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Integrierte Psychoonkologie Implementierung eines psychoonkologischen Versorgungsprogramms am Centrum für Integrierte Onkologie Köln Bonn, Standort Köln Integrated psychooncology: Implementation of psychooncological health care at the Center for Integrated Oncology Cologne – Bonn

Seit Bestehen der Psychoonkologie ist der Erkenntnisstand zu den Zusammenhängen zwischen Krebs und Psyche sowie zur Bewältigung einer Krebserkrankung rapide angewachsen. Um Krebspatienten zukünftig nicht nur medizinisch, sondern auch psychosozial entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen versorgen zu können, müssen diese Erkenntnisse nun in intelligente Konzepte umgesetzt werden. Erreicht wird dieses Ziel durch psychoonkologische Versorgungsprogramme, die sich im Alltag bewähren. Psychoonkologische Versorgungsprogramme nutzen die Synergieeffekte, die sich ergeben, wenn die verschiedenen Anforderungen an die Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen als gleichwertig betrachtet werden. Diese Programme bringen eine evidenzbasierte Patientenversorgung zum Ausdruck. Sie erlauben es darzulegen, auf welchem Qualitätsniveau die Versorgung in der Praxis erbracht wird und ermöglichen eine Kalkulation des Aufwandes und Nutzens der psychologischen Betreuung von Krebspatienten. Das psychoonkologische Versorgungsprogramm der „integrierten, sektorenübergreifenden Psychoonkologie“des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn, Standort Köln, ist Ausdruck der Bemühungen eines universitär angesiedelten Zentrums der onkologischen Spitzenmedizin, eine psychoonkologische Versorgung auf höchstem Niveau zu etablieren, zu evaluieren und dem Gesundheitswesen verfügbar zu machen. Seit 2012 arbeitet das CIO Köln – Bonn, Standort Köln kontinuierlich an einem psychoonkologischen Versorgungsprogramm. Unsere Erfahrungen mit der Implementierung der Psychoonkologie in die Krebstherapie werden im Folgenden dargestellt.

Integration der psychoonkologischen Versorgung in die Krebstherapie ▼ Zum neuen internationalen Versorgungsstandard in der Onkologie gehört es, dass der psychosoziale Bereich vollständig in die bio-medizinische Krebstherapie integriert wird [7]. Die emotionale Belastung des Patienten muss während des gesamten Krankheitsverlaufs kontinuierlich erfasst werden [6]. In Deutschland ist die integrierte psychoonkologische Versorgung Bestandteil des

„Nationalen Krebsplans“ [4]. Im sogenannten Handlungsfeld „Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und der Qualitätssicherung“ wird als ein Handlungsziel eine sektorenübergreifende integrierte onkologische Versorgung gefordert. Ein weiteres Handlungsziel ist die bedarfsgerechte und angemessene psychoonkologische Versorgung aller Krebspatienten. Patienten und Angehörige, die psychosoziale Unterstützung brauchen oder behandlungsbedürftige psychische Störungen aufweisen, sollen besser erkannt werden. Sicherzustellen ist ferner die notwendige, gestufte psychoonkologische Versorgung im stationären und ambulanten Bereich. Die Ziele des Nationalen Krebsplans sind durch die Veröffentlichung der ersten evidenzbasierten Leitlinie zur Psychoonkologie im Jahre 2014 konkretisiert worden [1]. Zwischen 2009 und 2012 hat die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften eine Leitlinie erarbeitet mit dem Titel „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten“. Sie gibt die wissenschaftliche Evidenz sowie den Konsens der Fachgesellschaften zu sämtlichen versorgungsrelevanten Aspekten der psychoonkologischen Versorgungstrukturen und -prozesse sowie zur Qualitätssicherung wieder. Die Empfehlungen werden voraussichtlich in den kommenden Jahren in zunehmendem Maße in die Liste der Qualitätsanforderungen und –indikatoren aufgenommen, die dem deutschen System der Zertifizierung von Krebszentren nach den Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zugrunde liegen.

