Urol. int. 30: 266-272 (1975)

Über die transurethrale Schlitzung von Harnröhrenstrikturen unter endoskopischer Kontrolle E. M atouschek und W. E. M ichaelis Urologische Klinik der Stadt. Krankenanstalten (Direktor: Prof. E. M atouschek), Karlsruhe

Internal Urethrotomy of Urethral Strictures in Men under Endoscopic Control Key Words. Urethral stricture • Internal urethrotomie

Die Vielfalt der beim Mann geübten Methoden zur Behandlung von Harnröhrenstrikturen verdeutlicht die Tatsache, dass keines der bekannten Verfahren voll befriedigt. Die häufig geübte Bougierungsbehandlung von Harnröhrenstrikturen führt nur zu vorübergehender Besserung, birgt die Gefahr der permanenten Harninfektion in sich und zwingt die Patienten zu dauernder ärztlicher Behandlung und Überwachung. Die operativen Metho­ den zur Behandlung von Harnröhrenstrikturen sind umständlich, in der Regel langwierig und belastet mit verschiedenen Komplikationen. Bei operativen Eingriffen, vor allem vom Perineum her, besteht für den Patienten zudem die Gefahr der Impotenz. Vornehmlich wohl aus diesen Gründen wurde immer wieder die trans­ urethrale Schlitzung von Harnröhrenstrikturen beim Mann versucht. So entwickelten M aisonneuve bereits 1854 und O tis 1872 Urethrotome. die in

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Abstract. From November 1972 to October 1974 190 patients of the ‘Urologische Klinik der Stâdt. Krankenanstalten Karlsruhe’ with urethral strictures were treated by internal urethrotomy under endoscopic control with the modified urethrotome from Stortz/Germany. This is a report about short-time results (2-14 months) after treatment. The method is very simple and the effect is controlled by endoscopy. In the first 44 patients we used general or lumbal anaesthesia. In the last patients only local anaesthesia by Instillagel installation into the urethra was used. The short-time results were excellent in 66.8%. We believe that this method points out a new direction in the surgical treatment of urethral strictures.

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ihrer damaligen Form heute noch Anwendung finden. Seitdem wurde die transurethrale Urethrotomie bei Harnröhrenstrikturen viel geübt und auch viel kritisiert. Dies wohl vor allem deshalb, weil sie blind, also nicht unter Sicht des Auges durchgeführt wurde. Dies hatte nicht selten nur die unvoll­ ständige Schlitzung von Harnröhrenstrikturen wie auch Nebenverletzungen zur Folge. Die meisten Autoren, die über die blinde Urethrotomie berichteten [wie etwa G ray und Bijorn , 1968; K atz und W aterhouse , 1971; H elm­ stein, 1964; D avis und L eek , 1948 und andere] spalteten die Strikturen bis auf 28 bzw. 34 F und legten zur Nachbehandlung einen Foley-Katheter von 22 bis 28 F über die Dauer von 2 bis 3 Wochen (G ray and Bijorn 2 Wochen, K atz und W aterhouse 3 Wochen. D avis 12 Tage). Um nun die oben genannten Komplikationen der blinden Urethrotomie zu vermeiden, wurde schon früh der Versuch unternommen, Strikturen unter Sicht des Auges zu schlitzen. R avasini brachte in neuerer Zeit diese Methode 1957 zur Anwendung und auch von M ay wurde schon in den 50er Jahren die transurethrale elektrische Schlitzung zirkulärer Harnröhren­ strikturen geübt. 1973 und 1974 berichtete Sachse über erste Ergebnisse der Behandlung von Harnröhrenstrikturen mit einem Sichturethrotom. An der eigenen Klinik führen wir seit November 1972 die transurethrale Schlitzung von Harnröhrenstrikturen unter Sicht durch und haben bis Oktober 1974 190 solcher Operationen durchgeführt. Die Indikation zur transurethralen Schlitzung von Harnröhrenstrikturen ist praktisch immer dann gegeben, wenn eine Harnröhrenstriktur den Harn­ abfluss behindert. Die transurethrale Schlitzung ist auch dann indiziert, wenn ein kompletter Verschluss der Harnröhre vorliegt, wie etwa als Folge eines durch Unfall verursachten Harnröhrenabrisses (Abb. 1, 2). Die Ätiologie der von uns behandelten Harnröhrenstrikturen ist in Tabelle I zusammengefasst. 61 Strikturen waren Folge eines vorangegangenen Traumas, 71 Strukturen durch eine Infektion verursacht. 8 Strikturen waren angeboren, bei 50 Patienten konnten wir die Ursache der Harnröhrenstriktu­ ren nicht sicher eruieren. Aus der Altersverteilung der Patienten (Tab. I) wird deutlich, dass 74% der operierten Patienten älter waren als 50 Jahre. Unter den operierten Strikturen fanden sich 91 zirkuläre bzw. kurze Striktu­ ren (Abb. 3, 4) und 99 multiple bzw. langstreckige Strikturen (Abb. 5, 6). Etwas mehr als die Hälfte der von uns operierten Strikturen betraf das hintere Harnröhrendrittel (Tab. I). Zu den vor der Operation durchgeführten Untersuchungen gehörte ein Ausscheidungsurogramm mit einer Blasenaufnahme nach Miktion, ein Urethrogramm, die Bestimmung des Uroflows, eine orientierende Urethro-

