Originalien Unfallchirurg DOI 10.1007/s00113-015-0027-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion W. Mutschler, München V. Braunstein, München H. Polzer, München

B. Bücking1 · M. Walz2 · E. Hartwig3 · T. Friess4 · U. Liener5 · M. Knobe6 · S. Ruchholtz1 · C. Bliemel1 1 Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Gießen

und Marburg GmbH, Standort Marburg, Marburg, Deutschland 2 Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Krankenhaus Wermelskirchen, Wermelskirchen, Deutschland 3 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Diakonissenkrankenhaus Karlsruhe, Karlsruhe, Deutschland 4 Zentrum für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie, St. Clemens Hospital,

Katholisches Klinikum Oberhausen, Oberhausen, Deutschland 5 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Marienhospital Stuttgart, Stuttgart, Deutschland 6 Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Aachen, Aachen, Deutschland

Interdisziplinäre Behandlung in der Alterstraumatologie aus unfallchirurgischer Sicht Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage Hintergrund und Fragestellung In der Unfallchirurgie nehmen geriatrische Patienten einen erheblichen Anteil an der Gesamtzahl aller stationär behandelten Patienten ein. Die Kombination aus wiederholten Stürzen und Osteoporose führt hierbei zu den typischen osteoporoseassoziierten Frakturen wie etwa des proximalen Femurs, des proximalen Humerus, des distalen Radius, von Wirbelkörpern, des Beckens und periprothetischen Frakturen. Bedingt durch den demographischen Wandel wird die Zahl dieser Frakturen, welche sich bereits heute auf über 720.000/Jahr beläuft, auch in Zukunft weiter steigen [15]. Die Tatsache, dass Femurfrakturen mit über 140.000/ Jahr bei Patienten über 65 Jahren zu den 10 häufigsten Hauptdiagnosen in deutschen Krankenhäusern zählen, verdeutlicht die große sozioökonomische Relevanz der Alterstraumatologie [8] Neben chirurgischen Problemen wie der Implantatverankerung im osteoporotischen Knochen oder einem optimalen Weichteilmanagement bereitet die zunehmende Komorbidität der geriatrischen Patienten Schwierigkeiten. Es sind dabei nicht nur Nebenerkrankungen wie koronare Herzerkrankung, Diabetes mellitus und Morbus Parkinson mit entsprechender Medi-

kation sowie das Narkoserisiko zu beachten. Zusätzlich liegt bei etwa der Hälfte der Patienten mit proximaler Femurfraktur mindestens eine der 3 Diagnosen Depression, Delir oder Demenz vor [4, 9]. Um diesen oben genannten Schwierigkeiten zu begegnen, wurden in den letzten Jahren interdisziplinäre Behandlungsmodelle zwischen Unfallchirurgen und Geriatern etabliert [12, 13]. Obwohl bisher kein eindeutiger Nachweis erbracht werden konnte, dass Patienten von einer interdisziplinären, perioperativen Behandlung profitieren, sind die bisher publizierten Ergebnisse durchweg positiv [2, 7, 10]. Vor diesem Hintergrund wurden durch die unfallchirurgischen und geriatrischen Fachgesellschaften in Deutschland in den vergangenen Jahren gemeinsame interdisziplinäre Behandlungsstandards und Kriterien für eine Zentrenbildung in der Alterstraumatologie formuliert und konsentiert. Nach einer erfolgreichen gemeinsamen Pilotphase und Überarbeitung des Anforderungskatalogs im Jahr 2013 wurden die Kooperationsverhandlungen auf Verbands- und Fachgesellschaftsebene über die gemeinsame Trägerschaft eines Zertifizierungsverfahrens jedoch Ende 2013 von den DGUVerhandlungsführern abgebrochen. Berufspolitische Interessen des Bundesver-

bandes Geriatrie schienen nicht vereinbar mit der Erreichung einer zeitnahen Umsetzung eines gemeinsamen getragenen Zertifizierungsverfahrens. Seit Frühjahr 2014 wird daher in alleiniger Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) das Zertifizierungsverfahren AltersTraumaZentrum DGU® durchgeführt [3]. Um einen Überblick über die Bedeutung einer unfallchirurgisch-geriatrischen Kooperation aus unfallchirurgischer Sicht zu gewinnen, führten wir mit Unterstützung der DGU eine Umfrage an unfallchirurgischen Kliniken durch.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden Durch die Autoren dieser Arbeit wurde ein elektronischer Fragebogen entwickelt. Dieser bestand aus 3 Teilen.

