184 Originalarbeit

Gelingt die Umsetzung des Anforderungsprofils zur Durchführung der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation?

Autoren

M. Bethge1, S. Löffler2, B. Schwarz1, H. Vogel2, M. Schwarze1, S. Neuderth2

Institute

1

Koordinierungsstelle Angewandte Rehabilitationsforschung, Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover 2 Abteilung für Medizinische Psychologie und Rehabilitationswissenschaften, Universität Würzburg

Schlüsselwörter ▶ medizinisch-beruflich ● orientierte Rehabilitation ▶ Implementierung ● ▶ Rückenschmerz ● ▶ Arbeitsunfähigkeit ● ▶ formative Evaluation ●

Zusammenfassung

Abstract

Hintergrund: Das Anforderungsprofil zur Durchführung der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung beschreibt Standards für berufsorientierte Kernmaßnahmen in der medizinischen Rehabilitation. Wir überprüften, wie die Umsetzung der Inhalte und des empfohlenen Leistungsumfangs gelang und welche Veränderungseffekte mit der Umsetzung assoziiert waren. Methoden: Die Umsetzung des Anforderungsprofils wurde in 7 stationären orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen mittels schriftlicher Patientenbefragungen am Rehabilitationsbeginn und Rehabilitationsende sowie 3 Monate nach Abschluss der Rehabilitation untersucht. Zusätzlich wurden aus den ärztlichen Entlassungsberichten die durchgeführten therapeutischen Leistungen extrahiert. Ergebnisse: Der empfohlene Umfang der Sozialberatung und der berufsbezogenen Gruppen wurde erreicht. Diskrepanzen gab es zum empfohlenen Umfang des Arbeitsplatztrainings. Die standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) der Arbeitsunfähigkeitsdauer vor und 3 Monate nach der Rehabilitation entsprach einer nahezu moderaten Verringerung (SMD = 0,47; 95 %-KI: 0,28– 0,66). 5 zusätzliche Stunden berufsorientierter Therapien gingen mit einer Verringerung der Arbeitsunfähigkeitsdauer um 1,2 Wochen einher (95 %-KI: − 2,38 bis − 0,03). Schlussfolgerungen: Das Anforderungsprofil wurde weitgehend erfolgreich umgesetzt und setzt wichtige Standards für den Ausbau der MBOR. Die flächendeckende Umsetzung des MBOR-Anforderungsprofils bedarf einer kontinuierlichen Qualitätssicherung, die zeitnahe Rückmeldungen über den erreichten Umsetzungsgrad ermöglicht.

Background: The guideline for work-related medical rehabilitation (WMR) in responsibility of the German Pension Insurance describes standards of work-related measures in medical rehabilitation. We investigated if contents and recommended amount of treatment were successfully implemented and which improvements were associated with the implementation. Methods: Implementation of the WMR guideline was evaluated at 7 inpatient orthopaedic rehabilitation centres. Patients completed questionnaires at beginning of rehabilitation, at discharge and 3 months after discharge. Details regarding the treatments provided were extracted from the standardised discharge report. Results: The recommended amount of social counselling and work-related psychosocial therapy measures were appropriate. However, there were discrepancies regarding the recommended amount of functional capacity training. The standardised mean difference (SMD) between baseline and 3-month follow-up sick leave duration indicated an almost medium-sized effect (SMD = 0.47; 95 % CI: 0.28–0.66). An additional 5 h of work-related therapy was associated with a 1.2week decrease in sick leave duration (95 % CI: − 2.38 to − 0.03). Conclusion: The guideline was for the most part successfully implemented and sets important standards for the roll-out of WMR. The nationwide implementation of the WMR guideline requires a continuous quality assurance that enables promptly feedback about the achieved implementation level.

Key words ▶ work-related medical ● rehabilitation ▶ implementation ● ▶ back pain ● ▶ sick leave ● ▶ formative evaluation ●

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1353192 Online-Publikation: 3.1.2014 Rehabilitation 2014; 53: 184–190 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0034-3536 Korrespondenzadresse Dr. Matthias Bethge Koordinierungsstelle Angewandte Rehabilitationsforschung Klinik für Rehabilitationsmedizin Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover [email protected]



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Is the Guideline for Work-Related Medical Rehabilitation Successfully Implemented?