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M atouschek/ M ichaelis

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Abb. I und 2. 40 Jahre alter Patient, der sich bei einem Mopcdunfall eine Trümmerfraktur des Os pubis rechts mit Symphysensprengung und totalem Abriss der Harnröhre am Übergang vom mittleren zum hinteren Drittel zuzog. Nach Abschluss der chirurgischen Behandlung wird der komplette Verschluss der Harnröhre (Abb. 1) am Übergang zum hinteren Drittel transurethral gespalten. Bei einer Kontrolluntersuchung 10 Monate später ist der Patient beschwerdefrei (Abb. 2). Abb. 3 und 4. 69 Jahre alter Patient. Mit 25 Jahren Gonorrhö. Mit 38 Jahren Harnröhrenstriktur im hinteren Anteil der Pars pendulans. Seit dieser Zeit rezidivierend Bougierrungsbehandlung (Abb. 3). Februar 1973 transurethrale Schlitzung der Striktur. Bei Kontrolluntersuchung (Abb. 4) 12 Monate später Beschwerdefreiheit. Abb. 5. Eine die ganze Harnröhre betreffende Striktur gonorrhoischer Genese eines 57jährigen Patienten, der jahrelang bougiert wurde.

Transurethrale Schlitzung von Harnröhrenstrikturen

269

Tabelle I. Transurethrale Schlitzung von Harnröhrenstrikturen (von November 1972 bis Oktober 1974) Fallzahl (190=100%) n %

Sehr gut Ausreichend (127 = 66,8%) 24=12,6% ) n n % %

Ungenügend (39 = 20,5%) n %

Ätiologie Unbekannt Angeboren Infektion Gonorrhö unspezifisch Trauma äusseres Trauma iatrogen

50 8

26,3 4,2

37 5

74' 62,5

5 0

101 0

8 3

16* 37,5

30 41

15,9 21,6

21 30

70 73,2

I 7

3,3 17,1

8 4

26,7 9,7

11 50

5,7 26,3

8 26

72,7 52

2 9

18,2 18

1 15

9,1 30

43 42 105

22,6 22,1 55,3

36 36 55

83,7 85,7 52,4

2 2 20

4,7 4,8 19

5 4 30

11,6 9,5 28,6

91 99

47,9 52,1

60 67

65,9 67,7

15 9

16,5 9,1

16 23

17,6 23,2

19 39 100 32

10 20,6 52,6 16,8

01 34 72 11

52,7 87,2 72 34,4

2 3 16 3

10,5 7,7 16 9,4

7 2 12 18

36,8 5,1 12 56,2

10 28 11 26 71 44

5,6 14,6 5,8 13,6 37,3 23,1

8 17 8 17 48 29

80 60,7 72,7 65,4 67,6 65,9

0 6 2 3 10 3

0 21,4 18,2 11,5 14,1 6,8

2 5 1 6 13 12

20 17,9 9,1 23,1 18,3 27,3

Nachuntersuchungen Nach 1-3 Monaten Nach 4-12 Monaten Nach 13-24 Monaten Strikturen Einzelne (kurze) Multiple (langstreckige) Lokalisation Vorderes Drittel Mittleres Drittel Hinteres Drittel Multilokulär Alter Unter 30 30-39 40 49 50 59 60-69 Über 70

Abb. 6. Zustand nach Schlitzung der Harnröhrenstriktur. Bei der Nachuntersuchung 12 Monate später ist der Patient beschwerdefrei.

