Leitthema Ophthalmologe 2015 · 112:29–34 DOI 10.1007/s00347-014-3050-z Online publiziert: 12. Dezember 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

W.J. Mayer1 · R.G. Schumann1 · A. Kampik1 · C. Haritoglou1, 2 1 Augenklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München 2 Herzog-Carl-Theodor Augenklinik München

Stellenwert morphologischer und funktioneller Diagnostik an der vitreoretinalen Grenzfläche

Die optische Kohärenztomographie (OCT) scheint nach Erfindung der Spaltlampe 1910 durch Gullstrand [1, 31] und den Augenspiegel 1850 durch Helmholtz [14] die Diagnostik in der Augenheilkunde zu revolutionieren. Seit ihrer Einführung im Jahr 1991 [15] ist die OCT ein unverzichtbares Werkzeug nicht nur für Untersuchungen am hinteren Augenabschnitt (Netzhaut, Aderhaut, Papille), sondern auch am vorderen Augenabschnitt (Hornhaut, Kammerwinkel) geworden. Auch intraoperativ findet diese Technologie immer mehr Anwendung (Femtosekundenlaser-assistierte Linsenchirurgie, Peeling von epiretinalen Membranen an der Netzhaut).

Nach dem heutigen Verständnis der Pathogenese traktiver Makulopathien spielen die ILM und darauf liegendes natives Glaskörperkollagen als Leitschiene für zelluläre Proliferationen eine besondere Rolle. Entfernt man die ILM und wählt damit die chirurgische Dissektionsebene entlang der retinalen Seite der ILM, kann man sicher sein, alle zellulären Proliferationen, aber auch verbliebenes Glaskörperkollagen vollständig von der Netzhautoberfläche entfernt zu haben. Dies ist ein wichtiger Schritt, um erneute zelluläre Proliferationen und damit ein Rezidiv einer Erkrankung zu verhindern.

Die OCT erlaubt eine nichtinvasive hochauflösende In-vivo-Bildgebung der vitreoretinalen Grenzfläche (VRGF) sowie der Netzhautschichten und stellt den Goldstandard in der Diagnostik von Pathologien an der VRGF dar. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über aktuelle Untersuchungsstrategien bei Veränderungen der VRGF geben. Das vitreoretinale Interface ist eine adhäsive Schicht aus Matrixproteinen wie u. a. Laminin, Fibronektin und Kollagen IV, die wahrscheinlich wie ein extrazellulärer „Matrix-Kleber“ wirken. Die Struktur des Interface ist in der Makularegion sehr komplex. Eng gepackte Kollagenfibrillen liegen über der Makula und inserieren oberflächlich in die Membrana limitans interna (ILM; [13, 17, 23]).

Gerade vor und nach einer operativen Intervention, wie z. B. der Vitrektomie mit Membran- und ILM-Peeling bei epiretinaler Gliose, vitreomakulärem Traktionssyndrom (VMTS) und Makulaforamen oder der Vitreolyse mittels Ocriplasmin (Jetrea®) bei fokalem VMTS und kleinen Makulaforamina ist die OCT ein schnelles, nichtinvasives Verfahren zur Verlaufsbeurteilung von retinalen Strukturänderungen. Hier gilt es, die passenden Scanmodalitäten zu verwenden, um spezifische morphologische Veränderungen zu erfassen und nicht zu übersehen [9, 18]. Darüber hinaus bieten fast alle modernen OCT-Geräte mittlerweile eine softwaregestützte Reevaluation von bereits getätigten Aufnahmen. Dies gelingt mithilfe moderner „Eyetracker“, die bei wiederholten Aufnahmen am gleichen Fixationspunkt ansetzen und dadurch einen exakten Ver-