Erster Teil In einem ersten Teil wurden einige Strukturdaten der Krankenhäuser abgefragt. Hierzu wurden Fragen nach dem Bundesland, der Versorgungsstufe, der Größe der gesamten Klinik und der Größe der unfallchirurgisch-orthopädischen Abteilung gestellt (. Tab. 1). Der Unfallchirurg

1

Originalien Tab. 1  Strukturdaten der teilnehmenden

Tab. 2  Bestehende Kooperationsformen der teilnehmenden Kliniken (Mehrfachnennungen

259 Kliniken

möglich)

Anzahl Anteil (%) In welchem Bundesland befindet sich Ihre Klinik? Baden-Württemberg 29 11 Bayern 39 15 Berlin 8 3 Brandenburg 9 3 Bremen 2 1 Hamburg 6 2 Hessen 20 8 Mecklenburg-Vor6 2 pommern Niedersachsen 23 9 Nordrhein-Westfalen 63 24 Rheinland-Pfalz 12 5 Saarland 4 2 Sachsen 17 7 Sachsen-Anhalt 8 3 Schleswig-Holstein 6 2 Thüringen 7 3 Zu welcher Versorgungsstufe gehört Ihre Klinik? Lokales Traumazen96 37 trum Regionales Trauma80 31 zentrum Überregionales Trau- 41 16 mazentrum Kein zertifiziertes 42 16 Traumazentrum Wie viele Betten hat das Gesamtklinikum? 0–200 39 15 201–400 97 37 401–600 59 23 601–800 29 11 801–1000 16 6 1001–1500 12 5 1501–2000 5 2 2001 und mehr 2 1 Wie viele Betten hat Ihre (unfall-)chirurgische Klinik/Abteilung? 0–30 37 14 31–50 103 40 51–70 76 29 71–100 30 12 101 und mehr 13 5 Wer ist Träger Ihres Krankenhauses? Kommunaler Träger 94 36 Konfessioneller 80 31 Träger Privater Träger 50 19 Universität 9 3 Sonstiges 26 10

2

Der Unfallchirurg

Welche interdisziplinäre Kooperationsform besteht? Gemeinsame unfallchirurgisch-geriatrische Station Durch wen wird die gemeinsame Station geleitet? Unfallchirurg Geriater Geriater und Unfallchirurg gleichberechtigt Regelmäßige interdisziplinäre Visiten Wie häufig finden die interdisziplinären Visiten statt? Einmal wöchentlich 2- bis 3-mal wöchentlich 4- bis 5-mal wöchentlich Keine Angabe Regelmäßige geriatrische Konsile Wie häufig finden die interdisziplinären Konsile statt? Einmal wöchentlich 2- bis 3-mal wöchentlich 4- bis 5-mal wöchentlich Auf Abruf – Verfügbarkeit einmal wöchentlich Auf Abruf – Verfügbarkeit 2- bis 3-mal wöchentlich Auf Abruf – Verfügbarkeit werktäglich Auf Abruf – Verfügbarkeit täglich (auch am Wochenende) Keine Angabe Übernahmeregelung der Patienten aus der Akutklinik in die Geriatrie Sonstige Kooperationsform Es besteht keine Kooperation

Anzahl

Anteil (%)

34

13

6 3 25 63

18 9 74 24

23 17 3 20 100

36 27 5 32 39

8 4 6 5 5 20 9 43 152

8 4 6 5 5 20 9 43 59

33 57

13 22

Zweiter Teil

Dritter Teil

In einem zweiten Teil erfolgte eine Abfrage der bestehenden unfallchirurgischgeriatrischen Kooperationen (.  Tab. 2). Dabei wurden folgende Kooperationen unterschieden: 55gemeinsame unfallchirurgisch-geriatrische Station, 55interdisziplinäre Visiten, 55geriatrische Konsile, 55Übernahmeregelung aus der Akutklinik in die Geriatrie, 55sonstige Kooperationsform.

