Leitthema Z Rheumatol 2014 · 73:878–889 DOI 10.1007/s00393-014-1396-x Online publiziert: 5. Dezember 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

K. Minden1 · F. Speth2 · H.-I. Huppertz3 · M. Borte4 1 Universitätskinderklinik Charité, Campus Virchow, Otto-Heubner-

Centrum, SPZ, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin 2 Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie, Garmisch-Partenkirchen 3 Prof. Hess-Kinderklinik, Klinikum Bremen-Mitte, Bremen

Redaktion

H.-I. Huppertz, Bremen

Infektionskrankheiten spielen auch im Kindes- und Jugendalter, letzteres gemeinhin als gesündester Lebensabschnitt angesehen, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Infektionen sind heutzutage noch für 2% aller Todesfälle in den ersten fünf Lebensjahren verantwortlich und gewinnen durch Migration, zunehmende Mobilität, soziale Ungleichheit und die Zunahme von Resistenzen sogar wieder an Bedeutung. Kinder und Jugendliche mit entzündlichen rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen (RME) sind diesbezüglich besonders gefährdet. Sie haben aufgrund einer der Erkrankung zugrunde liegenden immunologischen Regulationsstörung ein höheres Infektionsrisiko. So tragen Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) unabhängig von der Therapie ein zweifach höheres Risiko für schwere, d. h. zur Hospitalisierung führende Infektionen als gleichaltrige Nichtrheumatiker [3]. Für Patienten mit Kollagenosen und primären chronischen Vaskulitiden ist dieses Risiko infolge von Komorbiditäten (z. B. kardiopulmonale und Nierenerkrankung), funktioneller Asplenie (einen Hinweis auf eine eingeschränkte filtrative Funktion der Milz können Howell-Jolly-Körperchen im peripheren Blutausstrich geben), Komplementmangel und/oder Hypogammaglobulinämie noch höher [10]. Das Infektionsrisiko erhöht sich mit dem Einsatz immunsuppressiver Medikamente in Abhängigkeit von Art, Do-

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4 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum St. Georg gGmbH, Leipzig

Sinnvolle Impfprävention bei Kindern und Jugendlichen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen sis und Anwendungsdauer der eingesetzten Substanzen. Unter den derzeit verordneten Therapien sind es v. a. die Glukokortikoide, die das Infektionsrisiko am stärksten erhöhen. Kinder und Jugendliche mit JIA, die Prednisolon-Tagesdosen über 10 mg erhielten, hatten in der Untersuchung von Beukelman et al. [3] etwa dreimal häufiger schwere Infektionen als nicht derart therapierte Kinder und Jugendliche. Methotrexat (MTX) und Biologicals erhöhten in dieser Studie das Risiko hingegen nicht. Eine andere Untersuchung von Krankenkassendaten aus den USA wies nach, dass den Patienten unter MTX und/oder Anti-Tumornekrosefaktor(TNF)-Therapie zweimal häufiger als gematchten Kontrollen Antibiotika und drei- bis viermal häufiger antivirale Medikamente ambulant verordnet wurden, was ein erhöhtes Infektionsrisiko unter diesen Substanzen suggeriert [35].

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Das Infektionsrisiko steigt mit dem Einsatz immunsuppressiver Medikamente Das krankheits- und therapiebedingt erhöhte Risiko für Infektionen schließt auch impfpräventable Erkrankungen durch Pneumokokken, Influenza-, Varizellazoster- (VZV) oder humane Papillomviren (HPV) einschließlich deren Komplikationen ein [6, 43], d. h. Impfungen stellen eine erste infektionspräventive Maßnahme bei diesen vulnerablen Patienten dar.

