Leitthema Orthopäde 2014 · 43:347–352 DOI 10.1007/s00132-013-2162-5 Online publiziert: 28. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

T.G. Gerich Traumatologie, Centre Hospitalier de Luxembourg

Intraartikuläre Frakturen des distalen Humerus Aspekte der operativen Behandlung bei geriatrischen Patienten

Annähernd 7% aller Frakturen im Erwachsenenalter betreffen den Ellenbogen, 30% den distalen Humerus. Betrachtet man die Gruppe der weiblichen Patienten über 60 ­Jahre, zeigt sich über die letzten 4 ­Dekaden ein Anstieg um den Faktor 5, wobei in dieser Patientengruppe von Osteoporose und Begleiterkrankungen ausgegangen werden muss. Eine retrospektive Untersuchung mit annähernd 500 Patienten über 64 Jahre konnte folgende Charakteristika aufzeigen: mehrheitlich handelt es sich um Typ-C-Frakturen, in 80% der Fälle sind Frauen betroffen, 50% der Patienten befinden sich um das 80. Lebensjahr. Ein Großteil der Patienten hat ein hohes Autonomieniveau und lebt selbstständig zuhause.

Therapeutische Überlegungen Im Gegensatz zu anderen Verletzungen der oberen Extremität bedarf diese Ver­ letzung der operativen Stabilisierung, da Mobilität und Bewältigung der grundle­ genden Aktivitäten des täglichen Lebens einen belastungsfähigen, stabilen, beweg­ lichen und schmerzfreien Ellenbogen er­ fordern. Daher sind auch in dieser Grup­ pe die anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche, die stabile Fixierung und die frühe Mobilisierung erforderlich [15, 32]. Allerdings lassen sich die Lösungsan­ sätze, die in der Behandlung dieser Frak­ turen bei jüngeren Patienten etabliert

wurden, nicht uneingeschränkt auf ger­ iatrische Patienten übertragen. Dies ver­ deutlicht bereits die multizentrische Stu­ die von McKee et al. [24] mit der Not­ wendigkeit zur intraoperativen Konver­ sion von der Osteosynthese zur Prothese in 25% der Fälle. Wir werden daher die bereits von Nauth u. Schemitsch [25] aufgeworfenen Fragen aufgreifen und weiter entwickeln: F Gibt es einen optimalen operativen Zugang? F Welche Fixierung ist stabil und ­erlaubt eine rasche Mobilisierung? F Gibt es eine Evidenz für die Notwen­ digkeit der Transposition des N. ulna­ ris? F Sollte eine Prophylaxe gegen hetero­ tope Ossifikationen durchgeführt werden? F Gibt es eine Evidenz für bzw. gegen Osteosynthese und primäre Prothese? Betrachtet man ausschließlich die kli­ nische Datenlage mit hierzu erschiene­ nen prospektiv randomisierten Studien, könnten wir uns im Folgenden auf 3 Stu­ dien mit 109 Patienten konzentrieren, die jeweils eine Typ-C-Fraktur erlitten haben [24, 30, 34].

In-situ-Dekompression oder Vorverlagerung des N. ulnaris In einer Level-IV-Studie untersuchten Vaz­quez et al. [36] 69 Patienten mit su­ pradiakondylärer Fraktur ohne präopera­ tiven Nervenschaden. Der N. ulnaris wur­

de in der Struthers-Arkade und im Sulkus mobilisiert. Bei 68% der Patienten wurde eine subkutane Vorverlagerung, bei 32% eine anatomische Reposition durchge­ führt. Unmittelbar nach der Operation bestand bei 10% ein Nervenschaden, nach 12 Monaten bei 16%. Dies war unabhängig von den Ausgangsbedingungen und dem operativen Verfahren. Ursächlich verant­ wortlich gemacht wurden für einen Teil der Spätschäden postoperative Vernar­ bungen. In einer prospektiv randomisierten Le­ vel-II-Studie unter Einschluss von 29 Pa­ tienten wurde bei bereits präoperativ vor­ liegender Schädigung des N. ulnaris ent­

Infobox 1  Grundsätze der Fraktur­behandlung F Jede Schraube im distalen Fragment sollte durch die Platte geführt werden.