Hintergrund



Ziel der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) ist es, durch eine verstärkte Berücksichtigung individueller Arbeitsanforderungen und der dafür erforderlichen Fähigkeiten die beruflichen Teilhabechancen besonders stark beeinträchtigter Personen zu verbessern. Idealerweise kennzeichnet dieser verstärkte Arbeits- und Berufsbezug den gesamten Rehabilitationsprozess der MBOR [1–3]. Erstens unterstützt der Einsatz von Screening-Instrumenten eine möglichst frühe Identifizierung der relevanten Zielgruppe [4]. Dies kann bereits vor Beginn der Rehabilitation durch den Rehabilitationsträger erfolgen, kann aber auch in den Kliniken realisiert werden, wenn die Kliniken über entsprechende Angebote verfügen. Eine gute Übersicht zu verfügbaren ScreeningInstrumenten, mit denen der Bedarf an MBOR erkannt werden kann, bietet [3]. Zweitens erfolgt eine intensivierte anforderungsorientierte Diagnostik beruflicher Leistungsfähigkeit, eine Erhebung und Dokumentation der konkreten Arbeitsplatzanforderungen und eine Erfassung relevanter, die Arbeitsbewältigung betreffender Risiko- bzw. Schutzfaktoren. Ziel dieser Diagnostik ist es, die Leistungsfähigkeit der Rehabilitanden vor dem Hintergrund ihrer Arbeitsanforderungen zu bewerten [5]. Im Vordergrund steht also nicht die Frage, was die betroffene Person kann oder nicht kann, sondern ob sie das kann, was am Arbeitsplatz gefordert wird und welche Maßnahmen notwendig sind, um Passung von Fähigkeiten und Anforderungen zu erreichen. In der orthopädischen MBOR wird dieser Abgleich durch Systeme zur Functional Capacity Evaluation unterstützt [5]. Drittens können auf der Grundlage einer solchen anforderungsorientierten Diagnostik die Rehabilitationsziele und die für ihre Erreichung notwendigen therapeutischen Angebote präzisiert werden. Diese Angebote sollen die betroffenen Rehabilitanden zu einer besseren Bewältigung ihrer beruflichen Anforderungen befähigen. In Anlehnung an Functional-Restoration-Ansätze [6] und Work-Hardening-Programme [7] berücksichtigt die MBOR sowohl psychosoziale Behandlungsanteile (Sozialberatung, kognitiv-behaviorale Interventionen) als auch körperliche Trainingsangebote zur besseren Bewältigung der physischen Arbeitsanforderungen. Viertens werden die erlernten Verhaltensweisen und angestoßenen Einstellungsänderungen in einer strukturierten Nachsorge gefestigt, um die Bewältigung beruflicher Anforderungen dauerhaft zu sichern [8]. Randomisierte kontrollierte Studien haben die Wirksamkeit der MBOR für stark beeinträchtigte Personen mit den Ergebnissen der herkömmlichen medizinischen Rehabilitation verglichen und verbesserte berufliche Wiedereingliederungschancen zugunsten der Teilnehmer medizinisch-beruflich orientierter Rehabilitationsangebote bestätigen können [9, 10]. Um ein möglichst flächendeckendes Angebot medizinisch-beruflich orientierter Rehabilitationsangebote zu unterstützen, hat eine trägerübergreifende Projektgruppe der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2010 ein Anforderungsprofil (AP) zur Durchführung der MBOR vorgelegt [11]1. Das AP beschreibt vor allem die ersten 3 Phasen des skizzierten Rehabilitationsprozesses. Es definiert die Zielgruppe der MBOR, beschreibt den Rahmen einer anforderungsorientierten Diagnostik und benennt Inhalte und Ziele medizinisch-beruflich orientierter Kernmaßnahmen. Letztere

beziehen sich vor allem auf a) eine intensivierte Berufs- und Sozialberatung, b) berufsbezogene Gruppen, die auf die Bewältigung psychosozialer Stressoren zielen, und c) das Arbeitsplatztraining, um die Bewältigung der physischen Arbeitsanforderungen zu unterstützen. Die Umsetzung des AP wurde seit Oktober 2010 von 6 Rentenversicherungsträgern und 7 stationären orthopädischen Rehabilitationszentren erprobt. Diese Erprobungsphase wurde im Rahmen einer multizentrischen Kohortenstudie2 wissenschaftlich begleitet. Dabei wurde unter anderem geprüft, ▶ inwiefern ausgewählte im AP beschriebene Inhalte umgesetzt wurden, ▶ inwiefern die Umsetzung des im AP vorgegebenen berufsorientierten therapeutischen Leistungsumfangs gelang, ▶ welche Veränderungen bezüglich der Arbeitsunfähigkeitsdauer sowie weiterer Zielkriterien 3 Monate nach Beendigung der Rehabilitation erreicht wurden, ▶ ob der Umfang der berufsorientierten therapeutischen Leistungen prognostische Bedeutung für die Arbeitsunfähigkeitsdauer nach der Rehabilitation hat.

Methoden



Studiendesign und Stichprobe Die Teilnehmer wurden in 7 an der Erprobungsphase des MBORAP teilnehmenden Rehabilitationszentren rekrutiert. Der Rekrutierungsplan sah für 6 von 7 Einrichtungen jeweils 50 Teilnehmer vor. Eine Einrichtung sollte 100 Teilnehmer rekrutieren, da sie von 2 verschiedenen Rehabilitationsträgern belegt wurde. Eingeschlossen wurden Rehabilitanden mit den Rückenschmerzdiagnosen M50–M54, für die in den Rehabilitationseinrichtungen oder durch die Rentenversicherungsträger Bedarf bezüglich einer MBOR festgestellt wurde [4]. Die Bedarfsfeststellung wurde für Teilnehmer aus 5 Einrichtungen durch ein Screening-Instrument unterstützt. Für 2 Einrichtungen erfolgte die Bedarfsfeststellung ausschließlich auf Grundlage der Antragsunterlagen bzw. der ärztlichen Anamnese [4]. Ausgeschlossen wurden Personen im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung. Die Rehabilitation folgte den Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung [12] und berücksichtigte zusätzlich die Empfehlungen des MBOR-AP zur Durchführung medizinisch-beruflich orientierter Kernmaßnahmen [11]. Die Rehabilitanden wurden zu Rehabilitationsbeginn, Rehabilitationsende und 3 Monate nach Ende der Rehabilitation schriftlich befragt. Die Fragebogendaten wurden zusätzlich mit den Daten des standardisierten ärztlichen Entlassungsberichtes [13] verknüpft. Die ethische und datenschutzrechtliche Prüfung des Studienprotokolls erfolgte durch die Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (Nr. 858-2010) und die Datenschutzbeauftragten der beteiligten Rentenversicherungsträger.

