526 Der interessante Fall

Falldarstellung



Wir berichten von einem 58-jährigen, männlichen Patienten, der sich in unserer Ambulanz mit Rhinorrhoe, Epiphora und Hypästhesie der rechten Wange seit 3 Monaten vorstellte. 5 Jahre zuvor war bei dem Mann ein Nierenzellkarzinom diag­ nostiziert und mit partieller Nephrekto­ mie therapiert worden. Seither bestand eine Vollremission. Die HNO-ärztliche Untersuchung zeigte einen irregulären Tumor der rechten ­Nasenhaupthöhle mit purulentem Sekret. Die ophthalmologische Untersuchung ergab einen Exophthalmus von 4  mm rechts, aber keine Diplopie oder Visus­ minderung. Eine kontrastmittelunter­ stützte CT-Untersuchung der Nasen­ nebenhöhlen zeigte einen destruieren­ den Tumor der rechten Kieferhöhle mit Ausdehnung in die Nasenhaupthöhle und Infiltration der Orbita und der vor­ ▶  Abb. 1). Auch deren Siebbeinzellen (  ● fand sich in der durchgeführten CT-Unter­ suchung des Körperstamms kein Hinweis für weitere Metastasen oder ein lokoregi­ onäres Rezidiv des Primärtumors. Eine zusätzlich durchgeführte MRT-Untersu­ chung führte zu keiner wesentlichen Be­ funderweiterung und konnte eine Dura▶  Abb. 2). Infiltration ausschließen ( ● Daraufhin wurde eine Probepunktion des Tumors in Lokalanästhesie durchgeführt. Bei der Probenentnahme kam es zu einer massiven Blutung, die durch eine Nasen­ tamponade gestillt werden musste. Als Folge der Blutung sank der Hb-Wert von 14,3 g/dl auf 10,3 g/dl. Die histologische Untersuchung zeigte eine Metastase des bekannten klarzelligen Nierenzellkarzi­ noms. Weitere immunhistochemische Untersuchungen auf Cytokeratin AE1/3, CD10 und CA IX bestätigten den Befund (Pramick M. et al., Ann Diagn Pathol. 2013; 17: 437–440). Aus prognostischen Gründen wurde auch der Ki-67-Proliferationsindex bestimmt, der zwischen 30–40 % lag. Mit diesen Befunden wurde der Patient im interdisziplinären Kopf- Hals- Tumor­ board vorgestellt, wo der Rat zur Resek­ tion der Metastase gegeben wurde.

Aufgrund der schweren Blutungskompli­ kation während der Probenentnahme sollte eine präoperative Embolisation des Tumors durchgeführt werden. Eine Angiografie zeigte eine gute Vasku­ larisation des Tumors, sowohl von Ästen der A. carotis externa als auch der A. ca­ rotis interna. Die oberen zwei Drittel des Tumors wurden von Ästen der A. sphenopalatina versorgt und konnten konventionell angiografisch nach superselektiver Katheterisierung der A. maxillaris mithilfe von Coils und PVA­ (Polyvinylalkohol) – Partikeln embolisiert werden. Das untere Drittel des Tumors ­wurde von Ästen der A. ophthalmica ver­ sorgt. Aufgrund des erhöhten Risikos von ischämischen, zerebralen und ophthalmolo­ gischen Komplikationen wurde auf eine konventionelle Embolisation des unteren

Technik



Die transnasale, intraläsionale Embolisa­ tion des Tumors erfolgte im HNO-OP durch den Operateur und die interven­ tionellen Radiologen in Vollnarkose unter kontinuierlicher Durchleuchtung. Der ­Tumor wurde hierfür mehrfach endosko­ pisch mit einer Nadel punktiert und meh­ rere Ampullen Onyx® (ev3 Europe Inc., Paris, France) injiziert bis zu einer Reduk­ tion von über 90 % der Tumorperfusion ▶  Abb. 3, 4). Der Tumor konnte am nächs­ ( ● ten Tag über einen subfrontalen Zugang vollständig reseziert werden. Schnell­ schnittproben aus den Randbereichen zeigten keinen Hinweis für einen Residu­

Abb. 1  CT mit Kontrastmittel in koronarer Schichtung.

Abb. 3  Endoskopisches Foto während der intraläsionalen Embolisation der Metastase durch direkte Tumorpunktion.

Abb. 2  Koronares, T1 gewichtetes MRT des Schädels mit Gadolinium.

Abb. 4  Konventionelle Röntgen des Schädels nach intraläsionaler Embolisation.

Steinbichler TB et al. Transnasale, intraläsionale Embolisation eines …  Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: 526–527 ∙ DOI  10.1055/s-0035-1545316

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Transnasale, intraläsionale Embolisation eines hochvaskularisierten Tumors der Frontobasis

Drittels des Tumors verzichtet. Da es aber im Rahmen einer Probenentnahme bereits zu einer lebensbedrohlichen Blutung kam, wurde das Prozedere erneut mit den inter­ ventionellen Radiologen besprochen und eine transnasale, intraläsionale Embolisa­ tion des Tumors entschieden. Dieses in der Literatur noch wenig beschriebene Verfah­ ren ermöglicht eine risikoarme Embolisa­ tion von Tumoren der Frontobasis, die über die A. carotis interna versorgt werden.