In einem dritten Teil wurden verschiedene Fragen zur Bedeutung der interdisziplinären Alterstraumatologie und – falls vorhanden – zu den bisherigen Erfahrungen mit den verschiedenen Kooperationsformen gestellt. Zunächst wurde nach dem Bedarf für eine Kooperation gefragt. Nach einem Schulnotensystem konnten die Kliniken diese Frage von 1 „sehr hoch“ bis 6 „sehr niedrig“ beantworten (.   Abb. 1). Die weiteren Fragen wurden ebenfalls nach einem Schulnotensystem beantwortet. Es wurde dabei die Zustimmung für verschiedene Aussagen von 1 „trifft voll zu“ bis 6 „trifft überhaupt nicht zu“ abgefragt. Es wurde gefragt, welche Erwartungen die Kliniken bzgl. der Kooperation haben/hatten (.  Abb. 2), ob die Erwartungen – aufgeteilt nach den verschiedenen Kooperationsformen – erfüllt wurden (.   Tab. 3) und die Kliniken – falls vorhanden – die Kooperation intensivieren wollen (. Abb. 3). Anschließend wur-

Gegebenenfalls wurde noch eine weitere Frage zur genaueren Beschreibung der Kooperation gestellt (.   Tab. 2). Gegenstand einer Übernahmeregelung war lediglich eine Vereinbarung zur Verlegung der Patienten aus der Akutklinik in die Geriatrie, nicht jedoch eine gemeinsame interdisziplinäre Behandlung der Patienten.

Zusammenfassung · Abstract Unfallchirurg  DOI 10.1007/s00113-015-0027-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 B. Bücking · M. Walz · E. Hartwig · T. Friess · U. Liener · M. Knobe · S. Ruchholtz · C. Bliemel

Interdisziplinäre Behandlung in der Alterstraumatologie aus unfallchirurgischer Sicht. Ergebnisse einer deutschlandweiten Umfrage Zusammenfassung Hintergrund.  In unfallchirurgischen Abteilungen nimmt die Zahl geriatrischer Patienten stetig zu. Um diese oftmals multimorbiden Patienten adäquat zu behandeln, wurden in Deutschland in den letzten Jahren verschiedene interdisziplinäre Behandlungsmodelle zwischen Unfallchirurgen und Geriatern etabliert. Fragestellung.  Welche Verbreitung und Bedeutung haben die unterschiedlichen, neu etablierten Kooperationsformen in der Versorgung unfallchirurgischer Patienten? Material und Methoden.  Direktoren von deutschlandweit 691 unfallchirurgisch-orthopädischen Kliniken wurden im März und April 2014 über das DGU-Umfragetool zur interdisziplinären Behandlung alterstraumatologischer Patienten befragt.

Ergebnisse.  In die Analyse gingen 259 (37 %) vollständig beantwortete Fragebögen ein. Eine unfallchirurgisch-geriatrische Kooperation hatten 78 % aller Kliniken. Diese bestand in einer Übernahmeregelung von Patienten aus der Unfallchirurgie in die Geriatrie (59 %), geriatrischen Konsildiensten (39 %), regelmäßigen interdisziplinären Visiten (24 %) und in einer gemeinsamen Station (13 %). Der Bedarf an unfallchirurgischgeriatrischen Kooperationen wurde von 79 % der Befragten als (sehr) hoch eingestuft. Es wurde v. a. ein Benefit für die Patienten erwartet. Diese Erwartungen wurden größtenteils erfüllt, und über 70  % wollten ihre Kooperation intensivieren. Hindernisse bei einer Intensivierung der Kooperation wurden in einem Mangel personeller Ressourcen und

dabei insbesondere einem Mangel an Geriatern gesehen. Schlussfolgerung.  Die Umfrage bestätigt die große Bedeutung und die positiven Erfahrungen einer unfallchirurgisch-geriatrischen Kooperation. Es müssen jedoch Lösungen gefunden werden, sich abzeichnenden Kapazitätsproblemen zu begegnen. Schlüsselwörter Geriatrische Fraktur · Proximale Femurfraktur · Interdisziplinäre Behandlung · Unfallchirurgisch-geriatrische Kooperation · Kapazitätsprobleme

Interdisciplinary treatment in geriatric traumatology from the trauma surgeons' perspective. Results of a survey in Germany Abstract Background.  Many patients treated on trauma surgery wards are geriatric trauma patients. To improve treatment of these often multimorbid patients, various interdisciplinary treatment concepts have been established in Germany between trauma surgeons and geriatricians. Objectives.  The aim of this study was to evaluate the dissemination and the impact of the different orthogeriatric treatment concepts for geriatric trauma in Germany. Material and methods.  In March and April 2014 an electronic questionnaire for assessing the interdisciplinary treatment of geriatric trauma patients was sent to 691 medical directors of trauma surgery departments in Germany.

de nach möglichen Hindernissen bei der Etablierung/Intensivierung der Kooperation (.  Abb. 4) und einem möglichen Mangel der verschiedenen Berufsgruppen (. Abb. 5) gefragt. Im März 2014 wurde die Umfrage mithilfe des Umfragetools der DGU via EMail an 691 Kliniken versandt, welche an der Traumaversorgung in Deutschland teilnehmen. Anfang April 2014 erfolgte eine Erinnerungsnachricht, bevor die Umfrage am 30.04.2014 beendet wurde.

