Zunehmende Luftnot nach einer Airbagruptur

Kernaussagen !

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akute fibrinöse organisierende Pneumonie (AFOP) ist ein spezifisches Reaktionsmuster der Lunge unklarer Genese, verbunden mit hoher Sterblichkeit. Die Diagnose AFOP basiert auf einer histologischen Untersuchung. In der radiologischen Bildgebung zeigt sich die Erkrankung sehr variabel und ist nicht von anderen atypischen Lungenveränderungen zu unterscheiden, zur Verlaufskontrolle ist die Bildgebung nützlich.

Einführung !

Eine akute fibrinöse organisierende Pneumonie (AFOP) stellt eine Reaktionsform der Lunge auf verschiedene Verletzungen dar. Die Erkrankung wurde erstmals 2002 beschrieben (Beasley MB et al. Arch Pathol Lab Med 2002; 126: 1064 – 1070). Die Leitsymptome sind fortschreitende Atemnot, in Begleitung von Husten, Fieber und Brustschmerzen. Eine ganze Reihe unterschiedlicher Auslöser sind beschrieben, so beispielswiese verschiedene Autoimmunerkrankungen (Fibromyalgie, Dermatomyositis, systemischer Lupus erythematosus, hämatopoetische Stammzelltransplantation, Leukämie, Lymphome, primär biliäre Zirrhose), postinfektiöse Verläufe (Hämophilus influenzae, Acinetobacter baumannii, Chlamydia pneumoniae, Severe Acute Respiratory Syndrome, HIV, Pneumocystis jiroveci, ambulante Pneumonien) oder medikamentöse Ursachen (Abacavir, Decitabin, Amiodaron). In einer Reihe von Fällen konnte gar kein spezifischer Auslöser identifiziert werden (Arbeit im Zoo oder Kohlebergbau, Bauarbeit) (Beasley MB et al. Arch Pathol Lab Med 2002; 126: 1064 – 1070). Der hier vorgestellte Patient erlitt 3 Tage vor Aufnahme einen Verkehrsunfall mit Ruptur des Airbags und Inhalation der Airbaggase. Diese forcierte Inhalation von Gasen war im vorliegenden Fall möglicherweise der Auslöser für die AFOP. In Analogie ist in der Literatur eine AFOP nach Exposition mit Haarspraygasen be-

schrieben (Beasley MB et al. Arch Pathol Lab Med 2002; 126: 1064 – 1070). In der Literatur werden eine fulminante, tödlich verlaufende Form von einer subakuten Verlaufsform mit Erholung voneinander abgegrenzt (Beasley MB et al. Arch Pathol Lab Med 2002; 126: 1064 – 1070, Valim V et al. Case Report. Rheumatol 2012; 2012: 549298). Der fulminante Verlauf ist üblicherweise gekennzeichnet durch die Notwendigkeit einer invasiven Beatmung. Auch wenn der vorgestellte Patient beatmet werden musste, so überlebte er die Erkrankung. Dies ist möglicherweise auf seine gute Kondition als Spitzensportler zurückzuführen. Therapeutisch gilt die Applikation von Kortikosteroiden in Kombination mit Cyclophosphamid als hilfreich (Beasley MB et al. Arch Pathol Lab Med 2002; 126: 1064 – 1070, Mittal V et al. Singapore Med J 2011; 52: e88 – e90).

Das initiale Röntgenbild des Thorax zeigte eine kleinfleckige perihiläre Verschattung " Abb. 1). Kein Hinweis auf einen beidseits (● Pleuraerguss, einen Pneumothorax oder eine pulmonale Stauung, kein Nachweis von pulmonalen Raumforderungen. Am Tag 3 nach Aufnahme zeigte eine Computertompgrafie (CT, Somatom Sensation 64, Siemens, Erlangen, Deutschland. Bildparameter: 120 kV, 250 mAs, 0,6 mm Schichtdicke, pitch-Faktor 0,8; Diese Bildparameter wurden auch in den anderen Verlaufskontrollen beibehalten. Auf eine Low-dose-Verlaufskontrolle wurde angesichts des vital bedrohlichen, unklaren Zustandes bei einem zunächst unklaren und später weltweit extrem seltenen, weitgehend unverstandenem Krankheitsbild zugunsten einer optimalen diagnostischen Bildqualität verzichtet.) miliare Verschat" Abb. 2). tungen über alle Lungenfelder (● Eine Therapie mit Breitspektrumantibiotika wurde eingeleitet, dennoch kam es zu ei-

Fallbeschreibung !