Erhebungsinstrumente Berufliche Orientierung aus Sicht der Rehabilitanden Um die Umsetzung der im AP benannten Themen und Inhalte aus Sicht der Rehabilitanden zu überprüfen, wurden diese am Rehabilitationsende gebeten, einzuschätzen, ob bestimmte im MBOR-AP benannte Inhalte thematisiert wurden, z. B. „Wurde

2 1

Seit 2012 liegt das AP in einer 3., überarb. Auflage vor.

„MBOR-Management-Studie“ im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund.

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Dokumentierte therapeutische Leistungen Um den realisierten Umfang der im AP beschriebenen Kernmaßnahmen zu bewerten, wurden die in den ärztlichen Entlassungsberichten entsprechend der Klassifikation therapeutischer Leistungen [14] dokumentierten Therapien herangezogen. Berücksichtigung fanden dabei zunächst ausschließlich die Leistungen, die mit den im AP benannten Kodierungen dokumentiert waren (Sozialberatung: D010, D021–D029, D031–D039, D041–D049, D080; Berufsbezogene Gruppen: D051–D059, F051, F054, F059; Arbeitsplatztraining: E020, E050). Für die Auswertungen zur Umsetzung des Arbeitsplatztrainings wurden in einem zweiten Schritt zusätzliche Kodierungen berücksichtigt, die in den Einrichtungen ebenfalls für Leistungen des Arbeitsplatztrainings verwendet wurden (E031, E032, E039, E060, E095, E099, E200).

Zielkriterien Arbeitsunfähigkeitsdauer. Erwerbstätige Rehabilitanden wurden nach den Arbeitsunfähigkeitszeiten gefragt, die sich durch die für die Rehabilitation ausschlaggebende Erkrankung begründeten. Die Angaben bezogen sich auf den 3-Monats-Zeitraum vor bzw. nach der Rehabilitation. Selbsteingeschätzte Arbeitsfähigkeit. Die derzeitige Arbeitsfähigkeit wurde mit dem 11-stufigen Work Ability Score erfasst [15]; 10 Punkte stehen für die beste je erreichte Arbeitsfähigkeit, kein Punkt für voll arbeitsunfähig. Schmerzintensität. Drei 11-stufige Items erfassten die momentane, stärkste und durchschnittliche Schmerzstärke. Die Items wurden durch Mittelwertbildung zu einem Indexwert mit Werten von 0 bis 10 Punkten zusammengefasst [16]; höhere Werte repräsentieren stärkeren Schmerz. Gesundheitsbezogene Lebensqualität. Gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mit den 8 Subskalen des Short Form Health Survey (SF-36) erfasst [17]; 4 der Skalen beziehen sich auf körperliche Aspekte gesundheitlicher Lebensqualität (körperliche Funktionsfähigkeit, körperliche Rollenfunktion, Schmerz, allgemeine Gesundheitswahrnehmung), die anderen 4 auf psychosoziale Aspekte (Vitalität, soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion, psychisches Wohlbefinden). Die Skalen haben einen Wertebereich von 0 bis 100 Punkten; höhere Werte entsprechen besserer gesundheitsbezogener Lebensqualität. Weitere Variablen. Alter, Geschlecht, Bildung und Erwerbsstatus wurden entsprechend der Vorschläge zum soziodemografischen Kerndatensatz in der rehabilitationswissenschaftlichen Forschung erhoben [18].

Statistische Analysen Die Stichprobenmerkmale wurden deskriptiv analysiert. Um darzustellen, wie die Umsetzung der im AP beschriebenen Inhalte und Leistungen gelang, wurden die klinikspezifischen Kennwerte und dazugehörigen 95 %-Konfidenzintervalle durch arithmetische Mittelwertbildung zusammengefasst. Dieses Vorgehen stellte sicher, dass die Kliniken auch bei ungleichen Stichprobengrößen mit gleichem Gewicht berücksichtigt wurden. Die klinikspezifischen Mittelwertdifferenzen zwischen der 3-Monatskatamnese und Rehabilitationsbeginn wurden ebenfalls über die Einrichtungen gemittelt. Zur Berechnung von Effektstärken wurden die Mittelwertdifferenzen an der Streuung der Ersterhebung relativiert [19]. Mittels linearer Regression wurde die

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Tab. 1 Stichprobe. Merkmal

MW (SD) oder %

Alter in Jahren, MW (SD), n = 375 Geschlecht: weiblich, %, n = 375 Erwerbsstatus, n = 375 Vollzeit, % Teilzeit, % arbeitslos, % AU letzte 3 Monate in Wochen*, MW (SD), n = 306 Bildung: gering, %, n = 369 berufliche Stellung: Arbeiter*, %, n = 314

50,0 (8,1) 55,5 72,5 12,3 15,2 6,6 (5,6) 40,7 47,1

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; AU = Arbeitsunfähigkeit; * nur erwerbstätige Personen

prognostische Bedeutung des zeitlichen Umfangs von berufsbezogenen Gruppen und Arbeitsplatztraining für die Arbeitsunfähigkeitsdauer 3 Monate nach der Rehabilitation geschätzt. Die Parameterschätzung erfolgte unter Kontrolle der Arbeitsunfähigkeitsdauer vor der Rehabilitation, Alter, Geschlecht, Bildung, des Umfangs der anderen während der Rehabilitation erbrachten therapeutischen Leistungen und des Klinikfaktors. Teststatistiken wurden als signifikant gewertet, wenn die 2-seitige Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner als 5 % war. Alle Analysen wurden mit dem Programm STATA 11.2 durchgeführt.

