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N

Invasive Notfalltechniken

Entlastung des Pleuraraumes

Polytraumata, beispielsweise bei Unfallopfern, sind in über der Hälfte der Fälle mit einem Thoraxtrauma assoziiert. Hier kann eine Thoraxdrainage zur Entlastung des Pleuraraumes erforderlich werden. Da in der präklinischen Notfallmedizin jedoch eher selten eine Thoraxdrainage gelegt werden muss, ist sie vielen Notärzten nicht so vertraut. Dieser Artikel stellt die Entlastung des Pleuraraumes hinsichtlich Indikation, Durchführung, Problemen und Risiken bei der Anwendung an Erwachsenen und Kindern vor. Er ist der zweite Teil einer Serie von insgesamt vier Artikeln zum Thema „Invasive Notfalltechniken“. Einführung Präklinisch wird eine Thoraxdrainage überwiegend im Rahmen der Schwerverletztenversorgung bei einem Thoraxtrauma erforderlich. Die übrigen Indikationen sind selten (z. B. symptomatischer Spontanpneumothorax). Im Folgenden wird zum besseren Verständnis die Entlastung des Pleuraraumes im Rahmen eines Thoraxtraumas dargestellt. Indikation Die Entlastung des Pleuraraumes ist präklinisch indiziert bei klinisch vermutetem oder diagnostiziertem Spannungs(hämato)pneumothorax [1–5]. Dieser kann angenommen werden bei einseitig fehlendem oder abgeschwächtem Atemgeräusch, ggf. in Verbindung mit einem hypersonoren Klopfschall auf der erkrankten Seite (nach Ausschluss einer einseitigen Intubation), in Verbindung mit typischen Symptomen: z. B. bei ▶ schwerer respiratorischer Störung (Atemnot, Brady- / Tachypnoe, pulsoxymetrisch gemessene O2-Sättigung (SpO2) < 90 % trotz O2-Applikation, Zyanose, Trachealverschiebung zur Gegenseite u. a.), ▶ oberer Einflussstauung mit Blutdruckabfall (das Symptom kann bei Schockgeschehen fehlen) und / oder ▶ hohen bzw. ansteigenden Beatmungsdrücken (nach ausgeschlossener extra- bzw. intrathorakaler Obstruktion) [3, 5]. Eine Indikation besteht darüber hinaus bei auskultatorisch diagnostiziertem Pneumothorax unter Überdruckbeatmung (auch im Hinblick auf

eine mögliche Progredienz zum Spannungspneumothorax), insbesondere bei zunehmendem Hautemphysem [3, 5]. Bei bilateralem Spannungspneumothorax können atypische Befundkonstellationen auftreten, z. B. variierende Auskultationsbefunde.

Pneumo- oder Hämatothorax? Die Differenzierung zwischen Pneumo- und Hämatothorax ist präklinisch teilweise schwer möglich (z. B. aufgrund der Geräuschkulisse etc.) und hat zunächst keine Auswirkung auf die Notwendigkeit zur Anlage einer Thoraxdrainage [5]. Die Perkussion kann hier ggf. hilfreich sein, z. B. dumpfer Schenkelschall bei (größerem) Hämatothorax. Dennoch liegen derzeit keine Daten zur Differenzierung zwischen Pneumo- oder Hämatothorax bzw. Mischformen vor. Keine rein prophylaktische Drainage Eine relative Indikation kann bestehen, wenn der Patient transportbedingt eine Thoraxdrainage benötigt (z. B. Transport bei Pneumothorax mittels Rettungshubschrauber mit eingeschränkten Interventionsmöglichkeiten). Mittlerweile ist die rein prophylaktische Drainage auch bei Mehrfachverletzten ohne Hinweis auf einen Pneumothorax nicht mehr indiziert [6]. Beim wachen, spontan atmenden Patienten sollte bei klinisch stabilem Befund selbst bei Hinweisen auf einen Pneumothorax auf die Anlage einer Drainage zugunsten einer kürzeren Versorgungszeit (unter engmaschiger Kontrolle der Vitalparameter) verzichtet werden [3]. Die Entlastung des Pleuraraumes ist präklinisch indiziert bei klinisch vermutetem oder diagnostiziertem Spannungs(hämato-)pneumothorax. Für eine rein prophylaktische Drainage besteht ohne Hinweis auf einen Pneumothorax auch bei Mehrfachverletzten keine Indikation.

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Thorsten Hess • Peer Gunnar Knacke • Markus Stuhr Florian Reifferscheid • Thoralf Kerner

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N Thoraxtrauma

Thorax-CT bei Polytrauma

Ursachen, Inzidenz und Letalität Im europäischen Raum liegt ein Thoraxtrauma meist nach stumpfer Gewalteinwirkung vor. Zu den Hauptursachen zählen Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe [7]. Penetrierende Verletzungen wie z. B. Stich-, Schuss- und Pfählungsverletzungen sind hierzulande selten [7–9]. Erwachsene Männer sind mit > 86 % deutlich häufiger betroffen als Frauen [8, 10–13]. Die Letalität schwerer Thoraxtraumata ist mit 25–34 % hoch. Blutverlust und respiratorische Insuffizienz ggf. mit folgendem Multiorganversagen und Sepsis sind im weiteren Verlauf neben dem Schädel-Hirn-Trauma sowohl therapie- als auch prognosebestimmend [7, 10, 12, 14, 15].

Abb. 1 Polytrauma, männlich, Z. n. Sturz aus 3 m Höhe. Bilaterale Rippenserienfrakturen (instabiler Thorax) und Hämatospannungspneumothorax rechts, Mediastinalshift, Herz komplett nach links verlagert. Einliegender 2-Kammerschrittmacher. Beachte die relativ frakturnahe ̶ und zu kurz ̶ einliegende, laterale Thoraxdrainage mit insuffizienter Entlastung. Solche Frakturfragmente können beim Einbringen einer Drainage eine Verletzungsgefahr darstellen.

