöglichen jedoch, ähnlich der dislozierten Fraktur, eine frühfunktionelle Nachbehandlung und führen in der Regel auch zu einer schnelleren Ausheilung des Knochens [4].

Fazit für die Praxis Abb. 10 8 Nativradiologische Bildgebung: seitliche Projektion des linken Handgelenks mit im Kopfbein platzierter Mini-Herbert-Schraube 6 Wochen postoperativ

fehlinterpretiert werden. Obwohl die nativradiologische Bildgebung in dorsopalmarer, seitlicher und Projektion nach Stecher erfolgte, konnte keine Fraktur sicher nachgewiesen werden. Die präzise Aus-

Kopfbeinfrakturen sind selten. Basierend auf einer suffizienten Anamnese und klinischen Untersuchung sollte eine zielgerichtete Dünnschicht-CT der Handwurzel erfolgen, um die Diagnose zu erzwingen und zeitnah eine adäquate Therapie einzuleiten.

Unfallchirurg 2014 · 117:1141–1144 DOI 10.1007/s00113-014-2661-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 M.C. Kirchberger · F. Unglaub · P. Hahn · C.K. Spies

Isolierte Kapitatumfrakturen in der Koronarebene Zusammenfassung Isolierte Frakturen des Kapitatums in der Koronarebene kommen einerseits selten vor, andererseits sind sie häufig schwierig nativradiologisch zu diagnostizieren. Die Gefahr des Übersehens dieser Verletzung ist mit weitreichenden, langfristigen Konsequenzen allgegenwärtig. Die Kasuistiken zweier Patienten heben die Bedeutung der computertomographischen Schnittbildgebung zur Verifizierung der Frakturen und Initiierung einer adäquaten Therapie hervor. Schlüsselwörter Handwurzelläsionen · Computertomographie · Karpus · Muskuloskelettale Bildgebung · Röntgen

Isolated capitate fractures in the frontal plane Abstract Isolated fractures of the capitate in the frontal plane are both very rare and most of the time very discreet. There is a great risk to miss such fractures with potential longterm consequences. The following report of two independent patients highlights the importance of computed tomography in order to verify fractures and initiate adequate treatment. Keywords Carpal lesions · Computed tomography · Carpus · Musculoskeletal imaging · Roentgen

Korrespondenzadresse Dr. C.K. Spies Vulpius Klinik GmbH Vulpiusstr. 29, 74906 Bad Rappenau [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C.K. Spies, M.K. Kirchberger, F. Unglaub, P. Hahn geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Fachnachrichten

  1. Rand JA, Linscheid RL, Dobyns JH (1982) Capitate fractures: a long-term follow-up. Clin Orthop Relat Res 165:209–216   2. Fenton RL (1956) The naviculo-capitate fracture syndrome. J Bone Joint Surg [Am] 38:681–684   3. Kang SY, Song KS, Lee HJ et al (2009) A case report of coronal fractures through the hamate, the capitate, and the trapezoid. Arch Orthop Trauma Surg 129:963–965   4. Suh N, Ek ET, Wolfe SW (2014) Carpal fractures. J Hand Surg [Am] 39:785–791   5. Monahan PR, Galasko CS (1972) The scapho-capitate fracture syndrome. A mechanism of injury. J Bone Joint Surg [Br] 54:122–124   6. Kijima Y, Viegas SF (2009) Wrist anatomy and biomechanics. J Hand Surg [Am] 34:1555–1563   7. Kawamura K, Chung KC (2007) Management of wrist injuries. Plast Reconstr Surg 120:73e–89e   8. Sabat D, Arora S, Dhal A (2011) Isolated capitate fracture with dorsal dislocation of proximal pole: a case report. Hand 6:333–336   9. Christopoulos G, Schmitt R, Spitz J (2004) Frakturen der übrigen Handwurzel. In: Schmitt R, Lanz U (Hrsg) Bildgebende Diagnostik der Hand. Thieme, Stuttgart, S 243–244 10. Rayan GM (1994) Occult wrist pain due to capitate nonunion. South Med J 87:402–404 11. Corsten M, Heffinger C, Kolios L et al (2013) Functional results and quality of life after bilateral scaphoid reconstruction: a case series. Arch Orthop Trauma Surg 133:283–286

