Maichow u. a.: Cimetidin beim Ulcus duodeni

Nr. 4, 27. Januar 1978, 103. Jg.

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Originalien

Dn

Cimetidin in der stationären Behandlung des peptischen Ulkus

In-patient treatment of peptic ulcer with cimetidine. I. Effect on duodenal ulcer healing

I. Wirkung auf die Heilung des Ulcus duodeni*

The effect of 300 mg cimetidine q.i.d. on ulcer healing was studied in a controlled doubleblind clinical trial of 71 inpatients with duodenal ulcer. Healing occurred in 48.5°/o of patients in the cimetidine group after two weeks, and in 20.60/o in the placebo group (P < 0.05). The healing rate was 88°/o n the cimetidine group at four weeks, 79.4°/o in the placebo group. Only during the first day was ulcer pain significantly reduced in the cimetidine-treated patients. Neither basal nor pentagastrinstimulated acid and pepsin secretions were affected by 17-day administration of cimetidine. The drug had to be withdrawn in two patients because of elevated serumcreatinine levels. There was no other untoward effect.

H. Maichow, K.-F. Sewing, M. Albinus,

B.

Horn, H. Schomerus und W. Dölle

Medizinische Klinik, Abteilung I (Direktor: Prof. Dr. W. Dölle), und Pharmakologisches Insritut (Direktor: Prof. Dr. M. Siess) der Universität Tübingen

In einer Doppelblindstudie an 71 stationären Patienten mit Ulcus duodeni wurde die Wirksamkeit von Cimetjdin in einer Dosis von 1200 mg/d mit Placebo über einen Zeitraum von 6 Wochen verglichen, von denen vier nicht ausgewertet werden konnten. Alle Patienten erhielten obligat als Antacidum täglich 3 g Dimagnesiumaluminiumtrisilikat. Die Abheilung wurde in kurzen Abständen endoskopisch kontrolliert. Nach 14 Tagen waren unter Cimetidin 16 von 33, unter Placebo nur sieben von 34 Ulzera geheilt (P < 0,05). Nach 4 Wochen war die Heilungsrate fast gleich (n = 29 bzw. 27). Nur am ersten Behandlungstag hatte Cimetidin einen statistisch signifikanten Einfluß auf den Ulkusschmerz. Eine Langzeitwirkung von Cimetidin auf die Säure- und Pepsinsekretion wurde nicht beobachtet. Bei zwei Patienten wurde Cimetidin wegen Anstiegs der Kreatininkonzentrationen im Serum abgesetzt. Nach den bisher veröffentlichten kontrollierten Studien kann als gesichert angesehen werden, daß das Ulcus duodeni bei ambulanten Patienten unter Cimetidin schneller als unter Placebo abheilt (2, 3, 5, 6, 8). Anders ist die Situation bei stationären Patienten. Hierzu liegt nur eine kontrollierte Studie an zwölf Patienten vor (4). Aus diesem Grunde wurde eine prospektive, randomisierte Doppelblindstudie durchgeführt, die zum Ziel hatte, die Wirkung von Cimetidin auf die Ulkusheilung, den Ulkusschmerz sowie die basale und pentagastrinstimulierte Magensekretion bei stationären Patienten zu prüfen.

Patienten und Methodik Patienten. Die Untersuchung wurde nach Aufklärung und Einholung einer Einverständniserklärung an Patienten durchgeführt, die wegen ihrer Ulkuskrankheit in die Klinik eingewiesen worden waren oder deren Ulkus im Laufe des Krankenhausaufenthaltes entdeckt worden war. Folgende Patientengruppen wurden nicht berücksichtigt: 1. schwangere, 2. Patienten mit anderen gastrointestinalen Erkrankungen, 3. Patienten, bei denen das Ulkus durch Perforation, schwere Blutung oder deutliche Pylorusstenose kompliziert war, 4. Nierenoder Lebererkrankungen in der Anamnese, S. Patienten, bei denen *

Die Untersuchungen wurden mit freundlicher Unterstützung der Firma Smith Kline & French Ltd., Weiwyn Garden City, durchgeführt.