Begleitverletzungen Mit einem Polytrauma sind häufig auch ein Thoraxtrauma (ca. 66 %), ein Schädel-Hirn-Trauma (ca. 60 %) oder schwere Extremitätenverletzungen (bis ca. 67 %) assoziiert [11, 16, 17]. Auch wenn nach Brustkorbprellung äußerliche Anzeichen einer thorakalen Verletzung fehlen können (z. B. Wunden, Rippenfrakturen), sind z. T. erhebliche Verletzungen tieferliegender Organe möglich (z. B. Lunge, Mediastinum, große Gefäße, Zwerchfell). Dies gilt insbesondere bei Kindern und jungen Menschen aufgrund der größeren Elastizität der Thoraxwand [9, 18, 19].

Pneumo-, Spannungspneumound Hämatothorax



Inzidenz Die Inzidenz eines traumatischen Pneumothorax bei einem Thoraxtrauma wird insgesamt mit 9–41 % angegeben [5]. Dabei kann sich in bis zu 15 % ein Spannungspneumothorax ausbilden [20]. Dies tritt bei Kindern häufiger auf [21]. Durch die Mobilität des Mediastinums besteht beim Kind eine größere Gefahr, durch einen Pneumothorax eine lebensbedrohliche kardiovaskuläre Kompression zu erleiden [22]. Bei bis zu 30 % aller traumatischen Pneumothoraces kann sich ein Hämatothorax entwickeln [5]. In bis zu 15 % aller Thoraxtraumata treten Rippenserienfrakturen auf [23]. ▶ Bei Rippenfrakturen lässt sich in bis zu 70 % ein Hämato- oder Pneumothorax diagnostizieren [24]. Ein instabiler Thorax liegt dagegen vergleichsweise selten vor (Erwachsene ca. 6 %, Kinder ca. 1 %) [24] (q Abb. 1). Dagegen weisen nur 17–25 % aller Patienten mit einem durch die Bildgebung gesicherten Thoraxtrauma einen tatsächlich behandlungsbedürftigen Pneumothorax auf [5]. ▶ Bis zu 50 % der Patienten mit stumpfem Thoraxtrauma und bis zu 37 % der Patienten mit penetrierendem Thoraxtrauma bedürfen letztlich keiner Drainagebehandlung [24].

Erkennen und Einschätzen der Verletzungsschwere



Häufig über- oder unterschätzt Das schwere Thoraxtrauma wird als solches nur in 49–54 % aller Fälle korrekt durch den Notarzt erkannt [10, 25]. Dabei wird die Thoraxverletzung in ca. 20 % unter- und in 17 % überschätzt [10]. Entsprechend heterogen werden in der aktuellen Literatur die Raten zur präklinischen Anlage von Thoraxdrainagen angegeben (0,08 % bis hin zu 59,2 %) [8, 10̶12, 16, 25, 26]. Bei bis zu 38 % der Patienten wird eine präklinisch indizierte Drainage trotz korrekter Indikationsstellung unterlassen [27]. Aufmkolk et al. fanden in einer Untersuchung bei 739 Patienten mit einer Indikation für eine Thoraxdrainage 235 Fälle (32 %), bei denen die Drainage primär durch den Notarzt eingebracht wurde, und 504 Fälle (68 %), bei denen diese erst sekundär im Schockraum etabliert wurde [10]. Es ließ sich selbst bei Fehleinschätzung des Thoraxtraumas kein signifikanter Einfluss der Anlage einer Drainage auf die Früh- (24 h) und Spätletalität (90 Tage) nachweisen [10].

Präklinische Versorgung



„Lethal six“ Präklinisch unerkannte Spannungspneumo- / Hämatothoraces gelten als eine der Haupttodesursachen beim Polytrauma [20]. ▶ Das schnelle Erkennen akut lebensbedrohlicher Verletzungen bei Thoraxtraumata („lethal six“, qTab. 1, u. a. Spannungspneumo- und massiver Hämatothorax) sowie deren sofortige Behandlung können das Outcome des Patienten begünstigen [9, 10, 28]. Die Schwere eines Thoraxtraumas kann durch die Umfeldbedingungen am Unfallort nur begrenzt eingeschätzt werden [8]. Große, behandlungsbedürftige Pneumothoraces werden bei sorgfältiger Auskultation kaum übersehen.

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Tab. 2 Daten aus [1].

„Lethal six“ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Atemwegsverletzung / -obstruktion Spannungspneumothorax Herzbeuteltamponade offener Pneumothorax massiver Hämatothorax instabiler Thorax

Potenziell reversible Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Hypoxie Hypovolämie Hypo- / Hyperkaliämie Hypothermie Herzbeuteltamponade Intoxikation Thrombembolie Spannungspneumothorax

als das Einbringen einer Thoraxdrainage sein [2]. Huber-Wagner et al. konnten nachweisen, dass die präklinische (beidseitige) Thoraxdrainage die einzige Maßnahme mit positivem Effekt auf das Überleben traumatisierter Patienten mit HerzKreislauf-Stillstand war [29]. Beim Spannungspneumothorax aus innerer Ursache (z. B. Alveolarruptur) empfiehlt das ERC eine – ggf. beidseitige – sofortige Punktionsentlastung im 2. Interkostalraum (ICR), gefolgt von der Einlage einer Drainage. Als Hinweise auf einen z. B. asthmabedingten Herz-Kreislauf-Stillstand werden das Vorliegen von ▶ einseitiger Ausdehnung der Thoraxwand, ▶ Trachealdeviation und ▶ subkutanem Emphysem gewertet [2]. Für die präklinische Dekompression einer Herzbeuteltamponade gibt es derzeit keine Evidenz. Die Perikardiozentese ist schwierig, zeitaufwändig und wenig erfolgversprechend [30].