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Oskar-Medizinpreis 2014 für PD Dr. ­Tobias Renkawitz Der Oskar-Medizinpreis der Berliner Stiftung Oskar-Helene-Heim, mit 50.000 € Preisgeld einer der höchstdotierten Medizinpreise in Deutschland, wird in diesem Jahr dem Mediziner PD Dr. Tobias Renkawitz von der Orthopädischen Klinik der Universität Regensburg, Bad Abbach, verliehen. Der Wissenschaftler wird für seine wegweisenden Forschungen zum Thema „Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit beim elektiven Hüftgelenkersatz“ ausgezeichnet. PD Dr. Renkawitz hat eine computerassistierte Operationstechnik entwickelt, bei der das künstliche Hüftgelenk über einen muskelschonenden Zugangsweg, ausgerichtet an der individuellen Anatomie und Biomechanik des Patienten eingesetzt wird. Die Methode ermöglicht eine besonders exakte Anpassung der künstlichen Gelenkkomponenten nach dem „SchlüsselSchloss-Prinzip“: Dabei bilden alle Teile des künstlichen Hüftgelenks eine biomechanisch dreidimensional optimierte Einheit. Patienten erreichen dadurch nach der Operation schnell Schmerzfreiheit, eine hohe Beweglichkeit und Belastungsfähigkeit im Alltag. Derzeit werden jährlich mehr als 200.000 künstliche Hüftgelenke in Deutschland implantiert. Die häufigste Frühkomplikation ist die Ausrenkung (Luxation). Betroffene Patienten empfinden diese Komplikation wie einen Bruch des Oberschenkelhalses – sie erleiden starke Schmerzen und sind schlagartig immobil. „Die Ergebnisse der Forschungsarbeit von Herrn Dr. Renkawitz haben zum fundamentalen Verständnis beigetragen, wie und warum nicht optimal positionierte Kunstgelenke nach der Operation zu Schmerzen, verringerter Gelenkbeweglichkeit, Ausrenkungen, vorzeitigem Verschleiß und Lockerung führen können“, sagt Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Regensburg, am Rande der Preisverleihung in Berlin. PD Dr. Renkawitz leitet die Arbeitsgruppe „Patientenindividuelle Endoprothetik“ an der Orthopädischen Universitätsklinik Regensburg, Bad Abbach. Seine Idee: Patienten beim Knie- und Hüftgelenkersatz eine Versorgung zu ermöglichen, die der persönlichen Anatomie und Biomechanik entspricht, größt-

© Thomas Oberländer

Literatur

Hüft- und Kniespezialist PD Dr. Tobias Renkawitz (r.), Preisträger „Oskar-Medizinpreis 2014“, Werner Ukas (li.), Geschäftsführer der Stiftung Oskar-Helene-Heim.

mögliche Sicherheit bietet und postoperativ eine optimale Funktion gewährleistet. Seine Arbeiten haben wesentlich zur Optimierung des operativen Zugangswegs, zur sicheren Platzierung der Implantate, zur Reduktion von Komplikationen, zu einer schnellen postoperativen Rehabilitation und zur Optimierung des individuellen Nutzens für die Patienten beigetragen. Mit der Verleihung des mit 50.000 € dotierten Oskar-Medizinpreises würdigt die Berliner Stiftung Oskar-Helene-Heim die exzellente wissenschaftliche Qualität der hochrangig publizierten Arbeiten und fördert mit dem Preisgeld weitere Forschungen. „Alle eingereichten Bewerbungen um diesen Medizinpreis waren hochklassig. Die Jury hat sich für die Verleihung dieser besonderen Auszeichnung an Herrn Dr. Renkawitz von der Orthopädischen Klinik der Universität Regensburg entschieden, da seine Forschungen in besonderem Maße die Anforderung der Ausschreibung erfüllen“, begründet das Jurymitglied Prof. Dr. Andrea Meurer, Ärztliche Direktorin der Orthopädischen Universitätsklinik Friedrichsheim, die Entscheidung. Weitere Mitglieder der Jury für den OskarMedizinpreis 2014 waren: Prof. Dr. Thorsten Gehrke (ENDO-Klinik Hamburg), Prof. Dr. Marcel Jakob (Universitätsspital Basel), Prof. Dr. Werner Siebert (Vitos Orthopädische Klinik Kassel) und Prof. Dr. Reinhard Windhager (Orthopädische Klinik der Universität Wien). Der Oskar-Medizinpreis 2014 wurde durch den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Prof. Dr. Bertil Bouillon, im Rahmen der feierlichen Eröffnungsveranstaltung des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) am 28. Oktober 2014 in Berlin verliehen. Quelle: Stiftung Oskar-Helene Heim, www.stiftung-ohh.de, Kontakt: [email protected]

[Isolated capitate fractures in the frontal plane].

Isolated fractures of the capitate in the frontal plane are both very rare and most of the time very discreet. There is a great risk to miss such frac...
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