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1 Die Prozentangaben beziehen sich auf die jeweiligen Fallzahlen.

270

MATOUSCH KK/' MICH AELIS

Komplikationen

30 = 15,9% n

Blutungen Sept. Fieberschübe Harnwegsinfektionen (postop.)

6 9 15

skopie und die Durchführung der üblichen Blut- und Urinuntersuchungen. Vor der Entlassung der Patienten aus der Klinik wurde neben anderen Untersuchungen auch eine bakteriologische Urinutersuchung durchgeführt, der Uroflow gemessen und das Ergebnis der Behandlung durch ein Urethrogramm dokumentiert. Bei den ersten 44 Patienten erfolgte der Eingriff in Allgemeinnarkose oder Lumbalanästhesie. Bei den restlichen 146 Patienten brachten wir lediglich eine Lokalanästhesie der Harnröhre, z. B. mit Instillagel, zur Anwendung und führten den Eingriff gelegentlich auch ambulant durch. Als Operations­ instrument verwandten wir ein von uns modifiziertes Sichturethrotom der Firma Stortz mit scharfem, also nicht elektrischem Messer. Die Schlitzung der Striktur erfolgte in der Regel nur zum Septum penis zu. also bei 12 Uhr und nur in Ausnahmefällen auch bei 6 Uhr. Dabei ist mit Sorgfalt darauf zu achten, dass die Striktur auch vollständig durchtrennt wird, wobei wir uns nicht scheuen, weit in das Septum penis hineinzu inzidieren. Die Schlit­ zung sollte tunlichst über einem in die Striktur eingeführten Ureterkatheter erfolgen. Während der Operation benützten wir als Spülflüssigkeit immer nur Fertiglösungen, die nicht nur Sterilität sondern auch konstante Osmolarität garantieren. Nach beendigter Operation instillierten wir ein Cortison und ein Antibiotikum enthaltendes Gel und führten für nur 24 h einen Katheter von 18 Char. in die Harnröhre ein. In einzelnen Fällen, bei denen sich eine Blutung eingestellt hatte, beliessen wir den Katheter 2-4 Tage, bei Patienten, bei denen ein Prostataadenom den Harnabfluss zusätzlich behinderte, bis zu dessen operativer Behandlung. Der stationäre Aufenthalt der Patienten in der Klinik betrug 4-7 Tage. In einzelnen Fällen wurde die Schlitzung der Harnröhrenstrikturcn auch ambulant durchgeführt. Nach der Entlassung aus der Klinik erfolgte über den Zeitraum von 4 Wochen jeden 3. Tag die Instillation des oben erwähnten Gels in die Harnröhre der Patienten. Eine Harninfektion wurde entsprechend dem Resistenztest behandelt.

