Schwerpunkt: Zufallsbefunde – Bildgebende Verfahren Internist 2014 · 55:1019–1025 DOI 10.1007/s00108-014-3452-7 Online publiziert: 8. August 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Schwerpunktherausgeber

C. Vogelmeier, Marburg

Derzeit gibt es weder in Deutschland noch in den USA eine umfassende Regelung zum Umgang mit radiologischen Zufallsbefunden. Zahlreiche Publikationen erörtern zwar ethische, juristische, medizinische und pragmatische Fragen des besten Managements von Zufallsergebnissen, einheitliche Vorgehensweisen und Leitlinien existieren bislang jedoch nur vereinzelt. Aktuell werden einige große Kohortenstudien initiiert, die eine umfassende magnetresonanztomographische (MRT) Ganzkörperbildgebung an Tausenden von Probanden beinhalten, so etwa die Nationale Kohorte in Deutschland oder die UK Biobank in Großbritannien. Eine der großen Herausforderungen wird in diesem Kontext der Umgang mit Zufallsbefunden sein. Seit den Anfängen der Diagnostik beschäftigen Radiologen sich auch mit Zufallsbefunden. Deren Inzidenz und Relevanz werden daher in der radiologischen und epidemiologischen Fachliteratur seit langer Zeit diskutiert. Seit einigen Jahren sind allerdings ein wachsendes Interesse und eine stärkere Beschäftigung mit diesem Thema zu beobachten. Hierfür gibt es zwei wesentliche Gründe: F Die Zahl der Zufallsbefunde nimmt zu. F Mit dem verstärkten Auftreten von Zufallsbefunden scheint die ethische Problematik evidenter zu werden. Verantwortlich für die Zunahme von Zufallsbefunden sind die Etablierung und der breite Einsatz moderner bildgebender Verfahren, insbesondere der MRT und Computertomographie (CT) in der

S. Weckbach · C.L. Schlett · R.C. Bertheau · H.-U. Kauczor Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Heidelberg

Der radiologische Zufallsbefund Schnittbilddiagnostik. Beide Techniken erlauben eine Akquisition von großen Bilddatensätzen in kurzer Zeit und sind insoweit „problematisch“, als sie mit hoher Auflösung und exzellentem Weichteilkontrast neben dem eigentlichen Zielorgan auch benachbarte Organsysteme abbilden, in denen dann Zufallsbefunde möglich sind.

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Zufallsbefunde beeinflussen das Leben der betroffenen Personen direkt Eine Sonderform ist der Einsatz von MRT oder CT in populationsbasierten Studien, in denen Probanden ohne klinische Indikation für Forschungsfragestellungen CT- oder MRT-Untersuchungen unterzogen werden. Beispiele sind die Rotterdam-Studie mit 2000 MRT-Untersuchungen des Kopfs [8], die Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis (MESA) mit etwa 6000 kardialen MRT- und CT-Untersuchungen [2] oder die Framingham Heart Study mit etwa 5000 Herz-CT-Untersuchungen [20]. Während in den ersten Studien primär nur ein spezifisches Organsystem untersucht wurde, z. B. mit MRTProtokollen des Kopfs oder Herzens, hat bedingt durch technische Innovationen die Anzahl der untersuchten Organsysteme in populationsbasierten Studien zugenommen. Aktuell werden Ganzkörper-MRT-Protokolle angewendet, u. a. in der Study of Health in Pomerania (SHIP; [23]) oder der UK Biobank [17]. Auch in dem derzeit beginnenden deutschlandweiten BMBF-Projekt Nationale Kohorte werden 30.000 Teilnehmer eine Ganzkörper-MRT erhalten. Bedingt durch diese höchst sensitive Untersuchungstech-

nik, die große Teile des Körpers abbildet, und aufgrund des Umstands, dass subjektiv gesunde Probanden untersucht werden, kam verstärkt die Frage nach einem angemessenen Umgang mit Zufallsbefunden in populationsbasierten Studien auf. Es ist unstrittig, dass Zufallsbefunde einen direkten Einfluss auf das Leben der betroffenen Personen haben können, einschließlich einer weiterführenden, auch invasiven, Diagnostik und der sich anschließenden Therapie. Dabei spielen nicht nur psychosoziale Aspekte wie Sorgen und Ängste wegen falsch-positiver Befunde eine Rolle. Auch versicherungsrechtliche oder berufliche Probleme können auftreten.