M. Kusch1 H. Labouvie1 B. Hein-Nau1 U. Schwarzkamp1 J. Wolf1 M. Hallek1 Onkologie, Versorgungsforschung Kommentar | Commentary

Schlüsselwörter Comprehensive Cancer Center Psychoonkologie Versorgungsprogramm Evaluation Versorgungsqualität

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Keywords Comprehensive Cancer Center psychooncology health care program evaluation health care quality

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eingereicht 23.06.2014 akzeptiert 28.08.2014

Spätestens seit 2005 werden in Deutschland spezifische Anforderungen an die psychoonkologische Versorgungsqualität gestellt: Diese Anforderungen sind wichtige Kriterien für die Zertifizierung sogenannter 3 Organzentren (Krebszentren, in denen Patienten mit einzelnen Tumorentitäten behandelt werden) sowie 3 onkologischer Zentren (Krebszentren, in denen mindestens 2 Organkrebszentren zusammengeschlossen sind und in denen Patienten der wichtigsten Tumorentitäten behandelt werden).

Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387384 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:2357–2360 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13

Die Praxis einer in die bio-medizinische Krebstherapie integrierten, psychoonkologischen Versorgung ist bundesweit jedoch auf unterschiedlichem Niveau, zumal die Qualitätsanforderungen sich bislang auf wenige Aspekte der Versorgungsstrukturen und –prozesse beziehen und zudem die Finanzierung der psychoonkologischen Versorgung nicht geregelt ist.

Korrespondenz PD Dr. phil. Michael Kusch Klinik I für Innere Medizin Uniklinik Köln 50924 Köln Tel. 0221/478-87410 Fax 0221/478-87414 eMail michael.kusch@ uk-koeln.de

Institut Centrum für Integrierte Onkologie, Universitätsklinik Köln

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Einleitung ▼

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Im Jahr 2006 startete die Deutsche Krebshilfe eine Initiative zur Förderung Onkologischer Spitzenzentren (Comprehensive Cancer Center) mit dem Ziel, die Krebstherapie weiterzuentwickeln und allen Krebskranken eine noch bessere, individuell zugeschnittene Behandlung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zukommen zu lassen [3]. Die Onkologischen Spitzenzentren in Deutschland sind zudem in besonderer Weise aufgerufen, eine bio-medizinische und psychosoziale Patientenversorgung auf höchstem Niveau mit einem modernen Qualitätssicherungssystem zu entwickeln, zu implementieren und zu evaluieren. Mittelfristig sollen auch unterhalb der Ebene der Spitzenzentren vergleichbare Versorgungsstrukturen, beispielsweise in kommunalen Schwerpunktkrankenhäusern, aufgebaut werden. Derzeit unterstützt die Deutsche Krebshilfe 12 Onkologische Spitzenzentren an den Standorten Berlin, Düsseldorf, Dresden, Erlangen, Essen, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Köln Bonn, Tübingen und Würzburg. Das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn sieht sich der Entwicklung, Implementierung, Evaluation und kontinuierlichen Verbesserung einer evidenzbasierten psychoonkologischen Patientenversorgung in besonderer Weise verpflichtet.

Das Centrum für Integrierte Onkologie Köln Bonn ▼ Das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn ist ein Zusammenschluss aller Kliniken der Universitäten Köln und Bonn, die an Krebs erkrankte Menschen versorgen. Seit seiner Gründung im Jahr 2007 wird es durch die Deutsche Krebshilfe im Rahmen des wiederholt ausgeschriebenen Förderprogramms „Oncology Center of Excellence“ gefördert [3]. Von Beginn an hat das CIO die Strukturen seines Comprehensive Cancer Centers kontinuierlich ausgebaut und verbessert, um im Bereich der umfassenden Krebsbehandlung regionale und nationale Behandlungsstandards auf höchstem Niveau zu erarbeiten, zu implementieren und verfügbar zu machen. Am CIO Standort Köln sind neun onkologische Organzentren des CIO Köln Bonn, in denen die wichtigsten Tumorentitäten behandelt werden, durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert und ebenso hat das CIO Köln als gesamtes onkologisches Zentrum im Jahre 2013 erfolgreich das diesbezügliche Zertifizierungsverfahren der DKG durchlaufen.