Results.  A total of 259 (37 %) fully answered questionnaires could be analyzed. The analysis revealed that 70 % of all responding trauma surgery departments had an orthogeriatric treatment cooperation. Most of them reported having patient discharge agreements to geriatric rehabilitation facilities (59 %). Geriatric counseling services were reported by 39 % while 24 % reported having regular interdisciplinary visits and orthogeriatric wards were available in 13 %. The need for orthogeriatric services was considered to be high by 79 % of the participants and benefits especially for the patients were expected. These expectations were largely fulfilled. More than 70 % of respondents planned to intensify the orthogeriatric cooperation. In this context

Von den angeschriebenen Kliniken nahmen 314 (45 %) an der Umfrage teil. In die Analyse gingen nur die 259 Fragebögen (37 %) ein, welche vollständig beantwortet waren. Nach Abschluss der Umfrage wurden den Autoren durch die verantwortlichen Mitarbeiter der DGU die deskriptiven Ergebnisse zur Verfügung gestellt.

difficulties were seen in the lack of personnel resources, especially in a lack of geriatricians. Conclusion.  The results of this survey underline the impact and the positive experiences in orthogeriatric services. Solutions have to be found to address the emerging problem of capacity constraints. Keywords Geriatric fracture · Hip fracture · Interdisciplinary treatment · Trauma surgery geriatric cooperation · Capacity problems

Ergebnisse Teil 1 – Strukturdaten Es nahmen Kliniken aus allen Bundesländern teil. Der Großteil der Kliniken waren nach eigenen Angaben lokale und regionale Traumazentren. Diese führten durchschnittlich 201 bis 400 Betten in der gesamten Klinik und 31 bis 50 Betten in der unfallchirurgischen Abteilung (. Tab. 1).

Der Unfallchirurg

3

Originalien 4%

0%

1% Finanzieller Vorteil für das Krankenhaus

2,84

Arbeitsentlastung für die Unfallchirurgie

2,87

16% Benefit für die Patienten

44%

a

0,00

1,52

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

35% Finanzieller Vorteil für das Krankenhaus

1 = sehr hoch

2 = hoch

3 = eher hoch

4 = eher niedrig

5 = niedrig

6 = sehr niedrig

Abb. 1 8 Wie hoch schätzen Sie den Bedarf für eine unfallchirurgisch-geriatrische Kooperation in Ihrer Klinik ein?

Teil 2 – bestehende unfallchirurgisch-geriatrische Kooperationen Siebzig Prozent aller Kliniken gaben an, dass eine formale unfallchirurgisch-geriatrische Kooperation besteht. In 3 % der Fälle bestand ein zertifiziertes Alterstraumazentrum, während 44 % der Kliniken angaben, dass eine vertraglich festgelegte Kooperation bestand. Die Abrechnung der geriatrischen Komplexpauschale erfolgte bei ca. einem Drittel der Kliniken. Bezüglich der Kooperationsform gaben die meisten Kliniken an, dass eine Übernahmeregelung der Patienten in die Geriatrie bestand (59 %). Häufig waren zudem geriatrische Konsile (39 %). Diese erfolgten meistens werktäglich auf Abruf. Vierundzwanzig Prozent gaben an, regelmäßig interdisziplinäre Visiten durchzuführen. Die Visiten fanden in 52 % aller Kliniken einmal wöchentlich und in 39 % 2-mal wöchentlich statt. Nur 13 % hatten eine gemeinsame unfallchirurgisch-geriatrische Station, die in 71 % gemeinsam geleitet wurde (. Tab. 2).