Definition Zufallsbefund Radiologische Zufallsbefunde sind alle Ergebnisse bzw. Beobachtungen, die sich im Rahmen des Einsatzes einer radiologischen Diagnostik ergeben und potenziell die Gesundheit des Untersuchten betreffen, ohne dass der Einsatz der verwendeten diagnostischen Mittel auf entsprechende Feststellungen hinzielte. Im englischen Sprachgebrauch wird der Zufallsbefund als „incidental finding“ bezeichnet.

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Zufallsbefunde haben eine bestimmte Häufigkeit und sind nicht vollkommen unerwartet Zufallsbefunde in diesem Sinn können sowohl bei der Abklärung einer bereits vermuteten Erkrankung als auch im Rahmen von Forschungsprojekten auftreten. Sie können sich aber auch dann ergeben, wenn beispielsweise MRT-Aufnahmen für einen Anatomieatlas akquiriert werDer Internist 9 · 2014 

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Schwerpunkt: Zufallsbefunde – Bildgebende Verfahren

Abb. 1 8 Beispiele von Zufallsbefunden. a Solider Lungenrundherd in der CT, je nach Größe und Risikoprofil des Patienten sind weitere Follow-up-Untersuchungen und ggf. eine invasive Abklärung nötig. b Lobus venae azygos in der CT, als Normvariante ohne klinische Relevanz ein typischer Zufallsbefund. c Zystische Läsion im Pankreaskopf in der MRT, erfordert eine Follow-up-Untersuchung und je nach Größe eine weiterführende invasive Abklärung. d Arachnoidalzyste, ein häufiger Zufallsbefund in der MRT des Neurokraniums. e, f Myelolipom der Nebenniere in der MRT, in diesem Fall ist die MRT beweisend und keine weitere Abklärung nötig (s. auch . Tab. 1; e T1w „in phase“, hyperintenses Signalverhalten; f T1w „opposed phase“, hypointenses Signalverhalten). CT Computertomographie; MRT Magnetresonanztomographie

Zufallsbefund

Mit klinischer Relevanz

Relevanz – hoch – moderat – niedrig

Ohne klinische Relevanz

Klinische Relevanz unklar

Akut vs. nicht-akut

Abb. 2 8 Einteilung von Zufallsbefunden hinsichtlich ihrer klinischen Relevanz. Diese Einteilung hat sich im Forschungssetting mit Schnittbildgebung durchgesetzt. Zufallsbefunde mit klinischer Relevanz können darüber hinaus in Befunde mit niedriger, moderater oder hoher Relevanz oder in Befunde mit akutem bzw. nichtakutem Charakter eingeteilt werden

den oder Freiwillige als Show-Probanden in der Ultraschalldiagnostik untersucht werden. Die in der Literatur häufige Aussage, bei Zufallsbefunden handele es sich um unerwartete Befunde, ist missverständlich. Sie trifft den Sachverhalt nicht exakt, da Zufallsbefunde mit einer bestimmten Häufigkeit auftreten und somit nicht voll-

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Der Internist 9 · 2014

kommen unerwartet sind. Insbesondere bei der Verwendung hochauflösender Schnittbildverfahren im Rahmen großer medizinischer (Kohorten-)Studien muss mit einer recht hohen Inzidenz neu detektierter Zufallsbefunde mit möglicher klinischer Relevanz gerechnet werden, deren Erhebung nicht im Fokus der Untersuchung steht. In der wissenschaftlichen