Normalerweise sollten Kinder mit rheumatischen Erkrankungen ebenso wie alle anderen grundimmunisiert sein, da der Beginn der meisten rheumatischen Erkrankungen jenseits von 18 Lebensmonaten liegt. Die Annahme eines gemäß der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zeitgerechten Abschlusses der Grundimmunisierung trifft leider nicht zu. Daten zu Immunisierungsraten aus der derzeit laufenden JIAFrühkohorte ICON, in die in den vergangenen drei Jahren bundesweit über 950 neu an JIA erkrankte Kinder und Jugendliche eingeschlossen wurden, zeigen, dass v. a. bei den in den letzten Jahren in den Impfkalender aufgenommenen Schutzimpfungen gegen Pneumokokken, Meningokokken und Varizellen erhebliche Impflücken bestehen. Nur etwa die Hälfte der Kinder war bei Einschluss in diese Beobachtungsstudie hiergegen immunisiert [26]. Das verdeutlicht, dass sich Kinder- und Jugendrheumatologen nicht nur mit Fragen zu Auffrisch- und Indikationsimpfungen, sondern auch mit jenen zur Grundimmunisierung auseinandersetzen müssen. Wie im Alltag bei rheumakranken Kindern und Jugendlichen hinsichtlich Impfungen vorgegangen werden kann, wird basierend auf der aktuellen Literatur nachfolgend dargestellt.

Leitthema

Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen Das Wissen zu Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen bei Kindern und Jugendlichen mit RME hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Allein in den vergangenen drei Jahren hat sich die Zahl der Impfstudien verdoppelt. Inzwischen liegen 35 Untersuchungen vor, die nahezu alle im Impfkalender enthaltenen Standardimpfungen bei Patienten mit juvenilen RME untersuchten.

Wirksamkeit Die Wirksamkeit von Impfungen wurde überwiegend anhand von Surrogatmarkern, d. h. durch Bestimmungen der spezifischen Antikörper und/oder der spezifischen T-Zellreaktion, bewertet. Die Fähigkeit der Impfung, eine Infektion zu verhindern, wurde bislang kaum geprüft. Belegt ist zumindest, dass Patienten mit juvenilem systemischen Lupus erythematodes (jSLE) nach Booster-Impfung gegen Varizellen seltener einen Herpes zoster und gegen Grippe geimpfte JIA-Patienten seltener eine influenzaähnliche Erkrankung entwickeln [2, 8]. Grundsätzlich wurde in allen Studien eine Immunogenität der Impfungen gemessen. Trotzdem gilt es, in Abhängigkeit von F Erkrankung, F aktueller Therapie und F Vakzin mit eingeschränkten Impfantworten zu rechnen. Diese Einschränkung kann die Stärke und/oder die Dauer des Impfschutzes betreffen. Dass die Grunderkrankung an sich die Impfantwort beeinträchtigen kann, darauf deuten drei aktuelle Untersuchungen hin [1, 18, 25]. Sie zeigten, dass Patienten mit jSLE und juveniler Dermatomyositis (jDM) nach Influenzaimpfung im Vergleich zu Patienten mit anderen Erkrankungen und Gesunden eine schlechtere Impfantwort erzielten. Darüber hinaus wird das Impfansprechen offenbar auch von der Krankheitsaktivität beeinflusst. Eine Untersuchung der brasilianischen Arbeitsgruppe von Bonfa [7] registrierte, dass unabhängig von der Therapie

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ein Systemic-Lupus-Erythematosus-Disease-Activity-Index(SLEDAI)-Score ≥8 mit einem geringeren Ansprechen auf die H1N1-Influenzaimpfung assoziiert war.