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Tabelle H

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Was die Ergebnisse der Operation anbelangt, so bezeichnten wir diese als sehr gut, wenn der Patient postoperativ beschwerdefrei urinierte, der Uroflow über 20 g/sec lag und eine Harninfektion nicht nachzuweisen war. Als ausreichend bezeichnten wir den Behandlungserfolg, wenn der Patient nicht oder über geringe Miktionsbeschwerden klagte und der Uroflow zwischen 16 und 20 g/sec lag. Häufig war bei diesen Patienten auch noch eine Harninfektion nachzuweisen. Als schlecht sahen wir das Ergebnis an, wenn der Uroflow unter 16 g/sec lag, der Patient über starke Miktions­ beschwerden klagte oder gar Strikturrezidive nachzuweisen waren. Die Ergebnisse der transurethralen Schlitzung von Harnröhrenstrikturen unter Sicht sind in den Tabellen I und II zusammengefasst. Am schlechtesten waren die Ergebnisse bei solchen Patienten, die wegen einer Harnröhrenstriktur vor der Schlitzung über viele Jahre bougiert worden waren. Ins­ gesamt ergab sich bei den 190 von uns operierten Patienten bei 127 ein sehr gutes Ergebnis und bei 24 ein ausreichendes Ergebnis. Ein ungenügendes Ergebnis konnten wir bei 39 Patienten feststellen. Die postoperativ aufgetretenen Komplikationen wurden in Tabelle II dargestellt. 6mal traten leichtere Blutungen aus der Harnröhre auf, bei 9 Patienten entwickelten sich postoperativ septische Temperaturen. Bei 15 Patienten wurde postoperativ eine Harninfektion nachgewiesen, bei denen präoperativ ein steriler Urin vorlag. Wenn wir uns entschliessen, die Frühergebnisse der transurethralen Schlitzung von Harnröhrenstrikturen unter Sicht bekanntzugeben, so werden wir ermutigt durch die Tatsache, dass den Resultaten eine relativ grosse Zahl von operierten Harnröhrenstrikturen zugrunde liegt, vor allem aber werden wir bestärkt in dieser Absicht durch die guten Resultate dieser Methode, besonders aber dadurch, dass der Eingriff selbst den Schweregrad einer Zystoskopie in der Regel nicht übersteigt. Auch die transurethrale Rekanalisation eines kompletten Harnröhrenverschlusses als Folge eines Urethraabrisses durch die Schlitzung bedeutet einen Bagatelleingriff ge genüber den bisher geübten Verfahren (Abb. 1,2). Bei der Bewertung der Methode sollte auch die Tatsache Berücksichtigung finden, dass die transurethrale Schlitzung nicht in Narkose durchgeführt zu werden braucht, sondern lediglich in Lokalanästhesie erfolgt. Aus diesen Gründen sollte unserer Meinung nach die transurethrale Schlitzung von Harnröhrenstrikturen unter Sicht bei allen Patienten mit Harnröhrenstriktu­ ren zur Anwendung kommen und die für den Patienten unvergleichlich gravierendere operative Versorgung von Harnröhrenstrikturen nur dort erfolgen, wo die transurethrale Harnröhrenschlitzung nach mehrfacher

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Transurethrale Schlitzung von Harnröhrcnstrikturcn

272

M atouschek/M ichaelis

Anwendung kein befriedigendes Resultat erbringt. Wir meinen, dass die­ ses Verfahren einen neuen Trend in der Behandlung von Harnröhrenstrikturen markiert.

Zusammenfassung Es wird über die Resultate der transurethralen Schlitzung von Harnröhrenstrikturen unter Sicht berichtet. Insgesamt wurden 190 Patienten operiert. Bei 79,4% der Patienten konnte ein gutes Operationsergebnis erzielt werden. Der besondere Vorteil der Methode liegt darin, dass sie in Lokalanästhesie durchgeführt werden kann und für den Patienten kaum belastender ist alseine Urethrozystoskopie.

Literatur D avis, E. and L ee, L. W . : Lasting results following internal urethrotomy for urethral

stricture. J. Urol. 59: 935 (1948). G ray, C. P. and Bijorn , C. L.: Internal urethrotomy: its use in the treatment of urethral

strictures of the male patient. J. Urol. WO: 653 (1968). H elmstein, K.: Internal urethrotomy: modification in the operative technique: urethro-

scopie control for evaluation of both the primary results of operation and of long term healing. A discussion of 68 cases. Acta. chir. scand., suppl. 340, p. 1 (1964). K atz , A. S. and W aterhouse, K.: Treatment of urethral strictures in men by internal urethrotomy. A study of 61 patients. J. Urol. 105: 807-808 (1971). O chsner, M. G. and W arren, H.: Routine internal dorsal urethrotomy. J. Urol. 84: 630 (I960). R avasini, G.: Die kontrollierte urethroskopische Elekirotomie für die Behandlung der Harnröhrenstrikturcn. Urologia, Treviso 24 : 229 (1957). Sachse, H.: Zur Behandlung der Harnröhrenstriktur. Die transurethrale Schlitzung unter Sicht mit scharfem Schnitt. Fortschr. Med. 92: 12-15 (1974). W ise, H. A .; E ngel , R. E. M. and W hitaker , R. H.: Treatment of urethral strictures. J. Urol. 107: 269-272 (1972).

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Prof. Dr. Dr. E. M atouschek, Urologische Klinik der Stadt. Krankenanstalten Karlsruhe, Moltkestrasse 14, D-7500 Karlsruhe 1 (BRD)

[Internal urethrotomy of urethral strictures in men under endoscopic control].

From November 1972 to October 1974 190 patients of the "Urologische Klinik der Städt. Krankenanstalten Karlsruhe" with urethral strictures were treate...
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