F Gegenüberliegende Fragmente sollten durch die Platte gefasst werden.

F Möglichst viele Schrauben sollten in das distale Fragment eingebracht werden.

F Jede Schraube sollte so lang wie möglich sein.

F Jede Schraube sollte möglichst viele ­Gelenkfragmente fassen.

F Schrauben im distalen Fragment sollten

sich verzahnen und eine quasi Winkel­ stabilität erzeugen. F Platten sollten eine suprakondyläre ­Kompression erzeugen. F Platten müssen ausreichend stabil und steif sein; dies kann durch eine parallele Lage erreicht werden, ggf. auch durch Verkürzung bei multiplen suprakondylären Fragmenten. Der Orthopäde 4 · 2014 

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Abb. 1 9 Rekonstruktion der Gelenkfläche über eine Olekranonosteotomie. Gewählt wurde eine 90°-Position der Implantate zu ein­ ander. Der N. ulnaris liegt orthotop und kreuzt die ­ulnare Platte

„Triceps splitting“ vs. „triceps reflecting“ vs. Olekranonosteotomie

Abb. 2 8 89-jährige Patientin, Versuch der Rekonstruktion der Gelenkfläche mit KirschnerDrähten. Nach unzureichender Stabilisierung ist es zur Migration und zum Bruch des Implantats gekommen

weder eine subfasziale Verlagerung oder eine In-situ-Dekompression durchge­ führt. In beiden Studienarmen wurde eine ulnare-radiale Plattenosteosynthese vorgenommen. Die leicht erhöhte Remis­ sionsrate für die Transposition (12/15) vs. der In-situ-Dekompression (8/14) war si­ gnifikant [30]. Insgesamt ist die Datenlage mit le­ diglich einer Level-II-Studie nicht aus­ reichend, um eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen zu können, al­ lerdings überwiegt in der Tendenz die Datenlage zugunsten einer Vorverlage­ rung des N. ulnaris.

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Die Art des operativen Zugangs entschei­ det über Exposition, Qualität der Reposi­ tion und Stabilisierung. In einer anatomi­ schen Studie konnten Wilkinson u. Stan­ ley [38] zeigen, dass mit dem „triceps split“ 35%, mit „triceps reflecting“ 46% und der Olekranonosteotomie 57% der Gelenkfläche eingesehen werden können. Allerdings sind mit der Osteotomie auch deutliche Nachteile verbunden. Coles et al. [5] haben in einer retrospektiven klini­ schen Studie 61 Patienten nachuntersucht und stellten fest, dass nach Chevron-Os­ teotomie 2 Patienten aufgrund einer se­ kundären Dislokation der Osteotomie revidiert werden mussten, bei einem Pa­ tienten kam es zu einer verzögerten Frak­ turheilung. Bei 5 Patienten erfolgte auf­ grund lokaler Symptome die Implantat­ entfernung, bei 13 Patienten im Rahmen von Folgeeingriffen am distalen Humerus. Alle Patienten zeigten eine zufriedenstel­ lende Rekonstruktion der Gelenkebene. Greiner et al. [11] beobachteten bei einem von 12 Patienten eine verzögerte Konsoli­ dation, Li et al. [22] bei 4 von 56 Patienten.

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Der operative Zugang entscheidet über Exposition, Qualität der Reposition und Stabilisierung Eine Annäherung an die Problematik der Pseudarthrose (PA) und sekundären Dis­ lokation muss sich naturgemäß auch mit der Frage der technischen Durchführung der Osteotomie und der Art der Fixierung befassen.