Retinale Bildgebung und Funktionsdiagnostik

gleich von einzelnen Aufnahmen im Verlauf ermöglichen. Für eine Beurteilung der retinalen Schichten in der OCT hat das IN-OCTPanel eine einheitliche Nomenklatur mit Klassifikation der einzelnen OCT-Banden festgelegt (. Abb. 1, [33]). Nach aktueller Studienlage sind vor allem Strukturschädigungen in den äußeren Netzhautschichten bei Pathologien der VRGF entscheidend für den klinischen Verlauf, insbesondere nach chirurgischer Intervention (Pars-plana-Vitrektomie und ILM-Peeling; [16, 22, 28]). Dabei stellen die Integrität der Photorezeptorenschicht mit innerem und äußerem Segment (IS/OS) als „ellipsoid zone“ sowie eine unveränderte Photorezeptoraußensegmentdicke (COST) und eine intakte äußere Grenzmembran die wesentlichen morphologischen Strukturen dar. Neben Standard-Raster-Scan-Untersuchungen mit hoher axialer Auflösung eignen sich für die Diagnostik eines Makulaforamens und der traktiven Makulopathie auch radiäre Scanalgorithmen, die aufgrund der fovealen Scandichte präzisere Untersuchungen zulassen. Die Fundusautofluoreszenz (FAF) spielt bei Pathologien der VRGF eine untergeordnete Rolle, ist aber zur Beurteilung von Schichtforamina hilfreich, da die foveale Konturunterbrechung in der Fundusleeraufnahme oft nicht erkennbar ist. D Neben einer exakten morpho-

logischen Beurteilung ist eine korrelierende Funktionsanalyse wichtig. Hier ist die zentrale Sehschärfe der entscheidende Parameter, doch lassen sich Der Ophthalmologe 1 · 2015 

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Abb. 1 9 Nomenklatur für die normale anatomische Retinastruktur in der Spektral-Domain-OCT-Darstellung (mit freundl. Genehmigung von Giovanni Staurenghi; [33])

Abb. 2 8 Darstellung eines postoperativen Befundes mit Korrelation von Mikroperimetrie und optischer Kohärenztomographie [OCT; inneres/äußeres Segment (IS/OS)] im videodokumentierten Peelingbereich: intakte IS/OS-Schichtung im OCT bei postoperativ stabiler retinaler Sensitivität (grünes Mikroperimetriefeld)

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nicht immer Rückschlüsse auf alle vitreomakulären Prozesse ziehen. Gerade subjektiv wahrgenommene Metamorphopsien und Mikroskotome bei der Entstehung einer epiretinaler Membran oder eines Makulaforamens werden so nicht erfasst. In diesen Fällen erlaubt die Mikroperimetrie maßgebliche Untersuchungen (. Abb. 2). Die Mikroperimetrie überprüft die Fixation – ähnlich wie bei modernen OCT-Verfahren – mithilfe eines sog. „Eyetrackers“ und das zentrale Gesichtsfeld nach einer 4-2-1-Strategie mit Goldmann-III-Stimulus. In der Regel sind 40 Stimulilokalisationen im 10°-Feld ausreichend, um eine gute funktionelle Reproduzierbarkeit (retinale Sensitivität) von morphologischen retinalen Strukturveränderungen zu ermöglichen [24, 25]. Das Elektroretinogramm (ERG) ist ein diagnostisches Hilfsmittel zur Untersuchung der Netzhautfunktion. Dabei werden Lichtreize appliziert, und die darauf von der Netzhaut gebildeten elektrischen Potenziale spiegeln die elektrische Aktivität der Zapfen und Stäbchen sowie der Bipolarzellen wider. Es wird zwischen skotopischen (dunkeladaptierten) und photopischen (helladaptierten) Bedingungen unterschieden. Beim Ganzfeld-ERG blei-