Entlastung des Pleuraraumes Die präklinische Auskultation ist eine Untersuchungsmethode mit hoher Sensitivität (90 %) und Spezifität (98 %) und führt bei einseitig abgeschwächtem oder fehlendem Atemgeräusch in 86̶97 % zur korrekten Diagnose eines Pneumothorax [5].

Reanimation beim Thoraxtrauma



Umdenken Frühere Autoren diskutierten, die Reanimation von Patienten mit Thoraxtrauma und daraus resultierendem Herz-Kreislauf-Stillstand aufgrund der sehr geringen Erfolgsaussichten grundsätzlich zu unterlassen. Mittlerweile führt das European Resuscitation Council (ERC) jedoch sowohl den Spannungspneumothorax als auch die Perikardtamponade als potenziell reversible Ursachen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand auf [1, 2] (qTab. 2). Vorgehen Beim traumaassoziierten Spannungspneumothorax mit Kreislaufstillstand wird eine sofortige Entlastung des Pleuraraumes durch laterale oder anteriore Thorakostomie (ohne Einlage einer Drainage) empfohlen. Dies kann effektiver als eine Nadeldekompression und schneller

Abb. 2 „Triangle of Safety“ nach den Empfehlungen des Advanced Trauma Life Support (ATLS®).

Bildnachweis: Thorsten Hess

Allgemeines Vorgehen Die Entlastung des Pleuraraumes erfolgt entweder ▶ in offen chirurgischer Technik als Minithorakotomie (improvisiert bzw. Fertigsets) – mit oder ohne Einlage einer Drainage – oder ▶ in Punktionstechnik (improvisiert bzw. Fertigsets). Die optimale Lagerung des Patienten beim lateralen Zugang (s. u.) wird durch Abduzieren des Armes (> 90 °) der zu behandelnden Seite erreicht [31]. Die Durchführung erfolgt möglichst unter sterilen Kautelen (Hautdesinfektion, Lochtuch, sterile Handschuhe). Wache Patienten erhalten eine Lokalanästhesie und eine Analgosedierung.

Regionale Anatomie, Zugangswege und Orientierungshilfen



Zugangswege Als Zugangswege stehen folgende Optionen zur Wahl: ▶ ventraler Zugang nach Monaldi: 2.–3. ICR in der Medioklavikularlinie ▶ lateraler Zugang nach Bülau: 3.–6. ICR in der vorderen oder mittleren Axillarlinie Beim ventralen Zugang dient der Ansatz der 2. Rippe in Höhe des Angulus sterni als Orientierungshilfe, beim lateralen Zugang die Mamille beim Mann oder die Submammarfalte bei der Frau [14, 32, 33]. Nach den Empfehlungen des Advanced Trauma Life Support (ATLS®) wird die sog. „triangle of safety“ als sicherer Zugangsweg definiert [4]. Dieses Dreieck wird durch den Vorderrand des M. latissimus dorsi und den seitlichen Rand des M. pectoralis major begrenzt. Basis ist die horizontale Ebene über der Brustwarze und Scheitelpunkt die Achselhöhle [34] (q Abb. 2).

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Tab 1 Sechs akut lebensbedrohliche Verletzungen bei Thoraxtraumata. Daten aus [28].

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N Abb. 3 a Polytraumatisierter Patient nach Verkehrsunfall mit Thoraxtrauma und Pneumothorax links.

Bildnachweis: Peer Gunnar Knacke

Abb. 3 b Lateraler Zugang zwischen vorderer und mittlerer Axillarlinie. Ausreichend lange Hautinzision im Verlauf des Rippenbogens. Auf weitgehend steriles Vorgehen ist immer zu achten; bei Akuität – wie beim hier primär vorliegenden Spannungspneumothorax – ist dies im Einzelfall ggf. vernachlässigbar (z. B. Verwendung eines Lochtuchs).

Möglicher Zwerchfellhochstand Bei der Wahl des Zugangs muss ein Zwerchfellhochstand berücksichtigt werden. Dieser kann situativ (Rückenlage) oder konstitutionell bedingt sein (z. B. Adipositas, Schwangerschaft etc.) oder durch akute Verletzung entstehen (z. B. Zwerchfellruptur). Im Rahmen stumpfer Verletzungen kann eine Zwerchfellruptur in knapp 2 % der Fälle vorliegen. Sie betrifft meist die linke Zwerchfellseite im Verhältnis von 5 (links) zu 1 (rechts) [37]. Bildnachweis: Peer Gunnar Knacke

Der Zugang kann ventral (2.–3. ICR in der Medioklavikularlinie) oder lateral (3.–6. ICR in der vorderen oder mittleren Axillarlinie) erfolgen. Als sicherer Zugansgweg ist die sog. „triangle of safety“ definiert.

Abb. 3 c Stumpfe Präparation auf die Rippe zu und über den Oberrand der Rippe hinweg mittels Präparierschere.

Minithorakotomie



Vorgehen Nach Identifikation des Operationsfeldes wird eine ausreichend lange Hautinzision (z. B. 6 cm bei Erwachsenen) vorgenommen im Verlauf des Rippenbogens bzw. direkt auf die Rippe zu, die unterhalb des zu eröffnenden ICR liegt (q Abb. 3 a, b). Mit dem Finger oder der geschlossenen Präparierschere erfolgt die stumpfe Präparation auf die Rippe zu und über den Oberrand der Rippe hinweg (Kulissentechnik), da Gefäße und Nerven unterhalb der Rippe verlaufen (q Abb. 3 c). Dabei werden das Subkutangewebe und die Interkostalmuskulatur stumpf durchdrungen. Chirurgische Präparationshilfen (z. B. kurze Schere, Klemme) werden immer stumpf / geschlossen eingeführt und beim Zurückziehen leicht gespreizt. Nach dem Durchbohren der Pleura parietalis erfolgt das vorsichtige digitale Austasten des Pleuraraumes (z. B. Lösen von Pleuraadhäsionen, Tasten frakturierter Rippen oder ortsfremder Organe) (q Abb. 3d). [4–7, 14, 31–34, 36, 38–42]

Bildnachweis: Peer Gunnar Knacke

Abb. 3 d Identifikation und digitales Austasten des Pleuraraumes.