Sane et al. [33] analysierten 14 Osteo­ tomien, die abschließend mit einer Zug­ gurtungsosteosynthese stabilisiert wur­ den; 36% waren technisch unzureichend durchgeführt, es entwickelte sich eine PA. Die Chevron-Osteotomie ist das in der Literatur am häufigsten durchgeführ­ te Verfahren, es bietet eine ausgedehn­ te Übersicht über das Gelenk, zeigt aller­ dings auch Komplikationsmöglichkeiten in der abschließenden Stabilisierung auf.

Parallele vs. 90°-Plattenlage Finite Elemente In einer Finite-Elemente-Analyse konn­ te kein Unterschied herausgearbeitet wer­ den, der eine klinische Signifikanz zwi­ schen den beiden möglichen Plattenposi­ tionen besitzen könnte [31].

Biomechanik In einer biomechanischen Untersuchung wurde dagegen nachgewiesen, dass die Stabilität durch eine 90°-Konfiguration der Platten zu einander erhöht wird; die Art der verwendeten Platten („locking compression plate“ [LCP] vs. „limited contact dynamic compression plate“ [LCDCP]) war nachrangig [19]. Allerdings kommen weitere biomechanische Studien zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen. Stoffel et al. [35] demonstrierten bei par­ alleler Plattenlage eine signifikant erhöh­ te Stabilität für Kompression, Torsion und axial plastische Deformierung. In einer Studie unter Verwendung von 3,5-mmRekonstruktionsplatten bestanden für die parallele Ausrichtung eine signifikant er­ höhte Steifigkeit und maximale Kraft bei sagittaler Einleitung der Last [1].

Zusammenfassung · Abstract O’Driscoll [26] und letztendlich die AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosyn­ thesefragen) formulieren, dass es für die rechtwinklige Plattenlage keinen substan­ ziellen Nachweis gibt, während die paral­ lele Plattenlage genauso stabil oder stabi­ ler ist. Die Verbindung der beiden Plat­ ten zueinander durch die Verzahnung von Schrauben oder winkelstabile Syste­ me bietet die größte biomechanische Sta­ bilität.

Klinische Untersuchung Ein möglicherweise bestehender Unter­ schied in biomechanischen Untersu­ chungen spiegelt sich allerdings nicht in den relevanten klinischen Studien wider. In einer klinischen, retrospektiven Unter­ suchung mit 21 Patienten und paralleler Plattenlage sind alle Frakturen konsoli­ diert [2]. In einer Untersuchung von Shin et al. [34] mit 35 Patienten und einem Nachuntersuchungszeitraum von 2 Jah­ ren konnte kein Unterschied hinsichtlich Funktion, Komplikation und Konsolida­ tion herausgearbeitet werden. Dieses Er­ gebnis wird gestützt von einer aktuellen klinischen Untersuchung mit 45 Patien­ ten [21].

Nicht winkelstabile und winkelstabile Plattensysteme In einer Patientengruppe, die mit nicht winkelstabiler Plattenosteosynthese sta­ bilisiert worden war und einem media­ nen Alter von 73 Jahren, konnten 45 von 63 Patienten (71%) nach 2 Jahren unter­ sucht werden. Bei 12/45 Patienten (19%) kam es zur Implantatlockerung, die eine Revision erforderlich machte [19]. Aufgrund dieser und weiterer ver­ gleichbarer Studien formulierte O’Dris­ coll [26] 8 Axiome, die zur Behandlung dieser Frakturen erfüllt werden müssen (. Infobox. 1). Ungeachtet der zunehmenden Verbrei­ tung der winkelstabilen Plattenosteosyn­ these und der anatomischen Formung gel­ ten die von O’Driscoll aufgestellten Forde­ rungen auch für die neuen Plattengenera­ tionen (. Abb. 1). In einer retrospektiven Untersuchung ohne Vergleichsgruppe zur Heilung nach 12 winkelstabilen Plattenosteosynthesen

Orthopäde 2014 · 43:347–352  DOI 10.1007/s00132-013-2162-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 T.G. Gerich