4

Der Unfallchirurg

2,73

Arbeitsentlastung für die Unfallchirurgie

2,92

Benefit für die Patienten

b

0,00

1,60

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

Abb. 2 8 Erwartung an ein unfallchirurgisch-geriatrisches Kooperationsmodell. a Welche Erwartungen haben Sie? b Welche Erwartungen hatten Sie? Durchschnittliche Schulnote (1 trifft voll zu, 2 trifft zu, 3 trifft eher zu, 4 trifft eher nicht zu, 5 trifft nicht zu, 6 trifft überhaupt nicht zu)

Teil 3 – Bedarf an unfallchirurgisch-geriatrischen Kooperationen, Erwartungen, bisherige Erfahrungen und mögliche Hindernisse Von den teilnehmenden Kliniken wurde der Bedarf an unfallchirurgisch-geriatrischen Kooperationen überwiegend als hoch oder sehr hoch eingeschätzt (79 %, .   Abb.  1). Unterschiede zwischen den verschiedenen Versorgungsstufen zeigten sich dabei nicht. Kliniken ohne bisherige Kooperation erwarten v. a. einen Nutzen für die Patienten (Schulnote 1,5), aber auch finanzielle Vorteile für das Krankenhaus (2,8) und eine erhöhte Arbeitsbelastung für die Unfallchirurgie (2,9). Ähnlich waren die Erwartungen in den Kliniken mit bereits bestehender Kooperation vor deren Einführung (. Abb. 2). Insgesamt wurden die Erwartungen an die interdisziplinäre Behandlung größtenteils erfüllt. Dabei wurden die Erwartungen bei den enger geführten Kooperationsformen, also mit gemeinsamer Station und gemeinsamen Visiten am besten erfüllt (. Tab. 3). Über 70 % der Kliniken wollen ihre bestehende Kooperation intensivieren (. Abb. 3).

Hauptsächlicher Hinderungsgrund bei der weiteren Intensivierung einer bereits bestehenden interdisziplinären Kooperation war ein Mangel personeller Ressourcen (Schulnote 2,3), während räumliche Voraussetzungen und finanzielle Aspekte von eher nachrangiger Bedeutung waren (3,3). Vergleichbare Probleme sahen die Kliniken bei der Neuetablierung eines Kooperationsmodells. Hier war der vermutete Mangel personeller Ressourcen mit einer Schulnote von 2,0 allerdings etwas größer (. Abb. 4). Bezüglich der personellen Ressourcen vermuteten die antwortenden Kliniken die größten Engpässe bei der Verfügbarkeit von Geriatern, v. a. bei der Etablierung, aber auch bei der Intensivierung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Die Berufsgruppe, in welcher der geringste Mangel erwartet wurde, war die Berufsgruppe der Unfallchirurgen (. Abb. 5).

Diskussion Mit der Umfrage ist es gelungen, einen Überblick über den Stellenwert einer interdisziplinären Kooperation und Behandlung in der Alterstraumatologie aus unfallchirurgischer Sicht zu gewinnen. Es zeigte sich, dass bei den teilnehmen-

Tab. 3  Erfüllung der Erwartungen in Abhängigkeit vom Kooperationsmodell Wurden die Erwartungen an die interdisziplinäre Kooperation bisher erfüllt? 1 trifft 2 trifft 3 trifft voll zu eher zu zu Kooperationsmodell Gemeinsame unfallchirurgisch-geriatrische Station 13 11 8 Regelmäßige interdisziplinäre Visiten 15 28 16 Regelmäßige geriatrische Konsile 13 44 26 Übernahmeregelung der Patienten aus der Akutkli17 55 46 nik in die Geriatrie Sonstige Kooperationsform 0 12 8 Alle 58 150 104

4 trifft eher nicht zu

5 trifft nicht zu

6 trifft überhaupt nicht zu

k.A. Durchschnittliche Schulnote

1 3 7 10

0 0 3 2

0 0 0 0

1 1 7 21

1,91 2,11 2,39 2,42

6 27

1 6

0 0

6 36

2,85 2,34

k.A. keine Angabe.

den unfallchirurgischen Kliniken ein großer Bedarf an einer interdisziplinären Behandlung gesehen wird und diese – falls bereits durchgeführt – durchweg positiv bewertet wurde.

