Pitfalls Pathologe 2015 · 36:394–396 DOI 10.1007/s00292-014-2065-1 Online publiziert: 18. Juli 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
S. Zonnur1 · C. Falkeis2 · G. Ondang2 · M. Weiner3 · H. Maier2 · A. Agaimy4 1 Institut für Pathologie, Universitätsmedizin Rostock 2 Institut für Pathologie, Klinikum Bayreuth GmbH, Bayreuth 3 Klinik für Allgemein-/Viszeral- und Thoraxchirurgie, Chirurgie I, Klinikum Bayreuth GmbH 4 Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen
Redaktion
C. Kuhnen, Münster
Riesiger lipomatöser Tumor der Adduktorenmuskulatur
Klinische Angaben
Morphologischer Befund
Weiterer Verlauf
Eine 49 Jahre alte Frau wurde wegen einer über 6 Jahre langsam wachsenden Raumforderung am rechten Oberschenkel untersucht. In der Magnetresonanztomographie fand sich innerhalb der subfaszialen muskulären Weichteile, im Wesentlichen im Bereich der Adduktorenmuskulatur, eine maximal 20 cm große, unregelmäßig berandete tumoröse lipomatöse Raumforderung mit sehr inhomogenem Signalverhalten, in erster Linie auf ein Liposarkom verdächtig (. Abb. 1). Zunächst erfolgte eine chirurgische Biopsie. Eingesandt wurde ein 2,5 cm großes, auf der Schnittfläche gelbes Gewebestück in 2 Teilen.
Es zeigte sich eine lipomatöse Neoplasie aus großen unterschiedlich zytoplasmareichen Fettgewebszellen mit unregelmäßiger Lobulierung. Außen zeigte sich eine kapselartige Bindegewebsumgrenzung. Die Tumorzellen wiesen gehäuft eine Multivakuolisierung und zentral liegende Zellkerne auf, ohne wesentliche Kernatypien, wobei das Fehlen von Kernatypien zunächst als mögliches Samplingproblem gedeutet wurde (. Abb. 2).
Es erfolgte die komplette operative Tumorentfernung mit freien Resektaträndern. Eingesandt wurde ein 2,2 kg schweres, 25×17×9 cm großes hautbedecktes Weichteilresektat mit 19×17×9 cm großem, grobhöckerig gekapseltem Weichgewebstumor, auf der Schnittfläche teils inhomogen gelb, teils ölige Flüssigkeit, teils wie sternförmig narbig durchzogen, herdförmig kalzifiziert (. Abb. 3).
Abb. 1 8 Magnetresonanztomographie frontal. (Mit freundl. Genehmigung von Herrn Dr. Pfaffenberger, Kulmbach)
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Fallstrickdiagnose F A typischer lipomatöser Tumor/gut differenziertes Liposarkom.
Morphologischer Befund Partiell hautbedeckter subfaszialer lipomatöser Weichgewebstumor mit variablen regressiven Veränderungen wie Sklerosierung, älteren Fettgewebsnekrosen und fokalen dystrophen Verkalkungen. Die feingewebliche Histologie entsprach
Abb. 2 9 HE-Schnitt der Probeexzision
Abb. 4 9 HE-Schnitt des Resektats
Abb. 3 8 Tumor makroskopisch
praktisch der Vorbiopsie. Es zeigten sich sowohl mittelgrobtropfige univakuoläre Fettzellen als auch dazwischen liegende Fettzellen mit teils sternförmig ausgezogenen bzw. vielfach eingedellten, teils zentral gelegenen hyperchromatischen Zellkernen mit einzelnen kleinen Nukleoli und granulär-eosinophilem, traubenfömig mikrovesikulärem Zytoplasma (. Abb. 4). Atypische hyperchromatische und mehrkernige Stromazellen fehlten.
einige Tumorzellen positiv. Dagegen verlief die Färbung mit CDK4 und MDM2 komplett negativ.
