Klin. Wochenschr. 57, 75-79 (1979)

Klinische Wochenschrift

© Springer-Verlag 1979

Einflufl maternaler AntikSrper auf primiire und sekundiire lmmunantwort des juvenilen Organismus* C.H. Wirsing, It. Finger und J. Str6der Institut fiir Hygieneund Laboratoriumsmedizinder Stfidtischen Krankenanstalten Krefeld (Direktor: Prof. Dr. H. Finger) UniversitSts-Kinderklinik Wfirzburg(Direktor: Prof. Dr. Dr. h.c.J. Str6der)

Influence of Maternal Antibodies on the Primary and Secondary Immunoresponse of the Juvenile Organism

Summary. The immunization of mice with sheep erythrocytes served as model for the materno-fetal transfer of specific antibodies. It could be shown that passively transferred antibodies are able to induce a long-lasting suppression of the primary and secondary immuno-response in the offspring. This holds true both for active immunization before pregnancy and for passive immunization shortly before term. As it can be supposed that similar effects also apply to the human organism, this phenomenon must be considered for the vaccination during pregnancy as well as for the first immunization of children. Key words: Maternal antibodies - Immunoresponse - Offspring - Animal experiments.

Zusammenfassung. Am Modell der Immunisierung der Maus mit Schaferythrozyten konnte gezeigt werden, dab passiv iibertragene spezifische maternale Antik6rper in der Lage sind, im juvenilen S/iugetierorganismus eine relativ langanhaltende Unterdrtickung der prim/iren und sekund/iren Immunantwort zu begrfinden. Diese Suppression kann sowohl durch eine aktive Immunisierung vor der Trfichtigkeit als auch dutch eine passive Immunisierung am Ende der Schwangerschaft induziert werden. Sollten ~ihntiche Vorg/inge ftir den menschtichen Organismus zutreffen, was anzunehmen ist, muB dieses Ph~inomen sowohl bei der Immunisierung w/ihrend der Schwanger* Die Untersuchungenwurden durch die Schutzkommissiondes Bundesinnenministeriums gefSrdert

schaft als auch bei der Erstimmunisierung im Kleinkindesalter berficksichtigt werden.

Schliisselwiirter : Maternale Antik6rper - Immunantwort - Nachkommen - Tierversuche.

Bei gegebener mfitterlicher Indikation werden heute Impfungen in der Schwangerschaft h/iufig durchgeffihrt, sofern eine Geffihrdung ffir den m/itterlichen und fetalen Organismus nicht zu erwarten ist. Einige Impfungen, wie Tetanus- und Grippeschutzimpfung, werden sogar als nfitzlich ftir das Kind angesehen, da das Neugeborene durch die diaplazentar fibertragenen 7S-Antik6rper w/ihrend der ersten Lebensmonate weitgehend geschtitzt ist (Stickl und Schmidt, 1975). Die Diskussion um die Indikation zur aktiven Schutzimpfung wfihrend der Schwangerschaft wird daher primfir unter dem Gesichtspunkt der Unschfidlichkeit fiir Mutter und Kind geftihrt, wobei den passiv tibertragenen IgG-Antik6rpern ein besonderer Stellenwert, ,,Nestschutz" des Neugeborenen, eingerfiumt wird. Die routinemfiBig wfihrend der ersten Lebensmonate durchgeftihrte Erstimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis soll dann einen aktiven Impfschutz des Kleinkindes aufbauen. Andererseits ist jedoch seit lfingerem bekannt, dab das Vorhandensein spezifischer 7S-Antik6rper in der Strombahn im erwachsenen Sfiugetierorganismus eine relativ lang anhaltende Immunsuppression begrtinden kann (cf. Finger und Emmerling, 1975). Es ist daher anzunehmen, dab ghnliches Verhalten auch beim juvenilen Organismus m6glich w~ire. So wurde in tierexperimentelten Modelluntersuchungen versucht, den EinfluB spezifischer maternaler Antik6rper auf primfire und sekundfire Immunantwort der Nachkommenschaft zu klfiren.