Bildnachweis: Peer Gunnar Knacke

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Ventral oder lateral? Der laterale Zugangsweg wird in der Literatur insgesamt bevorzugt [1, 14, 35]. Ein Grund könnte die zunehmende Ausbildung in Traumaversorgungskursen nach ATLS® sein. Aufgrund fehlender Daten ist bisher allerdings keine evidenzbasierte Empfehlung für die Wahl des Zugangsweges möglich [14]. Die laterale Positionierung einer Drainage erlaubt bei dorsaler Platzierung, Hämatome oder Ergüsse zu drainieren. Unter Umständen sind damit weitere Drainagen nicht notwendig. In 75–95 % kann die laterale Thoraxdrainage die definitive Therapie beim Thoraxtrauma darstellen [5, 15]. Andererseits kann ein Pneumothorax bei ventralem Zugang unter Umständen schneller und effizienter zu drainieren sein, da sich intrapleurale Luft beim liegenden Patienten v. a. ventral sammelt [31, 34, 36].

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N Einführen einer Thoraxdrainage

Abb. 3 e Einlage der Thoraxdrainage ohne Trokar. Die Platzierung der Drainage erfolgt unter Führung des Fingers. Die Einführrichtung ist beim Pneumothorax nach ventral, beim Hämatothorax nach dorsal.

Bildnachweis: Peer Gunnar Knacke

Abb. 3 f Sichere Annaht und Stegfixierung der Thoraxdrainage.

Bildnachweis: Peer Gunnar Knacke

Tab. 3 Daten aus [52].

Abb. 4 Punktionsentlastung der Pleura mittels Neo-Pneumocath® (Intra Special Catheters GmbH, Rehlingen-Siersburg), ventraler Zugang. Nach der Identifikation des Pleuraraumes in 90° zur Hautoberfläche kann über einen Schubbeutel nach Absenken der Kanüle auf ca. 45° die direkte Einlage einer Thoraxdrainage (10 Fr) erfolgen. Die Verwendung dünner Drainagen (z. B. 8̶14 Fr) kann zur Behandlung eines Pneumothorax ausreichen [76].

Thoraxdrainagengröße nach Körpergewicht Gewicht [kg KG]

Drainagengröße [Fr]

3̶5

10̶12

6̶9

12̶16

10̶11

16̶20

12̶14

20̶22

15̶18

22̶24

19̶22

24̶28

23̶30

24̶32

> 32

32̶40

Vorgehen Die Größe der Thoraxdrainage kann nach dem Körpergewicht bestimmt werden [42] (q Tab. 3). Die Thoraxdrainage wird mit dem Finger geführt. Das Einführen mittels Trokar wird aufgrund von Fehllagen und Organverletzungen nicht mehr empfohlen; ein Trokar bleibt immer extrathorakal. Die Drainage wird ausreichend tief vorgeschoben (z. B. 15–20 cm), mind. aber soweit, dass die Drainageöffnungen sicher intrathorakal liegen (q Abb. 3 e). Die Einlage ist digital oder mittels gebogener Kornzange möglich. Es werden inzwischen auch Drainagen mit biegbaren bzw. flexiblen, stumpfen Einführhilfen angeboten, mit denen die Einlagerichtung vorgegeben werden kann (z. B. Thoraxdrainagekatheter Portex®, Smiths Medical Deutschland GmbH, Grasbrunn). ▶ Bei einem Pneumothorax sollte die Drainage nach ventral, ▶ bei einem Hämatothorax nach dorsal eingeführt werden. Nach erfolgreicher Platzierung einer Thoraxdrainage wird diese durch Annaht sicher fixiert, z. B. Einzelknopfnaht mit Stegfixierung (q Abb. 3 f ). Alternativen Als Alternative zur Einlage einer Drainage kann die Minithorakotomie mit einer zu einer Seite hin offenen, sterilen Kompresse abgeklebt werden. Darüber hinaus eignen sich Ventilklebepads, wie sie bei offenen Brustwandverletzungen beim spontan atmenden Patienten meist im militärischen Kontext verwendet werden (z. B. Rüsch Asherman Chest SealTM, Teleflex Medical, Irland). Die in den ERC-Leitlinien empfohlene Thorakozentese ohne Einlage einer Drainage sollte nach Auffassung der Autoren noch im präklinischen Verlauf aus funktionellen und hygienischen Gründen durch die Einlage einer Thoraxdrainage und / oder einen adäquaten Wundverband ergänzt werden. Beidseitige Drainagen Bei Patienten, bei denen Indikationen zur Thoraxdrainage für beide Seiten vorliegen, müssen entsprechend beidseitig Drainagen eingelegt werden. Dies kann auch gelten, wenn bei der Auskultation keine eindeutige Seitendifferenzierung möglich und der Patient vital bedroht ist.

Punktionstechnik



Bildnachweis: Thorsten Hess

Zugangsweg Bei Verdacht auf einen Spannungspneumothorax kann eine akute Entlastung des Pleuraraumes zunächst durch eine Nadeldekompression, gefolgt von der Einlage einer Drainage über eine Minithorakotomie vorgenommen werden. Die Maßnahme ist derzeit nur für den ventralen Zugangsweg (2.–3. ICR in der Medioklavikularlinie) empfohlen [2, 3].