Ein 21-jähriger Profisportler (Nichtraucher) stellte sich in der Notaufnahme mit Belastungsdyspnoe, Husten und Auswurf vor. Anamnestisch erlitt er 3 Tage vorher einen Autounfall mit Airbagruptur. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich ein geröteter Rachen. Der Herzschlag lag bei 60 Schlägen pro Minute. Er hatte eine blasse Haut und es bestand Tachypnoe (35 Atemzüge pro Minute). Bei der Auskultation war ein feinblasiges Raschelgeräusch in beiden Lungenunterfeldern nachweisbar. Das C-reaktive Protein (CRP) war auf 99 mg/l (normal < 5 mg/l) erhöht. Fieber bestand nicht. Die arterielle Blutgasbestimmung zeigte eine respiratorische Hypoxie mit gemindertem Sauerstoffpartialdruck (PaO2 = 8,6 kPa), leicht erhöhtem Kohlenstoffdioxidpartialdruck (PaCO2 = 6,4 kPa), leicht erhöhter Bikarbonatkonzentration (HCO3 = 28 mmol/l), und verminderter Sauerstoffsättigung (sO2 = 93 %). Die weitere körperliche Untersuchung, EKG, Echokardiografie, und Sonografie der Abdominalorgane waren unauffällig. Immunologische und serologische Bestimmungen, Blutkulturen, und mikrobiologisches Tests auf infektiöse Agentien fielen negativ aus.

Abb. 1 Aufnahmetag: Das Röntgenbild zeigt eine kleinfleckige Verschattung im Lungenkern beidseits. Kein Nachweis eines Pleuraergusses.

Abb. 2 3 Tage nach Aufnahme demonstriert eine CT-Untersuchung (axiale Schnittführung) das Muster einer miliaren Konsolidierung über alle Lungenfelder.

Bach AG et al. Zunehmende Luftnot nach … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 803–804 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1356144

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The Interesting Case

The Interesting Case

Abb. 3 10 Tage nach Aufnahme zeigt eine CT-Untersuchung (axiale Schnittführung) das Bild einer zentrilobulären Milchglastrübung.

ner kontinuierlichen Verschlechterung der Dyspnoe und der Hypoxie. Schließlich war an Tag 10 nach Aufnahme eine Verlegung des Patienten auf die Intensivstation und der Beginn einer invasiven Beatmung notwendig. Eine CT am Tag 10 zeigte das Muster einer zentrilobulä" Abb. 3). ren Milchglastrübung (● In der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit fielen Tests auf Mykobakterien, Pilze, konventionelle Bakterien- und Virenkulturen (Adenovirus, Influenza, Respiratory synzytical virus, Herpes simplex 1/2, Zytomegalievirus, Varizelle zoster) allesamt negativ aus. Wegen der dramatischen Verschlechterung des Zustands des Patienten entschied man sich am Tag 12 nach Aufnahme für eine offene Lungenbiopsie. Das dabei gewonnene Material zeigte ein ubiquitäres pathologisches Muster wie es für eine AFOP typisch ist, mit Fibrin- und Hemosiderinablagerungen in den Alveolarräumen bei dem Bild einer organisierenden Pneumonie. Histologisch ist die Abgrenzung zum diffusen Alveolarschaden, zur Hypersensitivitätspneumonitis, zur eosinophilen Pneumonie und zur kryptogen organisierenden Pneumonie relevant (Beasley MB et al. Arch Pathol Lab Med 2002; 126: 1064 – 1070, Hariri LP et al. Pathol Int 2010; 60: 755 – 759). In der Diskussion steht, ob die AFOP eine Sonderform des diffusen Alveolar-

Abb. 4 23 Tage nach Aufnahme zeigt eine abschließend durchgeführte CT-Untersuchung die nahezu vollständige Auflösung aller Infiltrate mit nur noch vereinzelten subpleuralen Noduli.

schadens darstellt (Hariri LP et al. Pathol Int 2010; 60: 755 – 759).