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Glukokortikoide scheinen die Impfantwort zu beeinträchtigen Im Hinblick auf die untersuchten Therapien scheinen v. a. Glukokortikoide dosisabhängig die Impfantwort zu beeinträchtigen. Signifikant verminderte Serokonversionsraten wurden nach Influenzaimpfung bei Kindern mit JIA, Kollagenosen und Vaskulitiden beobachtet, die Prednisolondosen >20 mg/Tag erhielten [1, 18]. Inwiefern konventionelle synthetische oder biologische DMARD („disease modifying antirheumatic drugs“) die Impfantwort bei Kindern und Jugendlichen beeinflussen, lässt sich anhand der vorliegenden Daten von Patienten mit juvenilen RME nicht abschließend beurteilen. Immunologische Überlegungen legen aber eine verminderte Wirksamkeit nahe. Es gibt Hinweise, dass konventionelle DMARD (d. h. Azathioprin und Mycophenolatmofetil) die Immunogenität der Influenzaimpfung beeinträchtigen können [1]. Auch die TNF-Blocker als derzeit am häufigsten eingesetzten biologischen DMARD können zu eingeschränkten Impfantworten führen. So wurden z. B. gering verminderte Impfantikörperkonzentrationen nach Influenza-, Hepatitis-A- und Pneumokokkenkonjugatimpfung festgestellt [8, 11, 16, 17, 44]. Im Durchschnitt waren die Impfantworten aber ausreichend. Zu berücksichtigen ist, dass bisher weniger als 150 pädiatrische Patienten unter Therapie mit Biologicals untersucht wurden. Die meisten (n=103) befanden sich unter TNF-Blockade, lediglich 16 Patienten unter Blockade von Interleukin-1 und 27 Patienten unter Blockade von Interleukin-6 [32, 39].

Impfschutzdauer Über die Dauer des Impfschutzes bei Patienten mit juvenilen RME ist wenig bekannt. Hinweise auf eine geringere Persistenz von Impfantikörpern bei JIA-Pa-

tienten erbrachte eine retrospektive Studie der Arbeitsgruppe um Wulffraat [23]. Verglichen mit über 2000 gesunden Kindern hatten in dieser Arbeit 400 JIA-Patienten im Durchschnitt signifikant häufiger unzureichende Impfantikörpertiter gegen Tetanus, Diphtherie, Mumps und Röteln. Eine vor Kurzem veröffentlichte Untersuchung [42] konnte hingegen keine relevanten Unterschiede in den Impfantikörpern nach Meningokokken-C-Konjugatimpfung bei JIA-Patienten im Vergleich zu Gesunden feststellen.

Sicherheit Sicherheitsbedenken bei der Impfung von Rheumakindern betreffen F lokale oder systemische Reaktionen auf die Impfung und F impfvirusinduzierte Erkrankungen bei Lebendimpfungen unter Immunsuppression. In einer prospektiven Untersuchung wurden häufiger Arthralgien bei JIA-Patienten bzw. häufiger Arthralgien und Lokalreaktionen bei SLE-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen nach H1N1-Influenzaimpfung beobachtet [1, 7]. Diesem Bericht stehen zwei Arbeiten gegenüber, die mehr Lokalreaktionen bei gesunden Kontrollen beobachteten und sieben, die keinen Unterschied konstatierten. Klinisch relevante Impfviruserkrankungen wurden in den vier Studien, in denen Patienten unter DMARD-Therapie mit den Lebendvakzinen gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR) und/oder Windpocken geimpft wurden, nicht registriert [5, 19, 21, 31]. Drei dieser Studien untersuchten die Sicherheit der Zweitimpfung, in der von Pileggi durchgeführten Impfstudie [31] wurden hingegen 20 Patienten unter MTX in Dosen von 12– 22 mg/m2KOF/Woche primär gegen VZV immunisiert. Kein Patient entwickelte eine generalisierte Erkrankung nach Impfung, drei Patienten (15%) varizellenähnliche Hautveränderungen ohne Behandlungsbedarf, wie sie auch bei Gesunden auftreten können. Darüber hinaus wurde die Sicherheit der VZV-Impfung auch für Kinder mit nephrotischem Syndrom oder Malignom unter weitaus stärkerer Immunsuppression dokumentiert [38].

Zusammenfassung · Abstract Zudem bestehen Bedenken, dass Impfungen Schübe der rheumatischen Grunderkrankung auslösen könnten. Nimmt man alle bisherigen Untersuchungen in den Blick, finden sich keine Hinweise für klinisch relevante Aktivierungen der Grunderkrankungen nach Impfungen [20].