Ergebnisse



Stichprobe Zwischen März und September 2011 wurden in 7 stationären Rehabilitationszentren 375 Personen rekrutiert, die an einer MBOR teilnahmen (kleinste/mittlere/größte Einrichtungsstichprobegröße: n = 9/54/111). Eine Einrichtung verfehlte die vorgegebene Stichprobengröße deutlich (n = 9). Wesentliche Merkma▶ Tab. 1. Das mittlere Alter der le der Gesamtstichprobe zeigt ● teilnehmenden Personen betrug 50 Jahre (Standardabweichung – SD = 8,1), 55,5 % waren weiblich. Voll erwerbstätig waren 72,5 % der Stichprobe. Der Arbeitslosenanteil lag bei 15,2 %. Von den bei Rehabilitationsbeginn erwerbstätigen Personen waren 52,9 % Angestellte und 47,1 % Arbeiter. Die Befragungen am Ende der Rehabilitation beantworteten 327 Personen (87,2 %), nach 3 Monaten 267 Personen (71,2 %).

Umsetzung beruflicher Orientierung aus Sicht der Rehabilitanden 78,6–100 % der Rehabilitanden der beteiligten Kliniken gaben an, dass mit ihnen über ihre Erwerbsfähigkeit gesprochen wur▶ Tab. 2). 87,2 % de. Im Klinikmittel lag dieser Anteil bei 89 % (● ergänzten, dass ihre konkreten körperlichen Arbeitsanforderungen thematisiert wurden; zudem gaben 66,4 % an, dass sie Hinweise zur Ergonomie am Arbeitsplatz erhalten hatten. 69,6 % der Rehabilitanden erklärten, dass mit ihnen über ihre psychischen Arbeitsanforderungen gesprochen wurden. Eine überwiegende Mehrheit der Rehabilitanden bestätigte zudem, dass zentrale, im AP für die berufsbezogenen Gruppen benannte Inhalte in der Rehabilitation umgesetzt wurden (Zusammenhänge von Arbeit und Gesundheit: 81,0 %; soziale Konflikte am Arbeitsplatz: 65,4 %; Stressbewältigungsstrategien: 67,5 %).

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mit Ihnen während Ihrer Rehabilitation über Ihre Erwerbsfähigkeit gesprochen?“.

n

Anteil in %

95 %-KI

25 %-Mindestanteil leicht. In 3 weiteren Kliniken hatten alle eingeschlossenen Rehabilitanden an berufsbezogenen Gruppen teilgenommen.

325 326

89,0 87,2

85,6; 92,4 83,8; 90,5

Arbeitsplatztraining

326

66,4

60,0; 72,8

324

69,6

63,1; 76,0

325

81,0

74,9; 87,1

325

65,4

58,8; 72,0

325

67,5

60,7; 74,4

320

85,3

81,9; 88,8

Tab. 2 Umsetzung berufsorientierter Themen aus Sicht der Rehabilitanden.

Erwerbsfähigkeit thematisiert körperliche Arbeitsanforderungen thematisiert ergonomische Arbeitsplatzgestaltung thematisiert psychische Arbeitsplatzanforderungen thematisiert Zusammenhänge von Arbeit und Gesundheit thematisiert soziale Konflikte am Arbeitsplatz thematisiert Stressbewältigungsstrategien thematisiert mindestens 4 von 7 Themen

KI = Konfidenzintervall; Anteile entsprechen dem arithmetischen Klinikmittel

Tab. 3 Umsetzung therapeutischer Empfehlungen des Anforderungsprofils.

Sozialberatung Sozialberatung mindestens 30 min BBG BBG mindestens 180 min APT 1 APT 1 mindestens 360 min APT 2 APT 2 mindestens 360 min

n

Anteil in %

95 %-KI

375 375 375 375 375 375 375 375

94,7 94,2 81,0 59,7 69,3 48,6 85,5 58,6

91,2; 98,2 90,6; 97,7 76,4; 85,6 54,7; 64,7 66,4; 72,3 46,2; 51,0 81,6; 89,4 53,6; 63,6

BBG = Berufsbezogene Gruppen; APT 1 = Arbeitsplatztraining mit E020 und E050; APT 2 = Arbeitsplatztraining zusätzlich mit E031, E032, E039, E060, E095, E099 und

Wurden die im AP vorgesehenen Leistungskodierungen (E020, E050) zugrunde gelegt, so nahmen im Klinikmittel 69,3 % der Re▶ Tab. 3). In einer habilitanden am Arbeitsplatztraining teil (● Einrichtung war keine der für das Arbeitsplatztraining vorgesehenen Kodierungen dokumentiert. In einer weiteren Einrichtung lag der Anteil der Rehabilitanden, die an einem Arbeitsplatztraining mit den Leistungskodierungen E020 und E050 teilnahmen, deutlich unter 50 %. Unter Berücksichtigung des im AP vorgesehenen Mindestumfangs von 360 min reduzierten sich die klinikspezifischen Anteile in 3 Kliniken deutlich. Der 50 %-Mindestanteil von Personen mit mindestens 360-minütigem Arbeitsplatztraining wurde nur in 3 Einrichtungen erreicht. In diesen sehr strukturierten Programmen nahmen nahezu alle in der MBOR behandelten Personen an einem Arbeitsplatztraining teil. Im Klinikmittel war für 48,6 % ein mindestens 360-minütiges Arbeitsplatztraining dokumentiert. Aufgrund der Rückmeldungen aus den Einrichtungen wurden in weiteren Analysen zusätzliche Leistungskodierungen berücksichtigt, die in den Einrichtungen ebenfalls für Leistungen des Arbeitsplatztrainings verwendet wurden (E031, E032, E039, E060, E095, E099 und E200). Die Anteile der Rehabilitanden mit mindestens 360 min Arbeitsplatztraining erhöhten sich leicht; allerdings blieben 4 Einrichtungen weiterhin unterhalb des 50 %-Mindestanteils. Im Klinikmittel lag der Anteil der Rehabilitanden, für die ein mindestens 360-minütiges Arbeitsplatztraining dokumentiert wurde, bei 58,6 %.