In-situ-Hybridisierung Mittels einer Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung(FISH)-Sonde (Fa. Zytovision, Bremerhaven) ließ sich eine MDM2-Amplifikation ausschließen.
Abschließender Verlauf Im weiteren Verlauf (bisheriges Follow-up 7 Monate) wurden kein Rezidiv und keine Metastasen beobachtet.
Immunhistochemie Mit Protein-S100 zeigten sich die eosinophilen mikrovesikulären Zellen deutlich mit charakteristischer Erscheinung wie bei braunem Fettgewebe. P16 markierte
D Wie lautet Ihre Diagnose? In der Zusammenschau der Befunde handelte es sich somit um ein tief subfaszial
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gelegenes Hibernom im Bereich der Adduktorenmuskulatur.
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Diagnose: Großes subfasziales Hibernom des rechten Oberschenkels Diskussion Hibernome sind seltene gutartige lipomatöse Tumoren (etwa 1,6% aller gutartigen lipomatösen Tumoren), die morphologisch Ähnlichkeit zu braunem Fettgewebe aufweisen [4]. In einer Studie des Armed Force Institute of Pathology [2], die 170 Fälle umfasste, gehörte der Oberschenkel zu den häufigsten Lokalisationen (50/170 Fälle, 29,4%). In der gleichen Studie lag das Alter der Patienten zwischen 2 und 75 Jahren (Median 38,0 Jahre), die Größe des Hibernoms zwischen 1 und 24
Zusammenfassung · Abstract cm. Nur 19/170 Hibernome waren intramuskulär gelegen. Durch seine ungewöhnliche Größe, tiefe subfasziale Lage und sein heterogenes Strukturbild in der Bildgebung stellt das Hibernom einen echten Fallstrick sowohl in den klinischen bildgebenden Untersuchungen als auch in der pathomorphologischen Biopsiediagnostik dar. Auf der einen Seite können die multivesikulären „Hibernomzellen“ den Lipoblasten sehr ähnlich sehen, auf der anderen Seite werden hibernomähnliche Zellen auch in gut differenzierten Liposarkomen beobachtet. Die im Regelfall erkennbare biphasische Erscheinung (aus Lipomzellen und granulierten eosinophilen Hibernomzellen) stellt einen guten Hinweis auf das Vorliegen eines Hibernoms dar. Echte Lipoblasten kommen beim Hibernom nicht vor [4]. Das Vorhandensein von Lipoblasten ist weder notwendig noch beweisend für ALT/gut differenziertes Liposarkom [1]. Hilfreicher als die Suche nach echten Lipoblasten ist der Nachweis von Hyperchromasie und mindestens fokaler Atypie in Adipozyten sowie von eindeutig atypischen hyperchromatischen sowohl spindelförmigen einkernigen als auch mehrkernigen bizarren Stromazellen in Liposarkomen [1]. Nucleoli sprechen nicht gegen die Diagnose eines Hibernoms, vielmehr sind prominente Nucleoli in Hibernom-Zellen beschrieben worden [3]. Im vorliegenden Fall waren kleine Nukleolen in vereinzelten Tumorzellen nachweisbar. Das definierende genetische Merkmal des atypischen lipomatösen Tumors (ALT)/gut differenzierten Liposarkoms ist der Nachweis der MDM2-Amplifikation [1]. Diese kann sowohl immunohistochemisch als auch molekular-pathologisch (chromogene In-situ-Hybridisierung [CISH] bzw. FISH) nachgewiesen werden. Die CISH-/FISH-Analyse ist im Zweifelfall unentbehrlich. CDK4 ist sensitiver, jedoch nicht ganz spezifisch für ALT/gut differenzierte Liposarkome.