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Impfungen scheinen keine Schübe der Grunderkrankung auszulösen Das schließt auch die MMR-Impfung ein: als besonders riskant wurden die Masernund Rötelnkomponente angesehen, weil erstere eine starke Prüfung der T-Zellfunktion darstellt und letztere auch bei Gesunden Arthritiden hervorrufen kann. In der bisher einzigen randomisierten, aber offenen Impfstudie aus den Niederlanden [19] wurde demonstriert, dass die 63 gegen MMR geimpften JIA-Patienten im Vergleich zu 68 JIA-Kontrollen über 12 Monate F nicht signifikant häufiger Krankheitsschübe und F keine signifikanten Veränderungen in ihrer Krankheitsaktivität aufwiesen, gemessen mit dem JADAS („juvenile arthritis disease activity score“). Auch die Sicherheit der HPV-Impfung wurde in Deutschland viel diskutiert. ­Diese Impfung hat für junge Mädchen mit jSLE wegen des signifikant erhöhten Risikos für HPV-Infektionen, deren Persistenz und erhöhten Rate an zervikalen Neoplasien besondere Bedeutung. Eine prospektive Studie an 68 Mädchen mit JIA, von denen 66 dreimal mit dem bivalenten HPV-16/18-Vakzin geimpft wurden, konnte keine signifikanten Änderungen in der Krankheitsaktivität belegen. Vielmehr nahm der JADAS-27 über die Beobachtungsperiode bis Monat 12 ­signifikant ab. Das traf auch auf die 18 Patienten mit aktiver Erkrankung zu, die mit einem JADAS von mindestens 6 in diese Studie eingeschlossen wurden [22].

Einordnung der Studienlage Kumulativ schlossen die bisher publizierten Studien bei juvenilen RME weniger als

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Sinnvolle Impfprävention bei Kindern und Jugendlichen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen Zusammenfassung Hintergrund.  Kinder und Jugendliche mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen haben ein krankheits- und therapiebedingt erhöhtes Risiko für Infektionen. Dieses Risiko schließt impfpräventable Erkrankungen ein. Impfungen stellen somit eine wichtige infektionspräventive Maßnahme bei diesen Patienten dar. Etwa jedes dritte rheumakranke Kind ist heutzutage aber noch unzureichend geimpft, u. a. wegen bestehender Unsicherheiten bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit von Impfungen bei diesen Patienten. Ziel der Arbeit.  Dieser Beitrag fasst die vorhandene Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen bei rheumakranken Kindern und Jugendlichen zusammen und gibt basierend darauf Handlungsempfehlungen.

Ergebnis und Ausblick.  In den bisher publizierten über 30 Impfstudien, die nahezu alle im Impfkalender enthaltenden Impfungen einschlossen, wurden knapp 2000 rheumakranke Kinder und Jugendliche untersucht. Das Impfansprechen war in der Regel ausreichend. Hinweise auf relevante Aktivierungen der Grunderkrankung fanden sich nicht. Empfehlungen für den klinischen Alltag können auch im Hinblick auf Daten jenseits der pädiatrischen Rheumatologie gegeben werden, eine abschließende Nutzen-Risiko-Bewertung ist jedoch nicht möglich. Schlüsselwörter Impfungen · Immunsuppression · NutzenRisiko-Bewertung · Infektion · Biologicals

Immunization in children and adolescents with rheumatic and musculoskeletal diseases Abstract Background.  Children and adolescents with inflammatory rheumatic diseases have a disease and treatment-related increased risk of infections. This risk includes vaccine-preventable diseases; therefore, vaccinations represent an important preventive measure against infection in these patients. However, approximately one in three patients with a juvenile rheumatic disease is nowadays still inadequately vaccinated, mostly due to uncertainty regarding the efficacy and safety of vaccination in these patients. Objectives.  This paper summarizes the available evidence regarding the efficacy and safety of vaccinations in children and adolescents with rheumatic diseases and gives recommendations for the clinical practice.