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C.H. Wirsing et al.: Immunsuppression durch maternale Antikarper

Material und Methoden Mduse. Ffir die Untersuchungen wurde die El-Generation spezi~ fisch pathogenfreier weiblicher und mfinnlicher NMRI-M/iuse des Zentralinstituts fiir Versuchstierkunde, Hannover, verwendet. Die Gewichte der Muttertiere betrugen zum Zeitpunkt der Paarung 2 7 - 3 0 g. Die MSuse wurden mit Pre3futter (,,pellets", Fa. Intermast, Soest) und Wasser mittels Trinkflasche ad libitum ernfihrt.

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% hnmunisierung. Erst- und Zweitimmunisierung der Tiere erfolgten intraperitoneal mit einer Dosis yon 4 × 108 Schaferythrozyten (SE), jeweils suspendiert in 0,2 ml einer phosphatgepufferten Natriumchloridl6sung (pH 7,2) (PBS). Listeria-Infektion. Fiir die intraven6se (i.v.) Infektion der M/iuse mit Listeria monocytogenes (L.m.) wurde der Serotyp 4b verwendet, Die pro Tier applizierten vermehrungsf/ihigen Zellen von L.m., deren Virulenz durch kontinuierliche M/iusepassagen aufrechterhalten worden war, waren jeweils in 0,2 ml PBS suspendiert. Zu bestimmten Zeiten nach der Infektion wurde in den Milzen der infizierten Tiere die Anzahl vermehrungsffihiger Listerien mittels Agargul3verfahren bestimmt, wie fr~her beschrieben (Emmerling et aI., 1975; Mackaness, 1969). Hdmolysin-bilden&) Milzzegen. Die quantitative Bestimmung der Zahlen an direkt (DPBZ) und indirekt (IPBZ) Plaques-bildenden Milzzellen erfolgte mit Hilfe der direkten (Jerne et al., 1963) und indirekten (Wortis et aI., 1966) Plaque-Technik, wie an anderer Stelle beschrieben (Finger et al., 1972). Serologische Untersuchungen. Die Titer der gegen SE gerichteten Hfimolysine und Agglutinine sowie deren 2-Mercaptofithanol (2M)~) resistente Anteile wurden, wie an anderer Stelle beschrieben (Finger et al., 1972), bestimmt. lmmunisierungsschema. Versuch A: Weibliche NMRI-M/iuse wurden jeweils fiber einen Zeitraum yon 2 Monaten in 14t~gigem Abstand mit jeweils 4 x 108 SE optimal immunisiert, wobei die letzte immunogene Dosis 3 - 4 Tage vor der Paarung verabfolgt wurde. Jeweils 2, 4 und 6 Wochen nach der Geburt wurden die Nachkommen dieser Tiere mit einer intraperitonealen injektion von 4 x 108 SE primfir immunisiert, wobei jeweits gleichalte Jungtiere, die von nicht vorimmunisierten Muttertieren abstammten, als Kontrolle fungierten. Versuch B. Nicht immunisierte weibliche tragende NMRI-M/iuse erhielten jeweils 2 Tage vor und zwei Tage nach der Geburt je 0,2 ml eines gegen S E gerichteten allogenen Antiserums intraperitoneal injiziert.

Ergebnisse Versuch A.

Bei den Nachkommen spezifisch vorimmunisierter Muttertiere liel3 sich keine immunologische Primfirreaktion ausl6sen, wenn die Erstimmunisierung im Alter von 4 Wochen erfolgte (Abb. 1). Demgegenfiber zeigten die Kontrolltiere, die yon nicht vorimmunisierten Muttertieren abstammten, eine ausgeprS_gte Primfirreaktion, wenn auch die Ffihigkeit zur 7S-Antik6rperbildung im Vergleich zu dem der erwachsenen

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[Influence of maternal antibodies on the primary and secondary immunoresponse of the juvenile organism (author's transl)].

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