Literatur hat sich eine Charakterisierung des Begriffs „Zufallsbefund“ durch drei Bedingungen etabliert [24, 25]: 1. Zufallsbefunde treten bei Probanden innerhalb einer medizinischen Studie auf. 2. Zufallsbefunde betreffen potenziell die Gesundheit des Probanden. 3. Die Erhebung der Zufallsbefunde ist im Rahmen der Studienzielsetzung nicht intendiert. Als Synonym und wegen des Studienoder Forschungscharakters oft zutreffender werden die Begriffe „Zufallsergebnis“ und „Zufallsbeobachtung“ verwendet, da in Studien häufig keine klinische Befundung erfolgt.

Kategorien von Zufallsbefunden Das klassische Beispiel eines inzidentellen radiologischen Befunds, das die Zufälligkeit der Entdeckung sogar im Namen enthält, ist das sog. Inzidentalom, eine bis dato unbekannte Raumforde-

Zusammenfassung · Abstract rung der Nebenniere. Andere häufige Zufallsbefunde sind pulmonale Rundherde (engl. „pulmonary nodules“), die in der CT des Thorax gesehen werden (Beispiele in . Abb. 1). Zufallsbefunde können bedeutungslos sein, wenn es sich beispielsweise um anatomische Normvarianten ohne Krankheitswert wie einen Lobus venae azygos handelt (. Abb. 1). Es können jedoch auch ernsthafte Erkrankungen gefunden werden, so etwa maligne Tumoren. Sowohl im klinischen Alltag als auch in einem Forschungssetting hat sich die Einteilung der Zufallsbefunde nach ihrer klinischen Relevanz in drei Kategorien durchgesetzt (. Abb. 2): F Klinische Relevanz gegeben F Keine klinische Relevanz gegeben F Klinische Relevanz unklar Zufallsbefunde mit klinischer Relevanz können weiter in Befunde mit niedriger, moderater oder hoher Relevanz eingestuft werden. Eine weitere Kategorisierung der Befunde mit hoher Relevanz unterteilt diese in akute bzw. nicht akute Zufallsbefunde. Dabei ist „akut“ so definiert, dass eine zeitnahe medizinische Therapie bzw. Intervention von Nöten ist, um Lebensgefahr für den Untersuchten abzuwenden. Schnittbildverfahren wie die CT und insbesondere die MRT sind in der indikationsgerechten klinischen Untersuchung mit Verdacht auf bestimmte Befunde äußerst sensitive Untersuchungsmethoden, für einige Körperbereiche allerdings auch wenig spezifisch. Die Spezifität von Befunden verringert sich im nichtklinischen Studienansatz ohne klinische Indikation und damit ohne zielgerichtete Sequenzauswahl (häufig auch ohne Kontrastmittelgabe) weiter. Je geringer die bildmorphologische Spezifität, desto unklarer der Befund. Dies wird durch die fehlende Anamnese bzw. Symptomatik des Probanden im Rahmen von epidemiologischen Studien oder in Screening-Untersuchungen verstärkt. Entsprechend ist oft weder eine gezielte differenzialdiagnostische Angabe noch eine eindeutige Einteilung in die o. g. Kategorien möglich.

Internist 2014 · 55:1019–1025  DOI 10.1007/s00108-014-3452-7 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 S. Weckbach · C.L. Schlett · R.C. Bertheau · H.-U. Kauczor

Der radiologische Zufallsbefund Zusammenfassung Als radiologische Zufallsbefunde gelten alle Befunde, die sich im Rahmen einer medizinischen radiologischen Diagnostik ergeben und die potenziell die Gesundheit des Untersuchten betreffen, ohne dass eine entsprechende Befunddetektion beabsichtigt war. Die Zahl der Zufallsbefunde nimmt zu, einerseits aufgrund der breiteren Anwendung moderner bildgebender Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie in der klinischen Routine, andererseits wegen des Einsatzes der wissenschaftlichen Ganzkörper-MRT-Bildgebung in großen populationsbasierten Kohortenstudien. Daraus resultiert ein breiteres Interesse an der Thematik. Die Beschreibung eines unerwarteten radiologischen Befunds kann Anlass zu einer weiteren Diagnostik und Therapie geben. Das Management von Zufallsbefunden im klinischen Alltag richtet sich nach den Leitlinien der verschiedenen Fachgesellschaften. Der Umgang mit Zufallsbefunden in der radiologischen Forschung unter-

