Übersicht

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Interdisziplinäre Empfehlungen zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms

Autoren

K. Miller1, L. Bergmann2, C. Doehn3, V. Grünwald4, J. Gschwend5, M. Kuczyk4

Institute

Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet

Schlüsselwörter ▶ Nierenzellkarzinom ● ▶ Metastasen ● ▶ zielgerichtete Therapie ● ▶ operative Therapie ●

Zusammenfassung

Abstract

Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC) haben eine lebensbegrenzende Prognose. Die Zielsetzung der Therapie ist daher in der Regel palliativ. Dennoch konnten durch die Einführung zielgerichteter Therapien deutliche Fortschritte erreicht werden. Die Immuntherapie mit Zytokinen in der palliativen Situation ist durch die neuen Substanzen abgelöst worden. Sunitinib, die Kombination Bevacizumab + Interferon-alpha, Pazopanib sowie Temsirolimus sind für die Erstlinie beim mRCC zugelassen. Sunitinib und Pazopanib haben eine Zulassung auch für die Zweitlinientherapie – für Pazopanib ist diese auf den Einsatz nach Zytokinen beschränkt. Everolimus (nach TKI-Therapie) und Sorafenib (nach Zytokintherapie) sind weitere Substanzen, die in der Zweitlinientherapie zur Verfügung stehen. Axitinib kann nach Versagen einer Sunitiniboder Zytokintherapie eingesetzt werden. Zur Frage nach der optimalen Sequenz gibt es erste Studienergebnisse aus einer Phase III Studie. Welche Kriterien einer Therapieentscheidung zugrundgelegt werden sollten, wurde im Rahmen eines Expertenmeetings unter Berücksichtigung der 2014 publizierten Daten diskutiert. Wie in den Vorjahren war es auch diesmal das Ziel des interdisziplinären Expertengesprächs, g ­ emeinsame Therapieempfehlungen auf Basis der publizierten Daten und der eigenen klinischen Erfahrung zu erarbeiten und für den Praxisalltag abzuleiten. Das interdisziplinäre Board knüpfte an Therapieempfehlungen aus dem Jahr 2014 an [1]. Die ­Publikation fasst die Ergebnisse der Diskussion zusammen und enthält einen aktuellen Therapie­ algorithmus.

Patients with metastatic renal cell carcinoma have a life-limiting prognosis. Therefore, the aim of therapy is normally palliative care. Neverthe­ less, substantial achievements have been made in the past years. Cytokines as long-term standard therapy have been replaced by new targeted therapies. Sunitinib, the combination of bevacizumab + interferon-alfa, pazopanib and temsirolimus are now approved for first-line therapy. Sunitinib and pazopanib can also be administered as second-line options – for pa­ zopanib the use is restricted to the event of cytokine failure. Everolimus (after TKI therapy) und sorafenib (after cytokines) are other compounds now available for second-line therapy. In addi­tion, axitinib was approved for second-line ­therapy after failure of sunitinib or cytokines. For questions regarding the optimal sequence, first study results are now available from the phase III trial. The purpose of an interdisciplinary expert meet­ ing held in 2014 was to debate about which criteria should influence the therapy decision. The members discussed several aspects of treating patients with the disease. Results from the 2012 conference provided the basis for the 2014 meet­ ing [1]. As in previous years, the experts intended to provide common recommendations for ­clinical practice. The results of the 2012 conference are presented as short theses and a current ­therapy algorithm.