E200; KI = Konfidenzintervall; Anteile entsprechen dem arithmetischen Klinikmittel

Leistungsumfang in Stunden Tab. 4 Therapieumfang in Stunden.

Gesamtumfang berufsorientierte Kernmaßnahmen mit APT 1 berufsorientierte Kernmaßnahmen mit APT 2

n

MW

95 %-KI

375 375

82,9 11,2

80,7; 85,2 10,9; 11,5

375

13,9

13,3; 14,5

APT 1 = Arbeitsplatztraining mit E020 und E050; APT 2 = Arbeitsplatztraining zusätzlich mit E031, E032, E039, E060, E095, E099 und E200; MW = Mittelwert; KI = Konfidenzintervall; Mittelwerte entsprechen dem arithmetischen Klinikmittel

Der gesamte Leistungsumfang während der Rehabilitation be▶ Tab. 4). Dabei erbrachten trug im Klinikmittel 82,9 Stunden (● die Kliniken im Rahmen von Sozialberatung, berufsbezogenen Gruppen und Arbeitsplatztraining 11,2 Stunden bzw. bei erweiterter Berücksichtigung von zusätzlichen Kodierungen für das Arbeitsplatztraining 13,9 Stunden berufsorientierte Therapien. Dies entsprach 13,5–16,8 % der gesamten Therapien. Unter der Annahme, dass eine Person berufsorientierte Angebote aus allen 3 Kernmaßnahmen erhält, addiert sich die empfohlene Mindestmenge des AP zu 9,5 Stunden. 3 der Einrichtungen lagen mit ihren Angeboten im Mittel deutlich über diesem Referenzwert.

Berufs- und Sozialberatung

Kurzfristige Effekte

Die Kliniken erreichten im Mittel für 94,2 % der Rehabilitanden ▶ Tab. 3). Der vorden geforderten Mindestumfang von 30 min (● gesehene Anteil von 100 % wurde in 3 Einrichtungen realisiert; 3 weitere Einrichtungen boten Einzelsozialberatungen für über 90 % der behandelten Personen an. Lediglich eine Klinik blieb mit 83 % deutlich unter dem im AP geforderten Personenanteil.

Für die berücksichtigten rehabilitandenbezogenen Zielgrößen waren überwiegend signifikante Verbesserungen zwischen Rehabilitationsbeginn und der 3-Monatskatamnese zu beobachten ▶ Tab. 5). Die standardisierten Mittelwertdifferenzen waren (● am höchsten für die Arbeitsunfähigkeitsdauer (SMD = 0,47), die Schmerzskala des SF-36 (SMD = 0,78) und die SF-36-Skala zur körperlichen Rollenfunktion (SMD = 0,71).

Berufsbezogene Gruppen Im Klinikmittel nahmen 80,1 % der Rehabilitanden an psychoso▶ Tab. 3). Unter zialen berufsbezogenen Gruppenangeboten teil (● Berücksichtigung des im AP vorgesehenen Mindestumfangs von 180 min sank der Anteil auf 59,7 %, blieb aber deutlich über dem vorgesehenen 25 %-Mindestanteil. In keiner der 7 Einrichtungen wich der Anteil der Rehabilitanden, die mindestens 180 min berufsbezogener Gruppen erhielten, signifikant vom empfohlenen 25 %-Mindestanteil ab, 3 Kliniken überschritten den

Berufsbezogene Gruppen und Arbeitsplatztraining als Wirkfaktoren Um die Bedeutung der berufsbezogenen Gruppen und des Arbeitsplatztrainings für die erreichten Rehabilitationsergebnisse zu untersuchen, wurde für erwerbstätige Teilnehmer ein Regressionsmodell zur Vorhersage der Arbeitsunfähigkeitsdauer 3 Monate nach Rehabilitationsende gerechnet. Von den 267 Teilnehmern nach 3 Monaten waren 213 zu beiden Zeitpunkten Bethge M et al. Gelingt die Umsetzung des … Rehabilitation 2014; 53: 184–190

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Tab. 5 Veränderung erwerbs- und gesundheitsbezogener Zielkriterien. n #

Arbeitsunfähigkeitsdauer in Wochen Work Ability Score Schmerzintensität# SF-36 körperliche Funktionsfähigkeit SF-36 Schmerz SF-36 körperliche Rollenfunktion SF-36 allgemeine Gesundheit SF-36 psychisches Wohlbefinden SF-36 emotionale Rollenfunktion SF-36 Vitalität SF-36 soziale Funktionsfähigkeit