2000 Patienten ein. Insofern lassen sich Bezug nehmend hierauf weder F Fragen zur Wirksamkeit von Impfungen in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität, Krankheitsdauer, Art und Dauer der vielfältigen Therapien noch F Fragen zum optimalen Impfregime für Kinder mit RME beantworten. Zudem sind im Hinblick auf die Zahl und Auswahl der bisher untersuchten Patienten zuverlässige Angaben

Results and perspectives.  Almost 2000 children and adolescents with rheumatic diseases were examined in the more than 30 previously published vaccination studies, comprising nearly all standard vaccinations in the immunization schedule. The immunogenicity was usually sufficient and there was no evidence of a relevant aggravation of the underlying disease. Recommendations for the clinical practice are given also considering data beyond pediatric rheumatology; however, a final benefit-risk assessment is not yet possible. Keywords Immunization · Infection · Benefit-risk assessment · Immunosuppression · Biologics

zur Sicherheit von Impfungen v. a. bei Patienten mit aktiver Erkrankung nicht möglich, da die meisten Studien Patienten mit keiner oder nur geringer Krankheitsaktivität einschlossen. Berücksichtigt man auch Studien jenseits der Kinderrheumatologie und Empfehlungen diverser Fachgesellschaften, so lassen sich aber durchaus Handlungsempfehlungen für Kinder und Jugendliche mit RME geben.

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Leitthema Tab. 1  Stärke der Empfehlung. (Nach

[14]) Grad A

B

C

D

Basis Kategorie-I-Evidenz (aufgrund von Metaanalysen randomisierter kontrollierter Studien oder mindestens einer randomisierten kontrollierten Studie) Kategorie-II-Evidenz (aufgrund mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie ohne Randomisierung oder mindestens einer gut angelegten, quasi experimentellen Studie) oder extrapolierte Empfehlungen bezogen auf Kategorie-IEvidenz Kategorie-III-Evidenz (aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller deskriptiver Studien, z. B. Vergleichsstudien, Korrelationsstudien, FallKontroll-Studien) oder extrapolierte Empfehlungen bezogen auf Kategorie-I- oder -II-Evidenz Kategorie-IV-Evidenz (aufgrund von Berichten/Meinungen von Expertenkreisen, Konsensuskonferenzen, und/ oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten) oder extrapolierte Empfehlungen bezogen auf Kategorie-II- oder -III-Evidenz

Handlungsempfehlungen Die folgenden Empfehlungen (kursiv gesetzt) berücksichtigen neben der aktuellen Literatur zu Impfungen bei Patienten mit juvenilen RME (Stand Juni 2014) auch die aktuellen Empfehlungen F der STIKO [27, 29], F der European League Against Rheumatism (EULAR; [20]), F des Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP; [30]), F der Infectious Diseases Society of America (IDSA; [36]), F der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh; [45]) und F der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und internationale Gesundheit (DTG; [13]). Die Stärke der Empfehlung wird basierend auf der vorhandenen Evidenz nach den EULAR-Richtlinien in Klammern angegeben (. Tab. 1, [14]).

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Allgemeine Gesichtspunkte Impfstatus

Allgemeine Übereinkunft besteht, dass zu Betreuungsbeginn bei jedem Kind bzw. Jugendlichen mit RME der Impfstatus zu überprüfen ist (C). Bei unklarer Anamnese bezüglich durchgemachter Wildviruserkrankungen und Impfstatus eines Patienten kann die Bestimmung einer Ausgangsserologie notwendig werden. Sollten Grund- oder Auffrischimpfungen (v. a. die VZV-Impfung) fehlen, ist der Impfstatus idealerweise mindestens 2(– 4) Wochen vor dem Beginn einer immunmodulierenden Therapie (insbesondere vor zellgerichteten Therapien) zu komplettieren (B).

Familienangehörige und Kontaktpersonen

Familienangehörige und andere enge Kontaktpersonen von Patienten sind im Sinne eines immunologischen Schutzschilds zu immunisieren, z. B. jährlich gegen Influenza (D). Familienangehörige können alle Lebendimpfungen erhalten, stark Immunsupprimierte sollten allerdings den Kontakt mit Windeln von gegen Rotaviren geimpften Säuglingen und den Kontakt mit Personen, die nach Varizellenoder Zosterimpfung Hauterscheinungen entwickeln, meiden.