scheidet sich vom klinischen Setting in Faktoren wie dem Studiendesign, der Untersuchung subjektiv gesunder Probanden und der Anwendung nichtdiagnostischer Untersuchungssequenzen. Aus medizinischer Sicht ist die Mitteilung von Zufallsbefunden in der radiologischen Forschung insbesondere notwendig, wenn klinisch potenziell relevante Befunde weiter abgeklärt werden müssen oder therapeutische Konsequenzen aus einer Mitteilung resultieren. Diese Übersichtsarbeit erörtert die Thematik radiologischer Zufallsbefunde im klinischen Alltag und in radiologischen Studien und gibt eine kurze Zusammenfassung von Managementempfehlungen für häufige Zufallsbefunde. Schlüsselwörter Zufallsergebnisse ·   Ganzkörpermagnetresonanztomographie · Klinisches Setting · Populationsbasierte   Kohortenstudien · Epidemiologie

Incidental radiological findings Abstract All findings which arise in the context of radiological diagnostics, potentially affect the health of a subject but with no intention to detect the corresponding finding are considered to be incidental radiological findings (IF). The prevalence of IFs is increasing due to the wider use of modern imaging techniques, such as magnetic resonance imaging (MRI) and computed tomography (CT) in routine clinical practice and the inclusion of imaging, such as whole body MRI in large populationbased cohorts. The reporting of radiological IFs can lead to further diagnostics and treatment. The management of IFs in the clinical routine is regulated by the guidelines of the various academic societies. The management of IFs in the setting of research studies differs

Häufigkeit von Zufallsbefunden Die angegebenen Häufigkeiten von Zufallsbefunden schwanken mit 3–34% deutlich. Sie hängen von vielen Faktoren ab, im Wesentlichen von Anzahl und Alter der untersuchten Patienten bzw. Probanden [12, 14]. Eine entscheidende Rolle spielt des Weiteren, welches Schnittbildverfahren

depending on various factors, such as study design and health status of enrolled subjects. In general, IFs must be disclosed to the subject if the radiological IFs are potentially clinically relevant; however, subjects must also be protected from the consequences of false positive findings. This review article discusses radiological IFs in the setting of the clinical routine and research studies and provides a basic summary of the management recommendations for commonly occurring IFs. Keywords Incidental results · Magnetic resonance   imaging, whole body · Clinical setting ·   Population-based cohort studies · Epidemiology

für welches Organsystem eingesetzt wird. Beispielsweise wird eine hochauflösende CT des Thorax zu mehr pulmonalen Zufallsbefunden führen als eine thorakale MR-Angiographie, in der kleine Lungenrundherde nicht sichtbar sind. Letztlich gibt es aktuell keine einheitliche Nomenklatur und Klassifikation von Zufallsbefunden, was eine Vergleichbarkeit der Häufigkeit zwischen verschiedenen StuDer Internist 9 · 2014 

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Schwerpunkt: Zufallsbefunde – Bildgebende Verfahren Tab. 1  Häufigste Zufallsbefunde pro Organsystem und aktuelle Empfehlungen zum Management klinischer Patienten Körperregion Thorax

