Wie R/iuber ihre Beutetiere ausw/ihlen E. Curio* Arbeitsgruppe f/Jr Verhaltensforschung, Abteilung f/jr Biologie, der Ruhr-Universit~it, D-4630 Bochum

Some aspects of the general importance that studies ofprediation have for a quantitative approach to problems of evolution are outlined. A specific study permits one to assess the principles of prey selection in a stickleback predator molding adaptive swarm formation in prey. Another study demonstrates an innate rejection of diverse edible prey in certain individuals of a lizard predator. The latter results necessitate an explanation apart from the accepted theory of Darwinian selection.

Abgesehen v o n d e r auf den Menschen unmittelbar wirkenden Dramatik von Jagd, Abwehr und T6tung, kommt der Erforschung des Verhaltens eine wachsende Bedeutung f/jr unser Verstfindnis der Wechselwirkung von R/iuber und Beute zu. Verhaltensphysiologie und quantitative Evolutionsbiologie bem~chtigen sich zunehmend eines Themas, das lange Zeit eine Domfine von ()kologen wie Lotka und Volterra war. Der Jagderfolg einer Rfiuberart spiegelt direkt und zahlenm/iNg die Wirkung nat/jrlicher Selektion auf Beutetiere wider, so dab deren Feindschutzanpassungen erstmals quantitativ abschMzbar werden [5, 6, 21]. Die dem Erkennen von Raubfeinden zugrundeliegenden Wahrnehmungs- und Entscheidungsleistungen geh6ren zu den neuroethologisch [13] und verhaltenskundlich [8] am besten untersuchten komplexeren nachrichtenverarbeitenden biologischen Systemen. Entsprechendes gilt ffir das Beuteerkennen durch Rfiuber [13, 33]. Die mathematische Modellierung individuellen Beuteverzichts durch R/iuber f/jhrt zur Neubelebung der umstrittenen Frage, ob es neben der klassichen Individualselektion eine Gruppenselektion geben kann ([14, 26], Heller, in Vorber.). Die Entdeckung fakultativer Spezialisierung von Rfiubern * Vgl. auch E. Curio : The Ethology of Predation, Springer-Verlag 1976.

auf bestimmte Beutetiere zwingt dazu, bestehende Modelle der Nahrungswahl [12, 24, 25] grundlegend zu findern [9, 10]. Im folgenden sei exemplarisch dargestellt, welche evolutionsbiologischen Konsequenzen die Beutewahl zweier ganz verschiedener R/iuber hat.

Die Selektion gegen Sonderlinge durch R/iuber

Seit langem vermutet man, dab Rfiuber auf ihre Beutetiere dadurch vereinheitlichend wirken, dab sie von der ,,Norm" abweichende Sonderlinge ausmerzen. Lebt die Beute einzelgfingerisch, so k6nnte der Rfiuber Abweichungen vonder Norm durch aufeinanderfolgendes Vergleichen vieler Beuteindividuen feststellen. In der Tat schl/igt ein Buntfalke (Falco sparverius) von 10 ibm nacheinander gebotenen Labormfiusen die einzige farblich von den fibrigen neun abweichende bevorzugt [29]. Da ein Rfiuber bei simultaner Wahlm6glichkeit i.a. schfirfer vergleicht als bei dem gerade erwfihnten Sukzessivvergleich, kommt der Frage nach der Selektion gegen Sonderlinge bei gruppenbildenden Tieren besonderes Gewicht zu. Ist ein abweichend gef/irbtes Gruppenmitglied gegenfiber visuelljagenden Feinden st/irker gef~hrdet als die Mehrheit der Gruppenmitglieder? Wildlebende Habichte (Accipiter gentilis) erbeuten iiberzuf/illig hfiufig weil3e Haustauben aus einem /jberwiegend schwarzen Schwarm und umgekehrt [30, 31]. Solche Beutewahl scheint wiederum Selektion gegen Sonderlinge zu beweisen. Grunds/itzlich besteht aber in solchen F/illen die M6glichkeit, dab der Riiuber einen farblichen Sonderling auswfihlt, weil er schlecht getarnt ist [11, 34-36, 40], nicht weil er v o n d e r Mehrheit absticht. Denn der Schwarm k6nnte mit zum tarnenden Hintergrund geh6ren und nicht als einzelne Individuen gesehen werden [10, 20, 31]. Ein m6glicher Entscheidungsversuch lfige darin, einen gut getarnten Sonderling in einer