Intraartikuläre Frakturen des distalen Humerus. Aspekte der operativen Behandlung bei geriatrischen Patienten Zusammenfassung Hintergrund.  Ungeachtet der allgemeinen Zunahme osteoporoseassoziierter Frakturen sind Frakturen des distalen Humerus in der Gruppe geriatrischer Patienten selten; für den einzelnen Operateur bedeutet dies eine entsprechend überschaubare Fallzahl. Ziel der Arbeit.  Damit ergibt sich die ­Frage, inwieweit Konzepte aus der Gruppe der jüngeren Patientengruppe übertragen werden können. Material und Methoden.  Berücksichtigt man die evidenzbasierte Literatur, können die Empfehlungen auf 3 prospektive Studien reduziert werden. Dies bedeutet jedoch nur, dass die verbliebene Literatur nicht die erfor-

derliche statistische Sicherheit bietet, um hieraus Schlussfolgerungen zuzulassen. Ergebnisse und Diskussion.  Um für die Gruppe der geriatrischen Patienten Empfehlungen auszusprechen, ist daher die Zusammenschau der aktuellen Literatur erforderlich. Die folgende Übersicht der aktuellen Literatur versucht daher, die relevanten Aspekte der Frakturversorgung einzeln zu diskutieren und eine Schlussfolgerung für die Praxis zu entwickeln. Schlüsselwörter Konzeptübertragung · Typ-C-Fraktur · Osteosynthese · Prothese · Mobilität

Intra-articular fractures of the distal humerus. Aspects of fracture treatment in geriatric patients Abstract Background.  In the context of osteoporotic fractures, injuries to the distal humerus are quite uncommon, meaning that each surgeon will have only limited experience. Objective.  This leads automatically to the question to what extent treatment recommendations can be transferred to the geriatric population. Methods.  Looking at the evidence-based literature, recommendations could be limited to three prospective studies. However, this only means that the remaining literature sources do not provide sufficient statistical power to be able to draw conclusions.

beobachteten Greiner et al. [11] in allen Fällen eine Konsolidation und schluss­ folgerten, dass anatomische winkelstabile Systeme die Reposition und Stabilisation erleichtern und eine frühzeitige Mobilisa­ tion erlauben. Reising et al. [28] untersuchten 40/46 Patienten nach winkelstabiler Doppelplattenosteosynthese nach durch­ schnittlich 11 Monaten. Bei mehrheitlich C3-Frakturen konnte kein Unterschied zwischen einem jüngeren und einem äl­ teren Patientenkollektiv hinsichtlich der Komplikationen und Konsolidation nach­ gewiesen werden. Welchen Einfluss die Einführung der variabel winkelstabilen Systeme auf die

Results and discussion.  For the population of geriatric patients a thorough compilation of the contemporary literature is advisable. This review article on the currently available literature evaluates and individually discusses the relevant aspects of fracture treatment in order to develop recommendations for routine daily practice. Keywords Concept transfer · Type C fracture · Osteosynthesis · Prosthesis · Mobility

Stabilität und Konsolidierung hat, kann derzeit noch nicht ausreichend abge­ schätzt werden, allerdings scheinen diese Systeme das Indikationsspektrum zu er­ weitern.

Kirschner-Draht Aufgrund der geringen Primärstabilität und der Tendenz zur Migration der Kir­ schner-Drähte hat dieses Verfahren nur noch einen nachgeordneten Stellenwert, auch wenn es immer wieder Publikatio­ nen gibt, die dieses Verfahren als additi­ ve Stabilisierung beschreiben. Kamrani et al. [17] berichten über 19 Patienten, bei denen dieses Verfahren zur Stabilisierung Der Orthopäde 4 · 2014 

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Abb. 3 8 82-jähriger Patient, Stabilisierung einer wenig dislozierten supradiakondylären Fraktur. ­Perkutane Schraubenosteosynthese und protektiver Bewegungsfixateur

der lateralen Säule verwendet worden ist. Allerdings wurden hier lange KirschnerDrähte verwendet und mit einer Platten­ osteosynthese am Humerus fixiert, sodass eine quasiwinkelstabile Aufhängung der lateralen Säule möglich war. In einer vergleichenden Analyse be­ richten Houben et al. [13] über die Stabi­ lisierung bikondylärer Frakturen in der Kabeltechnik im Vergleich zur bilateralen Plattenosteosynthese. Die Autoren sehen den Vorteil in der Schnelligkeit des Ver­ fahrens, dem geringeren periostalen und muskulären Schaden sowie der symmetri­ schen Kompression.

