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Ischämischer Insult

„Time is brain“

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Diagnostik und Therapie

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Interventionelle Therapie

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Anästhesiologisches und intensivmedizinisches Management

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Bildnachweis: privat

Bildnachweis: KH Krauskopf

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Schlaganfall ein sich rasch entwickelndes Zeichen einer fokalen oder globalen Störung der zerebralen Funktion ohne scheinbare Ursachen außer einer vaskulären. Daran schließen sich Symptome an, die 24 h oder länger dauern oder gar zum Tode führen. Der Erkrankung kommt eine große medizinische und sozioökonomische Bedeutung zu, die durch den demografischen Wandel in Europa und den USA voraussichtlich weiter zunehmen wird.

Autorenname Prof. Dr. Dr. Thomas Hachenberg ist seit 2001 Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie der Universität Magdeburg. Im BDA vertritt er die Universitätsanästhesisten. Prof. Hachenberg ist Landesvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) in Sachsen-Anhalt und 1. Sprecher des wissenschaftlichen Arbeitskreises „Anästhesie in der Thoraxchirurgie“. E-Mail: Thomas.Hachenberg@med. ovgu.de

Aktuelle Situation Verschiedene Registerstudien verdeutlichen die aktuelle Situation, aber auch wichtige Entwicklungen in den vergangenen Jahren in Deutschland beim Thema Schlaganfall [1, 2]. In einer Untersuchung der Technischen Universität Berlin wurden die nach dem DRG-System (DRG = Diagnosis Related Groups) abgerechneten akutstationären Behandlungsfälle analysiert [1]. ▶ Die Studie ergab für den Zeitraum von 2005– 2010 kumuliert 1 445 356 Krankenhausfälle mit Schlaganfallhauptdiagnose, Alter > 19 Jahre und Aufnahme „von außen“ (d. h. nicht aus einem anderen Akutkrankenhaus zuverlegt). Die Anzahl der Schlaganfallbehandlungen umfasste 235 276 im Jahr 2005 und 243 032 im Jahr 2010, sodass sich tendenziell ein leichter Zuwachs ergibt. Rund 80 % der Patienten, die einen Schlaganfall erleiden, sind > 60 Jahre alt. Dabei ist der Hirninfarkt mit ca. 82 % die führende Diagnose, gefolgt von intrazerebraler Blutung (ca. 10 %) und Subarachnoidalblutung (ca. 3 %). Hospitalisierungsrate Der Anteil der Patienten, die auf einer Stroke-Unit behandelt wurden, stieg nach der oben genannten Studie innerhalb von 5 Jahren von 15 auf 52 %. Gleichzeitig nahm der

Anteil der systemischen Thrombolysen bei Hirninfarktpatienten von 2,4 auf 8,9 % zu. Standardisiert auf die Bevölkerungsstruktur wurde ein Rückgang der Hospitalisierungsrate von 357 (2005) auf 336 (2010) Fälle pro 100 000 Einwohner beobachtet – v. a. bei Patienten in höherem Lebensalter. Möglicher weise hängt dieser Trend mit einer verbesserten Primärprophylaxe zusammen, v. a. dem Management von Hypertonus und Vorhofflimmern. Ferner dürfte eine bessere Sekundärprävention nach einem ersten Schlaganfallereignis eine Rolle spielen.

Letalität und Outcome Trotz dieser Fortschritte ist der Schlaganfall nach wie vor mit einer erheblichen Letalität belastet, die nach unterschiedlichen Subgruppen differenziert werden kann (q Abb. 1). Die Krankenhaussterblichkeit beträgt gegenwärtig in Deutschland ca. 9,5 % (2010), was einem Rückgang von ca. 20 % gegenüber 2005 entspricht. Circa 65 % der Überlebenden nach 3 Monaten haben Defizite und bedürfen fremder Hilfe, 15 % der Überlebenden werden innerhalb des ersten Jahres in Pflegeeinrichtungen versorgt [3]. In Deutschland müssen zwischen 650 000 und 945 000 Patienten aufgrund der Folgen der

Hachenberg T. Ischämischer Insult – „Time is brain“. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 386–387

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Kaplan-Meier-Überlebenskurven bei Subgruppen des Schlaganfalls 1,0 0,9 0,8 0,7

SURVIVAL

Erkrankung versorgt werden [4]. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit einer effizienten Diagnostik und Therapie des akuten Schlaganfalls. Diese betreffen nicht nur das neurologische Fachgebiet, sondern in starkem Maße auch die diagnostische und interventionelle Neuroradiologie, Anästhesiologie und Intensivtherapie. ▶ Je schneller und effizienter eine Behandlung erfolgt, desto besser ist das klinische Ergebnis (q Abb. 2). [5, 6] Mit diesen wichtigen Aspekten beschäftigen sich die 3 Beiträge des Topthemas.