198 259 265 243 263 245 236 253 252 259 264

MD − 2,6 0,7 − 0,9 7,7 12,5 20,9 2,6 4,1 9,5 7,1 5,6

95 %-KI − 3,7; − 1,6 0,3; 1,1 − 1,1; − 0,6 4,2; 11,1 9,8; 15,1 14,0; 27,8 − 0,3; 5,5 0,7; 7,5 1,2; 17,7 4,9; 9,2 2,5; 8,7

p < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,001 0,075 0,017 0,024 < 0,001 0,001

SMD

95 %-KI

0,47 0,27 0,46 0,34 0,78 0,71 0,15 0,21 0,22 0,42 0,22

0,28; 0,66 0,13; 0,42 0,32; 0,61 0,19; 0,49 0,61; 0,94 0,48; 0,94 − 0,02; 0,32 0,04; 0,39 0,03; 0,40 0,29; 0,55 0,10; 0,34

MD = Mittelwertdifferenz; SMD = standardisierte Mittelwertdifferenz; KI = Konfidenzintervall; # standardisierte Mittelwertdifferenzen wurden mit –1 multipliziert, sodass höhere

8

Arbeitsunfähigkeitsdauer in Wochen

erwerbstätig und wurden zu ihren Arbeitsunfähigkeitszeiten befragt. Aufgrund fehlender Angaben für die abhängige Variable und berücksichtigte Kovariaten reduzierte sich die eingeschlossene Stichprobe schließlich auf 197 Personen. Der Therapieumfang berufsbezogener Gruppen und des Arbeitsplatztrainings wurde wegen der hohen Korrelation (r = 0,70) zusammengefasst. Der Umfang der Sozialberatung wurde aufgrund der geringen Varianz nicht berücksichtigt. Unter Kontrolle der Arbeitsunfähigkeitsdauer vor der Rehabilitation, der soziodemografischen Variablen (Alter, Geschlecht, Bildung), dem Umfang der sonstigen Therapien und dem Klinikfaktor waren 5 zusätzliche Stunden berufsbezogener Gruppen oder des Arbeitsplatztrainings mit einer um 1,2 Wochen verringerten Arbeitsunfähigkeitsdau▶ Tab. 6). er 3 Monate nach der Rehabilitation assoziiert (● ▶ Abb. 1 veranschaulicht den Zusammenhang für einen jeweils ● um 5 Stunden gegenüber dem durchschnittlichen Umfang erhöhten bzw. reduzierten berufsorientierten Leistungsumfang.

6

4

2

0

Diskussion



Die Bewertungen aus Sicht der Rehabilitanden, die dokumentierten Leistungen und die erreichten Veränderungseffekte waren relativ konsistent und deuten an, dass die Umsetzung des AP in den beteiligten Rehabilitationseinrichtungen weitgehend gelungen ist. Zwischen den Kliniken gab es Unterschiede im Umfang der umgesetzten Inhalte und Leistungen, insbesondere 3 Einrichtungen gingen deutlich über die Empfehlungen hinaus. Optimierungsbedarf hinsichtlich der Umsetzung der Kernmaßnahmen zeigte sich in einzelnen Kliniken beim Arbeitsplatztraining. Die geringe Stichprobengröße in einer Klinik ist ein Hinweis darauf, dass die Umsetzung des MBOR-AP dort nur für sehr wenige ausgewählte Rehabilitanden realisiert werden konnte. Das AP beschreibt Mindestanforderungen der Deutschen Rentenversicherung für die Durchführung der MBOR. Die Autoren des AP wollen so einen orientierenden Rahmen für die Ausgestaltung der MBOR geben. Damit derartige Orientierungshilfen aber das Verhalten der in der Praxis tätigen Personen verändern, sind in der Regel bewusste Disseminationsanstrengungen notwendig [20]. Passive Strategien (z. B. Publikation einer Leitlinie, postalische Versendung, Vorstellung auf Konferenzen oder Internetseiten) sind weniger erfolgreich als Vorgehensweisen, bei denen Praktiker gezielt in die Umsetzung einbezogen werden und den Prozess beeinflussen können [21, 22]. Zudem sind Strategien, bei denen mehrere Methoden kombiniert werden, erfolgreiBethge M et al. Gelingt die Umsetzung des … Rehabilitation 2014; 53: 184–190

–5 Stunden

mittlerer Umfang

+5 Stunden

Therapieumfang BBG und APT 1 in Stunden BBG = berufsbezogene Gruppen; APT 1 = Arbeitsplatztraining mit E020 und E050 Abb. 1 Prognostizierte Arbeitsunfähigkeitsdauer nach 3 Monaten in Wochen bei Verringerung bzw. Erhöhung berufsorientierter Therapien.

Tab. 6 Lineare Regression zur Vorhersage der Arbeitsunfähigkeitsdauer nach 3 Monaten. b AU vor der Rehabilitation in Wochen Umfang BBG und APT 1 in 5-Stunden-Schritten Umfang sonstiger Therapien in 5-Stunden-Schritten Alter in 10-Jahres-Schritten Geschlecht: weiblich Bildung: gering

0,46 − 1,21

95 %-KI 0,34; 0,58 − 2,38; − 0,03

p < 0,001 0,044

0,19

− 0,01; 0,38

0,058

0,30 0,29 0,72

− 0,48; 1,07 − 1,39; 1,97 − 0,86; 2,29

0,454 0,733 0,371

n = 197; AU = Arbeitsunfähigkeit; BBG = Berufsbezogene Gruppen; APT 1 = Arbeitsplatztraining mit E020 und E050; b = Unstandardisierter Regressionskoeffizient; KI = Konfidenzintervall. Schätzer sind zusätzlich adjustiert für den Klinikfaktor. Alter wurde durch 10 dividiert, Therapieumfang in Stunden wurde durch 5 dividiert

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Differenzen günstigeren Veränderungen entsprechen. Mittelwertdifferenzen und standardisierte Mittelwertdifferenzen entsprechen dem arithmetischen Klinikmittel

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gleich wurde das AP infolge der Rückmeldungen aus der Erprobungsphase umfassend überarbeitet und ergänzt.