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eine begleitende Erkrankung die Prüfung eines neuen Therapieverfahrens nicht zuließ, und 6. Patienten mit einem Streßulkus. Alle eingewiesenen Patienten, die den Kriterien entsprachen, wurden in die Studie aufgenommen. Der stationäre Aufenthalt betrug im allgemeinen 28 Tage, in Ausnahmefällen weniger (auf jeden Fall bis zur Abheilung des Ulkus) oder mehr. Für den doppeiblinden Vergleich von Cimetidin mit Placebo wurden die Patienten in randomisierter Reihenfolge der Cimetidin- oder Placebo-Gruppe zugeordnet. Medikamente und Dosis. Die Patienten erhielten für 6 Wochen viermal täglich, nach dem Frühstück, Mittagessen und Abendessen sowie vor dem Schlafengehen, jeweils 2 Tabletten Cimetidin à 150 mg oder Placebo (das codierte Material wurde von Smith Kline & French, Welwyn Garden City, zur Verfügung gestellt), ferner sechsmal 500 mg Dimagnesiumaluminiumtrisilikat (Masigel®) täglich. Nach der Entlassung stellten sich die Patienten in wöchentlichen Abständen vor. Während der Therapie wurde von den Patienten eine Tagebuchkarte ausgefüllt, in der der Grad der Beschwerden, unterteilt in keine, gering, mäßig, schwer und sehr schwer, nach Tag und Nacht getrennt anzugeben war. Untersuchungen. Folgende Untersuchungen wurden durchgeführt: Kontrolle des klinischen Befundes, Fragen nach neuen Symptomen (unerwünschte Wirkungen), Blutuntersuchungen: Blutbild einschließlich Differentialbiutbild und Thrombozyten; Gesamteiweiß, Albumin, Bilirubin, GOT, GPT, alkalische Phosphatase; Natrium, Kalium, Chlor, Calcium; Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure; sowie Urinstatus' (Eiweiß, Zucker, mikroskopische Beurteilung des Sedimentes) in wöchentlichem Abstand. An dcii Tagen O und 17 wurden morgens nüchtern Sekretionsanalysen vorgenommen: Nach fluoroskopischer Plazierung der Ma-

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Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 149-152 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

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Malchow u. a.: Cimetidin beim Ulcus duodeni

Deutsche Medizinische Wochenschrift

gensonde wurde der Magensaft in lsminütigen Portionen abgesaugt und gesammelt. Nach zwei Basalperioden wurden 6 ig/kg Körpergewicht Pentagastrin subkutan injiziert und der Magensaft für weitere acht Perioden gesammelt. Der Säuregehalt wurde titrimetrisch und die Pepsinkonzentration nach Berstad (1) bestimmt. Die Basalsekretion (Basal Acid und Pepsin Output) wurde durch Multiplikation der Summe beider Basalperioden mit 2, die Gipfelsekretion (Peak Acid und Pepsin Output) durch Multiplikation der Summe der beiden höchsten aufeinanderfolgenden Sekretionsperioden mit 2 berechnet. Die endoskopische Kontrolle erfolgte an den Tagen 0, 10, 17, 24, 31 und 38, jedoch nur bis zur Abheilung. Als Abheilungstermin galt die frische Oberhäutung oder Vernarbung des Ulkus. Röntgenologische Untersuchung des Magens war fakultativ an den Tagen 0, 28 und 42. Statistische Analyse: Die Prüfung auf Signifikanz erfolgte durch den 2-Test (Heilung und Schmerz) und den nicht-gepaarten t-Test (Pentagastrintest). 1.

Tag

Alter, Geschlecht und Verteilung der Patienten Geschlecht

Alter (Jahre) Durchschnitt Streubreite

0/,

'F.

Schmerz 50 40

Cimetidin n = 33

46,25

25-72

28

5

Placebo n 34

46,52

26-73

30

4

Von den 71 Patienten wurden vier bei der Auswertung nicht berücksichtigt: Ein Patient verweigerte die notwendigen Kontrolluntersuchungen und verließ vorzeitig die Klinik. Bei zwei Patienten lag bei der zweiten Kontrollendoskopie schon eine so hochgradige Pylorusstenose vor, daß der Zeitpunkt der Abheilung endoskopisch nicht mehr festgelegt werden konnte. Bei einer weiteren Patientin wurde die röntgenologische Diagnose »Ulcus duodeni« endoskopisch nicht bestätigt. Die Verteilung zwischen Cimetidin und Placebo, Alter und Geschlecht der Patienten gehen aus Tabelle 1 hervor. Von den 33 mit Cimetidin behandelten Patienten waren 18 Raucher, in der Placebogruppe 23 von 34 Patienten. Wegen weiterer Krankheiten erhielten zwölf der mit Cimetidin behandelten Patienten zusätzlich Medikamente, in der Placebogruppe 15. Entgegen dem ursprünglichen Protokoll mußten gelegentlich folgende andere Medikamente verabreicht werden: (3-Methyl-Digoxin, 3-Acetyl-Digoxin, Spironolacton, Propranolol, Clonidin, Glibenclamid, Buformin, Rifampicin, Ethambutol, Isoniazid, Fe-Aspartat und Allopurinol. Tab. 2. Einfluß von Cimetidin auf die endoskopisch kontrollierte Heilung von Duodenalulzera. n. s. = nicht signifikant Placebo