0,6 0,5

IS FES SAH ICH

0,4 0,3 0,2

Anästhesiologisches und intensivmedizinisches Management Schließlich ist bei der mechanischen neuroradiologischen Intervention häufig eine Allgemeinanästhesie notwendig. Diese stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Patienten im Regelfall neben der akuten neurologischen Erkrankung auch verschiedene Begleiterkrankungen aufweisen und hämodynamische Komplikationen das Interventionsergebnis erheblich verschlechtern können. Nicht selten ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig. Diese Aspekte werden im Beitrag von Wiedemann et al. erläutert. Alle 3 Artikel informieren Sie über den aktuellen Wissensstand und mögliche Entwicklungen bei der Diagnostik und Behandlung des akuten Schlaganfalls. Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihr Thomas Hachenberg

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DAYS AFTER STROKE Bildnachweis: Palm F, Urbanek C, Rose S et al. Stroke incidence and survival in Ludwigshafen am Rhein, Germany: the Ludwigshafen Stroke Study (LuSSt). Stroke 2010; 41: 1865–1870

Abb. 1 Nach Ergebnissen der Ludwigshafen Stroke Study [2]. IS = ischämischer Schlaganfall; FES = first-ever-in-a-lifetime stroke; ICH = intrazerebrale Hämorrhagie, SAH = Subarachnoidalblutung (Klassifikation nach neuroradiologischer Diagnostik oder Lumbalpunktion (SAB))

Vergleich der Wirkung von i. v. Thrombolyse vs. Plazebogabe 4,0

NNT 3

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NNT 7

NNT 14

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Zeit von Symptombeginn bis Thrombolyse [min] Bildnachweis: Ulrike Watermann / Thieme Verlagsgruppe KG

Abb. 2 Wirkung einer i. v. Thrombolyse mit rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) im Vergleich zur Plazebogabe in den Studien NINDS, ATLANTIS und ECASS. Die Odds Ratio ist für Begleiterkrankungen adjustiert. Daten aus [5, 6]. NNT = number needed to treat.

Literaturverzeichnis 1 Nimptsch U, Mansky T. Trends in acute inpatient stroke care in Germany – an observational study using administrative hospital data from 2005–2010. Dtsch Arztebl Int 2012; 109: 885–892 2 Palm F, Urbanek C, Rose S et al. Stroke incidence and survival in Ludwigshafen am Rhein, Germany: the Ludwigshafen Stroke Study (LuSSt). Stroke 2010; 41: 1865–1870 3 Heuschmann PU, Wiedmann S, Wellwood I et al; European Registers of Stroke. Three-month stroke outcome: the European Registers of Stroke (EROS) investigators. Neurology 2011; 76: 159–165 4 Dietl M, Pohle R, Weingartner M et al. Schlaganfallursache und Pflegebedürftigkeit im Langzeitverlauf. Fortschr Neurol Psychiatr 2009; 77: 714–719 5 Hacke W, Donnan G, Fieschi C et al.; ATLANTIS Trials Investigators; ECASS Trials Investigators; NINDS rt-PA Study Group Investigators. Association of outcome with early stroke treatment: pooled analysis of ATLANTIS, ECASS, and NINDS rt-PA stroke trials. Lancet 2004; 363: 768–774 6 Lichy C, Hacke W. Schlaganfall. Internist 2010; 51: 1003– 1012

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/s-1383891

Hachenberg T. Ischämischer Insult – „Time is brain“. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 386–387

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Interventionelle Therapie Wie im Beitrag von Beuing et al. erörtert, bietet bei bestimmten Patientengruppen eine interventionelle neuroradiologische Therapie gute Ergebnisse. Bei Verschlüssen großer Hirnarterien (A. cerebri media, A. basilaris) kann die intraarterielle im Vergleich zur i. v. Lyse effizienter eine Rekanalisation herbeiführen. Ein weiteres vielversprechendes Verfahren stellt die mechanische Rekanalisation dar, bei der über Katheterangiografie das verschlossene Gefäß sondiert und der Thrombus retrahiert wird. Weitere Entwicklungen, wie z. B. Stent-triever, können möglicherweise die Ergebnisse verbessern und Komplikationen reduzieren. Dies setzt voraus, dass der Patient möglichst schnell nach Eintreten der Akutsymptome in ein entsprechend qualifiziertes Krankenhaus transportiert wird. ▶ Das Time-is-Brain-Konzept bleibt daher uneingeschränkt weiter gültig.

0,1 0,0

adjustierte Odds Ratio für günstiges Outcome

Diagnostik und Therapie Görtler et al. stellen das Management des akuten Schlaganfalls aus neurologischer Sicht dar. Die rasche, zielgerichtete Diagnostik ist Voraussetzung für eine spezifische Therapie. Diese erfolgt beim ischämischen Schlaganfall bei der großen Mehrzahl der Patienten mittels i. v. Lysetherapie.

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