Zusammenfassung · Abstract ben Störungen, die nur die Makula betreffen, meist verborgen, weshalb bei Verdacht auf Störung des zentralen Gesichtsfeldes das Multifokal-ERG (mfERG) Anwendung findet. Für die Beurteilung von Pathologien an der VRGF ist dieses Verfahren als Standarduntersuchung aufgrund des erhöhten Untersuchungsaufwandes nicht geeignet und dient letztlich dem Ausschluss hereditärer Grunderkrankungen oder als Anwendung im Rahmen von Studien [4, 7, 18, 29]. Die OCT hat ihren wesentlichen Stellenwert besonders in der Verbesserung des pathogenetischen Verständnisses und in der Diagnosestellung sowie Therapieentscheidung. Entscheidend ist der Zeitpunkt einer medikamentösen (Jetrea®) oder chirurgischen (Vitrektomie mit Peeling) Intervention. Die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt und die entscheidenden Strukturveränderungen in der OCT werden immer wieder diskutiert.

Hintere Glaskörperabhebung Eine hintere Glaskörperabhebung (HGA) wird definiert als Trennung zwischen der hinteren Glaskörperrinde und der ILM der Netzhaut und verläuft in 5 Stadien [35]. Die physiologische Alterung und Verflüssigung führt mit der Zeit zu einer vollständigen Abhebung [10, 27]. Die OCT ermöglicht eine Differenzierung zwischen einer normalen HGA, einer anormalen HGA mit persistierenden Adhäsionen oder Vorliegen einer Vitreoschisis mit Separation innerhalb der Glaskörperrinde. Eine anormale HGA spielt eine wesentliche Rolle in der Genese des Makulaforamens und der epiretinalen Membran [12]. Hier ist in der Regel eine Standard-Raster-Scan-Aufnahme zur Beurteilung der einzelnen Makulabereiche ausreichend. Die Mehrheit der hinteren Glaskörperabhebungen ist asymptomatisch und erfordert keine Therapie. Eine zusätzliche Mikroperimetrie oder Fundusautofluoreszenz (FAF)-Untersuchung ist nicht erforderlich.

Vitreomakuläre Traktion Das VMTS ist gekennzeichnet durch eine anormale partielle hintere Glaskörperab-

hebung mit persistierender Glaskörperadhäsion an der Makula. Daraus resultieren anterioposteriore und tangentiale Zugkräfte des Glaskörpers auf die foveale und parafoveale Netzhaut [17]. D Die Glaskörperadhäsion bedingt

eine Verdickung der Makula, ein Makulaödem und damit eine verminderte Sehschärfe. Nach dem Ausmaß der Anheftung unterscheidet man eine fokale und eine breitbasige, flächige Adhäsion [8, 19]. Bottos et al. [3] konnten in einer retrospektiven Auswertung zeigen, dass eine foveale Traktion mit V-förmiger Anheftung zu einem traktiven zystischen Makulaödem und der Bildung eines Makulaforamens führen kann, wohingegen eine breite, makuläre Traktion mit J-förmiger Anheftung eher eine epiretinale Membran und ein diffuses Ödem bewirken. Dies ist letztlich für die Anwendung einer pharmakologischen Vitreolyse mittels Ocriplasmin (Jetrea®) von Bedeutung. Foveale Anheftungen unter 1500 microns Adhäsionsgröße scheinen hier – bei fehlender Spontanlösung – besser auf die Therapie anzusprechen. In den anderen symptomatischen Fällen ist die Vitrektomie die Therapie der Wahl. In der OCT-Untersuchung (Rasterscan) gilt es, neben der Beurteilung und dem Ausmessen der Adhäsionsbreite der vitreoretinalen Adhärenz die Integrität der äußeren Netzhautschichten zu analysieren. Auch das Vorliegen von subretinaler Flüssigkeit sowie von intraretinalen Zysten scheint bei der Anwendung von Ocriplasmin (Jetrea®) einen visuskorrelierenden Faktor darzustellen. In der Regel nimmt diese subretinale Flüssigkeit nach Therapiebeginn mit Vitreolyse zu und resorbiert sich erst nach Wochen, teilweise sogar erst Monate nach Behandlung [34]. Die Mikroperimetrie erfasst funktionelle Defizite und ist zum Aufdecken von persistierenden Mikroskotomen bei entsprechender morphologischer Veränderung in der OCT geeignet. Zusätzlich ist eine Fixationsprüfung möglich.

