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Ist die konventionelle Tomographie noch erforderlich?

Die Einluhrung der klassischen Tomographie vor über 60 Jahren galt zu Recht für Jahrzehnte als einer der größten Fortschritte in der Röntgenaufnahmetechnik (10).Mit dem Prinzip der überlagerungsfreien Darstellung der Drehpunktebene durch gegensinnige Bewegung von Röntgenröhre und Film war es erstmals möglich, den Hauptnachteil des Röntgensummationsbildes zu überwinden: Aus der zweidimensionalen Abbildung dreidimensionaler Körper ließen sich überlagerungsfreie Schnittbilder gewinnen. Nachteile, wie das Auftreten gerichteter Störschatten bei linearer Röhren-Film-Bewegung, ließen sich durch mechanisch aufwendige Gerätekonstruktionen mit der Möglichkeit mehrdimensionaler Verwischungsfiguren ausgleichen (7, 9). Die hohe Strahlenbelastung durch zahlreiche Einzelschichtaufnahmen konnte durch die Anwendung der Simultan-Schichttechnik verringert werden. Allerdings wurde dieser Vorteil mit der Zunahme der ohnehin vorhandenen Unschärfe des Schichtbildes erkauft. Die Entwicklung der digitalen Schnittbildverfahren, vor allem der Computertomographie, lieferte mit zunehmender Vervollkommnung über den Rahmen der konventionellen Tomographie hinausgehende Aussagen in der Differenzierung von Strukturen in allen Bereichen des menschlichen Körpers. Die dabei erzielte Verbesserung der Diagnostik der Neuroaxis, des Körperstamms sowie des Stütz- und Bewegungsapparates werden heute bereits zu einem nicht geringen Teil von der sich stürmisch weiterentwickelnden Kernspintomographie übertroffen. Aber auch die Entwicklung der Computertomographie ist nicht stehengeblieben. Eine neue Gerätegeneration mit immer kürzeren Aufnahmezeiten ermöglicht qualitativ immer bessere Schnittbilder, die diagnostisch neue Dimensionen eröffnen. So ist heute mit der hochauflösenden Computertomographie die Diagnostik interstitieller Lungenerkrankungen ganz wesentlich verbessert worden (5, 6 ,8). Somit stellt sich die Frage. ob und in welchem Umfang die konventionelle Tomographie heute noch erforderlich ist. Zunächst ist festzustellen. daß die von der Ortsauflösung her noch a m ehesten mit der klassischen Schichttechnik vergleichbare Computertomographie optimale Schnittbilder nur in axialer Schnittrichtung liefert. Gerade beim Achsenskelett notwendige sagittale oder koronare Schnittführungen lassen sich nur mit Rekonstruktionen erreichen. Diese erfordern bei leidlicher Qualität axiale Schichten in Millimeterabstand, so daß eine für -

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jüngere Individuen unzuträgliche Strahlonbelastung resultiert. Das bedeutet, daß bei zahlreichen Fragestellungen, wie Verletzungen. Infektionen oder Tumorbefall im Bereich der Wirbelsäule, des Reckens oder der Röhrenknochen, auf die konventionelle Tomographie kaum verzichtet werden kann. Auch in der radiologischen Thoraxdiagnostik bleiben Indikationen für das klassische Schichtverfahren bestehen. Es besteht kein Zweifel, daß mit der Computertomographie vor allem im Staging des Bronchialkarzinoms erhebliche Fortschritte gemacht wurden. Die exakte Bestimmung der Tumorausdehnung und Lokalisation, die Erhebung des Lymphknotenstatus im Bereich von Hili und Mediastinum, die Mitbeurteilbarkeit der Pleura und Thoraxwand sowie die auch mögliche Metastasensuche in Leber und Nebennieren machen sie der konventionellen Tomographie hoch überlegen. Andererseits erscheint e s trotz zunehmender Gerätedichte unsinnig, die Computertomographie bei jeder Frage nach Einschmelzung inliltrativer Prozesse einzusetzen. Hier wie vor allem in der Diagnostik der wieder zunehmenden Tuberkulose hat die althergebrachte Schichttechnik ihren Stellenwert behalten. Ohne jeden Zweifel haben sich die Indikationen für die konventionelle Tomographie durch die Einführung der Schnittbilddiagnostik verringert. Dabei erhebt sich die Frage. ob neue gerätetechnische Entwicklungen wie die Digitale Radiographie oder auch neue Behandlungsverfahren das klassische Schichtprinzip beleben können. So wurden und werden Versuche unternommen, die digitale Bildverstärkerradiographie für die Tomographie zu nutzen (2, 3). Nach eigenen Erfahrungen mit einer Anlage. die eine mit linearer Venvischung mögliche Tomographie erlaubt, lassen sich digitale Schichtaufnahmen mit bisher nicht möglicher Leichtigkeit und Schnelligkeit anfertigen (4). Der Wegfall von Filmkassetten und deren Wechsel beschleunigt den Untersuchungsablauf ungemein. Die Abbildungsqualität mit der Möglichkeit der Bildnachverarbeitung ist gleich gut oder besser als bei konventioneller Technik. Fehlbelichtungen sind ausgeschlossen. Der Untersuchungsbereich kann unter Durchleuchtung eingestellt werden. Wie auch bei der Tomographie in digitaler Speicherfolientechnik liegt die Strahlenbelastung deutlich unter der konventioneller Röntgenvcrfahren. Durch Anwendung der Simultantomographie mit dem Leuchtstoff-Foliensystem Iäßt sie sich auf unter ein Drittel der bisher benötigten Dosis drücken (1). Aus eigener Erfahrung häufen sich in jüngster Zeit wieder Anforderungen nach konventioneller Tomographie. So nicht selten aus urologischei Indikation bei Frage nach exakter Lokalisation schattengebender Nie-

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Von M. Georgi Institut fiir kliiiische Radiologie Mannheim (I>irektor:Prof. Dr.M. (icorgi)

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renkonkreinente vor und nach Lithotripsie. Aber auch die minimal invasive laparoskopische Gallenblasenchirurgie führt ü b e r die wieder häufig gewünschte intravenöse CaIlenwegsdarstellung zu vermehrten Schichtindikationen. Das im Vergleich zur ERCP deutlich risikoärmere Verfahren muß. u m zu einer annähernd vergleichbaren Qualität in d e r Beurteilung d e s Ductus hepatocholedochus zu kommen. in etwa einem Drittel aller Fälle durch Schichtaufnahmen ergänzt werden. Hier hat sich die Digitale Bildverstärkertomographie besonders bewährt. Es bleibt festzuhaken, d a ß trolz aller Fortschritte in d e r bildgebenden Diagnostik die konventionelle Tomographie noch feste. vielleicht wieder zunehmende Indikationen aufweist. An die medizinische Industrie ist die Empfehlung zu richten, d a ß in Verbindung mit Rasteraufnahmetischen Zusatz-Tomographieeinrichtungen weiter hergestellt werden. Hierbei sollten - w i e bisher - mehrdimensionale Röhrenbewegungen für spezielle Skelettläsionen möglich sein. Die Entwicklung d e r digitalen Tornographie in digitalen Bildverstärkerradiographiegeräten ist von klinisch-radiologischer Seite zu begrüßen u n d sollte fortgeführt werden. Vorbei erscheint d i e Zeit mechanisch aufwendiger, ausschließlich Tür die konventionelle Tornographie konzipierter Geräte.

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M. Georgi.Editorial

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Literatur

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Proi. Dr. M. Ceoroi Institut Für Klinische Radiologe Klinikum Mannheim 6800 Mannheim

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[Is conventional tomography still necessary?].

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