Kooperationen Gemäß der Umfrage sind unfallchirurgisch-geriatrische Kooperationen nicht selten. Nur gut ein Fünftel der Kliniken gab an, dass keine Kooperation bestehen würde. Übernahmeregelungen waren mit 59 % der Kliniken am häufigsten. Bei dieser Kooperationsform findet im Regelfall keine gemeinsame Behandlung der Patienten statt. Möglicherweise haben die Kliniken in den letzten Jahren Übernahmeregelungen getroffen, um Schwierigkeiten bei der Organisation eines Weiterbehandlungsplatzes entgegenzuwirken. Gemäß einer Umfrage aus dem Jahr 2010 bestanden derartige Schwierigkeiten in der Weiterverlegung alterstraumatologischer Patienten immerhin bei ca. einem Drittel der damals befragten Kliniken [1]. Die Schließung vieler Rehakliniken dürfte die Situation noch weiter verschärft haben bzw. in Zukunft noch weiter verschärfen. Zudem ist diese Kooperation mit dem geringsten organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Passend dazu zeigte sich, dass die Häufigkeit der Kooperationsform mit der Intensität abnahm. So bestand eine gemeinsame Station nur bei 34 Kliniken, während geriatrische Konsile in 100 Kliniken durchgeführt wurden (. Tab. 2).

Benefit für die Patienten

Die Kliniken erwarten durch die Kooperationen weniger finanzielle Vorteile oder etwa eine Arbeitsentlastung als vielmehr einen Benefit für den Patienten (. Abb. 2). Während eine Übernahmeregelung aus oben genannten Gründen organisatorisch wertvoll sein kann, profitieren die Patienten allenfalls indirekt durch bessere Weiterbehandlungsmöglichkeiten. Eine Bewertung der verschiedenen Kooperationen, in denen eine interdisziplinäre Behandlung in der Akutklinik erfolgt (Konsile vs. Visiten vs. gemeinsame Station), kann gemäß der aktuellen Literatur nicht erfolgen [2, 10]. Ob der Nutzen für die Patienten bei engeren Kooperationen größer ist, kann nicht nachgewiesen werden, da bisher keine prospektiv randomisierte Studie vorliegt, welche die unterschiedlichen Kooperationsformen miteinander verglichen hat. In der vorliegenden Umfrage zeigte sich nicht nur, dass die Erwartungen an die Kooperation größtenteils erfüllt wurden, sondern auch, dass die Noten tendenziell besser waren, je enger die Kooperationsform war (. Tab. 3).

Intensivierung

Passend dazu strebte ein Großteil der Kliniken eine Intensivierung der Kooperation an (.   Abb. 3). Finanzielle Vorteile scheinen zwar, wie oben genannt, kein wesentlicher Faktor für eine Kooperation zu sein. Andererseits scheinen finanzielle Aspekte auch kein wesentlicher Hinderungsgrund zu sein (. Abb. 4). Auch wenn solide ökonomische Analysen in diesem Zusammenhang fehlen, wird die interdisziplinäre Behandlung von den Teilnehmern

der Umfrage aus ökonomischer Sicht neutral bewertet. Aus ökonomischer Sicht kommt es dabei vermutlich v. a. auf lokale Gegebenheiten an, wie z. B. das Bundesland, die Trägerschaft der Kooperationspartner und nicht zuletzt darauf, ob die Anforderungen zur Abrechnung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (GFK) erfüllt werden können, um die interdisziplinäre Akutbehandlung refinanzieren zu können. Diese Anforderungen beinhalten zum einen Mindestmerkmale. Diese sind ein geriatrisches Team unter fachärztlicher geriatrischer Leitung, ein geriatrisches und soziales Assessment, wöchentliche Teamsitzungen, aktivierende Pflege und mindestens 2 der Therapiebereiche Physiotherapie/physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie oder Psychologie/Neuropsychologie. Es müssen zum anderen 10 Therapieeinheiten von 30 min Dauer pro Woche stattfinden, von denen maximal 10 % als Gruppentherapie durchgeführt werden dürfen [6]. Problematisch kann es dabei allerdings sein, dass die Abrechnung der GFK nur einmal pro Patient erfolgen und somit in der Rehabilitation nicht erneut geltend gemacht werden kann. Größter Hinderungsgrund bei der Intensivierung der Kooperation war nach Einschätzung der antwortenden Kliniken ein Mangel personeller Ressourcen (.  Abb. 4) und dabei besonders ein Mangel an Geriatern (. Abb. 5). Vor dem Hintergrund, dass es nach einer aktuellen Untersuchung im Jahr 2012 nur 1432 Geriater deutschlandweit gab, was 0,2– 1,6 % der Kammerangehörigen entsprach Der Unfallchirurg

5

Originalien

trifft voll zu

68

trifft zu

81

trifft eher zu

32

trifft eher nicht zu

11

trifft nicht zu

3

trifft überhaupt nicht zu

1 7

keine Angabe 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Abb. 3 9 Wollen Sie die interdisziplinäre Kooperation intensivieren?