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N Progredienter Spannungspneumothorax Abb. 5 a Polytrauma, weiblich, Verkehrsunfall, Z. n. Anpralltrauma an das Lenkrad. Entstehung eines dynamischen Spannungspneumothorax. Zunächst Rippenserienfraktur mit Hämatospannungspneumothorax links, Pneumomediastinum, Pneumoperikard. Beachte das ausgedehnte Weichteilemphysem mit Ausdehnung bis in die Hals- bzw. Armweichteile. Die Thoraxwanddicke beträgt hier nahezu 5 cm auf Höhe des 3. Interkostalraumes (ICR) (B).

Vorgehen Die Punktion wird in Exspiration in 90 ° zur Hautoberfläche mit einer großlumigen Spezialkanüle – alternativ mit einer Venenverweilkanüle – vorgenommen [31]. Auf die Kanüle kann eine zur Hälfte mit Kochsalzlösung gefüllte Spritze aufgesetzt werden. Unter Aspiration aufsteigende Luftblasen kennzeichnen den Eintritt in die Pleura [41]. Eine erfolgreiche Punktion erreicht man meist bei 1,5–4,5 cm Stichtiefe, manchmal beträgt die Brustwanddicke beim Traumapatienten jedoch > 5 cm [44] (q Abb. 5 a). Danach muss der Stahlmandrin zurückgezogen (Verletzungsgefahr der wieder expandierenden Lunge) oder im Einzelfall belassen werden (Gefahr des Abknickens des Kunststoffkatheters) [31]. Techniken Für die „catheter-over-needle-technique“ existieren handelsübliche Fertigsets mit entsprechenden großlumigen Spezialnadeln (z. B. Cook Emergency Pneumothorax Set®, Cook Medical Inc., USA) bzw. einfache Kanülen (z. B. Pneumothoraxkanüle mit Tiegelventil, B. Braun Melsungen AG, Melsungen). Der Pneumocath® (Intra Special Catheters GmbH, Rehlingen-Siersburg) basiert auf einer Punktionstechnik nach Veres-ähnlichem-Prinzip. Über eine Punktionskanüle mit (dünner) Saugdrainage ist eine schnelle und sichere Identifikation des Pleuraraumes mit der Möglichkeit einer direkten (sterilen) Drainageeinlage über einen Schubbeutel gegeben (q Abb. 4). Mit dem Neo-Pneumocath® ist auch die laterale Drainage möglich. Die in der Literatur häufig beschriebene improvisierte Technik mittels 14-G-Venenverweilkatheter ist zwar technisch möglich, soll aber speziellen Einzelsituationen vorbehalten bleiben, wenn Alternativen nicht verfügbar sind. Insgesamt wird die (improvisierte) Nadeldekompression als relativ unsicheres Verfahren angesehen [43–48]. Erfolgreiche Entlastung Die erfolgreiche Entlastung eines (Spannungs-)Pneumothorax zeigt sich nach Überwinden der Pleura parietalis durch ▶ entweichende Luft, ▶ ein wieder auskultierbares Atemgeräusch, ▶ klinische Verbesserung sowie ▶ eine positive Veränderung von Vitalparametern (z. B. Anstieg von Blutdruck und SpO2, Abnahme des Atemwegsdrucks) [31]. Beim Hämatothorax entleert sich Blut. In diesem Fall soll eine Thoraxdrainage – bei starker Blutung – nicht abgeklemmt werden, da dies zur Aggravation des Hämatopneumothorax führen kann [5, 15].

Abb. 5 b Entlastung des Pleuraraumes durch laterale Thorakotomie links und Thoraxdrainage via falsa: Im Lungenparenchym einliegende Drainage auf Höhe des 5. Interkostalraumes. Insgesamt finden sich intraparenchymatöse Fehllagen nur selten (< 5 %). Ventraler Restpneumothorax links und bislang unbehandelter Spannungspneumothorax rechts. Es besteht die Indikation zur beidseitigen Entlastung. Die Progredienz eines Pneumothorax ist nicht nur unilateral grundsätzlich immer möglich, sondern kann sich ̶ wie hier ̶ auch zur gesunden Seite hin ausdehnen. Abb. 5 c Spannungspneumothorax rechtsseitig durch kompressionsbedingte Ausbildung einer Fistel von links nach rechts im vorderen Mediastinum (in der pleuroperikardialen Umschlagsfalte), bislang nicht entlastet. Beachte den Abstand der A. thoracica interna zum ipsilateralen Sternumrand von ca. 2 cm auf Höhe des 3. Interkostalraumes (ICR) (A).

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▶ Die Punktion sollte in mind. 3 cm Abstand zum lateralen Sternumrand vorgenommen werden (Schutz vor Verletzung der A. thoracica interna) [6, 7, 30, 32, 40].

Bildnachweis (alle): Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg

Ableitendes System



Passive Drainagesysteme In der Präklinik werden i. d. R. nur passive Drainagesysteme angelegt [31]. Ein Ventil oder Sog zur Thoraxdrainage ist präklinisch beim beatmeten Patienten nicht unbedingt notwendig [58]. Inzwischen stehen Gravitationsdrainagen mit in den Sekretbeutel integriertem Heimlich-Ventil und Überdruckventil zur Verfügung. Die Verwendung von Heimlich-Ventilen wird von einigen Autoren kritisch gesehen. Seitz et al. untersuchten in einer Stichprobe 16 Heimlich-Ventile unterschiedlicher Hersteller: 25 % der Ventile mit gültigem Verfallsdatum und 88 % der Ventile mit abgelaufenem Datum öffneten nicht regelrecht [14].

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N Komplikationen

präklinische Drainagen

klinische Drainagen

subkutane Fehllagen

2,9 % (1,2̶9 %) n = 730, 9 Studien

0,4 % (0̶1,2 %) n = 287, 3 Studien

intrapulmonale Fehllagen

1,6 % (0̶6,4 %) n = 697, 8 Studien

0,4 % (0,25̶1,5 %) n = 734, 4 Studien

intraabdominelle Fehllagen

1,0 % (0̶3 %) n = 730, 9 Studien

1,0 % (0̶4,5 %) n = 734, 4 Studien

Infektionen (Pleuraempyem)

1,6 % (0̶3,9 %) n = 450, 4 Studien

1,7 % (0̶5 %) n = 7489, 9 Studien

Tab. 4 Daten aus [40]. Bereich in Klammern = Mittelwerte aus der Summation aller Patienten mit der jeweiligen Komplikation, bezogen auf die Summe aller Patienten, die in die Studien eingeschlossen waren.