Ophthalmologe 2015 · 112:29–34 DOI 10.1007/s00347-014-3050-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 W.J. Mayer · R.G. Schumann · A. Kampik · C. Haritoglou

Stellenwert morphologischer und funktioneller Diagnostik an der vitreoretinalen Grenzfläche Zusammenfassung Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist die Standarduntersuchung bei der Beurteilung der vitreoretinalen Grenzfläche (VRGF). Es gilt, dafür die entsprechenden Scanmodalitäten auszuwählen, um das Gesamtausmaß an Veränderungen, nicht nur an der VRGF, sondern auch in allen Netzhautschichten foveal und parafoveal zu erfassen. Für den Erfolg einer chirurgischen Intervention bei Behandlungen von vitreomakulären InterfaceErkrankungen haben sich in der hochauflösenden OCT-Untersuchung vor allem morphologische Veränderungen der äußeren Netzhautschichten als prognostische Marker erwiesen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über aktuelle OCT-Untersuchungsmodalitäten sowie über korrelierende Aspekte von morphologischen und funktionellen Befunden. Schlüsselwörter Optische Kohärenztomographie · Mikroperimetrie · Netzhaut · Epiretinale Gliose · Makulaforamen

Importance of morphological and functional diagnostics of the vitreoretinal interface Abstract Optical coherence tomography (OCT) is the standard examination for assessment of the vitreoretinal interface (VRI); therefore, it is essential to select the appropriate scan modalities to detect the total amount of morphological changes, not only at the VRI but also in all layers of the retina and in both the foveal and parafoveal areas. For the success of a surgical intervention in the treatment of vitreomacular interface disorders, morphological changes, especially in the outer retinal layers, have been determined to be of prognostic interest in high-resolution OCT. This article gives an overview of current OCT examination procedures as well as correlative aspects of morphological and functional findings. Keywords Optical coherence tomography · Microperimetry · Retina · Epiretinal membrane · Macular hole

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Leitthema Tab. 1  Aktuelle Klassifikation von Pathologien an der vitreoretinalen Grenzfläche VMA

VMT

Durchgreifendes Makulaforamen

Lamelläres Makulaforamen

Glaskörperanheftung an der Makula mit perifovealer Glaskörperseparation – Fokal: ≤1500 μm Anheftung – Breitbasig: >1500 μm Anheftung – Isoliert oder begleitend Hintere Glaskörperabhebung (anormal) mit veränderter fovealer Morphologie (Pseudozysten, Makulaschisis, zystoides Makulaödem, subretinale Flüssigkeit) – Fokal: ≤1500 μm Anheftung – Breitbasig: >1500 μm Anheftung – Isoliert oder begleitend Foveale Unterbrechung aller Netzhautschichten (mit und ohne VMT) – Klein (≤250 μm) – Medium (>250 bis ≤400 μm) – Groß (>400 μm) Irreguläre foveale Kontur – Innerer fovealer Defekt (eventuell kein aktueller Substanzverlust) – Intraretinale Spaltung (Schisis), typisch zwischen äußerer plexiformer und äußerer nukleärer Schicht – Vorhandensein einer intakten Fotorezeptorschicht

VMA vitreomakuläre Adhäsion, VMT vitreomakuläre Traktion.