Diskussion !

Das initiale Röntgenbild zeigte ein kleinfleckiges Infiltrationsmuster in beiden Lungenkernen. Spätere CT-Untersuchungen dokumentierten eine uniforme Ausbreitung zentrilobulärer Milchglasverschattungen über beide Lungen. Auch wenn ähnliche Veränderungen beschrieben sind (Lee SM et al. Korean J Intern Med 2009; 24: 156 – 159) so wurden bei Patienten mit AFOP am häufigsten fleckig bis flächige pneumonische Konsolidierungen mit Milchglas beobachtet (Valim V et al. Case Report. Rheumatol 2012; 2012: 549298, Mittal V et al. Singapore Med J 2011; 52: e88 – 90). In der Erstbeschreibung gibt es lediglich Angaben zur Erscheinungsform im konventionellen Röntgenbild, die bei verschiedenen Patienten sehr unterschiedlich ausfielen (Beasley MB et al. Arch Pathol Lab Med 2002; 126: 1064 – 1070). Bei dem hier beschriebenen, jungen Patienten ohne pulmonale Vorerkrankungen zeigt die AFOP möglicherweise ein frühes Erscheinungsmuster, ohne flächige Verschattungen. Alle bisher beschriebenen

Fälle traten bei deutlich älteren Patienten mit diversen Vorerkrankungen auf. Sobald die Diagnose AFOP histologisch gesichert war, begann die Therapie mit 100 mg Prednisolon i. v., gefolgt von einer oralen Gabe von 40 mg Prednisolon/Tag. In den folgenden 10 Tagen litt der Patienten an einer CO2-Retention, einem Nierenversagen und Bluthochdruck. Am 20. Tag nach Aufnahme wurde ein Cyclophosphamidstoß (700 mg/m²) verabreicht. Im Verlauf der folgenden Tage kam es zu einer leichten Verbesserung des klinischen Zustandes. Eine CT-Untersuchung an Tag 23 nach Aufnahme zeigte die nahezu komplette Regredienz der pulmonalen Infiltrate mit nur noch vereinzelten subpleuralen No" Abb. 4). An Tag 29 nach Aufnahme duli (● hatte sich sein Zustand so weit stabilisiert, dass die invasive Beatmung beendet wurde. Bereits eine Woche später konnte der Patient aus der stationären Versorgung entlassen werden. Bei Entlassung litt er immer noch an leichtem Bluthochdruck, der oral therapiert wurde. Seine Nierenfunktion hatte sich erholt. Er erhielt weiterhin 40 mg Prednisolon/Tag, eine Dosis die in den folgenden Monat um jeweils 10 mg pro Monat ausgeschlichen wurde. Eine CT-Untersuchung 8 Monate später zeigte vollkommen unauffälliges Lungenparenchym ohne Nachweis von Fibrosezeichen. In der Echokardiografie gab es keinen Anhalt für Rechtsherzbelastungszeichen. Nichtsdestotrotz leidet der Patient bis heute unter Belastungsdyspnoe und einer reduzierten Diffussionkapazität. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Bildgebung in der primären Diagnostik der AFOP bei klinischem Verdacht hilfreich sein kann, letztlich aber auch alle anderen atypischen Veränderungen ursächlich vorliegen können. Zur Verlaufsbeurteilung einer histologisch gesicherten AFOP ist die Bildgebung insbesondere via Low-dose-CT nützlich. A.G. Bach, B. Wollschläger, H.J. Holzhausen, A. Surov, Halle

Bach AG et al. Zunehmende Luftnot nach … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 803–804 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1356144

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[Increased dyspnea after airbag rupture].

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