Typische Zufallsbefunde (asymptomatisch) Solider Lungenrundherd

Prinzipielle Klassifikationskriterien ≤4 mm 5–6 mm 7–8 mm >8 mm

Thorax

Subsolider Lungenrundherd

Abdomen

Zystische Nierenläsion

Abdomen

Solide Nierenläsion

Abdomen

Raumforderung der Nebenniere

Abdomen

Zystische Pankreasläsion

Becken

Einfache Ovarialzyste

Becken

Eingeblutete Ovarialzyste

Gefäße

Abdominales Aortenaneurysma

≤5 mm, singulärer Milchglasnodulus >5 mm oder semisolide oder multiple Läsionen Bosniak I, II Bosniak IIF Bosniak III, IV 1 cm Myelolipom, Adenom, einfache Zyste Unklare Läsion, 1–4 cm Unklare Läsion, >4 cm ≤3 cm (plus unauffälliges Labor) >3 cm Prämenopausal, ≤5 cm Postmenopausal, ≤1 cm Prämenopausal, ≤5 cm Postmenopausal, ≤1 cm ≤5 cm >5 cm 4,4 cm

Empfehlungskonzept

Leitlinien/Referenzen

Nur FU (CT, 12 Monate), wenn Hoch- „Guidelines for management of small risikopatienten pulmonary nodules detected on CT scans: a statement from the Fleischner FU mittels CT in 6–12 Monaten abSociety“ [13] hängig vom Risikoprofil FU mittels CT in 3–6 Monaten abhängig vom Risikoprofil FU mittels CT in 3, 9, 24 Monaten; ggf. PET oder Biopsie Kein FU „Recommendations for the management of subsolid pulmonary nodules detected at CT: a statement from the In der Regel FU mit HR-CT nach Fleischner Society“ [15] 3 Monaten, danach nach Größe und Typ Ignorieren „Management of the incidental renal mass“ [19] FU, Zeitintervall abhängig vom Risikoprofil Operative Evaluation FU „Management of the incidental renal mass“ [19] In der Regel Intervention Kein FU „Managing incidental findings on abdominal CT: white paper of the ARC FU oder weiterführende Bildgebung Incidental Findings Committee“ [1] (MRT, PET) PET, Biopsie, chirurgische Evaluation FU (vorrangig mit MRT) „Managing incidental findings on abdominal CT: white paper of the ARC Incidental Findings Committee“ [1] Biopsie, chirurgische Evaluation Kein FU „Management of asymptomatic ovarian and other adnexal cysts imaged at US: Society of Radiologists in Ultrasound Kein FU Consensus Conference Statement“ [11] FU oder weiterführende Bildgebung (MRT) FU oder weiterführende Bildgebung (MRT) Kein FU „Management of asymptomatic ovarian and other adnexal cysts imaged at US: Kurzzeitiges FU (US) Society of Radiologists in Ultrasound Consensus Conference Statement“ [11] Kein FU „Managing incidental findings on abdominal and pelvic CT and MRI, part 2: FU, 3- bis 5-Jahres-Intervall white paper of the ACR Incidental FU, 1- bis 2-Jahres-Intervall Findings Committee II on vascular Kurzfristiges FU oder ggf. chirurgifindings“ [10] sche Therapie

Die aufgeführten Empfehlungskonzepte sind stark vereinfacht. Im Einzelfall müssen sie in den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften verifiziert werden. Des Weiteren kann es in Abhängigkeit von individuellen Patienteneigenschaften nötig sein, von den Leitlinien abzuweichen.FU Follow-up; CT Computertomographie, HR-CT High-resolution-Computertomographie (hochauflösende CT); MRT Magnetresonanztomographie; PET Positronenemissionstomographie; US Ultraschall.

dien erschwert. Unter diesen Limitationen muss die Metaanalyse von Lumbreras et al. [12] interpretiert werden, die 41 Publikationen mit einer medianen Studiengröße von 496 Patienten in ihre Analyse eingeschlossen hat – primär klinische Studien mit Anwendung der CT (59%). Die