Epiretinale Gliose Epiretinale Membranen sind avaskuläre Zellverbände, die bevorzugt im Bereich der Makula auftreten. Dabei können zelluläre Transformationsprozesse auf die darunter liegende neurosensorische Netzhaut einwirkende Zugkräfte bedingen. Gegebenenfalls finden sich auch umschriebene traktive Elevationen der Netzhaut. Eine Netzhautfältelung und das subjektive Wahrnehmen von Metamorphopsien sind die Folge. Idiopathische, primäre epiretinale Gliosen sind besonders bei der älteren Bevölkerung mit einer Prävalenz zwischen 2 und 20% häufig [26]. Eine mögliche Erklärung zur Entstehung dieser Membranen ist die Migration und Proliferation glialer retinaler Zellen durch kleine Defekte oder Poren der ILM, die möglicherweise als Folge der hinteren Glaskörperabhebung auftreten [11]. Sekundäre epiretinale Gliosen entstehen z. B. in Assoziation mit durchgreifenden Defekten der Netzhaut mit der Möglichkeit der Ausschwemmung retinaler Pigmentepithelzellen, nach Laseroder Kryokoagulation der Netzhaut, Entzündungen (vor allem Uveitis posterior unterschiedlicher Genese), verschiedenen vaskulären Erkrankungen oder durch Verletzungen/Traumata des Bulbus [17].

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Mit Zunahme der epiretinalen Proliferation kommt es zu morphologischen Veränderungen der Netzhautoberfläche. Aufgrund kontraktiler Veränderungen der epiretinalen Proliferation kann sich der Befund eines „Pseudoforamens“ der Makula ausbilden, der in der OCT jedoch sicher von einem durchgreifenden Defekt im Sinne eines Makulaforamens abgegrenzt werden kann. Die epiretinalen Gliosen entstehen nicht immer zentral im Bereich der Makula, sondern auch exzentrisch an anderen Stellen im Bereich des hinteren Pols. So kann das Zentrum der tangentialen Traktion extrafoveal liegen, die Fovea selbst aber durch sekundäre Veränderungen wie Faltenbildung und Netzhautödem betroffen sein. Eine spontane Lösung einer epiretinalen Gliose kann gelegentlich beobachtet werden, vor allem wenn auch vitreomakuläre Traktionen vorliegen. In diesen sehr seltenen Fällen kann es auch zu einer spontanen Visusverbesserung kommen. Ausgeprägte und fortdauernde Traktionen bedingen sekundäre Veränderungen des retinalen Gewebes wie Dickenzunahme, intraretinale zystoide Veränderungen oder kleine retinale Blutungen. Neben der Darstellung fokaler Traktionen im Makulabereich als Ausdruck pathologischer Interaktionen des Glaskörpers im Bereich der vitreoretinalen

Grenzfläche und der Diagnose anderer pathologischer Veränderungen der Glaskörperrinde (Vitreoschisis) gewinnt die OCT besonders zur Darstellung von Veränderungen der äußeren Netzhautschichten wie der Lamina limitans externa (ELM) oder zwischen den Innenund Außensegmenten der Photorezeptoren (IS/OS-Linie, „ellipsoid zone“) an Bedeutung. Die ELM ist dabei keine echte Basalmembran. Sie liegt im OCT-Schnittbild auf Höhe der Verbindung der Innensegmente der Photorezeptoren und der apikalen Enden der Müller-Zelle. Aktuelle Studien mit hochauflösender OCT zeigen, dass bei der Diagnostik und Therapieentscheidung nicht nur die vitreale Oberfläche der Netzhaut mit den sichtbaren Traktionen und epiretinalen Proliferationen von Bedeutung ist, sondern dass es im Rahmen der epiretinalen Membranbildung auch zu einer Schädigung der äußeren Netzhautschichten kommen kann [16, 22, 28]. Die postoperative Regeneration dieser äußeren Netzhautschichten, sowohl foveal als auch parafoveal, ist nach heutigem Kenntnisstand mit entscheidend für das funktionelle Ergebnis. Die Bewertung dieser anatomischen Schicht kann daher vor und nach einer möglichen chirurgischen Intervention eine wichtige Rolle spielen. D Eine Standard-Raster-Scan-OCT-