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Die alleinige Verwendung von Kirschner-Drähten ist ein komplikationsbehaftetes Verfahren Die alleinige Verwendung von KirschnerDrähten ist ein komplikationsbehafte­ tes Verfahren, erlaubt keine funktionelle Behandlung und sollte daher nur noch in Ausnahmesituationen verwendet werden (. Abb. 2). Eine generelle Empfehlung zur alleinigen Verwendung kann nicht ausgesprochen werden.

Externe Fixation In der Literatur finden sich alternative osteosynthetische Versorgungsoptionen zur Plattenosteosynthese häufig als addi­ tive Verfahren. Walz u. Auerbach [37] be­ schreiben eine perkutane Schraubenos­ teosynthese mit additiver Anlage eines Fi­ xateur externe. Von den Autoren wurden

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10 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 76 Jahren nachuntersucht. Nach einer Transfixationsdauer von durchschnittlich 6,3 Wochen betrug der Bewegungsum­ fang 95° mit einem durchschnittlichen Streckdefizit von 25° (. Abb. 3). Banerjee et al. [3] stabilisierten 7 Frak­ turen mit einem Minifixateur; mit einem Bewegungsumfang zwischen 30 und 110° waren alle Frakturen nach 3 Monaten konsolidiert.

Heterotope Ossifikationen Douglas et al. [6] geben die Inzidenz he­ terotoper Ossifikationen (HO) anhand der Brooker-Stadien 3–4 mit 14% (18/125) an. Bei AO-Typ-C-Frakturen beträgt die Inzidenz 22% (15/69). In diesem Kollek­ tiv wurde eine Arthrolyse in 10% der Fäl­ le (12/125) bzw. bei Typ-C-Frakturen in 14% der Fälle (10/69) durchgeführt. Die Schwere der Verletzung und das männli­ che Geschlecht waren jeweils signifikant mit der Ausprägung von Ossifikationen verbunden. Weitere Risikofaktoren sind ZNS-Verletzungen [9], der Zeitpunkt der operativen Stabilisierung [20] und eine neurologische Grunderkrankung, z. B. Morbus Parkinson (. Abb. 4; [18]). Li et al. [22] beschreiben das Auftreten von HO bei 2 von 56 Patienten, Kamineni et al. [16] in einer retrospektiven Untersu­ chung bei 9/43. In einer retrospektiven Level-III-Stu­ die beobachteten Gofton et al. [10] bei 42% der Patienten ohne IndomethacinProphyaxe HO, hingegen nur bei 18% bei durchgeführter Prophylaxe.

Shin et al. [34] führten eine Bestrah­ lung an Tag 1 durch, gefolgt von 2 Wo­ chen oraler Indomethacin-Gabe; die Au­ toren berichteten über eine Inzidenz an HO von 2,9%, allerdings auch einer Rate von Pseud­arthrosen von 5,7% bei 35 Pa­ tienten. Die alleinige Verwendung von Celecoxib zeigte eine HO-Rate von 3,1% (n=32) und keine Pseudarthrose [23]. Die zur Verfügung stehende Literatur lässt die Schlussfolgerung zu, dass eine Prophylaxe vorgenommen werden soll­ te, allerdings erscheint es nicht erforder­ lich, eine Bestrahlung durchzuführen, zu­ mal sich hier das Risiko einer Heilungs­ störung zu erhöhen scheint. Klassische NSAID („non-steroidal anti-inflamma­ tory drugs“) oder Coxibe erscheinen aus­ reichend.