Der interessante Fall 527

Postoperativer Verlauf



Der postoperative Verlauf war komplika­ tionslos. Der Ausgangs-Hb von 9 g/dl sank auf 7,8 g/dl und wurde substituiert. Eine ophthalmologische Untersuchung zeigte einen normalen Visus und eine ­transiente Diplopie für 3 Tage. In der onkologischen Nachsorge zeigt sich seit 20 Monaten kein lokregionäres Rezi­ div, allerdings entwickelte der Patient im weiteren Verlauf Lungenmetastasen. D ­ aher wurde mit einer systemischen Therapie mit Sunitinib (Sutent®) begonnen.

Diskussion



Der häufigste hochvaskularisierte Tumor der Frontobasis ist das Juvenile Angiofi­ brom. Dieses wird hauptsächlich über Äste der A. maxillaris versorgt und ist ­daher eine Domäne der konventionellen Embolisation. Mögliche Differenzialdiag­ nose sind Hämangiome, Meningeome, Paragangliome sowie primär und sekun­ där maligne Tumore (Mishra S, et al., J Clin Imaging Sci. 2013; 3). Zu den am

häufigsten in die Nasennebenhöhlen ­metastasierenden Primärtumoren zählen neben Nierenzellkarzinomen auch Ovari­ alkarzinome, Bronchialkarzinome und Prostatakarzinome. Diese werden in ca. 90 % von Ästen der A. carotis externa ver­ sorgt, in 60 % ist dies die einzige Blutver­ sorgung. 30  % dieser Tumore werden ­sowohl von der A. carotis externa als auch von der A. carotis interna versorgt und sind damit schwierig mit konventioneller Embolisation zu behandeln (Péreza R.A. et al., Bol. Asoc. Med. P. R. 2013, 105: 20–27). Konventionelle, transarterielle Embolisation von Ästen der A. carotis in­ terna hat ein hohes Risiko für ischämi­ sche, neurologische und ophthalmologi­ sche Komplikationen. In diesen Fällen bietet die intraläsionale Embolisation mit Onyx® eine risikoarme Alternative. Onyx® ist ein flüssiges Embolisat, das aus Ethy­ len-Vinyl-Alkohol-Ko-Polymer-Partikeln in DMSO und Talkum-Puder besteht. Vor­ teile von Onyx sind seine gute Gewe­ be-penatration Stabilität und gute Visua­ lisierung. Onyx breitet sich langsam an­ tero- und retrograd im Gewebe aus, so­ dass eine kontrollierte Injektion und damit Embolisation von Tumoren möglich und das Risiko für retrograde Gefäßokklusion mit nachfolgenden ischämischen Kompli­ kationen gering ist. Nachteile sind hohe Kosten und durch die Okklusion von klei­ nen Endstromgebieten auch das Risiko von Gewebsnekrosen (Grandhi R. et al.,

Surg Neurol Int. 2013; 4: 95). Normaler­ weise wird Onyx für die Embolisation von zerebralen AV-Malformationen und dura­ len vaskulären Malformationen ange­ wendet. In einem aktuellen Fallbericht wurde Onyx® auch für die direkte, int­ raläsionale Embolisation einer Nieren­ zellkarzinommetastase der zerebello­ pontinen Zysterne erfolgreich verwendet (Johnson J. et al., J Neurointerv Surg. 2014 6: e41).

Fazit



Im Gegensatz zur früheren Lehrmeinung ist eine Embolisation von Tumoren, die über die A. carotis interna versorgt wer­ den, mit der Technik der intraläsionalen Embolisation möglich. Unserer Meinung nach ist diese Anwendung von Onyx® sinnvoll, wenn eine retrograde Füllung von Kollateralen zwingend vermieden werden muss und eine vollständige ­Embolisation des Tumors notwendig ist. T. B. Steinbichler1, A. Grams2, F. Kral1,   H. Riechelmann1 1

 Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck, Department Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde   und Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, ­Innsbruck, Austria 2  Universitätsklinik für Neuroradiologie, Medizinische Universität Innsbruck, Department Radiologie, Innsbruck, Austria

Steinbichler TB et al. Transnasale, intraläsionale Embolisation eines …  Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: 526–527 ∙ DOI  10.1055/s-0035-1545316

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altumor. Das dunkelgefärbte Onyx® führ­ te zu einer in-vivo Färbung des Tumors und erleichterte die vollständigen Resek­ tion. Peri- und postoperativ trat kein bedrohliches Blutungsereignis auf.

[Intralesional Embolization of a Highly Vascularized Paranasal Sinus Tumor].

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