Individuelles Infektionsrisiko

Eine Kalkulation des individuellen Infektionsrisikos des Patienten mit RME erscheint im Hinblick auf zu planende Indikationsimpfungen sinnvoll (D). Hierbei sollten sowohl die Grunderkrankung als auch die Therapie berücksichtigt werden. Als relevant („high-level“, höhergradige) immunsuppressive Therapien werden folgende angesehen [20, 36]: F MTX >15 mg/m2 KOF/Woche, F Cyclosporin A >2,5 mg/kg KG/Tag, F Azathioprin >3 mg/kg KG/Tag, F Cyclophosphamid >2 mg/kg KG/Tag, F Leflunomid >0,5 mg/kg KG/Tag, F Mykophenolatmofetil ≥1200 mg/m2 KOF/Tag, F jede Therapie mit Biologicals und F Prednisolon >0,2 mg/kg KG/Tag bzw. >10 mg/Tag >2 Wochen.

Grundsätzlich sollte das Vorgehen hinsichtlich Impfungen bei Kindern mit RME zwischen Impfarzt und dem behandelnden Kinderrheumazentrum abgesprochen werden.

Standardimpfungen Totvakzine

Kontraindikationen für Impfungen mit Totvakzinen bestehen bei Kindern und Jugendlichen mit RME nicht, d. h. diese Impfungen sollten entsprechend der STIKO-Empfehlungen und unabhängig von der Therapie erfolgen (B/C). Gegebenenfalls werden bei Patienten mit RME eingeschränkte Impfantworten beobachtet. Die meisten Patienten bilden unter einer immunsuppressiven Behandlung ausreichende Impftiter, die Dauer des Impfschutzes kann jedoch variabel sein [20, 24].

Impfantiköperbestimmung

Impfantikörperbestimmungen sind routinemäßig mit Blick auf die Kosten-Nutzen-Relation und ihre eingeschränkte Aussagekraft nicht angezeigt. Eventuell können sie bei einzelnen Patienten unter zellgerichteten Therapien oder hochdosierter Kortikoisteroidtherapie sinnvoll sein (C). Bei schwerkranken Patienten mit dringendem Interventionsbedarf (z. B. einer B-Zelldepletion mit Rituximab) sind alle notwendigen Auffrischimpfungen vor Beginn der Therapie durchzuführen. Ein Impfzeitpunkt von mindestens 6 Tagen (besser 2 Wochen) vor der Therapie erscheint noch ausreichend, um Impftiter aufzubauen [4, 33].

Impfzeitpunkt

Es gibt Hinweise, dass bei bestimmten Therapien der Impfzeitpunkt den Impferfolg beeinflusst. So scheint das Impfansprechen schlechter zu sein, wenn z. B. innerhalb eines Zeitraums von F 6 Monaten nach Rituximabgabe, F 3 Wochen nach Infliximabgabe oder F 2 Wochen nach Abataceptinfusion geimpft wird [4, 15, 33, 34]. Insofern ist eine Impfung vor der jeweiligen Substanzgabe zu bevorzugen.

Start der Impfungen

MMR + VZV

MMR + VZV**

± Totimpfung

± Totimpfung

dukthaftung durch den Hersteller ist erforderlich. Um Ängste abzubauen, ist den Patienten bzw. Familien zu erklären, dass die Nichtzulassung in der Regel auf formalen bzw. wirtschaftlichen und nicht auf medizinischen Gründen basiert [13].

Indikationsimpfungen

Start der Therapie

IACS NSAR* Optional: PDN

[Immunization in children and adolescents with rheumatic and musculoskeletal diseases].

Children and adolescents with inflammatory rheumatic diseases have a disease and treatment-related increased risk of infections. This risk includes va...
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