Am CIO Köln werden jährlich 16 000 Patienten, davon 4000 neuerkrankte Krebspatienten behandelt. Für die psychosoziale und psychoonkologisch-psychotherapeutische Versorgung stehen 11 psychoonkologische Vollzeitstellen zur Verfügung. Die psychoonkologisch-psychotherapeutische Versorgung bildet den klinischen Schwerpunkt der integrierten Psychoonkologie am CIO [4]. Sie richtet sich an Krebspatienten mit emotionalen Belastungen sowie psychischen Störungen, insb. Anpassungsstörungen, Angststörungen, posttraumatischen Störungen und Depressionen. Dies sind Störungen, die zu Beginn der stationären Krebstherapie sowie in der onkologischen Nachsorge in hohem Maße auftreten und schwerwiegende Folgen für die Funktionalität, Lebensqualität und das Überleben der Patienten haben können [8]. Die überwiegende Mehrzahl der Psychotherapeuten sind im Verein „LebensWert“ beschäftigt, der durch das Universitätsklinikum Köln den Versorgungsauftrag für die psychoonkologische Patientenversorgung im CIO Köln inne hat. Finanziert werden die Mitarbeiterstellen durch das Universitätsklinikum, durch Spenden sowie teilweise durch Mittel regional engagierter Krankenkassen. Um die Integration der Psychoonkologie in die Routineversorgung voranzutreiben, ist am CIO Köln im Jahren 2013 das „Centrum für Psychoonkologie“ (CePO) gegründet worden, das sich der klinischen Patientenversorgung, Versorgungsorganisation und -management, der Versorgungsforschung und Entwicklung sowie der Forschung und Lehre engagiert [13].

kurzgefasst Das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn wird seit 2007 kontinuierlich durch die Deutsche Krebshilfe im Rahmen des Programmes „Oncology Center of Excellence“ gefördert. Für die psychoonkologische Versorgung der Krebspatienten in Köln stehen 11 Vollzeitstellen zur Verfügung.

Das psychoonkologische Versorgungsprogramm des CIO ▼ Das psychoonkologische Versorgungsprogramm der „integrierten, sektorenübergreifenden Psychoonkologie“ (isPO) ist ein theoriebasiertes Programm, das der (Weiter-) Entwicklung, Implementierung und Evaluation der psychoonkologischen Ver-

sorgung am CIO Köln dient. Grundlage der Entwicklung, Implementierung und Evaluation des Versorgungsprogramms ist die Programmtheorie von Rossi et al. [12]. Entsprechend der Programmtheorie basiert das psychoonkologische Versorgungsprogramm auf folgenden Elementen: 3 Versorgungskonzept: Wie entstehen psychische Belastungen von Krebspatienten und wie sind sie zu behandeln? 3 Versorgungsmanagement: Über welche Mittel und Wege wird die Patientenversorgung in einer onkologischen Einrichtung organsiert und gesteuert? 3 Versorgungsevaluation: Die Evaluation befasst sich mit der Prüfung und Bewertung der geleisteten Versorgung in den Aspekten der Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit [8, 11].

kurzgefasst Die psychoonkologische Versorgung der Krebspatienten im CIO Köln basiert auf einem Versorgungsprogramm. Es legt dar, wie der Stand der Forschung zur Psychoonkologie in die Versorgungswirklichkeit am CIO implementiert und die Versorgung der Krebspatienten organisiert sowie versorgungsbegleitend evaluiert wird.

Versorgungskonzeption Das psychoonkologische Versorgungskonzept beschreibt Ursachen, Entstehung und Verlauf psychischer Belastungen und Störungen bei Krebs sowie geeignete psychologische Interventionen [8]. Die Versorgungspraxis benötigt dabei ein Erklärungsmodell, welches die einzelnen Bewältigungsmodelle der Psychoonkologie [6] integriert. Das Versorgungskonzept soll sowohl erklären können, wie eine „normale“, jedoch durchaus schwere Belastungsreaktion bei ansonsten psychisch unbeeinträchtigten Krebspatienten entstehen kann, und wie es zu einer klinisch relevanten psychischen Belastung oder Störung kommt. Das entsprechende Konzept des CIO basiert auf der „Theorie der emotionalen Regulation und Psychopathologie“ nach Werner und Gross [14], das den psychoonkologischen Studien zur Rumination, Suppression und Vermeidung zugrunde liegt [8]. Das Modell der psychoonkologischen Intervention bei Krebs basiert auf dem Ansatz der „Psychoonkologischen Psychotherapie“, nach dem neben spezifischen, auch allgemeine Faktoren den Behandlungserfolg bestimmen [10]. Dieser Ansatz ermöglicht eine evidenzbasierte psychotherapeutische Behandlung auch in onkologischen Versor-