Limitationen Finanzielle Aspekte

3,31

Fehlende räumliche Voraussetzungen

3,28

Mangel personeller Ressourcen 0,00

a

2,26 0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

Finanzielle Aspekte

3,24

Fehlende räumliche Voraussetzungen

2,82

Mangel personeller Ressourcen

b

0,00

3,50

2,02 0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

Abb. 4 8 Mögliche Hindernisse bei der Intensivierung (a) bzw. Etablierung (b) eines interdisziplinären Kooperationsmodells. Durchschnittliche Schulnote (1 trifft voll zu, 2 trifft zu, 3 trifft eher zu, 4 trifft eher nicht zu, 5 trifft nicht zu, 6 trifft überhaupt nicht zu)

[11], ist bei einem Anteil der über 65-Jährigen von über 20 % der Bevölkerung [14] dringender Handlungsbedarf gegeben. In der Unfallchirurgie machen geriatrische Patienten mittlerweile einen erheblichen Anteil der stationären Patienten aus. Für die Versorgung geriatrischer Traumapatienten erscheint es daher sinnvoll, im Sinne einer Bewusstseinsbildung, dass unfallchirurgische Kollegen selbst Erfahrung in der Geriatrie sammeln. In Einzelfällen kann auch die Zusatzweiterbildung Geriatrie erworben werden, um somit dem Mangel an Geriatern entgegen-

6

Der Unfallchirurg

zuwirken. Diese Möglichkeit besteht in den meisten Bundesländern für alle Fachärzte. In Hessen muss es sich zudem um ein Fachgebiet mit unmittelbarer Patientenversorgung handeln. Lediglich in Bayern und Niedersachsen ist die Zusatzweiterbildung Geriatrie auf bestimmte wenige Fachgebiete (Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Neurologie, physikalische und rehabilitative Medizin sowie Psychiatrie und Psychotherapie) beschränkt. Die Weiterbildungszeit umfasst eine 18-monatige Tätigkeit bei einem Weiterbildungsermächtigen für Geriatrie [5].

Unsere Umfrage ist mit einigen Einschränkungen verbunden. Zum einen haben nur 37 % der Kliniken den Fragebogen vollständig beantwortet, was die Power der Studie erheblich abschwächt. Aufgrund der Tatsache, dass jedoch Rückantworten aus dem gesamten Bundesgebiet registriert werden konnten, erhöht die Repräsentativität der Studienergebnisse. Es kann angenommen werden, dass besonders die Kliniken, welche eine interdisziplinäre Behandlung durchführen bzw. der Alterstraumatologie einen großen Stellenwert einräumen, eher an unserer Umfrage teilgenommen haben, wodurch eine Verzerrung der Ergebnisse resultiert. Eine weitere Einschränkung besteht in der Tatsache, dass jeweils nur die Leiter der unfallchirurgischen Kliniken und Abteilungen befragt wurden. Möglicherweise würde eine Befragung der Stationsärzte oder z. B. auch des Pflegepersonals weitere Informationen ergeben. Es ist zu hoffen, dass die befragten Klinikbzw. Abteilungsleiter den besten Überblick über die Thematik der interdisziplinären Behandlung in der Alterstraumatologie haben und die Antworten daher möglichst repräsentativ für die jeweiligen Kliniken sind.

Fazit für die Praxis Die interdisziplinäre Behandlung in der Alterstraumatologie ist für die Unfallchirurgie von großer Bedeutung. Schon heute bestehen viele verschiedene Kooperationsformen zwischen Unfallchirurgen und Geriatern. Die Bewertung dieser verschiedenen interdisziplinären Behand-

3,32

Sozialdienstmitarbeiter Logopäden

2,91

Ergotherapeuten

2,84

Physiotherapeuten

2,90

Pflegekräfte

2,54

Geriater

2,47

Chirurgen

a

3,48 0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

3,29

Sozialdienstmitarbeiter Logopäden

2,56

Ergotherapeuten

2,52

Physiotherapeuten

3,26

Pflegekräfte

3,00

Geriater

1,82

Chirurgen

b

4,00

3,48 0,00

0,50

1,00

lungen muss auf der Basis klinischer Studien und großer Patientenregister erfolgen. Die Erfahrungen mit der interdisziplinären Behandlung sind durchweg positiv, sodass geplant ist, die Kooperation größtenteils noch weiter zu intensivieren. Hinderlich scheint dabei jedoch ein Mangel personeller Ressourcen und hierbei insbesondere ein Mangel an Geriatern zu sein, dem in Zukunft begegnet werden muss.