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mittlere Häufigkeit von Zufallsbefunden lag in der Metaanalyse bei 24% [95%-Konfidenzintervall (KI): 16–31%]. Die häufigste Verdachtsdiagnose waren „Raumforderungen“ (18%) gefolgt von Erkrankungen des urogenitalen oder gastrointestinalen Systems (16%). Morris et al. [14] fanden

in einer spezifischen Metaanalyse von Zufallsbefunden in der kranialen MRT unter Einschluss von 16 Studien mit insgesamt 19.559 Probanden nur eine Prävalenz von 2,7%. Dabei waren Arachnoidalzysten der häufigste singuläre Zufallsbefund (0,5%;

95%-KI: 0,2–0,9%) gefolgt von Aneurysmen (0,4%; 95%-KI: 0,1–0,7%). Unabhängig von der Altersverteilung der untersuchten Patienten bzw. Probanden und der untersuchten Körperregion gibt es keine einheitliche Richtlinie, wie mit Zufallsbefunden in Studien umgegangen werden soll. Exemplarisch soll hier auf die Rotterdam-Studie und SHIP eingegangen werden. Im Rahmen der Rotterdam-Studie wurden 2000 Einwohner im Alter von 45 bis 97 Jahren mit einem standardisierten Kopf-MRT-Protokoll untersucht. Die Aufnahmen wurden von einem Radiologen ohne Kenntnis der Anamnese beurteilt. Alle fraglich auffälligen Befunde wurden von zwei erfahrenen Neuroradiologen überprüft. Histologische oder andere invasive Untersuchungen wurden nicht durchgeführt. Insgesamt wurden 271 Zufallsbefunde beschrieben (14%). Bei 145 Probanden (7%) und damit am häufigsten fanden sich asymptomatische Hirninfarkte. Weitere relativ häufige Zufallsbefunde waren zerebrale Aneurysmen (2%) und gutartige primäre Tumoren (2%), hauptsächlich Meningeome. Bei einer Person wurde ein fragliches niedriggradiges Gliom entdeckt. Die Prävalenz asymptomatischer Hirninfarkte und Meningeome sowie das Volumen von Läsionen der weißen Substanz nahmen mit dem Alter der Untersuchten zu, Aneurysmen hingegen wiesen keine altersabhängige Zunahme auf [22].

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Die Häufigkeiten von Zufallsbefunden schwanken stark und hängen von vielen Faktoren ab Bei der Ganzkörper-MRT scheint die Inzidenz von Zufallsergebnissen höher. Im Rahmen von SHIP, einer der aktuellen großen epidemiologischen Kohortenstudien in Deutschland, werden an der Universität Greifswald Untersuchungen nach einem sehr ausführlichen Ganzkörperprotokoll durchgeführt. Bei 904 von 2500 Probanden mit einem durchschnittlichen Alter von 53 Jahren fanden sich insgesamt 1330 Zufallsergebnisse von potenzieller Relevanz (36%; [6]). Im Ganzen wurden 1052 dieser Ergebnisse (79%) von einem interdisziplinären Advisory Board

bestätigt und 787 Probanden (32%) mitgeteilt. Am häufigsten wurden Zufallsergebnisse im Abdomen (7%), in den ableitenden Harnwegen (7%) und im Skelettsystem (6%) entdeckt. 36% der Befunde wurden als benigne beschrieben, 6% als maligne. Die Dignität der meisten Befunde (58%) war in der MRT unklar. Neun Befunde wurden als akut beschrieben: 4 akute Hirninfarkte, 2 Hirntumoren, ein subdurales Hämatom mit Hirndruckzeichen, eine Lobärpneumonie und eine akute Femurhalsfraktur. Die insgesamt häufigsten Zufallsbefunde in SHIP waren Prostatahyperplasien und -tumoren (8%) und kontrollbedürftige bzw. abklärungswürdige Mammaläsionen [Breast Imaging Reporting and Data System (BI-RADS) ≥3: 18%], die in der kontrastverstärkten MR-Mammographie detektiert wurden. Die häufigsten Entitäten in der nativen Ganzkörper-MRT waren mit 5% komplexe Nierenzysten (>Bosniak 2F) und Nierentumoren. In aktuellen Kohortenstudien wie der Nationalen Kohorte, UK Biobank oder der Kooperativen Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA) gab es Bestrebungen, die Erfassung der Zufallsergebnisse zu harmonisieren. Obwohl dies nur in Teilen gelungen ist, erhofft man sich von der Auswertung dieser Daten zuverlässige Aussagen zu Häufigkeitsverteilungen von Zufallsbefunden in der Allgemeinbevölkerung sowie in spezifischen Subgruppen.