Kontraindikationen



Absolute Kontraindikationen bestehen nicht [33]. Eine relative Kontraindikation kann bei bekannter Blutungsdiathese oder medikamentöser Antikoagulation vorliegen, wenn der Patient vital stabil ist. Besondere Umstände ergeben sich bei Verdacht auf eine traumatische Zwerchfellruptur bei Traumapatienten [33]; hier muss der Zugangsweg entsprechend sorgfältig gewählt werden.

Komplikationen



Akut- und Sekundärkomplikationen Zu den Akutkomplikationen nach Anlage einer Thoraxdrainage zählen die Verletzung intrathorakaler Organe (Lunge, große Gefäße, Herz), des Abdomens (Leber, Milz) und der Thoraxwand (Blutungen aus Interkostal- oder Muskelgefäßen) [25]. Durch eine unvollständige Drainage (z. B. Abknicken oder Verstopfen dünner Drainagen oder des ableitenden Systems, Fehlplatzierung) kann es im Verlauf zur erneuten Ausbildung eines (Spannungs-)Pneumothorax kommen (q Abb. 5a̶c). Somit kann unter Umständen bereits präklinisch die Anlage einer zweiten Drainage erforderlich werden [34]. Die Sekundärkomplikationen umfassen v. a. Wundinfektionen und Pleuraempyeme. Diese treten allerdings bei präklinisch gelegten Thoraxdrainagen nicht häufiger auf als bei innerklinisch gelegten Drainagen [40] (q Tab. 4). Fehllagen Fehllagen präklinischer Thoraxdrainagen werden mit einer Häufigkeit von 19–26 % beschrieben [8, 49]. Extrathorakale Lagen sind relativ selten (< 3 %), wogegen intrathorakale Fehllagen den Hauptteil ausmachen [24]. Die Rate an Fehllagen scheint beim ventralen Zugang geringer zu sein [58]. Beim lateralen Zugangsweg treten eher intraabdominelle Fehllagen, z. T. mit Organverletzungen, auf [8].

Insgesamt liegt die Komplikationsrate bei nicht traumatisierten Patienten < 3 %, sie kann allerdings bei der Behandlung traumatisierter Patienten auf 25–30 % ansteigen [50]. Schupfner et al. fanden häufigere Fehllagen bei tendenziell schwerer verletzten Patienten in Abhängigkeit von GCS (Glasgow Coma Scale), Thoraxverletzungsschwere und Intubationsrate [8]. In Bezug auf das Outcome zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied im weiteren Verlauf nach Fehllage [8].

Anmerkungen Gründe für unterlassene Thoraxdrainage Von verschiedenen Autoren werden subjektive Unsicherheit und Ausbildungsdefizite im Anwenderkollektiv beschrieben, die zum Unterlassen einer präklinisch indizierten Thoraxdrainage führen können. Darüber hinaus muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Symptomatik eines Thoraxtraumas häufig durch weitere schwere Begleitverletzungen oder die bereits eingeleitete Narkose mit Intubation und Beatmung schwer erkennbar sein kann [9]. Zudem besteht v. a. im Rahmen der präklinischen Versorgung eines Polytraumas die Gefahr sog. „missed injuries“ aufgrund des Vorhandenseins subjektiv überbewerteter bzw. vermeintlich vordergründiger Begleitverletzungen (z. B. Amputationsverletzungen) [20]. Technische Hilfestellung Eine präklinische fokussierte Sonografie (z. B. nach FAST-Standard) kann zu einer früheren Erkennung oder besseren diagnostischen Einordnung lebensbedrohlicher thorakaler Verletzungen führen (z. B. Pneumothorax, Hämatothorax, Herzbeuteltamponade) [51]. Bislang kann jedoch noch keine definitive Empfehlung zum präklinischen Einsatz der Methodik beim Schwerverletzten ausgesprochen werden. Komplikationsraten Die Komplikationsraten bei prä- oder innerklinisch etablierten Thoraxdrainagen sind in der Literatur nahezu identisch (q Tab. 4). Das Risiko einer Nichtentlastung des Thorax wiegt, bei gegebener Indikation, wesentlich schwerer, als die relativ selten auftretenden Komplikationen [7]. Ein vital stabiler Patient mit einem Thoraxtrauma profitiert wahrscheinlich nicht von einer präklinischen Thoraxdrainage [3, 38]. ▶ Jeder Spannungspneumothorax ist hingegen bereits präklinisch durch Thoraxdrainage zu entlasten. Daher sollte jeder Notarzt die Anlage von Thoraxdrainagen sicher beherrschen [8].

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Komplikationsraten: präklinisch vs. innerklinisch gelegte Pleuradrainagen

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N wird häufig unterlassen ̶ sei es aufgrund der subjektiven Unsicherheit bzw. von Ausbildungsdefiziten der Anwender oder, weil die Symptomatik eines Thoraxtraumas aufgrund der Begleitumstände teilweise nur schwer erkennbar ist. Das Risiko einer Nichtentlastung bei gegebener Indikation wiegt jedoch deutlich schwerer als die relativ selten auftretenden Komplikationen. Daher sollte jeder Notarzt die Anlage einer Thoraxdrainage sicher beherrschen. ◀

Kernaussagen ▶ Die Entlastung des Pleuraraumes ist präklinisch indiziert bei klinisch vermutetem oder diagnostiziertem Spannungspneumothorax. Ein vital stabiler Patient (z. B. mit einem Thoraxtrauma) profitiert wahrscheinlich nicht von einer präklinischen Thoraxdrainage. ▶ Ein schweres Thoraxtrauma wird allerdings nur in ca. 50 % aller Fälle korrekt erkannt. Präklinisch unerkannte Spannungspneumothoraces gelten dabei als eine der Haupttodesursachen beim Polytrauma. ▶ Eine engmaschige, repetitive Kontrolle von Vitalparametern (z. B. EKG, Blutdruck, SpO2 und Auskultation) muss immer vorgenommen werden – v. a. hinsichtlich einer möglichen Progredienz eines Pneumothorax.