Korrespondenzadresse PD Dr. B. Bücking Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Baldingerstraße, 35043 Marburg [email protected]

Danksagung.  Die Autoren möchten der DGUGeschäftsstelle für die Durchführung der Umfrage danken. Ein zusätzlicher Dank geht an alle Teilnehmer der Umfrage.

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

4,00

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  B. Bücking, M. Walz, E. Hartwig, T. Friess, U. Liener, M. Knobe, S. Ruchholtz und C. Bliemel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. Bliemel C, Bieneck F, Riem S, Hartwig E, Liener UC, Ruchholtz S, Buecking B (2012) Subsequent treatment following proximal femoral fracture – who, when, where? Assessment of the current situation in Germany. Z Orthop Unfall 150:210–217   2. Buecking B, Timmesfeld N, Riem S, Bliemel C, Hartwig E, Friess T, Liener U, Ruchholtz S, Eschbach D (2013) Early orthogeriatric treatment of trauma in the elderly: a systematic review and metaanalysis. Dtsch Arztebl Int 110:255–262   3. Buecking B, Hoffmann R, Riem S, Sturm J, Schmucker U, Friess T, Liener U, Hartwig E (2014) AltersTraumaZentrum DGU®. Unfallchirurg 117:842–848   4. Buecking B, Struewer J, Waldermann A, Horstmann K, Schubert N, Balzer-Geldsetzer M, Dodel R, Bohl K, Ruchholtz S, Bliemel C (2014) What determines health-related quality of life in hip fracture patients at the end of acute care?-a prospective observational study. Osteoporos Int 25:475–484

4,50

5,00

Abb. 5 9 Mögliche Mängel bei der Intensivierung (a) bzw. Etablierung (b) eines interdisziplinären Kooperationsmodells. Durchschnittliche Schulnote (1 trifft voll zu, 2 trifft zu, 3 trifft eher zu, 4 trifft eher nicht zu, 5 trifft nicht zu, 6 trifft überhaupt nicht zu)

  5. Deutsche Gesellschaft für Geriatrie; Zusatz-Weiterbildung Geriatrie. http://www.dggeriatrie.de/weiterbildung/zusatz-weiterbildung-geriatrie.html. Zugegriffen: 21. Okt. 2014   6. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information; OPS-Version 2013. http:// www.dimdi.de/static/de/klassi/ops/kodesuche/ onlinefassungen/opshtml2013/block-8-55…8-60. htm. Zugegriffen: 21. Okt. 2014   7. Frölich F, Chmielnicki M, Prokop A (2014) Geriatric complex treatment of proximal femoral fractures?: Who profits the most? Unfallchirurg 2014 Jan 18 [Epub ahead of print] German   8. Gesundheitsberichterstattung des Bundes; Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000. https:// www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/WS0100/_XWD_FORMPROC?TARGET=&PAGE=_XWD_102&OPINDEX=1&HANDLER=_XWD_CUBE.SETPGS&DATACUBE=_XWD_13 0&D.001=1000001&D.002=1337&D.003=1000004 &D.972=1000619&D.007=9212&D.022=9991. Zugegriffen: 21. Okt. 2014   9. Givens JL, Sanft TB, Marcantonio ER (2008) Functional recovery after hip fracture: the combined effects of depressive symptoms, cognitive impairment, and delirium. J Am Geriatr Soc 56:1075– 1079 10. Grigoryan KV, Javedan H, Rudolph JL (2014) Orthogeriatric care models and outcomes in hip fracture patients: a systematic review and meta-analysis. J Orthop Trauma 28:e49–e55

Der Unfallchirurg

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Der Unfallchirurg

[Interdisciplinary treatment in geriatric traumatology from the trauma surgeons' perspective : Results of a survey in Germany].

Many patients treated on trauma surgery wards are geriatric trauma patients. To improve treatment of these often multimorbid patients, various interdi...
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