Konsequenzen von Zufallsbefunden Die medizinische Berücksichtigung von Zufallsbefunden resultiert aus der ethischen Verantwortung des Arztes, in Studien zum Wohle des Patienten bzw. des Probanden zu agieren. Dies basiert auf der Annahme, dass die aus dem Zufallsbefund zu erwartende symptomatische Erkrankung durch eine entsprechende Therapie abgewendet werden kann. Die Beschreibung eines unerwarteten radiologischen Befundes kann zusätzliche medizinische Vorgänge initiieren, einschließlich einer weiteren und ggf. auch invasiven Diagnostik und Therapie, die bei falsch-positiven Befunden letztendlich unnötig sind. Darüber hin-

Schwerpunkt: Zufallsbefunde – Bildgebende Verfahren aus entsteht durch eine weiterführende Diagnostik und Therapie ein zusätzliches Risiko für den Patienten/Probanden, was mit Ängsten, Nebenwirkungen und einer Einschränkung der Lebensqualität verbunden sein kann. Neben diesen individuellen Folgen sind auch gesundheitsökonomische Aspekte zu beachten. In longitudinalen Kohortenstudien ist zu bedenken, dass die Beobachtung der natürlichen Krankheitsentwicklung („natural history“) durch die Mitteilung von Zufallsbefunden und anschließende weiterführende Maßnahmen verfälscht und so der wissenschaftliche Wert des Projekts beeinträchtigt werden kann. Dies darf sich aber aus ethischen Gründen nicht nachteilig für die Studienteilnehmer auswirken.

Klinisches Management von häufigen Zufallsbefunden Das Management von Zufallsbefunden im klinischen Setting richtet sich nach den Leitlinien der verschiedenen Fachgebiete, soweit diese vorhanden sind. Am bekanntesten sind die Leitlinien der Fleischner Society zum Umgang mit Lungenrundherden [9, 13] und die Konsensuskonferenz der Society of Radiologists in Ultrasound zu Schilddrüsenknoten [4] und zur Bildgebung der Karotiden [5]. Bei zystischen Nierenläsionen geben wie auch in der klinischen Routinediagnostik die Bosniak-Kriterien Hilfestellung [3]. Das 2010 publizierte „white paper“ des American College of Radiology (ACR) Incidental Findings Committee und die anschließenden Fortschreibungen geben darüber hinaus Empfehlungen für das Management von Zufallsbefunden in der Abdomen-CT [1, 7, 10, 16, 18]. Die Empfehlungen für die häufigsten Zufallsbefunde sind in . Tab. 1 zusammengefasst.

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Das Management von Zufallsbefunden im klinischen Setting richtet sich nach den vorhandenen Leitlinien Die Empfehlungen resultieren meist aus Beobachtungen, wie häufig solche Zufallsbefunde maligne sind oder in welchem Zeitintervall sie entarten. Primär aus ethi-

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schen Gründen gibt es nur wenige verifizierende Studien hinsichtlich des Nutzens der empfohlenen Behandlungsimplikationen. Trotzdem sollte im klinischen Alltag den Leitlinien der Fachgesellschaften gefolgt werden.