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Versorgungsmanagement Das Versorgungskonzept bildet den klinischen Bezugsrahmen, vor dessen Hintergrund die Versorgungsmaßnahmen der Diagnostik, Indikation, Intervention und klinischen Evaluation konzipiert sind. Dies sind diejenigen Kernmaßnahmen der psychoonkologischen Leistungserbringung, auf deren Grundlage die Versorgung organisiert, strukturiert, gesteuert und in die bio-medizinische Krebstherapie integriert wird. Zur selektiven Diagnostik und Evaluation werden die deutsche Version der Hospital Anxiety and Depressions Scale [5] und ein Patientenfragebogen (Checkliste [8]) eingesetzt. Das Anamnesegespräch und die klinische Urteilsfindung erfolgen durch die Psychotherapeuten auf Basis einer operationalen Kriterienliste zur Beurteilung von a. Rumination, Suppression und Vermeidung, b. krankheitsbezogenen Risiken und Belastungen, c. Kompetenzen der Anpassung und Bewältigung sowie d. des psychosoziales Umfeldes [8]. Die Indikation zur psychoonkologischen Intervention basiert auf einem Ansatz der klinischen Schweregrade (SW) und differenziert zwischen einem „Zustand bei Krebserkrankung ohne zusätzliche Belastungen“ (SW I), „… mit zusätzlichen psychosozialen und emotionalen Belastungen“ (SW II) sowie „… mit zusätzlichen klinisch relevanten Belastungen oder psychischen Störungen“ (SW III) [8]. In Fällen, in denen eine klassifizierbare psychische Störung gemäß ICD-10 gerechtfertigt ist, wird diese vergeben. Die Intervention basiert auf gestuften Maßnahmen der psychoonkologischen Versorgung: 3 Die psychoonkologische Basisversorgung für alle Krebspatienten (SW I-III) wird im stationären Versorgungssektor durch Onkologen, Pflegekräfte und Lotsen/Case Manager erbracht, im ambulanten Sektor sind daran auch Mitarbeiter der psychosozialen Krebsberatung des Vereins LebensWert beteiligt. 3 Die psychosoziale Versorgung richtet ihre Angebote an Patienten mit beson-

Alle Erstaufnahmen Ärztliches Aufnahmegespräch Einleitung Früherkennungsuntersuchung

Früherkennungsinstrumente (HADS & Checkliste)

Weiterleitung an die Psychoonkologie Auswertung und Indikationsstellung

Kurzbericht an den Arzt

Stufe I Psychoonkologische Basisversorgung

Auswertung und Indikationsstellung

CMP-Pat.dok Dokumentation

OR

HADS (> 14)

Checkliste (positiv)

Stufe II Psychosoziale Versorgung

Stufe III Psychoonkologisch-psychotherapeutische Versorgung

Kontinuierliche Rückmeldung über Ergebnisse im multidisziplinären Team und Entscheidung über weitere psychoonkologische Versorgung

Abb. 1 Standard Operating Procedure (SOP) Psychoonkologie: Zugang zur Versorgung im CIO (vereinfachte Darstellung). HADS > 14: Hospital Anxiety and Depression Scale [13], Schwellenwert des Gesamtwertes liegt im Bereich erhöhter psychischer Belastung. Checkliste: Checkliste psychosozialer Probleme und Belastungen bei Krebspatienten [7], 16 Items, bei positiven Werten ist eine Indikation zu einer spezifischen psychosozialen Intervention angezeigt. CMP_Pat.dok: Dokumentationssystem „Case Management Psychoonkologie“ des CIO, Standort Köln.

derem Beratungs- und Unterstützungsbedarf (SW II). Sie wird von den genannten Mitarbeitern und zusätzlich Sozialarbeitern, Seelsorgern und Selbsthilfevertretern immer dann angeboten, wenn auf Seiten des Krebspatienten anhand der Checkliste ein spezifischer, bio-psychosozialer Versorgungsbedarf ermittelt wird. Hier sind im stationären und ambulanten Sektor auch Kunst-, Musik- und Bewegungstherapeuten des Vereins LebensWert an der Versorgung beteiligt. 3 Die intensive, psychoonkologisch-psychotherapeutische Versorgung wird Krebspatienten im stationären wie ambulanten Sektor angeboten, bei denen die psychoonkologisch-psychotherapeutisch tätigen Professionen eine klinisch relevante psychische Belastungen oder Störung diagnostizieren (SW III). Im Centrum für Integrierte Onkologie am Standort Köln sind die Versorgungsprozesse der Diagnostik, Indikation, Intervention und Evaluation in einer durch den CIO-Vorstand verabschiedeten „Standard operating procedure“ (SOP) Psychoonkologie verbindlich geregelt (q Abb. 1) (CIO SOP-Portal; http://www.cio-koeln-bonn.de/mediziner/sop-portal/).

