Leitthema Leitthema Ophthalmologe 2014 · 111:19–22 DOI 10.1007/s00347-013-2913-z Online publiziert: 19. Januar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

W. Kleophas · F. Dellanna

Die weltweit zunehmende Inzidenz und Prävalenz des Diabetes mellitus Typ II stellt eine große Herausforderung für die umfassende Versorgung dieser Patienten dar. Bis zum Jahr 2030 wird in Europa eine Zunahme der an Diabetes erkrankten Menschen um 32% erwartet, weit höhere Zuwachsraten werden für die Vereinigten Staaten (72%), China (104%) und den Mittleren Osten (164%) erwartet [1].

reicht. Es konnte zwar ein weiteres Ansteigen der Anzahl von Patienten mit terminalem Nierenversagen aufgrund einer diabetischen Nephropathie mittlerweile gestoppt werden, die geforderte Reduktion von 30% ist jedoch auch 25 Jahre nach Verabschiedung der Deklaration bei Weitem nicht erreicht.

Unabhängig von dieser zahlenmäßigen Entwicklung stellt sich die Frage nach der qualitativen Versorgung der betroffenen Patienten. In Deutschland besteht großflächig eine strukturierte Behandlung von diabetischen Patienten im Rahmen der Disease-Management-Programme (DMP). In diesem Programm ist die Zusammenarbeit zwischen diabetologischen Hausärzten, diabetologischen Schwerpunktpraxen und ggf. Nephrologen und Augenärzten geregelt. Schnittstellen zeigen an, wann eine weitere Überweisung zwingend erforderlich ist. Die teilnehmenden Ärzte unterliegen Qualifikationsvoraussetzungen, einer Weiterbildungspflicht für sich und das Personal und einer Dokumentationspflicht. Durch die Einführung von standardisierten Strukturen und Prozessen konnte insgesamt eine Verbesserung der Behandlungsqualität erreicht werden. Dennoch wurde auch in Deutschland das ehrgeizige Ziel der St.-Vinzenz-Deklaration, eine WHO-Konferenz zur Prävention diabetischer Komplikationen von 1989 (. Info­ box 1), in wesentlichen Punkten nicht er-

Gemeinschaftspraxis Karlstraße, Düsseldorf

Interdisziplinäre Interaktion bei vaskulärer Erkrankung des Auges, Diabetes und diabetischer Retinopathie

Prävention diabetischer Spätkomplikationen Neben der Vermeidung akuter Stoffwechseldekompensation ist die Prävention diabetischer Spätkomplikation wichtigstes Therapieziel. Unabhängig von der Art der verwendeten Medikamente besteht Einigkeit darüber, dass die Grundsäulen einer Diabetestherapie und der Prävention von Spätkomplikation aus einer guten normnahen Stoffwechseleinstellung durch intensivierte Diabetestherapie bestehen sowie einer zeitgerechten Einführung einer antihypertensiven Therapie. Bereits die UK Prosepective Diabetes Study (UKPD-Studie [2]) zeigte, dass eine signifikante Reduktion mikrovaskulärer Folgeschäden durch eine gute Diabeteseinstellung und eine strenge Blutdruckeinstellung zu erreichen ist (. Tab. 1). Dabei kommt der auch initial guten intensiven Diabeteseinstellung eine besondere Bedeutung zu. So konnte auch nach mehr als 20 Jahren bei Patienten mit initial intensivierter Diabetestherapie (Schulung, Dosisselbstanpassung vs. feste Insulindosis) eine Risikoreduktion einer Nierenfunktionsverschlechterung um 50% im Vergleich zu einer kon-

ventionell behandelten Patientengruppe festgestellt werden (p=0,006, [3]). In den letzten Jahren hat sich darüber hinaus zusätzlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass jedoch eine zu intensive Glukose­senkung bei Patienten mit TypII-Diabetes auch nachteilige Effekte haben kann. In der Accord-Studie [4] konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit einem erzielten HbA1c-Wert von 6,4% Hypogly-

Infobox 1  Ziele der St.-VinzenzDeklaration Generelle Ziele: Ein Modell für Vorsorge und Selbsthilfe WHO und IDF, Europe, St. Vincent (Italien), 10.–12. Oktober 1989 F Anhaltende Verbesserung des Befindens und ein Leben, das sich in Lebensqualität und Lebenserwartung der Norm nähert F Prävention und Therapie des Diabetes und der damit verbundenen Komplika­ tionen durch intensive Forschungsarbeit F Einrichtung von Überwachungs- und Kontrollsystemen unter Verwendung moderner Informationstechnologie zur Qualitätssicherung der Versorgung F Unterstützung bereits bestehender ­bewährter Zentren 5-Jahres-Ziele: Maßnahmen zur Vermeidung schwerwiegender Folgeschäden F Reduktion der Zahl neuer diabetes­ bedingter Erblindung um ein Drittel F Reduktion der Zahl der Fälle von terminalem Nierenversagen um ein Drittel F Reduktion der Zahl der Amputationen aufgrund Gangrän um 50% F Verminderung der diabetesbedingten koronaren Herzkrankheit durch Reduktion der Risikofaktoren Der Ophthalmologe 1 · 2014 

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Leitthema Tab. 1  Ergebnisse der UK Prosepective

Tab. 2  Stadien der chronischen Nieren-

Diabetes (UKPD)-Studie. (Nach [2])

erkrankung („chronic kidney disease“, CKD)

Gute Diabeteseinstellung (HbA1c 7,0 vs. 7,9%) vermindert das Risiko – Diabetesbezogene 12% p=0,03 Endpunkte – Mikrovaskuläre Folge- 25% p=0,01 schäden – Myokardinfarkt 16% p=0,052 Strenge Blutdruckeinstellung (144/82 vs. 154/87 mmHg) vermindert das Risiko – Diabetesbezogene 24% p=0,005 Endpunkte – Mikrovaskuläre Folge- 37% p=0,009 schäden – Apoplexie 44% p=0,013





CKD 1

Schädigung mit normaler GFR Schädigung mit milder Einschränkung der GFR Moderater Rückgang der GFR Schwerer Rückgang der GFR Nierenversagen

kämien häufiger vorkamen und eine erhöhte Mortalität bestand im Vergleich zu Patienten, die einen HbA1c-Wert von 7,5% aufwiesen. Bezüglich der arteriellen Hypertonie konnte bei einer intensivierten Blutdruckeinstellung kein Unterschied bezüglich kardiovaskulärer Outcome-Parameter gezeigt werden. In der Road-MapStudie [5] wurde für Patienten mit einer Blutdruckeinstellung

[Interdisciplinary interaction in vascular diseases of the eye, diabetes and diabetic retinopathy].

The incidence of diabetes mellitus type 2 is greatly increasing worldwide. An early therapy with intensified control of diabetes and blood pressure is...
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