Fehlgeschlagene Osteosynthese Vergleichbar zur Situation an der Schulter stellt sich auch bei der Osteosynthese des distalen Humerus die Frage, ob eine Re­ osteosynthese gerechtfertigt werden kann oder direkt auf eine sTEA („secondary to­ tal elbow arthroplasty“) konvertiert wer­ den sollte und welche Ergebnisse mit bei­ den Verfahren erwartet werden können. Hierbei ist die Datenlage insbesonde­ re für geriatrische Patienten gering. Helfet u. Schmeling [12] berichten aus einem ge­ mischten Patientenkollektiv über 19 transund interkondyläre Pseudarthrosen aus 25 Jahren. Eine Reosteosynthese war er­ folgreich und konnte die Funktion deut­ lich verbessern. Ring et al. [29] berichten über 15 Pa­ tienten mit einem mittleren Alter von 60 Jahren. In einigen Fällen wurden vas­ kulär gestielte Fibulatransplante und ein additiver Fixateur externe erforderlich. Dennoch kam es bei 3 Patienten nicht zur Heilung und eine sTEA wurde implan­ tiert. Von den 12 Patienten, die konsoli­ dierten, mussten 6 aufgrund von Schmer­ zen am Implantat, einer Neuropathie oder Kontraktur erneut operiert werden. Nur 2 Patienten erreichten ein sehr gutes Er­ gebnis im MEPS (Mayo Elbow Perfor­ mance Score).

Abb. 4 9 74 Jahre alter Patent mit Morbus ­Parkinson, veraltete supradiakondyläre Humerusfraktur. Indikation zur Implantation einer Coonrad-Morrey-­Prothese. Im Verlauf entwickeln sich heterotope Ossifikationen, die zur vollständigen Aufhebung der Beweglichkeit führen D Es stellt sich die Frage, welche Zahl

und welcher Umfang an operativen Eingriffen einem geriatrischen Patienten zugemutet werden sollten. Prasad u. Dent [27] analysierten 15 Patien­ ten mit Coonrad-Morrey-pTEA („prima­ ry total elbow arthroplasty“) und 17 Pa­ tienten mit sTEA nach im Mittel 56 Mo­ naten. Gute bis sehr gute Ergebnisse im MEPS wurden für 84% der pTEA- und 79% der sTEA-Fälle erzielt. Allerdings zeigte sich in der Gruppe der sTEA bei 2 Patienten eine Infektion, 2 Patienten zeigten eine Ulnarisläsion, ein Patient eine HO und 2 Patienten radiologische Zeichen der Lockerung. Damit ergibt sich eine ähnliche Be­ urteilung wie für die endoprothetische Versorgung des proximalen Humerus; die sekundäre Versorgung ist der primären in funktioneller Hinsicht unterlegen.

Primär endoprothetische Versorgung (pTEA) vs. offene Reposition und Plattenosteosynthese (ORIF) Cobb u. Morrey [4] analysierten retro­ spektiv 20 konsekutiv behandelte Pa­ tienten mit distaler Humerusfraktur. Bei einem minimalen Nachuntersuchungs­ zeitraum von 2 Jahren beurteilten sie auf Basis des MEPS 15 Patienten mit sehr gu­ ten und 5 Patienten mit guten Resultaten bei einem durchschnittlichen Bewegungs­ umfang von 0/25/130°. Lediglich ein Pa­ tient musste aufgrund einer Ulnafraktur nach erneutem Sturz revidiert werden. In einer klinisch retrospektiven Unter­ suchung mit 20 Patienten zeigten sich hinsichtlich des MEPS und des DASH-