Untersuchung ist erforderlich, um den gesamtmakulären Bereich zu untersuchen. Eine Einzel-Scan-Analyse reicht nicht aus. Zusätzlich erlaubt eine En-face-Darstellung der Makula, das Ausmaß und die Zugkräfte einer epiretinalen Membran zu erfassen. Da die Überprüfung der Sehschärfe einen relativ schwachen Funktionsparameter für das Objektivieren von Mikroskotomen und Metamorphopsien darstellt, erlaubt hingegen die Mikroperimetrie eine exakte Funktionsmessung. Neben einer Fixationskontrolle kann die retinale Sensitivität sowohl foveal als auch parafoveal genau erfasst werden und ermöglicht so eine Hilfestellung für die operative Indikationsstellung und das postoperative Management.

Makulaforamen Ein Makulaforamen tritt häufiger bei älteren Menschen, überwiegend Frauen (3,3:1), auf. Die Prävalenz wird mit 33:10.000 Menschen >55 Jahren angegeben bzw. 0,1–0,8% aller Erwachsenen >40 Jahre. Das Risiko, am zweiten Auge zu erkranken, beträgt ca. 7–15% in einem Zeitraum von 4 bis 6 Jahren und ca. 17% nach 10 Jahren [5, 17]. Makulaforamina entstehen überwiegend idiopathisch. Andere seltenere Ursachen sind Trauma und hohe Myopie. Unterschieden werden primäre und sekundäre Foramina. Primäre Makulaforamina entstehen während der perifovealen hinteren Glasköperabhebung durch eine anteroposteriore und dynamische vitreomakuläre Traktion. Die anterioren Traktionskräfte führen in der Fovea zuerst zu einem intrafovealen Spalt, der sich zu einer fovealen Pseudozyste vergrößert und letztlich zu einer Auftrennung der äußeren Netzhautschichten von den inneren Netzhautschichten führt [17]. Die Enden eines Makulaforamens werden durch einen Ringsaum von subretinaler Flüssigkeit mehr und mehr angehoben, begleitet von einer Verdickung des neurosensorischen Gewebes und Atrophie im Bereich des Pigmentepithels. Sekundäre Makulaforamina können sich aus einem Makulaödem, das durch eine diabetische Retinopathie, eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD), einen Gefäßverschluss oder eine Uveitis entstanden ist, bilden. Auch nach intraokularen Eingriffen (Vitrektomie) kann ein sekundäres Makulaforamen entstehen. Von lamellären Makulaforamina spricht man, wenn die Fotorezeptorenschicht intakt bleibt. Im OCT ist ein unregelmäßiger Defekt in der inneren Netzhautschicht mit einer intakten äußeren Netzhautschicht ohne Zunahme der perifovealen Netzhautdicke erkennbar. Häufig entsteht eine schisisartige Spaltung der Netzhautschichten, typischerweise zwischen der äußeren plexiformen und äußeren Körnerschicht. Bei Vorliegen einer epiretinalen Gliose spricht man von einem Pseudomakulaforamen, das mit einer intakten, jedoch verdickten neurosensorischen Retina und häufig gutem Visus assoziiert ist.

Die Stadieneinteilung nach Gass (1995) ist heute noch gebräuchlich, allerdings zeigen hochauflösende OCTVerfahren, dass Makulaforamina nicht durch eine tangentiale Traktion, wie von Gass angenommen, entstehen, sondern durch einen anteroposterioren Glaskörperzug bei Abhebung der hinteren Glaskörpergrenzmembran. Vor Kurzem wurde aufgrund neuer OCT-Erkenntnisse eine neue Klassifikation von Pathologien an der VRGF veröffentlicht (. Tab. 1; [8]). Neben dem Ausmessen des kleinsten Foramendurchmessers gilt es, die hintere Glaskörpergrenzmembran sowie ggf. vorliegende epiretinale Membranen zu visualisieren. Eine Raster-Scan-OCTUntersuchung mit hoher Auflösung und dichtem Scanabstand ist erforderlich, um gerade Mikroforamina aufzudecken. Da diese Untersuchung in der Regel längere Zeit in Anspruch nimmt, ist die Anwendung eines radiären Scanmusters in der OCT-Untersuchung von Vorteil. Rahimy et al. [30] konnten in einer retrospektiven Analyse zeigen, dass eine radiäre 6-Linien-Untersuchung in der Erkennung von Frühformen eines Makulaforamens der 25-Linien-Raster-Scan-Untersuchung überlegen ist.