Für Zwecke der klinischen Dokumentation, der Qualitätssicherung sowie der Versorgungsevaluation wird die Leistungserbringung in einem speziellen Dokumentationssystem erfasst [9].

Versorgungsevaluation Die Evaluation des psychoonkologischen Versorgungsprogramms des CIO befasst sich mit der Untersuchung und Bewertung der durch das Programm erreichten Versorgungsqualität sowie den erzielten kurz- und langfristigen Effekten. Aus diesem Grunde müssen sowohl die Programmentwicklung und -implementierung als auch die Programmevaluation auf einer Programmtheorie beruhen (vgl. Rossi et al. [12]). Dieses Vorgehen erlaubt es, den verschiedenen Anforderungen zu genügen, die Kliniker, Forscher, Klinikmanager sowie die Leistungsfinanzierer an die Evaluation von Versorgungsprogrammen stellen. 3 Klinker sind primär an der Frage interessiert, ob sie Krebspatienten angemessen und nutzbringend versorgen, d. h. ob sie auf Basis des Programmes im konkreten Einzelfall eine Wirkung erzielen. 3 Forscher sind primär an der Frage interessiert, ob mit den „essenziellen Wirkkomponenten“ der psychologi-

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gungssituationen und bei psychoonkologischen Problemkonstellationen, zu denen bislang keine oder eine nur unzureichend spezifische Evidenzbasis vorliegt [8].

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schen Interventionen klinisch bedeutsame Effekte erzielt werden, d. h. ob das Programm als solches wirksam ist. 3 Klinikmanager sind an der Frage interessiert, ob auf Basis des Versorgungsprogramms den richtigen Patienten, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, die richtige Versorgung angeboten werden kann, d. h. ob die SOP in der Praxis richtig umgesetzt wird. Sie nutzen die Informationen, um ihre Aufgaben der Qualitätssicherung und des Versorgungsmanagements zu erfüllen. 3 Leistungsfinanzierer fragen sich zudem, ob mit den verfügbaren Ressourcen angemessen gewirtschaftet wird, insbesondere mit der Frage der KostenNutzen-Relation. In der aktuellen Evaluations- und OutcomeForschung werden diese Fragen stets in einzelnen Forschungsprojekten und mit erheblichen Mittelaufwendungen untersucht. Zudem vergeht eine Zeitspanne von vielen Jahren bis die Forschungsergebnisse den Patienten in der klinischen Versorgungswirklichkeit zu Gute kommen. Mit dem hier dargestellten Ansatz der Entwicklung, Implementierung und Evaluation des psychoonkologischen Versorgungsprogramms wird ein Weg eingeschlagen, mit dem umfassend dargelegt wird, a. auf welchem Stand des verfügbaren Wissens Krebspatienten konkret versorgt werden (Versorgungskonzept), b. ob die Krebspatienten tatsächlich so versorgt werden wie beabsichtigt (Versorgungsmanagement und -dokumentation), c. welche Effekte mit dem Programm erzielt werden können (Versorgungsevaluation) und d. wie die Stärken und Schwächen des psychoonkologischen Versorgungsprogrammes unter Bedingungen der „Leistungserbringung in der Versorgungswirklichkeit“ zu bewerten und kontinuierlich zu verbessern sind.

kurzgefasst Mit seiner Konzeption verfolgt das psychoonkologische Versorgungsprogramm des CIO das Ziel, bei allen, die an der Versorgung von Krebspatienten beteiligt sind – Kliniker, Manager und Leistungsfinanzierer – Vertrauen in die Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der integrierenden sektorenübergreifenden psychoonkologischen Versorgung zu schaffen.