Score (Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand) keine statistisch signifikanten Unterschiede. Von 9 Patienten mit endo­ prothetischer Versorgung fand sich bei 4 Patienten nach 15 Monaten eine radiolo­ gische Lyse, ein Patient wurde revidiert. In der Osteosynthesegruppe kam es zu einer asymptomatischen Pseudarthrose [7]. In einer prospektiv randomisierten Studie mit jeweils 21 Patienten über 2 Jahre wur­ de bei 5 Patienten aus der ORIF-Grup­ pe („open reduction and internal fixati­ on“) bereits intraoperativ auf eine endo­ prothetische Versorgung gewechselt auf­ grund der Schwierigkeit, eine stabile Os­ teosynthese herzustellen. In der pTEAGruppe waren Operationszeit, DASHScore und MEPS signifikant besser im Vergleich zur ORIF-Gruppe. Die Autoren schlussfolgern, dass die primär protheti­ sche Versorgung das bevorzugte Verfah­ ren bei komplexen distalen Humerus­ frakturen in einer älteren Patientenpopu­ lation darstellt [24]. Zu einer vergleich­ baren Schlussfolgerung kommen Frank­ le et al. [8] in einer retrospektiven Unter­ suchung mit 24 Patienten und gleichmä­ ßiger Aufteilung in die beiden Studienar­ me. In der ORIF-Gruppe lagen 8 gute und sehr gute Ergebnisse vor; 3 Patienten mit schlechtem funktionellem Ergebnis muss­ ten auf sTEA konvertiert werden. In der pTEA-Gruppe konnten 11 sehr gute und ein gutes Ergebnis konstatiert werden; Re­ visionen waren nicht erforderlich. Eine herausgehobene Stellung nehmen Patienten mit rheumatoider Arthritis ein; naturgemäß sind die Fallzahlen geringer. In einer Level-IV-Studie wurden 16 Pa­ tienten in einem Zeitraum von 20 Jahren operiert, 6 Patienten mit ORIF, 10 Patien­ ten mit pTEA. Alle Frakturen konsolidier­

ten, keine Prothese zeigte Lockerungszei­ chen. Der MEPS betrug 93 in der Gruppe der Osteosynthese und 96 Punkte in der pTEA-Gruppe. Ohne dass signifikante Unterschiede herausgearbeitet werden konnten, favo­ risieren die Autoren für diese Patienten­ gruppe die pTEA [14].

Fazit für die Praxis F Die Wahl des intraoperativen ­Zugangs ist entscheidend für die Übersicht über die Gelenkebene. In anatomischen Studien konnte gezeigt werden, dass mit der Olekranonosteotomie 57% der Gelenkfläche eingesehen werden können, während die Mobilisierung des M. anconaeus lediglich eine Übersicht von 35% ermöglicht. Die Position der Platten, entweder parallel oder 90° zueinander, hat vermutlich keinen relevanten Einfluss auf die Stabilität. F Kirschner-Drähte als alleinige Fixation sollten vermieden werden, ggf. kommt ihnen noch eine Bedeutung als additives Verfahren zu. Vergleichbar hierzu ist der Einsatz des Fixateur externe zu bewerten. F Die Studienlage hinsichtlich der postoperativen Verlagerung des N. ­ulnaris ist nicht konsistent, allerdings sind Beeinträchtigungen seltener und die Erholung häufiger nach einer Vorverlagerung. F Da in 25% der Fälle keine suffiziente, übungsstabile Osteosynthese zu erreichen ist, sollte jederzeit die Konversion auf eine Prothese möglich sein. Der Eingriff sollte daher erst dann begonnen werden, wenn eine Prothese Der Orthopäde 4 · 2014 

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Leitthema verfügbar ist. Besonders im Hinblick auf das funktionelle Ergebnis sollte der primären endoprothetischen Versorgung der Vorzug vor der sekundären Versorgung gegeben werden. F Heterotope Ossifikationen treten in 10–20% der Fälle auf und rechtfertigen damit eine medikamentöse Prophylaxe mit NSAID oder Coxiben; eine postoperative Radiatio erscheint nicht erforderlich.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. T.G. Gerich Traumatologie, Centre Hospitalier de Luxembourg 4, rue Barblé, 1410 Luxembourg Luxembourg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  T.G. Gerich gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Intra-articular fractures of the distal humerus : aspects of fracture treatment in geriatric patients].

In the context of osteoporotic fractures, injuries to the distal humerus are quite uncommon, meaning that each surgeon will have only limited experien...
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