Key words ▶ Renal cell cancer ● ▶ Metastases ● ▶ Targeted Therapy ● ▶ Surgery ●

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0035-1547281 Akt Urol 2015; 46: 151–157 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0001-7868 Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Kurt Miller Urologische Klinik und ­Hochschulambulanz Charité – Campus Benjamin Franklin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin Tel.:  + 30/8445 2576 Fax:  + 30/8445 4448 [email protected]





Miller K et al. Interdisziplinäre Empfehlungen zur Behandlung …  Akt Urol 2015; 46: 151–157

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Interdisciplinary Recommendations for the Treatment of Metastatic Renal Cell Carcinoma

Übersicht Einleitung



In Deutschland erkranken jährlich etwa 16 000 Menschen an ­einem Nierenzellkarzinom (RCC). Seit den 1990er Jahren bleiben die Erkrankungsraten konstant, jedoch sind Männer fast doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 68 (Männer) bzw. 71 (Frauen) Jahren. Bei Männern ist das Nierenzellkarzinom der siebthäufigste Tumor, bei Frauen steht er an zehnter Stelle aller Krebsneuerkrankungen. Erfreulicherweise beobachten Epidemiologen einen Rückgang der ­altersstandardisierten Mortalitätsraten [2]. Durch den vermehrten Einsatz der Sonografie in der Routinediagnostik werden mehr Tumoren im Frühstadium erkannt, die sich operativ meist vollständig entfernen lassen. Aber auch die Prognose von Patienten mit metastasierter Erkrankung (25–30 % bei Neudiagnose) [3] hat sich durch die Einführung einer Vielzahl von zielgerichteten Medikamenten verbessert. Dies zeigt sich auch darin, dass erstmals Therapieoptionen in Dritt- und weiteren Linien thematisiert wurden. Die neuen Wirkstoffe führten zu einer Verlängerung stabiler Erkrankungsphasen und einer Lebenserwartung von median über 2 Jahren [4–10]. Zudem profitieren die Patienten von einer besseren Lebensqualität, da die neuen Substanzen im Vergleich zu den fast verdrängten Immuntherapien ein günstigeres Verträglichkeitsprofil haben. Die Entwicklung dieser Substanzen beruht auf Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung, die wesentliche molekulare Abläufe bei der Tumorgenese aufgedeckt hat. Relevante Faktoren für die Entstehung des Nierenzellkarzinoms sind die Überexprimierung proangiogener und proliferationsfördernder Faktoren wie VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) und PDGF (Platelet Derived Growth Factor) sowie eine Überaktivierung des intrazellulären PI3K-Akt-Signalwegs. Dieser aktiviert wiederum mTOR, ein Schlüsselmolekül in der Signalkaskade, die Zellproliferation und Zellüberleben reguliert. VEGF-, PDGF-, und mTORSignale bzw. Signalwege sind daher die wichtigsten therapeutischen Angriffspunkte beim mRCC, über deren zielgerichtete Hemmung der Therapieerfolg erreicht wird. 7 zielgerichtete Substanzen haben mittlerweile in Phase-III-­ Studien ihre Wirksamkeit in der Erst- und Zweitlinientherapie demonstriert und bilden den aktuellen Therapiestandard beim mRCC. Die unbefriedigende Therapie mit Zytokinen, mit ­Ansprechraten zwischen 10 und 20 % und einer 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von unter 10 %, wurde dadurch nahezu ersetzt [11–13]. Ein etablierter Standard in der Erstlinien-Therapie bei Patienten mit niedrigem und mittlerem Progressionsrisiko nach MSKCCKriterien *  ist Sunitinib. Der orale Multi-Kinase-Inhibitor verdoppelte in der Erstlinien-Therapie das progressionsfreie Überleben (PFS) gegenüber Interferon-alpha (11 vs. 5 Monate; p <  0,000001) und erzielte ein Ansprechen bei fast der Hälfte der Patienten (47 vs. 12 % unter Interferon-alpha). Das mediane

* Memorial Sloan-Kettering Cancer Center (MSKCC) Risikofak­toren: ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

niedriges Hämoglobin (  10 mg/dl) erhöhte Laktatdehydrogenase ( > 1,5-facher Normwert) schlechter Performance-Status (Karnofsky 

[Interdisciplinary recommendations for the treatment of metastatic renal cell carcinoma].

Patients with metastatic renal cell carcinoma have a life-limiting prognosis. Therefore, the aim of therapy is normally palliative care. Nevertheless,...
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