Kernbotschaft Die Umsetzung des AP ist in den beteiligten Rehabilitationseinrichtungen weitgehend gelungen. Vor dem Hintergrund der bestehenden Evidenz für die höhere Wirksamkeit der MBOR bei bestehenden besonderen beruflichen Problemlagen halten wir einen flächendeckenden Ausbau der MBOR für empfehlenswert. Das AP setzt dafür aus unserer Sicht wichtige Standards. Für die konkrete Umsetzung und weitere Dissemination arbeits- und berufsbezogener Konzepte, die den Anforderungen des AP gerecht werden, sind Unterstützungsangebote für die Kliniken (z. B. Fortbildungen, gesicherte Finanzierung) ebenso entscheidend wie eine kontinuierliche Qualitätssicherung der durchgeführten Maßnahmen.

Danksagung



Wir danken den beteiligten Rehabilitationszentren und Rentenversicherungsträgern für ihre Unterstützung bei der Studiendurchführung.

Interessenkonflikt: Die Studie zur formativen Evaluation der modellhaften Umsetzung des MBOR-AP wurde durch die Deutsche Rentenversicherung Bund in Auftrag gegeben. Die Arbeitsgruppen aus Würzburg und Hannover haben im Studienzeitraum weitere Drittmittel für durch die Deutsche Rentenversicherung Bund geförderte Forschungsvorhaben erhalten. Die Koordinierungsstelle Angewandte Rehabilitationsforschung in der Klinik für Rehabilitationsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover wird durch die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover gefördert. Literatur 1 Bethge M. Erfolgsfaktoren medizinisch-beruflich orientierter orthopädischer Rehabilitation. Rehabilitation 2011; 50: 145–151 2 Müller-Fahrnow W, Greitemann B, Radoschewski FM et al. Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Rehabilitation 2005; 44: e32–e45 3 Löffler S, Gerlich C, Lukasczik M et al. Praxishandbuch arbeits- und berufsbezogene Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation. 3 Aufl. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund; 2012 4 Bethge M, Löffler S, Schwarz B et al. Besondere berufliche Problemlagen: Spielen sie eine Rolle beim Zugang in die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation? Rehabilitation Online-Publikation: 2013, doi http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1347232 5 Genovese E, Galper JS, Hrsg. Guide to the evaluation of functional ability: how to request, interpret, and apply fuctional capacity evaluation. Chicago: American Medical Association Press; 2009 6 Gatchel RJ, Mayer TG. Evidence-informed management of chronic low back pain with functional restoration. Spine J 2008; 8: 65–69 7 Schaafsma F, Schonstein E, Whelan KM et al. Physical conditioning programs for improving work outcomes in workers with back pain. Cochrane Database Syst Rev 2010; (1): CD001822 8 Briest J, Bethge M. Präferenzen für berufsorientierte Interventionen in der Rehabilitationsnachsorge: Ergebnisse einer Befragung in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Phys Med Rehab Kuror 2013; 23: 161–166 9 Bethge M, Herbold D, Trowitzsch L et al. Work Status and Health-related Quality of Life Following Multimodal Work Hardening: A Cluster Randomised Trial. J Back Musculoskelet Rehabil 2011; 24: 161–172 10 Streibelt M, Thren K, Müller-Fahrnow W. Effektivität FCE-basierter medizinischer Rehabilitation bei Patienten mit chronischen MuskelSkelett-Erkrankungen – Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie. Phys Med Rehab Kuror 2009; 19: 34–41

Ausgeschlossen sind lediglich Abhängigkeitserkrankungen. Bethge M et al. Gelingt die Umsetzung des … Rehabilitation 2014; 53: 184–190

