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Induktionschemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Kopf-Hals-Karzinomen – contra Induction chemotherapy in locally advanved head and neck cancer? No

Die Metaanalyse (MACH-NC) von Pignon et al. [5] hat einen absoluten Überlebensvorteil für die RCT (adjuvant, sequenziell oder simultan) von 4,5 % nach 5 Jahren gezeigt. Den größten Gewinn (6,5 % nach 5 Jahren) ergab die simultane, platinbasierte (P) RCT; sie ist als Standardtherapie etabliert. Trotz der intensivierten Therapie und der damit verbundenen vermehrten Toxizität sind die mittleren 3Jahres-Überlebensraten mit 50–55 % insgesamt weiterhin unbefriedigend. Die gleiche Analyse zeigte für die Induktionschemotherapie (ICT, meist Cisplatin [P] und 5-Fluorouracil [F]) einen Trend für verbesserte Überlebensraten (2,4 % nach 5 Jahren), der überwiegend auf die verbesserte lokale Kontrolle zurückgeführt wurde. Inzwischen wurde gezeigt, dass die taxanhaltige ICT (TPF) gegenüber PF überlegen ist (TAX 323, TAX 324). Ein direkter randomisierter Vergleich erfolgte nicht. Historisch geht die ICT auf die Veteran Affairs Laryngeal Cancer Study [2] zurück, bei der in 64 % der Fälle nach ICT und Bestrahlung (RT) der Kehlkopf erhalten werden konnte. Langzeitergebnisse der RTOG-Studie 91–11 (3 Arme: ICT [damals noch PF] plus RCT, RCT und alleinige RT) zeigen ein besseres laryngektomiefreies Überleben in beiden Chemotherapiearmen. Ausgehend von Studien zum Larynxerhalt wurde das Konzept der ICT auf LFKHT übertragen. Die Rationale für die Intensivierung der Therapie bestand u. a. darin, die Fernmetastasierungsrate zu verringern und das Überleben zu verbessern. Hierzu liegen die Ergebnisse dreier Phase-III-Studien vor. Kritisch sei hier zu bemerken, dass es sich jeweils um heterogene Patientengruppen handelt und Karzinome der Mundhöhle, des Oropharynx sowie des Larynx und Hypopharynx eingeschlossen wurden.

tenzahl und den Effekt der HPV-positiven Oropharynxkarzinome zurückzuführen (PARADIGMStudie: 55 %). Der HPV-Status wurde in keiner der Studien prospektiv berücksichtigt. Patienten in der PARADIGM-Studie erhielten 3 Zyklen TPF alle 3 Wochen und anschließend eine RCT (akzeleriert); entweder mit wöchentlich Docetaxel oder Carboplatin. Patienten im Standardarm erhielten Cisplatin in der 1. und 4. Woche. Patienten, die eine ICT erhielten, hatten signifikant mehr Toxizität ohne Vorteil bzgl. des Gesamtüberlebens oder der lokoregionären Kontrolle. Die DeCIDE-Studie sollte zeigen, dass eine taxanhaltige ICT die Fernmetastasierungsrate senken kann. Die Hochrisikopatienten (N2 /3) erhielten entweder 2 Zyklen TPF als ICT plus eine hyperfraktionierte RCT mit TF + Hydroxyurea oder die gleiche hyperfraktionierte RCT ohne ICT. Im ICTArm traten weniger Fernmetastasen auf (10 vs. 19 %; p = 0,025). Die ICT hatte aber keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben. Eine spanische Studie mit abgeschlossener Rekrutierung verglich TPF plus RCT gegen RCT (P 100 mg/m² KOF d1,22,43). Sie ergab in keinem der Endpunkte einen Vorteil für die ICT [4].

Prof. Dr. Cordula Petersen

S. Tribius1 C. Petersen1 Onkologie, Hals-NasenOhrenheilkunde Pro & Contra | Commentary

Fazit: Alle bislang veröffentlichten Phase-III-Studien und die meisten retrospektiven Analysen konnten keinen Vorteil für die ICT im Vergleich zur RCT zeigen. In Anbetracht dessen und der mit der ICT verbundenen höheren Toxizität sollte sie nicht außerhalb klinischer Studien angewendet werden. Eine Ausnahme kann die nicht-chirurgische Therapie des Larynxkarzinoms im Rahmen des Larynx- und Funktionserhalts sein. Ziel zukünftiger Studien sollte es sein, Tumorentitäten zu definieren, die möglicherweise von der ICT profitieren. Dabei sollten HPV-positive und -negative Tumore getrennt betrachtet werden, da es sich biologisch um unterschiedliche Entitäten handelt. Die RCT bleibt aktuell der Goldstandard. Literatur

Die Studien PARADIGM [3] und DeCIDE [1] gingen der Frage nach, ob die ICT vor der RCT einen Vorteil gegenüber der Standard-RCT hat. Keine der beiden Studien konnte ihr Rekrutierungsziel erreichen (PARADIGM 145/330; DeCIDE 280/400) und wurden vorzeitig gestoppt. Die Ergebnisse sind daher mit Vorsicht zu interpretieren. Das 3-JahresÜberleben war in beiden Studien für den Standard- und experimentellen Arm gleich, aber besser als erwartet (PARADIGM 78 vs. 73 %; DeCIDE 73 vs. 75 %). Dies ist wahrscheinlich auf die Patien-

PD Dr. Silke Tribius

1 Cohen EEW, Karrison T, Kocherginsky M et al. 2012 ASCO Annual Meeting Proceedings. J Clin Oncol 2014; Jul 21. pii: JCO.2013.54.6309. [Epub ahead of print] 2 Forastiere AA, Zhang Q, Weber RS et al. J Clin Oncol 2013; 31: 845–852 3 Haddad R, O’Neill A, Rabinowits G et al. Lancet Oncol 2013; 14: 257–264 4 Hitt R, Grau JJ, López-Pousa A et al. Ann Oncol 2014; 25: 216–225 5 Pignon JP, le Maitre A, Maillard E et al. Radiother Oncol 2009; 92: 4–14

Schlüsselwörter Kopf-Hals-Tumoren Induktionschemotherapie

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Keywords head and neck cancer locally advanced squamous cell carcinoma induction chemotherapy

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Institut Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387292 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:2081 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz PD Dr. Silke Tribius Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie Universitätsklinikum Eppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg eMail [email protected] Interessenkonflikte: keine

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Aus Sicht der Strahlentherapie bleibt auch nach der aktuellen Datenlage die definitive Radiochemotherapie (RCT) der Goldstandard in der Behandlung von Patienten mit nicht resektablen bzw. funktionell inoperablen lokal fortgeschrittenen KopfHals-Tumoren (LFKHT) im UICC Stadium III/IV.

[Induction chemotherapy in locally advanced head and neck cancer? No].

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