Dr. med. Thorsten Hess ist Assistenzarzt in der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Rettungsmedizin, Zentrum für Schmerztherapie, am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg. E-Mail: [email protected]

▶ Bei der Anlage einer Thoraxdrainage unterscheidet man die offen-chirurgische und die Punktionstechnik. Beim liegenden Patienten kann beim Spannungspneumothorax der ventrale Zugang erwogen werden, der laterale Zugangsweg wird in der Literatur insgesamt bevorzugt – vermutlich aufgrund der zunehmenden Breitenausbildung in Traumaversorgungskonzepten, z. B. nach ATLS®.

Dr. med. Peer Gunnar Knacke ist Oberarzt am Zentrum für Anästhesie, Rettungsmedizin und Schmerztherapie der Sana-Kliniken Ostholstein GmbH, Eutin. Er ist Ärztlicher Leiter des Rettungshubschraubers Christoph 12 und Fortbildungsbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft in Norddeutschland tätiger Notärzte (AGNN). E-Mail: [email protected]

▶ Der Notarzt sollte die Anlage einer präklinischen Thoraxdrainage mit den ihm jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln sicher beherrschen.

Dr. med. Markus Stuhr ist Oberarzt in der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Rettungsmedizin, Zentrum für Schmerztherapie, am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg. Er ist Mitglied der Leitenden Notarztgruppe bei der Feuerwehr Hamburg. E-Mail: [email protected]

Dr. med. Florian Reifferscheid ist Facharzt an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel und DRK-Landesarzt in Hamburg. E-Mail: florian.reiff[email protected]

Prof. Dr. med. Thoralf Kerner ist Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie an der Asklepios Klinik Harburg, Hamburg, und Mitglied der Leitenden Notarztgruppe bei der Feuerwehr Hamburg. E-Mail: [email protected]

Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

▶ Die Komplikationsraten bei prä- und innerklinisch etablierten Thoraxdrainagen sind gering, in der Literatur nahezu identisch. Fehllagen sind beim ventralen Zugang eher selten.

Literaturverzeichnis 1 Deakin CD, Nolan JP, Soar J et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010 Section 4. Adult advanced life support. Resuscitation 2010; 81: 1305–1352 2 Soar J, Perkins GD, Abbas G et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010 Section 8. Cardiac arrest in special circumstances: Electrolyte abnormalities, poisoning, drowning, accidental hypothermia, hyperthermia, asthma, anaphylaxis, cardiac surgery, trauma, pregnancy, electrocution. Resuscitation 2010; 81: 1400–1433 3 Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). S3-Leitlinie Polytrauma / Schwerstverletzten-Behandlung. AWMF Registrier-Nr. 012/019; http://www.AWMF.org/leitlinien (Stand: 20.06.2012) 4 ATLS: Advanced Trauma Life Support for doctors – Student Course Manual. 9th ed. Chicago, IL: American College of Surgeons; 2012 5 Waydhas C, Sauerland S. Thoraxtrauma und Thoraxdrainage: Diagnostik und Therapie – Ein systematisches Review, Teil 1: Diagnostik. Notfall Rettungsmed 2003; 6: 541–548 6 Bernhard M, Helm M, Mutzbauer TS et al. Invasive Notfalltechniken. Notfall Rettungsmed 2010; 13: 399–414 7 Aul A, Klose R. Präklinische Thoraxdrainage – Indikationen und Technik. Notfall Rettungsmed 2005; 8: 49–56 8 Schupfner R, Rupprecht H, Wagner W. Outcome-Analyse präklinisch gelegter Thoraxdrainagen. Zentralbl Chir 2013; 138: 334–341 9 Klein U, Laubinger R, Malich A et al. Erstversorgung bei Thoraxtrauma. Anaesthesist 2006; 55: 1172–1188 10 Aufmkolk M, Ruchholtz S, Hering M et al. Wertigkeit der subjektiven Einschätzung der Thoraxverletzungsschwere durch den Notarzt. Unfallchirurg 2003; 106: 746–753 11 Schlechtriemen T, Schaefer S, Stolpe E, Altemeyer KH. Präklinische Traumaversorgung von Traumapatienten in der Luftrettung. Ergebnisse des medizinischen Qualitätsmanagements bei Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma und Polytrauma der Jahre 2000 und 2001. Unfallchirurg 2002; 105: 974–985

Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag finden Sie im Internet: Abonnenten und Nichtabonnenten können unter „www.thieme-connect.de/ ejournals“ die Seite der AINS aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Zusatzmaterial“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich.

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/ s-0034-1376447

VNR: 2760512014144212296

Hess T, Knacke PG, Stuhr M et al. Invasive Notfalltechniken – Entlastung des Pleuraraumes. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 298–305

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Fazit Eine präklinisch indizierte Thoraxdrainage

N

CME

Fachwissen

CME-Fragen

Invasive Notfalltechniken Entlastung des Pleuraraumes

Welche Aussage ist richtig? Invasive Notfalltechniken

1 wie die Anlage einer Thoraxdrainage ... A

werden leitliniengemäß erst im Rahmen einer Schockraumversorgung angewendet. können nicht trainiert werden. sind immer mit einer hohen Komplikationsrate verbunden. erfordern die Bereithaltung zusätzlichen Equipments. sind wegen der großen Risiken präklinisch nicht indiziert.