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Die Anwendung eines radiären Scanmusters in der OCT-Untersuchung zur Diagnostik des Makulaforamens ist von Vorteil Die Einteilung der Foramina erfolgt anhand der im OCT gemessenen Foramenbreite (gemessen an der engsten Stelle). Teilweise liegt zusätzlich eine vitreomakuläre Traktion (VMT) vor, oder es ist ein Operculum sichtbar. Durch die Beurteilung der ellipsoiden Zone, der äußeren Photorezeptorenschicht (OS) und der Integrität der Membrana limitans externa vor und nach einer Operation kann eine verbesserte Visusprognose gegeben werden [20, 21]. Für die Funktionskontrolle prä- und postoperativ dient wie bei der Diagnostik der epiretinalen Gliose die Mikroperimetrieuntersuchung. Hier kann für den Foveabereich eine dichtere Abstufung der

Stimuluspunkte gewählt werden, um die retinale Sensitivität und Fixation genauer zu erfassen. Bei den Schicht- und Pseudoforamina ist neben dem Erkennen von atypischem epiretinalem Gewebe mit korrelierenden Defekten der ellipsoiden Zone und der OS-Schicht („äußeres Segment der Photorezeptoren“) die Integrität der ELM entscheidend [32]. Bottoni et al. [2] konnten zeigen, dass sich Schichtforamina über die Zeit von 3 Jahren nur sehr wenig in ihrer Konfiguration ändern und eine Vitrektomie nur bei Visusverlust und Verdünnung der fovealen Netzhautdicke Erfolg versprechend ist. Die FAF zeigt hier oft einen klaren Bruch in der inneren Fovea mit einem hyperfluoreszenten Areal sowie eine Dehiszenz der inneren Netzhaut im Vergleich zur Fundusleeraufnahme.

Fazit für die Praxis F Für den Erfolg einer chirurgischen Intervention bei Behandlungen von vitreomakulären Interface-Erkrankungen haben sich in der hochauflösenden OCT-Untersuchung vor allem Veränderungen der äußeren Netzhautschichten als prognostische Marker erwiesen [6, 9, 21, 22, 28]: 1die Integrität der ellipsoiden Zone (inneres Segment) und des äußeren Segments der Photorezeptoren, 1die Integrität der ELM, 1eine unveränderte Photorezeptoraußensegmentdicke (COST), 1eine unveränderte innere Dicke der Fovea (Abstand der fovealen Vertiefung zur ELM). F Es gilt, die entsprechenden OCT-ScanModalitäten auszuwählen, um das Gesamtausmaß an Veränderungen nicht nur an der VRGF, sondern auch in allen Netzhautschichten foveal und parafoveal zu erfassen. F In Zukunft werden Weitwinkeltechniken noch höhere Auflösungen und verbesserte Scanalgorithmen sowie Untersuchungen an der Aderhaut neue Erkenntnisse zum Pathomechanismus der VRGF liefern und die klinische Diagnostik, aber auch das chirurgische Management revolutionieren. Der Ophthalmologe 1 · 2015 

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Leitthema Korrespondenzadresse PD Dr. W.J. Mayer Augenklinik, LudwigMaximilians-Universität München Mathildenstr. 8, 80336 München wolfgang.j.mayer@ med.uni-muenchen.de

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  W.J. Mayer, R.G. Schumann, A. Kampik und C. Haritoglou geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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