Konsequenz für Klinik und Praxis 3Onkologische Einrichtungen der Spitzenmedizin stehen vor der Herausforderung, den psychosozialen Bereich vollständig in die bio-medizinische Krebstherapie zu integrieren. 3Theoriebasierte, psychoonkologische Versorgungsprogramme erlauben es, eine evidenzgestützte psychoonkologische Versorgung zu entwickeln, in die onkologische Versorgungswirklichkeit einzuführen, und systematisch zu evaluieren. 3Ist in den Programmen explizit dargelegt, auf welchem klinischen Versorgungskonzept sie basieren und erfolgt die Organisation und Steuerung der Versorgungspraxis auf Grundlage dieses Konzeptes, so lässt sich die Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Psychoonkologie empirisch erfassen und bewerten. 3Psychoonkologische Versorgungsprogramme, die sich unter den realen Bedingungen der Versorgungswirklichkeit nachweislich bewährt haben, können auf Seiten der Verantwortlichen im Gesundheitswesen Vertrauen in die psychoonkologische Versorgungspraxis herstellen. 3Bei zunehmend höheren Anforderungen an die Versorgungspraxis und begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen wird eine enge Verzahnung von Forschung und Praxis im Gesundheitswesen erforderlich. Ziel ist es, eine Patientenversorgung zu entwickeln, die belegen kann, ob ein richtiger Patient, am richtigen Ort, zum richtigen Zeitpunkt, die richtige Versorgung, zu angemessenen Kosten erhält, und ob die Auswirkungen der Versorgung für die Patienten relevant sind. 3Psychoonkologische Versorgungsprogramme erlauben eine solche „Forschung in Praxis“.

Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Literatur 1 AWMF (Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften). Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen KrebspatientenLangversion 1.0, 2014, AWMF-Registernummer: 032/051OL, http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Leitlinien.7.0.html [Stand: Januar 2014] 2 BMG (Bundesministerium für Gesundheit). Nationaler Krebsplan. Veröffentlicht: Januar 2012Verfügbar unter: 2012; http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Publikationen/Praevention/Broschueren/Broschuere_Nationaler_Krebsplan__Handlungsfelder__Ziele_und_Umsetzungsempfehlungen.pdf (letzter Zugriff 9.10.2014) 3 GCA (German Cancer Aid). Program for the Development of Interdisciplinary Oncology Centers of Excellence in Germany. 2012; https://www.krebshilfe.de/fileadmin/Inhalte/Downloads/PDFs/Foerderung/2012_CCC_4th_call/Ausschreibungstext_und_Leitfaden_4._Call__Homepage__Stand_05.03.12_Version_CI_CD.pdf (letzter Zugriff 9.10.2014) 4 Hein-Nau B. Stationäre Psychoonkologie. Gestufte psychoonkologische VersorgungVortrag bei, 31. Deutscher Krebskongress 2014, 19.-22. Februar 2014, Berlin, 5 Herrmann-Lingen C, Buss U, Snaith RP. Hospital Anxiety and Depression Scale – Deutsche Version (HADS-D). 3.: aktualisierte und neu normierte Auflage. Manual. Bern, Hans Huber 2011 6 Holland JC, Breitbart WS, Jacobsen PB et al. Psycho-Oncology. 2nd: ed. New York, Oxford University Press 2010 7 Institute of Medicine (IOM). Cancer Care for the Whole Patient: Meeting Psychosocial Health Needs. Washington, DC, The National Academies Press 2008 8 Kusch M, Labouvie H, Hein-Nau B. Klinische Psychoonkologie. Heidelberg, Springer 2013 9 Kusch M, Schwarzkamp U. Das computerbasierte Assistenzsystem: Psychoonkologie (CAP-SYS). Eine Expertise. Köln, Klinik I für Innere Medizin der Universitätsklinik Köln 2013; (unveröffentlicht) 10 Kusch M, Stecker R. Die Psychoonkologische Psychotherapie. Forum Psychotherapeutische Praxis 2005; 5: 15–27 11 Kusch M. Versorgungspsychologie. Tübingen, Dgvt-Verlag 2009 12 Rossi PH, Freeman HE, Lipsey MW. Evaluation: a systematic approach. London, Sage Publication 1999 13 Schwarzkamp U. Das Centrum für Psychoonkologie am Centrum für Integrierte Onkologie, Standort Köln. Vortrag bei, 31. Deutscher Krebskongress 2014, 19.-22. Februar 2014, Berlin, 14 Werner K, Gross JJ. Emotion regulation and psychopathology: A conceptual framework. In: Kring AM, Sloan DM ed. Emotion regulation and psychopathology: A transdiagnostic approach to etiology and treatment. New York, Guilford Press 2010; 13–37

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