B C D E

2 Welche Aussage ist falsch? A

Beim Thoraxtrauma ist präklinisch in der Regel eine Thoraxdrainage indiziert. Bei der Auskultation sind fehlende oder verminderte Atemgeräusche diagnostisch wegweisend. Bei der Verlaufskontrolle ist eine Tubusfehllage auszuschließen. Die klinische Untersuchung ist untersucherabhängig. Beim Thoraxtrauma kann die körperliche Untersuchung zur Diagnose vital bedrohlicher Störungen führen.

B C D E

Welche Aussage ist falsch?

3 Patienten mit Thoraxtrauma sind ... A B C

in der Initialphase durch Gasaustauschstörungen bedroht. präklinisch durch einen Pneumothorax bedroht. nach der Stabilisierungsphase durch ARDS (acute respiratory distress syndrome) bedroht. nach der Stabilisierungsphase durch Multiorganversagen bedroht. bereits präklinisch durch Lungenfibrose bedroht.

D E

Welche Aussage ist richtig?

4 Für das Thoraxtrauma gilt: A B C D E

Das penetrierende Thoraxtrauma ist in Mitteleuropa häufig. Ein instabiler Thorax ist bei Erwachsenen und Kindern selten. Mit bis > 80 % sind meist erwachsene Frauen betroffen. Isolierte Thoraxtraumata sind hierzulande häufig. Kinder und ältere Erwachsene besitzen eine sehr elastische Thoraxwand.

5

A B

C D E

Sie kommen als Notarzt zu einem verunfallten Radfahrer. Dieser ist behelmt auf regennasser Fahrbahn gestürzt. Der Patient befindet sich im RTW, ein peripher venöser Zugang ist etabliert, die HWS ist immobilisiert. Der Verunfallte ist primär wach, orientiert, klagt über stärkste Schmerzen im rechten Bein. Im EKG sieht man eine Sinustachykardie, die SpO2 liegt bei 93 %, der Blutzucker beträgt 67 mg/dl. Beim Bodycheck wird der Patient plötzlich unruhig und gibt das Gefühl an, keine Luft zu bekommen. Wenige Augenblicke später kollabiert er und atmet schnell und flach. Welche weiteren Maßnahmen sind nun am ehesten zielführend? Sie indizieren sofort Narkose, Intubation und Beatmung. Es werden zügig 1000 ml kristalloide Infusionslösung infundiert und der schnellstmögliche Transport in ein geeignetes Zielkrankenhaus vorgenommen. Sie applizieren sofort 12 g Glukose i. v. als Bolus und setzen die körperliche Untersuchung fort. Sie indizieren Auskultation und ggf. umgehende Nadeldekompression als diagnostische und therapeutische Maßnahme zugleich. Sie lassen zunächst über die Einsatzleitstelle einen Rettungshubschrauber nachfordern.

CME

6 Welche Aussage ist richtig? A B

C D E

Die Diagnose Pneumothorax kann am Unfallort schnell und sicher gestellt werden. In den ERC-Leitlinien 2010 wird die beidseitige Einlage einer Thoraxdrainage bei traumatisch bedingtem Herz-KreislaufStillstand empfohlen. Ein vital stabiler Patient mit diagnostiziertem Pneumothorax benötigt primär keine Thoraxdrainage. Die Auskultation ist keine geeignete Methode zur Diagnose eines Pneumothorax. Bei beatmeten Patienten mit einliegender Thoraxdrainage muss ein Rückschlagventil verwendet werden.

7 Welche Aussage ist richtig? A B C D

E

Ein Spannungspneumothorax kommt bei Kindern seltener als bei Erwachsenen vor. Beim kindlichen Thoraxtrauma finden sich selten schwere intrathorakale Begleitverletzungen. Beim Hämatothorax sollte eine Drainage nicht abgeklemmt werden. Die empfohlenen Zugangswege für die notfallmäßige Anlage einer Thoraxdrainage beim Kind unterscheiden sich von denen beim Erwachsenen. Für Kinder im 1. Lebensjahr beträgt eine primär geeignete Thoraxdrainagengröße etwa 26 Fr bzw. größer.

Welche Aussage ist richtig? Die Anlage einer

8 Thoraxdrainage in Monaldi-Position erfolgt im ... A B C D E

2.̶3. Interkostalraum in der Medioklavikularlinie. 2.̶3. Interkostalraum in der hinteren Axillarlinie. 3.̶6. Interkostalraum in der mittleren Axillarlinie. 2.̶3. Interkostalraum in der vorderen Axillarlinie. 3.̶6. Interkostalraum in der Medioklavikularlinie.

Welche Aussage ist richtig?

9 Die „triangle of safety“ ... A B C D E

ist ein technisches Hilfsmittel in der Klangtherapie (Phonophorese). ist ein technisches Hilfsmittel zur Anlage einer Thoraxdrainage. ist eine als sicher definierte Körperregion zur Anlage einer Thoraxdrainage in Monaldi-Position. wird durch den Vorderrand des M. latissimus dorsi und den seitlichen Rand des M. pectoralis major begrenzt. wurde 1502 durch Christoph Kolumbus entdeckt.

Welche Aussage ist richtig?

10 Bei der notfallmäßigen Anlage einer Thoraxdrainage ... A B C D E

muss der Patient eine Notfallnarkose erhalten. muss der Patient in Seitenlage gelagert werden. wird die Drainage am Unterrand einer Rippe eingebracht. ist auf möglichst steriles Vorgehen zu achten. darf die Drainage beim Erwachsenen max. 5 cm eingebracht werden.

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CME-Fragen – Invasive Notfalltechniken – Entlastung des Pleuraraumes. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 306

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[Invasive emergency techniques--decompression of the pleura].

On-scene invasive emergency procedures, such as cricothyroidotomy, chest drain, intraosseous puncture or even on-field-amputation, are often unavoidab...
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