Umgang mit Zufallsbefunden in der radiologischen Forschung Das Management von Zufallsbefunden in der radiologischen Forschung unterscheidet sich vom klinischen Alltag in vielerlei Hinsicht, z. B. wegen des Studiendesigns, der Untersuchung subjektiv gesunder Probanden oder der Anwendung nichtdiagnostischer Untersuchungssequenzen. Aus medizinischer Sicht sind Zufallsbefunde insbesondere dann mitzuteilen, wenn potenziell klinisch relevante Befunde abgeklärt werden müssen oder therapeutische Konsequenzen aus einer Mitteilung resultieren. Im Vergleich zum klinischen Alltag sollte das Risiko von negativen Konsequenzen bei falsch-positiven Zufallsbefunden umso stärker gewertet werden, je gesünder die Kohorte der eingeschlossenen Probanden (subjektiv) ist. Diese Handhabung leitet sich vom medizinischem Grundsatz „primum non nocere“ ab. Entsprechend muss für jede Studie individuell definiert werden, ob und, wenn ja, welche Zufallsergebnisse den Teilnehmern mitgeteilt und wie diese übermittelt werden. Die Studienteilnehmer müssen ausführlich aufgeklärt werden, auch über die potenziellen Risiken von möglichen Zufallsbefunden. Auch das Recht auf Nichtwissen muss gewahrt werden. Wenn ein Studienteilnehmer in keinem Fall über einen möglichen Zufallsbefund informiert werden will, kann dies u. U. auch schwerwiegende Befunde einschließen, die eine weitere Diagnostik oder Therapie erforderlich machen würden. Das Recht auf Nichtwissen kann aber auch dadurch gewahrt werden, dass Probanden, die nicht über Zufallsergebnisse informiert werden möchten, von der Bildgebung bzw. der gesamten Studie ausgeschlossen werden. Begründet ist dies durch Zufallsbefunde, die eine unmittelbare Gefahr für Dritte darstellen können. Ein Beispiel sind neurologische Befunde mit einem hohen Risiko

für Krampfanfälle, die u. a. beim Autofahren zu Unfällen führen können. In großen Studienpopulationen sind auch seltene Befunde zu erwarten, für die aufgrund der hohen Anzahl möglicher Befundkonstellationen a priori keine Vorgehensweise definiert wurde. Für diese Fälle wurde etwa in SHIP ein Advisory Board eingerichtet, das aus klinischen Radiologen, Fachärzten für die betroffenen Organbereiche, Epidemiologen und Experten für Medizinethik besteht. Es legt Regeln für die Mitteilung dieser seltenen Befunde fest und entscheidet über das Vorgehen. In einem Bericht des Royal College of Radiologists aus Großbritannien ist diese komplexe Thematik zusammengefasst. Zudem werden Empfehlungen für verschiedene Studientypen gegeben [21].

Fazit für die Praxis F Das Management von Zufallsbefunden in der klinischen Routine richtet sich nach den Leitlinien der verschiedenen Fachgesellschaften. Die Empfehlungen für die häufigsten Zufallsbefunde sind in . Tab. 1 zusammengefasst. F Der Umgang mit Zufallsbefunden in der wissenschaftlichen Bildgebung unterscheidet sich vom Management im klinischen Alltag. F Eine Notwendigkeit zur Mitteilung von Zufallsbefunden besteht insbesondere dann, wenn potenziell klinisch relevante Befunde weiter abgeklärt werden müssen oder therapeutische Konsequenzen aus einer Mitteilung resultieren. F Vor jeder Studie muss individuell definiert werden, welche Zufallsergebnisse den Teilnehmern mitgeteilt werden. F Im Vergleich zur klinischen Routine sollte in Studien das Risiko negativer Konsequenzen bei falsch-positiven Zufallsbefunden stärker gewertet werden. F Studienteilnehmer müssen ausführlich aufgeklärt werden, auch über die potenziellen Risiken möglicher Zufallsbefunde.

Korrespondenzadresse PD Dr. S. Weckbach Diagnostische und   Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum   Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg sabine.weckbach@med.  uni-heidelberg.de

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  S. Weckbach, C.L. Schlett, R.C. Bertheau und H.-U. Kauczor geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Incidental radiological findings].

All findings which arise in the context of radiological diagnostics, potentially affect the health of a subject but with no intention to detect the co...
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