Naturwissenschaften 64, 575-578 (1977) 9 by Springer-Verlag 1977

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schlecht getarnten Gruppe der Bejagung auszusetzen. Wfirde er bevorzugt erjagt, so ware dies ein starker Hinweis auf Selektion gegen Sonderlinge als ein eigenes Auswahlprinzip des betreffenden RAubers. Ein zweiter Weg, die Frage der Selektion gegen Sonderlinge anzugehen, besteht darin, zu prfifen, ob r/iumlich von der Gruppe isolierte Artgenossen mehr Angriffe auf sich ziehen als die fibrigen beisammenbleibenden. Das Sonderlingstum bestiinde hier in rAumlicher Vereinzelung bei Gleichbleiben der fibrigen Beschaffenheit der Beutetiere [27, 28]. Hierzu wurde einem immer versuchsnaiven Dreistachligen Stichling (Gasterosteus aculeatus) die Wahl zwischen einem Daphnienschwarm (Daphnia magna) und zwei von ibm getrennten Wasserfl6hen in je einem R6hrchen nebeneinander geboten. (Aus Grfinden vergleichbaren Verhaltens mul3ten die vereinzelten immer zu zweit sein.) Dabei war der Abstand zwischen beiden Tiergruppen gr613er als der zwischen ihren jeweiligen Mitgliedern. Die Stichlinge ,,merzten" r/iumliche Sonderlinge bevorzugt ,,aus ~ indem sie auf sie mehr Angriffe richteten als gegen den Schwarm von mindestens 20 Tieren daneben. Da dem Angreifer nie eine Belohnung zuteil ward, wurde das Ergebnis im Freiwasserversuch tiberpriift. Tats/ichlich schnappten Stichlinge yon freischwimmenden Daphnien vereinzelte signifikant hAufiger, als es ihrem Anteil an allen vorhandenen entsprach. Das heil3t, unbelohnter Wahlversuch und erfolgreiche Freiwasserjagd lieferten vergleichbare Ergebnisse. Es stellte sich ferner heraus, dab der Stichling den Schwarm im G1/ischen nicht als untrennbares Ganzes sieht, er richtet n/imlich seine Schnapper auf dessen Einzeltiere; /ihnlich verfehlt er erreichbare Daphnien in dichteren Ansammlungen genauso wenig wie rAumliche Sonderlinge. Schwarmeigenschaften beeinflussen die Selektion gegen Sonderlinge (Fig. 1). Ein dichterer Schwarm gefAhrdet abgesprengte Tiere neben sich mehr als ein dfinnerer (vgl. S/iulen 1 mit 2 und 3 mit 4). Doch scheint auch die Kopfzahl (und/oder das Schwarmvolumen) mitzusprechen, wie der zwar nicht gesicherte, aber deutliche Anstieg der Gef/ihrdung der Sonderlinge neben dem 40er- verglichen mit dem 20erSchwarm andeutet. W/ire die Neigung von Beuteindividuen sich zu vereinzeln wenigstens teilweise erblich, so k6nnte der Selektionsdruck gegen r/iumliche Sonderlinge zur Evolution yon Schwarmverhalten ftihren. Eine bestehende Modellvorstellung fiber diesen Entwicklungsschritt setzt aber voraus, dab der RAuber die ihm nAchsten Beutetiere zuerst f/ingt. Folglich hAtten Randtiere eines Schwarmes~ weniger Feindschutz als Zentrumstiere. Die hierdurch gef6rderte Neigung, in die Mitte einer Ansammlung zu streben, wOrde zu immer engerem Zusammenschlul3 ffihren, d.h. auch zu Schwarm576

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[How predators select their prey].

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