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cher als singuläre Maßnahmen [21–23]. Auch die Tatsache, inwieweit Veränderungen der gängigen Praxis aufgrund von Leitlinien oder ähnlichen Instrumenten vorgenommen werden müssen und ob die Führungsebene die darin dargestellten Inhalte unterstützt und entsprechend kommuniziert, beeinflusst die Güte der Umsetzung [24]. Der hohe Umsetzungsgrad des MBOR-AP in den beteiligten Kliniken hängt vermutlich mit den genannten Faktoren zusammen. So wurden bereits bei der Konsentierung des AP zahlreiche Praktiker einbezogen. Das AP wurde am Beginn der Erprobungsphase als Arbeitsstand präsentiert und die Möglichkeit der Weiterentwicklung betont. Die Publikation des AP wurde durch Veranstaltungen mit Mitarbeitern aus Kliniken, durch Umsetzungshilfen (z. B. Praxishandbuch arbeits- und berufsbezogene Orientierung [3]) und Vor-Ort-Besuche in den Kliniken ergänzt. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung wurden zudem zeitnah Rückmeldungen an die beteiligten Rehabilitationseinrichtungen formuliert und Umsetzungsschwierigkeiten diskutiert. Hilfreich war sicherlich auch, dass die Führungsebene in den Kliniken den Ansatz grundsätzlich unterstützte. Auch für die weitere Dissemination des AP über die Projekteinrichtungen hinaus werden der Kontakt zur Praxis, die prinzipielle Offenheit für Weiterentwicklungen des AP, gezielte Hilfestellungen für Kliniken, die Bereitstellung entsprechender Ressourcen und zeitnahe Rückmeldungen über den bereits erreichten Umsetzungsgrad entscheidende Erfolgsfaktoren darstellen. Bei der Interpretation der Studienergebnisse müssen jedoch die folgenden Begrenzungen berücksichtigt werden. Erstens erfolgte die Auswahl der beteiligten Rehabilitationseinrichtungen nicht zufällig; vielmehr haben die beteiligten Zentren die Entwicklung der MBOR in den vergangenen Jahren wesentlich mit gestaltet und hatten insofern vergleichsweise günstige Voraussetzungen für die Umsetzung der Empfehlungen. Zweitens war die Studie keine kontrollierte Studie. Sie liefert also keinen hochwertigen Nachweis für den Nutzen der umgesetzten Inhalte. Drittens erfolgte die Überprüfung der Umsetzbarkeit vor allem auf der Grundlage der in den Entlassungsberichten dokumentierten therapeutischen Leistungen. Dies bietet keine Gewähr dafür, ob die im MBOR-AP benannten Inhalte tatsächlich umgesetzt wurden. Durch zusätzliche Maßnahmen, wie teilnehmende Beobachtung oder Videoanalysen, wären vermutlich weitaus differenziertere Aussagen zur Umsetzbarkeit und möglichen Barrieren erreichbar. Viertens wurden in der Studie ausschließlich Rehabilitanden mit rückenbezogenen Diagnosen erfasst; die aktuelle Fassung des AP bezieht sich aber auf alle somatischen und psychosomatischen Indikationen3. Fünftens wurden mit der Nacherhebung nach 3 Monaten nur kurzfristige Veränderungen abgebildet. Sechstens blieben die Einleitung und die Anbahnung strukturierter berufsorientierter Nachsorgeangebote als Forschungsgegenstand unberücksichtigt. Diesen Begrenzungen stehen die folgenden Stärken gegenüber. Erstens wurde die Studie multizentrisch durchgeführt. Dies stärkt die externe Validität der berichteten Ergebnisse. Zweitens zielte der formative Evaluationsansatz nicht auf eine Bewertung der beteiligten Einrichtungen, sondern war vor allem auf die praktische Erprobung und Weiterentwicklung des AP gerichtet. Frühzeitige Rückmeldungen haben in den beteiligten Rehabilitationseinrichtungen bereits im Projektverlauf Optimierungspotenziale deutlich gemacht und Veränderungen angestoßen; zu-

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Bethge M et al. Gelingt die Umsetzung des … Rehabilitation 2014; 53: 184–190

19 Kazis LE, Anderson JJ, Meenan RF. Effect sizes for interpreting changes in health status. Med Care 1989; 27 (3 Suppl): S178–S189 20 Lomas J. Words without action? The production, dissemination, and impact of consensus recommendations. Annu Rev Public Health 1991; 12: 41–65 21 Prior M, Guerin M, Grimmer-Somers K. The effectiveness of clinical guideline implementation strategies – a synthesis of systematic review findings. J Eval Clin Pract 2008; 14: 888–897 22 Boaz A, Baeza J, Fraser A. Effective implementation of research into practice: an overview of systematic reviews of the health literature. BMC Res Notes 2011; 4: 212 23 Grimshaw JM, Thomas RE, MacLennan G et al. Effectiveness and efficiency of guideline dissemination and implementation strategies. Health Technol Assess 2004; 8: iii–iv, 1–72 24 Jahed J, Bengel J, Baumeister H. Transfer von Forschungsergebnissen in die medizinische Praxis. Gesundheitswesen 2012; 74: 754–761

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11 Deutsche Rentenversicherung Bund. Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung – Somatische Indikationen. Berlin: DRV Bund; 2010 12 Deutsche Rentenversicherung. Reha-Therapiestandards Chronischer Rückenschmerz. Leitlinie für die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung. Berlin: DRV Bund; 2009 13 Deutsche Rentenversicherung Bund. Der ärztliche Reha-Entlassungsbericht. Leitfaden zum einheitlichen Entlassungsbericht in der medizinischen Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung. Berlin: DRV Bund; 2009 14 Deutsche Rentenversicherung. Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. Berlin: DRV Bund; 2007 15 Ilmarinen J. The Work Ability Index (WAI). Occupational Medicine 2007; 57: 160 16 Jensen MP, Turner JA, Romano JM et al. Comparative reliability and validity of chronic pain intensity measures. Pain 1999; 83: 157–162 17 Morfeld M, Kirchberger I, Bullinger M. SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand: Deutsche Version des Short Form-36 Health Survey. 2., ergänzte und überarb. Aufl. Göttingen: Hogrefe; 2011 18 Deck R, Röckelein E. Zur Erhebung soziodemografischer und sozialmedizinischer Indikatoren in den rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbünden. In: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Hrsg. Förderschwerpunkt „Rehabilitationswissenschaften“ – Empfehlungen der Arbeitsgruppen „Generische Methoden“, „Routinedaten“ und „Reha-Ökonomie“. DRV-Schriften 1999; (16): 81–102

[Is the guideline for work-related medical rehabilitation successfully implemented?].

The guideline for work-related medical rehabilitation (WMR) in responsibility of the German Pension Insurance describes standards of work-related meas...
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