(n33)

(n34)

x'-Test

n

n

P

nach 2 Wochen

16

7

, war in dieser Studie nur am ersten Tag der Ulkusschmerz durch Cimetidin signifikant reduziert. Später waren Anzahl und Intensität des Schmerzes in beiden Gruppen gleich und nach der ersten Woche nicht mehr nachweisbar. Der Unterschied zwischen der Cimetidin- und Placebo-Gruppe war wahrscheinlich durch regelmäßige Antacida-Einnahme verwischt, die vorgeschrieben war, um die Abheilungsdauer nicht durch unterschiedlich große Antacidamengen zu beeinflussen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese Dosis die Heilung in beiden Gruppen beschleunigt hat, da Antacida, allerdings in wesentlich größerer Menge, dazu in der Lage sind (9). Unerwünschte Wirkungen wurden selten angegeben und waren in keinem Fall klar mit der Cimetidineinnahme zu korrelieren. Zwei Patienten klagten in der ersten Woche über Parästhesien in den Armen, die jedoch rasch wieder verschwanden. Andere Symptome wurden nicht bemerkt. Veränderungen in den Laboratoriumswerten betrafen die Leber- und Nierenfunktion. Bei zwei Patienten zwang der Anstieg der Kreatininkonzentration im Serum zum Absetzen der Medikamente. Innerhalb einer Woche nach Absetzen von Cimetidin kehrten die Werte auf das Ausgangsniveau zurück. Eine Agranulozytose wurde nicht beobachtet. Diese Beobachtungen entsprechen den bisher publizierten Befunden (7, 11). Das unkomplizierte Ulkus ist heute kein Grund mehr zur Krankenhauseinweisung. Somit sind die Kranken dieser Studie als selektioniert zu betrachten, da besondere Gründe für die Krankenhauseinweisung vorlagen. Daher konnte das Protokoll der Studie auch nicht so »puristisch« eingehalten werden, wie ursprünglich vorgesehen. Eine Hypertonie, eine Herzinsuffizienz, ein Diabetes mellitus, eine Gicht usw. mußten weiter behandelt werden. Ein Absetzen der Medikamente war nicht möglich. Die Begleitkrankheiten und Begleitmedikationen waren auf beide Gruppen gleich verteilt und beeinflußten daher die Auswertung nicht. Nach den hier vorliegenden Daten muß die erste endoskopische Kontrolle bei Untersuchungen an stationären Patienten sehr früh, etwa am zehnten Behandlungstag, erfolgen, um die entscheidende Heilungsphase nicht zu übersehen. Dem entspricht auch die von Domschke und Mitarbeitern (4) an sechs Patienten ermittelte Halbwertszeit der Ulkusheilung von rund 6 Tagen. Weder die basale Sekretion noch die pentagastrinstimulierte Säure- und Pepsinsekretion waren durch die Behandlung mit Cimetidin verändert. Da zwischen der letzten Tabletteneinnahme und dem Pentagastrintest 12 Stunden lagen und daher eine nennenswerte Cimetidinkonzentration im Blut auszuschließen ist, ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen von den aktuellen Konzentrationen im Blut unabhängigen Langzeiteffekt von

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Sewing u. a.: Cimetidin beim Ulcus ventriculi

Cimetidin. Für den einzigen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Tag O und Tag 17 (basale H- und damit Pepsinsekretion) in den Placebogruppen gibt es keine Erklärung. Für die hervorragende technische Assistenz bei den Magensekretionsanalysen sei Frau H. Bayer, E. Faber und G. Frisch gedankt.

Literatur

L. Demling: Wirksame Cimetidin.

Berstad, A.: Modified hemoglobin substrate method for the estimation of pepsin in gastric juice. Scand. J. Gastroent. 5 (1974). 343. Blackwood, W. S., D. P. Maudgal, R. G. Pickard, D. Lawrence, T. C. Northfield: Cimetidine in duodenal ulcer. Lancet 1976111, 174. Bodemar, G., A. Walan: Cimetidine in the treatment of active duodenal and prepyloric ulcers. Lancet 1976/lI, 161. Domschke, W., S. Domschke, G. Lux, D. Belohlavek, B. Neidhardt,

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Dozent Dr. H. Maichow, Brigitte Horn, Dr. H. Schomerus, Prof. Dr. W. Doue Medizinische Universitätsklinik 7400 Tübingen, Otfried-Müller-Straße 10 Prof. Dr. K.-F. Sewing, Dr. Margitta Albinus Pharmakologisches Institut der Universität 7400 Tübingen, Wilhelmstr. 56

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[In-patient treatment of peptic ulcer with cimetidine. I. Effect on duodenal ulcer healing (author's transl)].

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