Fazit Hibernome sind seltene gutartige lipomatöse Tumoren, die in der Bildgebung atypischen lipomatösen Tumoren/gut differenzierten Liposarkomen täuschend ähnlich sehen können. Einen Pitfall für
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Pathologen können sie darstellen, da die multivakuolären Hibernomzellen mit zentralem Zellkern im HE-Schnitt leicht mit echten Lipoblasten verwechselt werden können. Wegweisend für die richtige Diagnose ist das Fehlen von Kernatypien in den Adipozyten und das Fehlen spindelförmiger ein- oder mehrkerniger bizarrer Stromazellen. Beweisend ist das Fehlen der MDM2-Amplifikation, die das genetische Merkmal des atypischen lipomatösen Tumors/gut differenzierten Liposarkoms ist. Dieses kann immunhistochemisch oder mittels CISH-/FISH-Analyse nachgewiesen werden.
Korrespondenzadresse S. Zonnur Institut für Pathologie, Universitätsmedizin Rostock Strempelstr. 14, 18057 Rostock
[email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. S. Zonnur, C. Falkeis, G. Ondang, M. Weiner, H. Maier, A. Agaimy geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
Literatur 1. Dei Tos AP, Pedeutour F (2013) Atypical lipomatous tumour. In: Fletcher CDM, Bridge JA, Hogendoorn PCW, Mertens F (Hrsg) World Health Organization classification of tumours of soft tissue and bone, 4. Aufl. IARC press, Lyon, S 33–36 2. Furlong MA et al (2001) The morphologic spectrum of hibernoma: a clinicopathologic study of 170 cases. Am J Surg Pathol 25:809–814 3. Miettinen MM, Fanburg-Smith JC, Mandahl N (2013) Hibernoma. In: Fletcher CDM, Bridge JA, Hogendoorn PCW, Mertens F (Hrsg) World Health Organisation classification of tumours of soft tissue and bone, 4. Aufl. Lyon, IARC Press, S 31–32 4. Vassos N et al (2013) Deep seated huge hibernoma of soft tissue: a rare differential diagnosis of atypical lipomatous tumor/well differentiated liposarcoma. Int J Clin Exp Pathol 6:2178–2184
Pathologe 2015 · 36:394–396 DOI 10.1007/s00292-014-2065-1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 S. Zonnur · C. Falkeis · G. Ondang · M. Weiner · H. Maier · A. Agaimy
Riesiger lipomatöser Tumor der Adduktorenmuskulatur Zusammenfassung Tiefgelegene lipomatöse Tumoren des peripheren Weichteilgewebes der Extremitäten sind nicht häufig. Die meisten entsprechen atypischen lipomatösen Tumoren/gut differenzierten Liposarkomen. Selten können gutartige Fettgewebsgeschwülste wie subfasziale Hibernome eine extreme Größe erreichen, wobei dann insbesondere aufgrund ihrer tiefen Lage und einer heterogenen Textur in der Bildgebung das Risiko der Fehldeutung als Liposarkome hoch ist. Außerdem stellt das Hibernom aufgrund seiner Seltenheit und der morphologischen Erscheinung einen echten Fallstrick bei der histopathologischen Begutachtung von Biopsiematerial dar. Schlüsselwörter Liposarkom · Hibernom · Morphologische Erscheinung · Biopsiematerial · MDM2-Amplifikation
Huge lipomatous tumor in the adductor muscle Abstract Deep-seated lipomatous tumors of the peripheral soft tissue of the extremities are uncommon. The majority represent atypical lipomatous tumors or well-differentiated liposarcomas. On rare occasions benign adipocytic tumors, such as hibernoma may present as huge, deep-lying subfascial masses. As a consequence of the deep location and usually heterogeneous signal intensities in imaging, they are particularly at risk to be misinterpreted as liposarcomas on clinical grounds. Furthermore, the rarity and thus limited familiarity with the morphological appearance and spectrum still represent a pitfall for the histopathological assessment. Keywords Liposarcoma · Hibernoma · Morphological appearance · Biopsy material · MDM2 protein, human